(#. Fortsetzung)

(Nachdruck verboten)

Auf dem weitausgedehnten Flugplatz von Chikago herrscht Hochbetrieb. Start- und Lan- deflaggen heben sich und senken sich, Maschi­nen aller Typen schweben ein, andere werden von donnernden Motoren über den ersten Häusern der Stadt emporgerissen und ver­schwinden in der niedrigen Wolkendecke.

Mit geschickten Händen hat Bob Ashley das schnittige Kabinenflugzeug startfertig gemacht. Eine halbe Stunde lang schaut Lissy ihm nun schon zu, und ihr kommt auch nicht im ent­ferntesten der Gedanke, daß dieser sympa­thische junge Mann zu etwas anderem als zum Flieger geboren sein könnte. Dann taucht in der Kurve der breiten Ringstraße der bekannte dunkle Reisewagen auf.

Mr. Ashley packt seine Werkzeuge zusam­men und wäscht sich die ölverschmierten Hände in einem Eimer mit Reinigungsbenzin. Längst hat Lissy ihr kleines Köfferchen im Innern verstaut, denn sie kann den Abflug kaum erwarten.

Sie ist beinahe ärgerlich, daß Vater nun noch beginnt, dem Piloten genaue Anweisungen zu geben.

Sie fliegen bis Kentucki und biegen dann nach Südwesten ab. Wenn in der Nähe der Werke ES, das Erkennungssignal, verlangt wird, dann antworten Sie unverzüglich! Sind mächtig mißtrauisch, die Herren dort drüben, und fackeln nicht lange!

O. k., Chef, war lange genug Kampfpilot, um zu wissen, wie blaue Bohnen von unten schmecken.

Wir fliegen wahrscheinlich erst morgen, Sonntag, zurück. Sie übernachten im großen Unterkunftsgebäude. Besucher dürfen sich nachts nur dort äufhalten. Langweilen werden Sie sich hoffentlich nicht.

Der Angeredete lüftet mit einem Finger seine Kappe und kratzt sich dann mit etwas verlegener Miene hinterm Ohr:Langeweile werde ich kaum haben, wenn ich in Ruhe lesen und schreiben kann. Das wird allerdings ln einer Massenunterkunft schlecht möglich sein, schätze ich. In solch einem verflixten Nudeltopf kann ich auch nicht einen klaren Gedanken fassen.

Wollen sehen, was sich tun läßt, entgeg- nete der Professor mit nachdenklichem Wie­gen des Kopfes,vielleicht' gelingt es mir, Ihnen ein Einzelzimmer zu verschaffen.

Mit wenigen Griffen sind die letzten Vor­bereitungen getroffen, die Plätze eingenom­men. Lissy sitzt neben ihrem Vater und mit verwundertem Erstaunen beobachtet sie, wie Mr. Ashley, den sie bisher als guttrainierten Sportsmann einschätzte, gleich einer lahmen Ente in seinen Führersitz kriecht. Als wenn er sich auf Eier setzt, denkt sie. Dabei sollte der Sitzfallschirm doch weich genug sein!

Dann ist es so weit. Ein kurzes Rollen, Flag­genwinken, letztes Kopfnicken zum Startleiter und in rasender Fahrt hebt sich der Vogel vom Boden ab. Fünf, zehn, zwanzig Meter. Wie graue Schatten huschen die Hallen unter den Flächen vorbei, und dann nimmt die feuchte Waschküche der Wolkendecke die Ma­schine auf.

Oh, Mr. Ashley hatte schon seinen Grund, als er sich mit aller Vorsicht auf denFall­schirm setzte! Die vier oder fünf Quadrat­meter gewöhnlicher Seide, die der viereckige Leinenbeutel enthält, haben mit einem Fall­schirm nicht das mindeste zu tun. Sie dienen nur zur Umhüllung einer vollständigen Mon­teurausrüstung, geschmeidige Turnschuhe und einigenHandwerkzeuges. Darunter befinden sich zwei Dinge, die Lissy noch nie in ihrem Leben sah. Das eine ist weder eine Taschen­lampe noch ein Fotoapparat, hat aber mit bei- dem gewisse Aehnlichkeit. Das andere ist ein kompliziertes Ungetüm von Brille, die aller­dings dem Aussehen nach weniger der Praxis als höchstens dem krausen Hirn irgendeines technisch belasteten New Look-Modekünstlers entsprungen zu sein scheint.

In knapp zwei Stunden bewältigt das Flug­zeug den etwa sechshundert Kilometer langen Luftweg von Chikago nach den Werken in Tennessy. Die letzten Minuten vor der Lan­dung nehmen alle Aufmerksamkeit des Piloten in Anspruch. Dann ist es geschafft. Vom Roll­feld geht es direkt zur Gepäckkontrolle. Kof­fer und Taschen werden genau untersucht, doch um die Fallschirme, die ein rechter Flie­ger nie unbewacht im Flugzeug läßt, kümmert sich niemand.

Auf dem Wege zur Unterkunft gibt es dann noch eine Begegnung. Schon von weitem macht Tom Brandley sich durch lautes Rufen und heftiges Winken bemerkbar. Er hat Vater und Tochter längst erkannt, als sie ihn noch gar nicht beachteten.

Tom, eigentlich Dr. Brandley, ist ein alter Schüler des Professors, doch nun schon lange in Amt und Würden. Er ist sowohl mit Lissy als auch mit ihrem Verlobten befreundet; doch man hat sich einige Zeit nicht gesehen.

In der Geschäftshalle der Flugleitung ver­abschieden sie sich einstweilen. Der Professor muß ins Büro, um das Einzelzimmer für Mr. Ashley zu besorgen. In der Tür dreht er sich nicht einmal um, denn Tom Brandley kann sich anscheinend gar nicht losreißen. Bis jetzt hat der Professor ihn auch wenig beachtet, zum mindesten, was das Verhältnis zu Lissy betrifft. Doch heute wurde er stutzig. Sollte sich bei einem Mann dieses Alters hinter sol­cher Art, sich zu geben, nicht mehr verbergen als bloße Alltagsbekanntschaft?

Lissy hat sich eben zum Fenster gewandt und Tom steht halb hinter ihr. Fasziniert, mit ein wenig vorgeschobenem Kopf, umfassen seine Blicke ihre sportliche Figur. Sein Ge­sicht, dem Professor gibt es einen Stich durchs Herz, denn er kann es in dem grell herein­flutenden Licht der großen Fenster genau er­kennen, hat den wild begehrenden, hemmungs­losen Ausdrude eines ja, eigentlich könnte nur ein Sittlichkeitsverbrecher sein Opfer in so unbeherrschter Gier anstarren!

Ahnungslos wendet Lissy ihr Gesicht dem Manne wieder zu, und dem Vater verschlägt

Agent Asley in Halle 14

es den Atem. Im Augenblick ist dessen Miene völlig verändert: mit seinem gewohnten, ver­bindlichen Lächeln verabschiedet er sich nun endgültig von ihr.

Das ganze Schauspiel hat nur Sekunden ge­dauert. Doch dem Professor schlägt das Herz vor Erregung im Halse. Er fühlt, was seinem einzigen Kinde hier droht, denn er hat Tom Brandley durchschaut. Mit einem Ruck strafft sich seine Gestalt, er beißt die Zähne zusam­men, daß die Kieferknochen stark hervortre­ten, und zieht die Tür hinter sich zu.

*

Halle XIV ist seit einigen Wochen das be­sondere Sorgenkind des Ingenieurs Dr. Fou- cault. Seit Monaten schon wurden Maschinen­teile in stabilen Kisten hier abgeladen. Wo­chenlang wurde gehämmert, genietet, montiert. Wie riesenhafte Tonnen erheben sich die bei­den mattglänzenden Autoklaven in der Mitte des großen Raumes. Ein Gewirr von Leitun­gen und Röhren verbindet sie mit Schalttafeln, Generatoren und Druckluftmaschinen. Rings­herum ziehen sich die Platten starker Magnete und Isolatoren. Kräftige Schutzgitter halten die Männer aus dem Wirkungsbereich einer schädlichen Strahlung. In diesen starken Druckkesseln wird mit Hilfe mehrerer Tau­sende von Hitzegraden eine neue Modifikation des Plutoniums erzeugt. Mit fachmännischem Blick überfliegt der Professor die Anordnung der Geräte.

Gestern fiel der Probelauf zu vollster Zu­friedenheit aus. Wir können stündlich fast 25 Gramm des Elements gewinnen, erläutert Ingenieur Dr. Foucault.Allerdings müssen wir die Autoklaven abwechselnd stündlich aus­schalten. Der Materialverschleiß bei so großer

Hitze und dem Druck von 4650 at ist leider sehr stark.

Was soll dieser Mauerdurchbruch dort un­ter der Decke? erkundigt sich der Professor und weist auf ein kreisrundes Loch von viel­leicht einem Meter Durchmesser an der Längs­wand.

Beim Auswechseln der Elemente entstehen viele schädliche Dämpfe. Wir sind gezwungen, eine Reihe von Ventilatoren dort einzubauen, die die Gase durch weite Rohre ins Freie saugen.

Nun wendet der Professor sich dem Auto­klaven zu, dessen Oberseite durch Lösen des Verschlußdeckels freigelegt ist. Mehrere Dut­zend langer Schrauben liegen in einem Werk­zeugkasten bereit. Der Professor greift eine heraus, und es kostet ihn offenbar einige Mühe, sie mit der Hand zu halten.

Verwundert betrachtet er sie von allen Sei­ten. Dann holt er ein kleines Federmesser hervor und beginnt an dem Material herum­zuschaben. Hellglänzende Streifen zeigen sich dort, wo die scharfe Klinge über das Metall fährt.

Soll dieses Material etwa 4650 3 t aushal- ten? wendet er sich mit ungläubiger Miene an den Doktor, der sich am Eingang mit Lissy unterhält. Schnell kommen die beiden näher:

Seien Sie ums Himmels willen vorsichtig! Von dem Metall darf kein Gramm verloren­gehen, ruft er bestürzt.Der Druckkörper befindet sich innen und ist natürlich aus Edelstahl. Die Außenhülle, der Tamper, be­steht aus einer -besonderen Legierung, die nur die Aufgabe hat, freiwerdende Neutronen zu absorbieren oder wieder ins Innere zu re­flektieren. Das Metall ist weich wie Blei und wertvoller als Gold, weil es erstens furchtbar teuer und zweitens streng geheim ist. Wir können die Autoklaven nicht betreiben, wenn wir diese Schutzhülle nicht haben.

Nun mischt sich auch Lissy ins Gespräch: Wofür braucht Ihr denn das Element, das hier erzeugt wird?

Das Material ist der Hauptbestandteil un­serer Klimawaffen. Es bewirkt, in gasförmi­gem Zustand von Flugzeugen abgeblasen, die sofortige Vereisung des gesamten Wasserge­halts der Luft oder der Wolken.

Dann könnt Ihr es also schneien und ha­geln lassen, wann und wo es Euch beliebt?

Hagel ist gut, erläutert nun der Profes­sor mit skeptischem Gesicht,soweit meine Informationen reichen, und ich weiß noch lange nicht alles, haben diese Hagelkörner ein Gewicht von ein bis zwei Kilogramm, wenn sie die Erde erreichen."

Das sind ja richtige Hagelbomben! Die schlagen ja alles kurz und klein! ruft Lissy entsetzt.

Wir wollen hoffen, daß sie niemals für kripg^-^phe Zwecke benutzt zu werden brau­chen. Auf jeden Fall bitte ich dich, strengstes

Stillschweigen über alles zu bewahren, was du hier siehst. Aber das ist ja wohl selbstver­ständlich, beendet Dr. Foucault das Ge­spräch.

Dann gehören also die nächsten zwei Stun­den Euch, und anschließend sehen wir beide uns beim Versuche hier wieder. Damit schiebt der Vater die Verlobten vor sich her und ge­meinsam verlassen sie die Halle.

Sorgfältig wird die Tür hinter ihnen ver­schlossen, und durch eine elektrische Vorrich­tung setzt der Sicherheitsposten die Strahlen­anlage in Tätigkeit.

Unter allen sechsundzwanzig Werkshallen ist Halle XIV die einzige, die auch am Tage auf diese Art gesichert wird. Ein rotes Si­gnallämpchen in Augenhöhe leuchtet auf und zeigt an, daß der Türrahmen jetzt von den tödlichen Strahlen bestrichen wird.

Im Unterkunftsgebäude trifft Professor Oienhigh seinen Piloten und benutzt die Ge­legenheit, ihm sein Zimmer zu zeigen. Es liegt gleich neben dem Gepäckraum in Hoch­parterre und ist nur durch eine Wand von dem, das er selbst bewohnt, getrennt.

Hier können Sie Ihre Bücher studieren, solange es Ihnen Spaß macht! Es stört Sie bestimmt niemand. Drüben liegen die Kof­fer aller Gäste, die aus Sicherheitsgründen nicht mit ins Werk genommen werden dür­fen, und auf der anderen Seite wohne ich. Klavierspielen ist meine schwache Seite, er­klärte er mit lachender Miene dem um seine Ruhe Besorgten, dann wendet er sich zum Gehen.

*

Mitternacht ist eben vorüber. .

Leise, mit katzengleicher Geschmeidigkeit erhebt sich die dunkle Gestalt des Pilotei} von seinem Lager. Mit tastenden Griffen sucht er die Nachtlampe und schraubt die Birne fest. Grelles Licht durchflutet das Zimmer, ohne daß auch nur das leiseste Knacken des Schalters ihn verraten könnte. Mit geübten Griffen löst er die Schnüre seines Fallschirms und entnimmt dem Paket seine dunkle Lei­nenkombination. Bald hat er sie übergestreift. Eng anschließend schmiegt sie sich an seinen Körper. Nun streift er eine kleine Lederkappe über das Haar, zieht die Turnschuhe an und entnimmt einem gepolsterten Lederfutteral seineBrille. Diese gehört neben einer Ul­trarotlampe zum wichtigsten Teil seiner Aus­rüstung; denn die Lampe und das kompli­zierte Sehinstrument gehören zusammen. Die ultraroten Wellen des Strahlers erzeugen ei­nen unsichtbaren Lichtschein, den kein menschliches Auge wahrnimmt. Nur wer die Brille trägt, um den wird es auf diese Weise Tag, wo für jeden anderen schwärzeste Fin­sternis herrscht. Mr. Ashley kann sich im Dunkeln bewegen, kann jeden Gegenstand seiner Umgebung erkennen, ohne selbst ent­deckt zu werden. Den letzten Teil der Aus­rüstung stellt eine zweiteArmbanduhr dar, die er sich nun ums rechte Handgelenk itchnallt. In ihrem Gehäuse ist der Mechanis­mus eines winzigen Miniaturfotoapparates verborgen.

Geräuschlos öffnet er das Fenster, läßt sich am Gesims hinunter und steht, lauschend an die Hauswand geschmiegt. Kein Stern ist zu sehen. Schwarze Wolken hängen tief über den Straßen und ein feiner Sprühregen be- näßt die Haut. Mit wenigen Griffen ist der Ultrastrahler eingeschaltet, und er rückt die Brille zurecht. Dann geht er mit elastischen Schritten über den Vorplatz zu der manns­hohen Mauer hinüber, die das Werkgelände vom Flugplatz trennt.

Zuerst sichert er nach allen Seiten, und diese Vorsicht ist nicht umsonst. Kaum zwan­zig Schritt vor ihm steht an der breiten Durchfahrt eine Doppelstreife. Ahnungslos lehnen die Männer an den Pfosten und sind in ein leises Gespräch vertieft. Nun, das ist keine besondere Gefahr.

Mit geschicktem Griff schwingt er sich über die Mauer, und dann bewegt er sich im Schat­ten einer frisch angelegten Baumallee zu den ersten Gebäuden hinüber. Die roten War­nungslampen neben den Toren leuchten für ihn mit besonders eindringlicher Helligkeit. Er ist sich der Worte des Professors wohl be­wußt und wird sich hüten, einer Gefahr auf so billige Art in die Arme zu laufen. Schon hat er die ersten Verwaltungsgebäude hinter sich gelassen und bewegt sich lautlos, ein kaum erkennbarer Schatten im Dunkel der Nacht, auf das Geviert der Werkhallen XII XIV zu. Gerade Halle XIV. die im Gespräch des Chefs mit seiner Tochter mehrmals er­wähnt wurde, glaubt Bob Ashley einer be­sonderen Beachtung wert. Immer wieder muß er stehenbleiben und mit angehaltenem Atem einzelne Streifen in oft nur zwei Metern Ent­fernung an «ich vorüberz''chcn lassen. Dann ist er am 'Ziel. (Fortsetzung folgt)

Zeichn.: Fritz Springer

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