S 9 5. n. Trinitatis M 10 7 Brüder D 11 Rahel, Pius 1. M 12 Joh. Gualb.

D 13 Heinrich F 14 Alfred, Bon.

S 15 Heinrich

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ILLUSTRIERTES WOCHENBLATT

Nr. 28 / 2. JAHR / 9. JULI 195 0

Reiselied

So ruhig geh ich meinen Pfad, so still ist mir zumut, es dünkt mir jeder Weg gerad und jedes Wetter gut.

Wohin mein Weg mich führen mag, der Himmel ist mein Dach, die Sonne kommt mit jedem Tag, die Sterne halten Wach.

Und komm ich spät und komm ich früh ans Ziel, das mir gestellt:

Verlieren kann ich mich doch nie, o Gott, aus deiner Welt.

Joseph von Eichendorff

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Dreimal reisen

Eine Reise muß man dreimal tun. Das erstemal auf der Landkarte und im Reiseführer. Das zweitemal mit der Eisenbahn, dem Auto, dem Fahr­rad oder dem Dampfer. Das dritte­mal auf den erbeuteten Photogra­phen und Postkarten.

Landkarten sind nach dem Lexi­kon die möglichst ähnlichen Bilder der Erdoberfläche oder einzelner Teile derselben, durch Zeichnung in einer Ebene dargestellt. Für den Ver­reisenden aber sind sie Jahrmärkte; der Phantasie. Er sieht beim Gleiten des Fingers auf dem grünblau be­druckten Papier den Landsteg nach Sylt, die Landungsbrücken in Ham­burg, den Dom in Köln, den Mäuse­turm in Bingen, die Barockkirche auf Mainau, die Pinakothek in Mün­chen, die Talsperre am Edersee und

Mit Schwarzwald, Alb und Bodensee konkurrieren als (Jilaubsziele die Berge

Aufnahme: Näher

TRAUM EINES REISEBÜRO-LEHRLINGS

das Schloß Wilhelmshöhe bei Kas­sel Er schlägt seine Bücher dazu auf und erfährt, daß das Hermanns-Denk­mal von Bändel erbaut wurde und 57 Meter hoch ist, daß Annette von Droste-Hülshoff 1841 nach Schloß Meersburg zog. daß das Ulmer Mün­ster die zweitgrößte Kirche Deutsch­lands ist und den höchsten Kirch­turm der Welt hat, und daß in der Ahr kleine Fische gefangen werden, d'e .Rümpchen heißen.

Das ist seine erste Reise. Sie kann ein halbes Jahr lang dauern, und nachher weiß er nicht genau, ob das nicht die schönste Reise von den dreien war.

Die zweite Reise beginnt auf dem Bahnsteig. Ein Mann ruftHeiße Würstchen aus. Die Lokomotive schnauft wie ein Ungeheuer und wirkt auch so. Weiter drüben um­schlingen die Schienen einander. In

Ich kenne alle Häfen am Atlantik Von A bis Z.

Und ich verkaufe täglich die Romantik Als Schiffs-Billett.

Ich hab das Glück auf meinem Schreibtisch liegen, Das sind die Tickets für die ganze Welt.

Die kann natürlich nur ein Reicher kriegen Ein kleiner Lehrling hat dafür kein Geld!

Ich kenne alle Orient-Prospekte Und jeden Staat.

1 ch höre täglich Wünsche und Projekte Und gebe Rat.

Ich möchte selber an den Schalter gehen Und sagen:Schnell! Ich habe nicht viel Zeit!

Ich möchte gerne selber vor mir stehen Und schnarren:Zwoter Klasse nach Port Said!

Ich bin der Baedeker von unsrer Firma Und weiß genau:

Die Erste Auskunft, nämlich Fräulein Irma,

Ist halb so schlau!

Doch ist mein ganzes Wissen nicht bloß ProsaI Ich hätte gerne echte Poesie!

Ich kenn die Welt von Bombay bis Arosa Und kenne sie nur aus der Theorie . . .

Wenn ich erst reich bin, fahre ich nach Birma Und Haiti.

Kühl sage ich zu Chef 'und Fräulein Irma: Zwo Erster, Sie!

Dann werdet ihr vor Wut die Platze kriegen! Der Lehrling reist! Macht euren Dreck allein! Und wenn der Chef brüllt:Menschenskind, Sie fliegen!;

Dann sag ich:Klar! Per Flugzeug an den Rhein!!

OLF WEDDY-POENICKE

...

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einer Gruppe junger Menschen spielt jemand Laute. Eine Dame tut unge­rührt und versucht, auf den hohen Trittbrettern eine gute Figur zu machen. An einem Fenster steht ein Kind und fragt die Mutter aus.

Der Zug rafft die Leitungsmasten

Kofferpacken ist eine Kunst

Kofferpacken ist eine Kunst, die Kammerzofen mit Vollendung be­herrschen. Es wird also nichts an­deres übrig bleiben, als Mademoi­selle Thomet um Rat zu fragen. Sie hat in ihrem Leben für manche Dame der großen Welt die Koffer gepackt und tut es jetzt für Lady Rothermere. Sie spricht also aus rei­cher Erfahrung.

Wenn ich für eine kurze Reise packe, kommt alles in einen Koffer. Ich sammle sämtliche Sachen auf ei­nem Bett oder in seiner Nähe. Be­vor ich etwas einpacke, streiche ich es auf einer Liste ab, um zu sehen, ob auch alles mitkommt. Dieses Sy­stem empfehle ich jedem Ferienrei­senden.

Zuunterst kommen Schuhe, Bü­cher, Fotoapparat und überhaupt alle schweren Dinge in den Koffer, dann Stricksachen und Handtücher, danach Unterwäsche, Taschentücher, Morgenrock, als nächstes Röcke und Kostüm und ganz oben die dünnen Kleider. Jede Lage wird vorsichtig für sich gepackt, jede muß glatt und gleichmäßig sein.

Zum Packen brauche ich stets ei­nen Haufen Seidenpapier. Ich lege zusammengeknüllte Servietten oben in die Aermel und zusammengefal­tetes Papier in die Kleiderfalten. Auch zwischen die einzelnen Kleider kommt Papier, denn es ist nicht gut, wenn sich die verschiedenen Stoffe und Farben aneinander reiben.

In die Schuhe kommen Leisten, Seidenpapier oder zusammengerollte Strümpfe. Viereckige Tücher mit Band sind besser zum Einschlagen der Schuhe als ein Schuhbeutel, in dem sie sich aneinander reiben kön­nen. Handtaschen, die eingepackt werden, sollen auch eine Schutzhülle haben, damit sie keine Schrammen bekommen. Und dann: Alle Flaschen mit Inhalt besonders sorgfältig ver­schließen und einpacken!

Schließlich ist es wichtig, daß man sich zur Regel macht, jeder Sache im Koffer ihren bestimmten Platz zu geben, wenn man ihn oft aus- und wieder einpacken muß. Man braucht dann nicht lange danach zu suchen und dabei alles durcheinan­der zu werfen.

zu einem Gitter. Wiesen schieben sich vorbei. Ein Waldrücken wellt vor­über. Es ist ein Film von Landschaft, von keiner Optik getrübt. Nur das Auge trinkt, erst durstig, dann zu­frieden, dann in satter Wohligkeit. Es wundert sich, daß es von keinem Schreibtisch und keiner Werkbank gequält wird.

Auf einer Reise soll man sein eige­nes Gegenteil sein. Deshalb tragen die Norddeutschen in Bayern kurze lederne Hosen und die Bayern an der Nordsee lange und weiße. Wer sonst früh aufsteht, schläft lange. Und wer sonst bis Mittag dem Fe­derball die Freundschaft hält, tritt schon morgens in den Tau, sieht zu, wie die Sonne die Weltkulissen ver­schiebt und bewacht den Schlaf des Vogelliedes.

Die dritte Reise findet statt, wenn man sich gewundert hat, wie wenig inzwischen daheim passiert ist, und wenn man dem Nachbarn nicht mehr grollt, weil er nicht ein­mal nach den grandiosen Reiseerleb­nissen gefragt hat, wenn man wie­der Tritt oder auch Trott gefaßt hat.

Dann geben die Fotos der Erinne­rung ein paar Stützen und führen das Gespräch. Von dem netten Ban­kier werden wir erzählen und von dem Fräulein im roten Pullover, das abends Lieder sang. Wir werden den Wirt loben und seinen Wein bekrit­teln. Wir werden den hohen Wald­zug ins Auge zaubern oder den

Geruch des Meeres noch spüren.

Dreimal haben wir uns dann ge­wandelt und jedesmal war eine an­dere Schicht unseres Fühlens am Licht. Wir haben vor der Sonne die Arme gebreitet, wir haben im Glei­ßen des Mondes geträumt, wir haben die Berge bestaunt und die Flüsse bewundert, und wir sind fromm und dankbar geworden, weil uns so vie­les bereitet wurde. Gustav Lübbe

Endlich l/rlaub

Nun ist es soweit. Der Chef hat deinen Antrag unterschrieben, der Urlaub ist genehmigt. Deinen Schreib­tisch hast du aufgeräumt, die Blei­stifte haben lange Zeit ihre Ruhe, die Stempel sind gut verwahrt, die Schreibmaschine ist eingeschlossen. Ein letzter Händedruck der Kollegen und du gehst mit einem tiefen Atem­zug und einem Herzen, das ganz leicht geworden ist, aus dem Haus.

Und nun kommen alle die Vorbe­reitungen, das Ueberlegen, das Ein­käufen, das Packen der Koffer und zuletzt all die Abschiede. Nicht nur von den Menschen deiner Um­gebung, auch von den tausend klei­nen Dingen deines Alltags, von de­nen du dich ja freiwillig loslösen willst, um ein Weilchen ein anderer Mensch zu sein. Von der kleinen Stadt mußt du dich trennen, von deiner engen Straße und zuletzt von deiner Stube, deren Türe du mit ei­nem langen Blick zum letztenmal schließt. Und diesen letzten, warmen Blick nimmst du unweigerlich mit in die Feme, ob du willst oder nicht.

Und dann wandelst du irgendwo, in leichten, frischgewaschenen Klei­dern unter Tannenbäumen oder un­ter Linden, zwischen Rosenhecken, zu Füßen eines Berges oder an den Ufern eines Sees oder, wenn du viel Glück hast, unter Palmen irgendwo, wo die Sonne am schönsten sein soll. Unter ganz anderen Menschen. Das wolltest du ja so. Dich einmal los­lösen von all dem, was zum Alltag gehört. *

Die Tage fließen dahin. Neues stürzt über dich, Frohes, Gutes, Son­nentage, Badetage, stille Regentage, Ruhe, Ruhe für deinen müden Kör­per. War es denn wirklich nur dein müder Körper, der dich in die Feme getrieben hat? War es nicht viel­mehr deine müde Seele? Hattest du nicht etwas gesucht, was man nir­gends auf der Welt findet? Eines Ta­ges merkst du, daß der Himmel hier derselbe ist wie in der kleinen Hei­mat, der du entronnerf bist.

Das Leben geht in jeder Stadt, wo du auch bist, seinen gewohnten Weg und die Menschen sind überall die gleichen: Es gibt solche und solche. Und du weißt mit einemmal. daß nirgends das Glück allein zu Hause ist, daß alle Menschen dieselben Sor­gen haben wie du selbst und das söhnt dich ein kleines bißchen mit deinem Leib aus, von dem du immer meinst, daß es das größte sei. Diese Erkenntnis macht dir eines Tages die Rückkehr in den Alltag leichter.

Eines Tages bist du wieder zu Hause. Du hast das Glück nirgends gefunden, aber dein Körper ist aus­geruht und du hast etwas mitge­bracht in deinem Herzen: die Er­kenntnis, daß du nicht loskommst von einem Leben, das du dir ja selbst geschaffen hast, und von dei­nem Alltag mit all seinen Sorgen und seiner Mühe und seinem Kampf.

Tricks für Anhalter

Trampen mit ä sagt man in Deutsch­land, wenn man eine gewisse auslän­dische Patina erworben hat. Das Wort hat den Geruch der Landstraße, von schlechtem Wetter, langem Warten und Fernlastzügen. Es ist eine männliche Art des Reisens.

Per Anhalter bedeutet dasselbe, aber diesmal ist es mehr für die weiblichen Zunftgenossen geeignet. Für jene Da­men, die mit einem flatternden Tüch- lein allein und hilfsbedürftig an der Ausfallstraße vor der Stadt stehen.

To hitch hick heißt es in England; da es ein Slangausdruck ist, kann man es nicht übersetzen. Dort ist es die übliche Reiseart für Schüler und Studenten, auch für solche, die einen zahlungsfä­higen Vater haben

Al Mezzo di Fortuna, mit den Mit­teln des Glücks, nennen es die Italie­ner. Und diese Umschreibung einer südlich-frohen Phantasie läßt uns an flimmernde Olivenhaine und leuchtende Apfelsinen denken. Es läßt die glück­liche Seite des Vagabundentums ahnen. Doch in allen Ländern ist die Technik

dieser Reiseart gleich. Folgende Punkte sind zu beachten:

1. Man nehme nur wenig Gepäck mit und fahre nur bei schönem Wetter, denn Regen und Sturm beeinträchtigen die Bereitschaft des Autobesitzers zum Anhalten.

2. Man sei am besten ein weibliches Wesen, um dem Fahrer die Möglich­keit zu geben, seine Anlagen, die er zum Kavalier und Beschützer hat. unter Be­weis zu stellen.

3. Man ziehe sich recht hübsch an urd nehme ein flatterndes rotes Tiichlein in die Hand. Bei den Chinesen ist Rot die Farbe des Glücks. Bei uns im Grund auch, denn Liebe und Hilfe, die uns das Rot bringen soll, sind eine Auswirkung des Glücks.

4. Man stelle sich allein auf, damit der Scharm recht konzentriert wirken kann.

5. Und dann sei man fest überzeugt,

daß das Auto halten wird. Wenn trotz­dem das Auto vorbeifuhr, verliere man nicht die Hoffnung, daß die Räder des Glücks bald rollen werden. V. F,