& Jahrgang

Freitag, 7. Juli 1950

Nummer 103

Heiligt der Zweck die Mittel?

Gedanken zu einer Pressekonferenz über den Kredit an Fritz Kiehn

o.h.Wenn ich wieder vor die Frage gestellt würde, ob ich dem Kredit an Kiehn zur Ket­tung der Chiron-Werke zustimme, so würde ich es genau so wieder tun, wie ich es ge­tan habe. Denn das wichtigste war, daß die 350 Arbeitsplätze in Tuttlingen erhalten wur­den. So etwa lauteten die entscheidenden Sätze in einer Pressekonferenz, die Staats­präsident Dr. Gebhard Müller zu der Frage des Millionenkredites an den Inhaber der Efka-Werke in Trossingen abhielt. Er hat seine Stellungnahme mit vielen Gründen be­legt, die sich im wesentlichen mit den bisher bekanntgegebenen decken, wenn sie auch in manchen Einzelheiten noch Ergänzungen brachten.

Es sind etwa folgende Gründe für das Ka­binett maßgebend gewesen: Die Chiron-Werke standen vor dem Konkurs, der mindestens auf Monate hinaus 350 Arbeiter mit ihren Fami­lien brotlos gemacht hätte. Zur Zeit der Kre­ditverhandlungen waren keine anderen Käufer da, obwohl die Staatsregierung sich um solche mit allen Kräften bemüht hat. Der Kredit wurde ferner von ganz bestimmten Bedin­gungen abhängig gemacht, von denen wesent­liche durch den Betriebsrat und die Gewerk­schaften gestellt worden sind. Sie zielten auf die Erhaltung aller vorhandenen Arbeits­plätze, auf die mögliche Schaffung von neuen und auf die Sicherung der bisherigen Lohn­höhe aller Arbeiter und Angestellten. Sie schlossen die Uebemahme anderer Fertigun­gen in die Chiron-Werke nicht aus, ja solche wurden von vornherein als wünschenswert bezeichnet, um das Unternehmen krisenfester zu machen. Der Kredit ist dinglich einwand­frei gesichert. Es besteht nicht die geringste Gefahr, daß das Geld verloren gehen könnte. Bei der Hergabe des Kredites wurde nicht eine einzige Unkorrektheit begangen. Man kann auch nicht von irgendeiner Korruption sprechen. Der Aeltestenrat des Landtags ist zweimal gehört worden und hat einstimmig zugestimmt. Die politischen Bedenken gegen den Kreditnehmer Kiehn mußten zurückge­stellt werden, wenn man die Chiron-Werke retten wollte.

Der Staatspräsident hat dann das durch den Kredit Erreichte herausgestellt: Die Ar­beitsplätze sind in vollem Umfang erhalten geblieben, ja, es sind sogar neue geschaffen worden (wobei allerdings die in der Presse­konferenz genannten Zahlen nicht ganz mit den Angaben des Tuttlinger Arbeitsamtes übereinstimmten, was aber möglicherweise auf einem Irrtum beruht). Die Löhne wer­den in der bisherigen Höhe bezahlt, neue Fertigungen laufen an. Die Einhaltung der Bedingungen wird überwacht und der Kre­dit ist nachweislich auf Heller und Pfennig nur für die Erhaltung der Chiron-Werke aus­gegeben worden. Die erste Rate wird dem­nächst an den Staat zurückgezahlt werden. Die bisherigen Presseveröffentlichungen be­deuten eine Gefahr, da die Ablösung des staatlichen Wechselkredits durch einen Ban­kenkredit in Frage gestellt worden ist.

In diesem Zusammenhang wurde in der Pressekonferenz von einem Teilnehmer, auch in einer Zeitung ist das geschehen, auf die Möglichkeit hingewiesen, daß es sich bei den Presseveröffentlichungen gegen den Kiehn- Kredit im letzten um eine von einer ganz bestimmten Stelle den Zeitungen nahegelegte Aktion handeln könne. Wir geben offen zu, daß uns gewisse Vorgänge, die nachträglich zu unserer Kenntnis gekommen sind, auch nicht gefallen. Wir betonen aber ausdrücklich und mit aller Entschiedenheit, daß die Re­daktion sich frei weiß von irgendwelchen derartigenAnregungen, daß sie auch nicht indirektferngelenkt worden ist oder wird. Sie würde es mit aller Schärfe zurückweisen, wenn versucht würde, sie aus ganz anderen, uns im letzten nicht bekannten Gründen zu veranlassen, der Regierung von Württemberg- Hohenzollern durch bestimmte Veröffentli­chungen Schwierigkeiten zu machen. Die Re­daktion hat vielmehr die ganzen Dinge um den Kiehn-Kredit, die ihr auch noch nach den Erläuterungen des Staatspräsidenten keines­wegs gefallen, von sich aus aufgegriffen und aus ehrlicher Ueberzeugung dazu Stellung ge­nommen. Die Pressekonferenz hat manche rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme der Kredithergabe geklärt. Aber auch so ist noch der eine oder andere Punkt aufklärungsbe­dürftig. Wir haben uns lange überlegt, ob wir nicht den Fall Kiehn nun auf sich beru­hen lassen sollen, um nicht im leisesten in den Verdacht zu geraten, das politische Ge­schäft anderer Leute zu besorgen. Wenn wir doch noch einmal ausführlich zu dem Fall Stellung nehmen, so geschieht es deshalb, weil eben die grundsätzlichen Bedenken, die wir in Nr. 98 vom 28. Juni vorgebracht ha­ben, uns auch jetzt noch nicht in vollem Um­fange ausgeräumt erscheinen. Und es kommt uns schließlich darauf an, zu erreichen, daß in Zukunft bei solchen schwierigen Kredit­fragen alles getan wird, um zu vermeiden, daß sie mißdeutet werden können.

Wir sind die letzten, die etwa den Arbei­ter in den Chironwerken in Tuttlingen nicht verstehen würden, der sagt:Was schiert mich und meine Familie das Drum und Dran, wenn ich nur weiterhin meinen Lohn gesi­chert bekomme. Mag Herr Kiehn politisch nicht einwandfrei sein, und mag er in der Praxis seine wirtschaftliche Machtstellung als Zigarettenpapier-Hersteller durch den Kredit des Staates noch gefestigt haben, mir hat er jedenfalls meinen Arbeitsplatz erhalten. Und dafür bin ich auch der Staatsregierung dank­bar. Eine solche Stellungnahme wäre wahr­scheinlich die eines jeden von uns, wenn er im Chiron-Werk tätig wäre.

Aber trotzdem gibt es auch noch einen Standpunkt, der sich von solchen persönli­chen Erwägungen freihalten muß, weil bei ihm entscheidende Probleme des Staates und der Staatsmoral aufgeworfen werden. Von ihm aus aber kommt man im letzten zu der entscheidenden Frage: Wie weit darf und kann der Staat gehen, wenn er bestimmte Ziele im Interesse einzelner seiner Bürger erreichen will. Dieses grundlegende Problem ist im Fall Kiehn berührt worden. Die Staatsre­

gierung erklärt, daß bei diesem Kredit der erstrebte Zweck das Mittel geheiligt habe. Wir haben uns gegen diese Auffassung ge­wandt einmal, weil eine solche Ansicht in ihrer Konsequenz gefährlich ist, denn sie kann zur Unmoral im Staate führen. Wo ist die Grenze und wann wird sie überschrit­ten? Wenn einmal noch mehr Arbeitsplätze in Gefahr wären und wir. könnten sie nur durch eine neue Aufrüstung (vorausgesetzt, die alliierten Bindungen wären in Wegfall gekommen) sichern, würden wir dann nicht nach dem Muster Kiehn auch bereit sein müssen, einen neuen Pakt mit Beelzebub ein­zugehen? Und wo ist für den kleinen Bürger die Grenze, die ihn auf der politischen Ebene von einem neuen Hitler femhält, wenn auf wirtschaftlichem Gebiet der Hitler-Typus durch die Gunst der Verhältnisse fröhliche Urständ feiert? Und das ist der Fall, wenn ein Kiehn und sein Schwiegersohn Trippei, der mit dem Schwimmwagen und der seiner­zeitigen Uebemahme der Bugatti-Werke in Molsheim im Elsaß eine recht zweifelhafte Rolle spielte und sich unberechtigt berei­cherte, wieder in der Wirtschaft mit Hilfe

des Staates sich ausbreiten können. Wir wer­fen diese Fragen auf, um die ganze Proble­matik des Falles Kiehn anzudeuten und um zu zeigen, aus welchen grundsätzlichen Er­wägungen unsere Stellungnahme kam und auch heute noch und zwar ausschließlich kommt.

Wir haben dargelegt, daß die Staatsregie­rung für ihr Handeln sehr gewichtige Gründe anzuführen vermag, und es wäre ungerecht und unberechtigt, die Lauterkeit ihres Han­delns in Frage zu stellen. Aber sie wird auch dafür Verständnis haben müssen, wenn wir sagen, der Fall Kiehn muß unter allen Um­ständen ein einmaliger Fall gewesen sein. Denn das ganze Drum und Dran, das Vorher und das Nachher, kann man von ihm nicht trennen.

Nach der Pressekonferenz ist in kleinerem Kreise von Regierungsseite das Wort gefal­len:Was wollen Sie, einen Tod muß der Mensch sterben, und wir waren nun einmal in der Lage des Mannes, der lediglich zwi­schen zwei Uebeln zu wählen hat. In die­sem Punkte sind wir jedenfalls mit der Re­gierung einig. Aber als wir die Frage auf­warfen: ..Mußte es dann gerade das Uebel Kiehn sein?, da stellten wir fest, daß wir glücklich am Ausgangspunkt der Debatte an­gekommen waren.

Zum Wohle der Arbeitenden und zum Schule der öffentlichen Interessen

JK. In unserer Ausgabe vom 28. Juni haben wir zum Fall EFKA-Chiron-Trippel einige Fragen gestellt. Die politische Seite der Sache ist wei­ter oben ausführlich behandelt, und es bleibt hierzu vom Standpunkt des Wirtschaftlers wenig mehr hinzuzufügen. Die Staatsregierung hat er­klärt, sie habe den Kredit vorwiegend aus so­zialpolitischen Erwägungen gegeben. Hieran zu zweifeln, haben wir keinen Anlaß. Man darf vielmehr ohne weiteres einräumen, daß die Re­gierung in gutem Glauben gehandelt hat. Ob das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ln allen Teilen richtig war, ist eine andere Frage. Eine andere Frage ist auch, welche Maßnahmen im Falle Kiehn und Trippei erforderlich sind, um die mit der Kreditgewährung verbundene Zielsetzung auch tatsächlich zu erreichen. Wenn wir auch grundsätzlicher Meinung sind, der Staat solle sich nicht oder möglichst wenig in Dinge der Wirtschaft einmischen, so liegt hier doch insofern ein Sonderfall vor, als einem durch seine politische und wirtschaftliche Ver­gangenheit nicht gerade gut beleumundeten Un­ternehmer ein Staatskredit von erheblicher Höhe gewährt wurde, dessen Verwendung unter die­sen besonderen Umständen schärfer überwacht werden muß, als das bisher geschehen ist. Eine solche schärfere Ueberwachung erweist sich auch deshalb als notwendig, weil in die Geschäfts­führung des Unternehmens nachträglich, das heißt nach Abschluß der Vereinbarungen über den Kredit, eine Persönlichkeit aufgenommen wurde nämlich der Schwiegersohn des Fabri­kanten Kiehn, Herr Trippei, der in jeder Be­ziehung mit äußerster Reserve gegenüberzutre­ten ist.

Aus den bisherigen Presseveröffentlichungen und auch aus der Erklärung des Finanzministe­riums hatte sich nicht klar ersehen lassen, ob es sich bei diesem Kredit um einen Wechselkredit oder um eine Banderolensteuerstundung gehan­delt hatte. Wir haben nunmehr Einblick in die Unterlagen erhalten und festgestellt, daß Herrn Kiehn ein Wechselkredit in Höhe von 3 Millionen DM auf Veranlassung der Staats­regierung von der Landeszentralbank in Reut­lingen zur Verfügung gestellt wurde. Die ein­zelnen Abschnitte haben folgende Beträge und Verfallzeiten: Je 500 000 DM per 15. Januar 1951 und per 15. März 1951; je 750 000 DM per 15. Juni 1951 und per 15. August 1951, und schließlich 500 000 DM per 15. Oktober 1951. Aussteller die­ser Wechsel sind die Chiron-Werke GmbH, in Tuttlingen, Bezogener, das heißt Schuldner, sind die EFKA-Werke Fritz Kiehn GmbH, in Tros­singen, die sie auch der Bank zur Diskontierung eingereicht haben. Zwischen Aussteller und Schuldner der Wechsel besteht also Personen­gleichheit, denn Inhaber beider Unternehmen ist Herr Fritz Kiehn: eine Regelung, die auf den ersten Blick wenig Anziehendes hat. Es mag allerdings eingeräumt werden, daß sich auf diese Weise der Staat eine gewisse Sicherheit ver­schaffen wollte für den Fall, daß die Pläne mit den Chiron-Werken doch scheitern sollten und damit der Kredit gefährdet wäre. Von den EFKA-Werken nimmt man an, daß eine Insol­venz praktisch nicht in Betracht kommt.

Die Frage der dinglichen Sicherung bereitet Kopfzerbrechen ganz abgesehen von der an­geblich hohen Verzinsung, denn es hat sich ge­zeigt, daß Herr Kiehn einschließlich der Wech­selsteuer Zinsen bezahlt, also keinen hohen, sondern einen ganz normalen Satz. In Sachen der dinglichen Sicherung ergab sich, daß das Grundeigentum der Chiron-Werke in Tuttlingen und Brackenheim zur Sicherung des Landes Württemberg - Hohenzollern durch Errichtung einer Grundbuchschuld mit 3 Millionen DM be­lastet worden ist. Das setzt also voraus, daß Grundeigentum in einem solchen Betrage auch wirklich vorhanden ist. Ist das aber der Fall, dann stellt sich die Frage, wie man das Argu­ment der Konkursreife der Chiron-Werke auf­rechterhalten will, denn es ergibt sich folgende Rechnung:

Grundeigentum gemäß Errichtung der Grundbuchschuld mindestens 3 000 000 DM Bestände an Roh-, Halb- u. Fertig­waren lt. wiederholten Angaben *

von Herrn Kiehn im Zeitpunkt der Uebemahme 2 500 000 DM

5 500 000 DM

Uebertrag 5 500 000 DM

hiervon ab:

Verpflichtungen b. d. Uebemahme lt. Verwendungsnachweis. des Wirtschatfsprüfers Dr. Wilhelm Treude, Stuttgart, vom 28. 5.1950:

Abdeckung der Bank­kredite 1 018 300

Warenschulden 381 500

Sozialbeiträge 77 400

Steuern 49 300

Löhne und Gehälter 17 500

Soforthilfe 100 000

Laufende Lieferanten­rechnungen, Löhne u.

Gehälter seit der

Uebemahme 169 500 1 813 500 DM

Verbleibender Aktivwert

3 686 500 DM

Dem verbleibenden Aktivwert von fast 3,7 Millionen DM wobei die Betriebseinrichtung überhaupt nicht miteingerechnet ist steht ein Kaufpreis des Herrn Kiehn an den Vorbesitzer in Höhe von 450 000 DM gegenüber. Das nur ne­benbei, um den Umfang des Geschäfts anzudeu­ten, das zu machen Herr Kiehn auch in diesem Falle wieder gelungen ist. 3,7 Millionen DM Aktivwert und trotzdem Konkursreife? Das will nicht recht einleuchten. Auch dann nicht, wenn man bedenkt, daß der Verkehrswert von gewerblich genutztem Grundeigentum je nach der Ausnutzung des Besitzes sehr starken Schwankungen unterworfen ist, und daß der neue Eigentümer auch den Lastenausgleich zu übernehmen hat. Aber wir dürfen voraussetzen, daß Grundeigentum in diesem Werte tatsächlich vorhanden ist. Kiehn hat also einen mittelfristi­gen Wechselkredit zu normalen Zinssätzen be­kommen und dingliche Sicherheit aus dem Ob­jekt selbst geleistet, für das er den Kredit er­halten hat.

Zur Persönlichkeit Kiehns haben wir uns in unserer Ausgabe vom 28. Juni bereits ausführ­lich geäußert. Kiehn macht heute geltend, er sei selbstOpfer des vergangenen Systems, hat in einer Betriebsversammlung der Chiron-Werke gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe Stel­lung genommen und in überheblicher Weise in bezug auf diese Vorwürfe gesagt:Was küm­mert es den Mond, wenn ihn ein Hund anbellt. Es muß hier festgehalten werden, daß Herr Kiehn, wie man sieht, nicht als armer Mann aus dem Dritten Reich hervorgegangen ist und daß selbst dieses seine finanziellen Transaktionen und sein Geschäftsgebaren verurteilen mußte, wozu bei der damaligen öffentlichen Stellung Kiehns gewiß allerhand gehört. Es ist nicht unbedingt zu erweisen, daß Herr Kiehn seine Praktiken unter allen Umständen fortsetzen wird aber der Verdacht besteht. Bevor wir Herrn Kiehn eine Aenderung seiner Sinnesart glauben, muß er uns erst einmal in einer nicht zu kurzen Bewährungszeit durch Taten überzeugen. Uns will nämlich gar nicht gefallen, daß Kiehn sich an die Bedingungf alle zwei Monate einen Ver­wendungsbericht über den Kredit zu geben, nicht eingehalten und bisher nur einmal näm­lich am 28. April über die Verwendung be­richtet hat. Ganz abgesehen davon, daß dem Vorbesitzer ein Kaufpreis von 1,5 Millionen DM ehrenwörtlich zugesichert, aber nur ein solcher von 450 000 DM geleistet wurde.

Gleiche, wenn nicht noch stärkere Bedenken in personeller Beziehung müssen gegen Herrn T r i p p e 1, den Schwiegersohn von Herrn Kiehn, erhoben werden. Trippei war nach Verlassen der Schule Angestellter in einem Kolonialwa­rengeschäft in Darmstadt und später noch Ver­käufer in Delikatessengeschäften in Dresden und Konstanz. 1929 tritt er in die Konstanzer SA ein und lernt den Gauleiter Wagner ken­nen. Dort erwacht auch sein technisches Interesse und technisches Selbststudium. 1931/32 sehen wir Trippei als SA-Führer in Groß-Umstädt bei Darmstadt, wo er Verkäufer im väterlichen Ko- lonialwarengesehäft ist. 1933/34 hält er sich in Darmstadt auf und beschäftigt sich erstmals mit seiner Schwimmwagen-Idee, für deren Durchführung er vom obersten SA-Führer Lutze 2000 RM erhält. Trippei war damals hauptamt­lich als Sturmbannführer der Standarte in Darmstadt. 1937 wechselt er nach Homburg im Saargebiet über, wo ihm der Gauleiter Bürckel einen Betrag von angeblich 10 000 RM für die Fortführung seiner technischen Versuche zur

Verfügung stellt. Die Stadt Homburg überläßt ihm eine Halle, woraus mit der Zeit die soge­nannten Trippel-Werke entstanden. Es gelingt ihm, ungewöhnlich hohe Kredite zu erhalten so von der Kreissparkasse Homburg 800 000 RM und von der Bank der Deutschen Arbeit 100 000 RM. Inzwischen hatte Trippei engste Beziehun- ge zum Stabe des Reichsführers SS aufgenom­men. Auf Veranlassung von SS-Sturmbannfüh- rer Mundhenke aus dem Stabe des Reichsführers SS wurden Trippei 1941 die Bugatti-Werke in Molsheim (Elsaß) zugewiesen. Von den Trippel- Werken in Homburg wurden etwa 30 Arbeiter und Angestellte, von Bugatti etwa 1000 über­nommen. Für den Trippelschen Schwimmwagen, von denen etwa 100 Stück, angefertigt wurden und die sich nicht bewährt haben, waren etwa 30 Mann tätig.

Trippei ist bei seinen früheren Mitarbeitern als ein Mann bekannt, der stets über neue tech­nische Ideen verfügte, dem aber die Kennt­nisse, die Arbeitskraft und die Betriebserfah­rung fehlen, um technische Ideen produktions­reif zu machen und eine Produktion überhaupt aufzuziehen. Seine Versuchsarbeiten zur Lösung verschiedenster technischer Probleme, darunter z. B eines Propellerschlittens, verschlangen enorme Mittel, ohne daß dabei etwas heraus­kam. Er hat selten oder nie Steuern bezahlt, da die Partei für ihn immer wieder Stundung und Niederschlag erwirkte. Im Januar 1945 wurde Trippei als Betriebsführer auf Veranlassung des Reichsministers Speer wegen Unfähigkeit abge­setzt. Der Zusammenbruch scheint die glänzende Karriere Trippeis nur kurzzeitig unterbrochen zu haben, denn Trippei wurde, anfänglichen Widerständen zum Trotz, nunmehr Geschäfts­führer bei Chiron. Formell allerdings nur zwei­ter Geschäftsführer, denn Herr Kiehn hat sich die Führung der Chiron-Werke wenigstens ays formellen Gründen Vorbehalten, und selbst die Gewerkschaft stimmte, nachdem der Betriebs­rat angeblich einstimmig und unterschriftlich bestätigt hatte, gegen Herrn Trippei als Ge­schäftsführer keine Einwendungen zu haben, der Berufung zu.

In wirtschaftlichen Dingen von solcher Trag­weite ist zwar die Stimme des Betriebsrats von Bedeutung, kann aber für Staat und Oeffent- lichkeit nicht ausschlaggebend sein. Man ver­steht nicht, wie einem Manne wiederum ein solcher wirtschaftlicher Einfluß eingeräumt wer­den konnte, dessen verhängnisvolles Wirken in der Inanspruchnahme und Vergeudung öffent­licher Mittel aus seiner früheren Tätigkeit in Straßburg gut genug bekannt ist. Es muß heute bezweifelt werden, daß dem Betriebsrat der Chiron-Werke diese hier aufgeführten Tatsa­chen bekannt waren, als er zur Einsetzung Trip­peis seine Zustimmung gab. Ungeachtet dessen aber liegt es im Interesse der Arbeiter und der wirtschaftlichen Ordnung des Landes, in sol­chen extremen Fällen Sicherungen einzubauen. Das gilt so gut für Herrn Trippei wie für Herrn Kiehn. Wer sich in politischer und wirtschaft­licher Beziehung so belastet hat, muß sich ge­fallen lassen, daß man zunächst einmal Bewäh­rung in anständiger und sauberer Geschäftsfüh­rung von ihm erwartet, wie sie erfreulicher­weise in der Wirtschaft dieses Landes heimisch sind.

Aus den hier angestellten Ueberlegungen und aus der Situation, wie sie die Aufroliung des Falles zeigt, ergeben sich Konsequenzen. Uns scheint trotz gegenteiliger Meinung des Be­triebsrats untragbar, daß ein Mann wie Trip­pe! in einem Betrieb Geschäftsführer ist, der in einem solchen Maße die Unterstützung des Staates gefunden hat. Und ferner scheint es uns ein Gebot der Sicherheit, das auch von je­dem privaten Geldgeber selbst bei Finanzie­rungsverträgen angewendet wird, die den Um­fang der Finanzierung Kiehn nicht erreichen, unverzüglich für die Ciiiron-Werke eine unab­hängige, wirtschaftlich erfahrene und mit um­fassenden Vollmachten ausgestattete, der Regie­rung unseres Landes verantwortliche U e b e r - wachungs Persönlichkeit zu bestim­men. Diese zusätzlichen Sicherungen erachten wir in diesem besonderen Falle, trotzdem wir grundsätzlich die Einmischung des Staates in die Wirtschaft ablehnen, ausnahmsweise als uner­läßlich zum VVohle der Arbeitenden, denen doch in erster Linie die Hilfe zugute kommen soll, und zum Schutze der öffentlichen Interessen.

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