(• Jahrgang
Montag, 26. Juni 1950
MttnmerOT
So leben sie in anderen Ländern
Ein Besuch bei Monsieur Dupont
PARIS (INA). Gegen II Uhr morgens ging ich auf die Jagd. Metrostation Pont de Sev- res. Ein kieiner Umweg über eine Seinebrücke gegenüber den riesigen Hallen der Autofabrik Renault. Die Sirene heulte Mittag. Das schöne und warme Wetter lädt dazu ein, eine ein- stündige Mittagspause am Ufer der Seine zu verbringen Wie ein Lavastrom ergießt sich eine Menschenmasse aus den weiten Toren. Wahllos greife ich mein Opfer aus dem Menschenschwarm heraus. „Pardon, Monsieur ...“
„Sie wünschen?“
Ich erkläre, warum ich ihn sprechen möchte. Ein Interview für die deutsche Presse. „Ah, für eine deutsche Zeitung? Gerne, selbstverständlich Aber warten Sie noch eine Minute, ich muß meine Frau zuerst suchen . “
Als Antwort auf mein erstauntes Gesicht fügt er hinzu: „Meine Frau arbeitet auch bei Renault, wir essen zusammen Mittag.“
Jung und alt, Männlein und Weiblein, sitzen sie auf der Böschung, das Kochgeschirr zwischen den Knien, die Weinflasche, das Brot, die Serviette, das Messer, den Käse und ein wenig Obst malerisch verstreut. Andere kauen riesige belegte Brote. Nach kurzer Vorstellung sitzen wir zu dritt ein wenig abseits. Andre C h a b o z y, 39 Jahre alt, wurde im 14. Pariser Arrondissement geboren. Er hat seinem Viertel die Treue gehalten und wohnt immer noch im „Vierzehnten“. Seine Frau Georgette kam wenige Straßen weiter im 15. Arrondissement zur Welt. Sie ist 34 Jahre alt, hat ein klares, ein wenig müdes Gesicht; sie trägt eine Brille, spricht wenig, und nur ihre klugen Augen folgen dem Frage- und Antwortspiel mit ihrem Mann.
„Chabozy?“ Aus meiner Frage klingt wohl das Bedauern, nicht einen echten Monsieur Dupont- (in Frankreich ist es mit dem Namen Dupont wie bei uns mit den Müllers) geangelt zu haben, sondern vielleicht einen naturalisierten Polen oder dessen Sohn. „Nix Pole, ich Franzos’“, sagt lachend mein Gegenüber. „Als ich in Deutschland in Kriegsgefangenschaft war, hielt man mich immer für einen Polen. Meine Familie aber stammt aus Korsika und nannte sich früher Cabossy.“ Und sehr stolz auf seine Deutschkenntnisse: .Korsika, Napoleon, verstehen?“
Andre berichtet des längeren und breiteren von seinem beruflichen Werdegang, seiner militärischen Ausbildung, dem Kriegsdienst und der Gefangenschaft, deren hauptsächlichste Stationen Regensburg, München und Straubing waren: „Mon dieu, es gab gute und schlechte Deutsche — persönlich kann ich mich nicht beklagen, manche waren sehr nett zu mir.“
„Wie kommt es, daß Ihre Frau auch bei Renault arbeitet?“
„1940 wurden die Frauen, wenn sie wollten, an Stelle ihrer kriegsgefangenen Männer an deren Arbeitsplätzen auf genommen. Wir haben zwei Kinder, verstehen Sie, und deshalb muß meine Frau auch heute arbeiten, sonst kämen wir nicht zurecht.“
Es ist 13 Uhr geworden über all den Erzählungen aus der Vergangenheit, und ich habe noch zu wenig über die Gegenwart gehört. Ich erbitte daher die Anschrift der Cha- bozys, um gelegentlich einen Besuch zu machen Wann ich käme? — Dieser Tage einmal, am Abend.
Am gleichen Abend, unangemeldet und unerwartet. klopfe ich an die Wohnungstür von Chabozys Unterkunft im ersten Stock eines „Pavillons“ im Hinterhofe eines ziemlich ungepflegten Mietshauses in der rue Falguiere.
Micheline (15 Jahre) räumt den Tisch ab, Nicole (11 Jahre) holte ihre Schulhefte hervor, Vater Andre kramt in einem Werkzeugkasten. um ein Paar Schuhe seiner jüngsten Tochter zu besohlen. „Seit fünf Jahren haben wir dem Schuhmacher nichts zu verdienen
gegeben“, sagt er lächelnd. Madame Georgette entschuldigt sich und verschwindet in den Hof. „Heute ist nämlich Waschtag“, erklärt mir ihr Mann, „und sonst helfe ich ihr immer dabei “ Andre Chabozy verliert sich in eine langwierige Erklärung über das Wäschewaschen, die zu kompliziert ist, um wiedergegeben zu werden. Dann nehmen wir das unterbrochene Gespräch vom Mittag wieder auf.
Sofort nach seiner Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft begann er wieder zu arbeiten. Bis 1946 war er O.S. (ouvrier spe- cialise = Facharbeiter), seither aber ist er aufgestiegen und P.I. („Professioneller, erster Kategorie) geworden und verdient daher auch ein wenig mehr. Er ist in der Sattlerwerkstatt beschäftigt. Ueber seinen Verdienst befragt. antwortet er mir mit einem komplizierten Rechenexempel.
Grundlohn 52 Franken die Stunde. 52 multipliziert mit dem Durchschnittskoeffizienten (augenblicklich 140—141) ergibt einen Stundenlohn von etwa 75—78 Franken. Dieser Lohn ist für 40 Wochenstunden berechnet. Da aber augenblicklich 48 Stunden in der Woche gearbeitet werden, so erhöht sich der Verdienst um 8 Stunden, die mit einem 30prozentigen Zuschlag bezahlt werden. Dazu kommen 38 Franken • „Prämie für die Ausdauer bei der Produktion" und 17 Franken Teuerungsprämie, was also einen Durchschnittsstundenlohn von 113 bis 115 Franken ergibt. Abgezogen werden 14tägig 672 Franken Sozialversicherung und die Feiertage, die in Frankreich — bis auf den 1. Mai — nicht bezahlt werden. Auf diese Weise verdient Andre durchschnittlich 22 000 frs, seine Frau etwa 19 000 frs. Mit der Familienzulage für zwei Kinder von 3050 Franken verdient der Haushalt Chabozy also 43 000 Franken im Monat.
Die ständigen Ausgaben sind: 1200 frs Le
bensversicherung, etwa 800 frs für Gas und Elektrizität, ungefähr 1700 frs für Miete (besonders billig, weil Andre die Dreizimmerwohnung von seinem Vater übernommen hat). Fünfmal essen die Kinder in der Schulkantine Mittag, was 1600 frs kostet. Sonnabend und Sonntag essen die Kinder mit den Eltern. Der Rest des Einkommens geht für (sehr seltene) Neuanschaffungen und vor allem für das Essen drauf. Daneben wird noch ein Spargroschen zur Seite gelegt, und so kommt es, daß die Mutter und der Vater täglich von 7.30 bis 18 Uhr und dreimal wöchentlich bis 18.15 Uhr in der Fabrik arbeiten und anschließend einholen, kochen, waschen, nähen, stricken, aufräumen usw. müssen. Micheline besucht einen kaufmännischen Kurs, wo sie nur Englisch lernt — „nur“ heißt, daß der Vater bedauert. daß sie nicht auch Deutsch lernt.
Ins Kino geht man selten. Seit einigen Monaten überhaupt nicht mehr, um ein wenig zu sparen, denn zum erstenmal in seinem Leben leistet sich Andre dies Jahr eine 14- tägige Urlaubsreise an die Küste der Bretagne. Und außerdem will das Ehepaar einen lang gehegten Plan verwirklichen: sich Schlafzimmermöbel zu kaufen. Wenn alles gut geht, wird es vielleicht im nächsten Jahr gelingen. Sein Traum — er wäre sonst kein Monsieur Dupont — ist ein eigenes Häuschen irgendwo auf dem Lande.
Müde kommt Frau Georgette vom Waschtrog zurück; die Kinder haben höflich .„Gute Nacht“ gesagt und sind verschwunden. Es ist beinahe 22 Uhr Andre geleitet mich bis zur Haustür. Als ich schon unterwegs war, fiel mir ein, daß ich gar nicht nach der politischen Meinung meines neuen Freundes gefragt habe. Kommunist scheint er nicht zu sein, denn sonst hätte er nicht so weidlich über die KP- Gewerkschaftsbonzen geschimpft. Aber es ist schließlich einerlei, ob überhaupt einer und welcher Partei er angehört. Wesentlich ist, daß ich mit Monsieur Dupont gesprochen habe, und daß er in keiner Weise kontra Schulze eingestellt ist.
Wo der Steinhäger herkommt
Eine westfälische Spezialität eroberte die Welt
Das Wort Steinhäger ist heute ein feststehender Begriff Wer aber weiß etwas von dem Ort Steinhagen, dem sauberen, behäbigen Dorf am Teutoburger Hügelrand? Wie einer Mutter, die bescheiden hinter der Größe ihres Kindes zurücktritt, so geht es diesem Dorf, das sich gleichsam seines Namens entäußerte, um seinem Sprößling Weltruhm zu verschaffen.
Als die Vorfahren der heutigen Brennereibesitzer auf ihrem, von ragenden Eichen umgebenen Hof ihren Haustrunk brauten, da ahnten sie noch nicht, daß daraus einmal eine blühende Industrie erwachsen sollte, die dem an Spezialitäten so reichen Land Westfalen noch eine hinzufügen sollte!
Ursprünglich wurde zum Brennen auf dem Bauernhof nur Getreide verwandt, und der so nach uralten Vorväterrezepten gewonnene Brantwein wurde in bauchigen, henkelbewehrten Tonkruken aufbewahrt. Aus diesen formschönen und praktischen Tongefäßen — der gebrannte Ton mit seiner Lichtundurchlässigkeit erhält das Getränk lange kühl und aromatisch — entwickelte sich dann später der jetzt allgemein bekannte Steinhägerkrug.
Windverzerrte Wacholderbüsche geben uns noch heute mit ihren bizarren Formen den sandigen Hügelwegen des Teutoburger Waldes ihr eigentümliches Gepräge. Früher wurden die Beeren dieser Sträucher zu Heil- und Würzzwecken gesucht und getrocknet. Da kam eines schönen Tages einer der schnapsbrennenden Vorfahren auf den findigen Gedanken, diese Wochholderfrüchte zum Brennen zu verwenden. Der so gewonnene reine Wacholderbranntwein war zu derb, er habe, wie man aus alten Urkunden erfährt „geschmeckt wie ein Christbaum retour durch die Gurgel gezogen“. Da war es naheliegend, daß man versuchte,
durch Mischungen dem Wacholderschnaps die Schärfe zu nehmen und dem Kornbranntwein andererseits durch den Wacholder eine milde, doch pikante Würze zu verleihen. Und das gelang und wurde von den Nachfahren auf Grund der Urrezepte noch zur höchsten Vollendung gebracht!
Damals soll es bei den Kostproben mit den Nachbarn im Wohnwinkel der geräumigen Diele oft hoch hergegangen sein! Ohne dieses Getränk waren Kindtaufe, Hochzeit, Kirmes und Sterbeschmaus im weiteren Umkreis von Steinhagen kaum noch denkbar. Aber auch der Gesundheit wegen erwarb sich der Steinhäger viele Freunde und immer weitere Kreise begannen ihn zu schätzen, so daß allmählich aus einer ursprünglich hofgebundenen und örtlich erprobten Haustrunkerzeugung der bekannte gewerblich hergestellte Steinhäger wurde.
So erlangte Steinhagen seinen Ruhm, denn weitab von größeren Haupt- und Handelsstraßen liegt dieser Ort, weitab auch von den Schienensträngen der Eisenbahn, die die dick- schädeligen westfälischen Bauern seinerzeit nicht über ihr hofnahes Gelände gelegt sehen wollten!
Erst die nachfolgenden Generationen gingen an den planmäßigen Aus- und Aufbau des Brennereigewerbes, an seine, nun nicht mehr ortgebundene Verbreitung und eine einschlägige Propaganda. Aus kleinen hofgebundenen Anfängen wurde im Laufe der Jahrzehnte eine blühende, Hunderte von Menschen arbeitspendende Industrie. Das bekannte „Westfälische Frühstück“, bestehend aus schwarzem Voll- kompumpernikel, rosigem Räucherschinken und glasklarem, würzigmildem Steinhäger, ist weit über die- Grenzen Westfalens hinaus bekannt: Es ist zum Sinnbild des weltberühmten Steinhägers geworden! M. V.
Steine Welt — Gtofte Welt
Es Ist doch erstaunlich, daß . . .
. . . der Wärmeausstoß eines serienmäßig hergestellten Düsenflugzeugs pro Kilometer ausreicht, um ein 50stöckiges Bürogebäude mit 24 000 Zimmern zu heizen.
. . . der Schiefe Turm von Pisa nach den neuesten Berechnungen im Jahre 2250 so schief stehen wird, daß er dann Umfallen muß. . . . auf einem briefmarkengroßen Hautstück unter dem Mikroskop 3 Millionen Zellen, ungefähr 100 Zucker-, 15 Fettdrüsen, durchschnittlich 10 Haare, fast 90 cm feinster Blutgefässe und 3,6 m Nervenstränge festzustellen sind.
. . . man 1949 durch das Mt.-Palomar-Fern- rohr 1500 neue Welten von der Ausdehnung der Milchstraße entdeckt hat, die mehrere Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt sind.
. . . auch heute noch über die Hälfte aller Bauern der Erde die Sichel lieber benutzen als die Sense oder gar die Maschine.
... nach einem Bericht der berühmten Yale- Universität die USA dringend 10 000 ausgebildete Nervenärzte brauchen, weil nach demselben Bericht von zehn Amerikanern einer seelisch krank ist
. . die 9,30 m lange, unbemannte Rakete X1 dreimal so schnell wie der Schall fliegt und damit das schnellste Fahrzeug ist.
. . die mit Wasserteilchen vermischte Luftdrucksäule bei den Atomversuchen von Bikini 12,8 km hoch war, während der Unterwasserdruck bis 2,5 km Tiefe gemessen wurde.
. . . die Zahl zerstörter Ehen heute trotz der Scheidungen kleiner ist — infolge der geringeren Sterblichkeit als 1890. Die Zahl der Scheidungen stieg von 3 Prozent im Jahre 189 auf 12°/» im Jahre 1948. Durch den Tod von Ehegatten wurden im Jahre 1890 30 Prozent der Familien auseinandergerissen gegenüber 18 Prozent im Jahre 1949.
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Wußten Sie schon, daß der „Kalte Krieg“ zwischen den USA und der UdSSR in der kältesten Region nicht geführt wird? Alle 6 Stunden tauschen 500 sibirische und 55 US- amerikanische Wetterstationen Berichte aus, die vor allem für die USA von größter Bedeutung sind.
Viel verlangt
Jawohl, das gibts noch. Fragebogen werden immer noch verschickt. Die Pensionsansprüche einer Lehrersfrau mußten überprüft werden. Dabei mußte folgende Frage beantwortet werden: „Wie wäre der Lehrer bei der Entnazifizierung eingestuft worden?" Die zuständige Kreisverwaltung, der in der Sache der Fragebogen vorgelegt wurde, gab folgende Antwort: „Punkt drei kann nicht eindeutig beantwortet werden, weil der Lehrer bereits im ersten Weltkrieg gefallen ist und weil man nach 35 Jahren nicht mehr mit Sicherheit sagen kann, wie sich der' Lehrer zum Nationalsozialismus gestellt haben würde, wenn er ihn erlebt hätte. Es wird deshalb vorgeschlagen, ihn mit Rücksicht auf sein vorzeitiges Ableben in Gruppe V einzustufen.“
Größtes Kraftwerk der Welt
Pläne für eine Schiffsverbindung zwischen dem Atlantischen Ozean und den großen nord- amerikanischen Seen mit den Industriestädten Chicago, Detroit und Cleveland, werden gegenwärtig in den Vereinigten Staaten erörtert. Obwohl diese Seen durch Flußläufe und den Lorenzstrom Zusammenhängen ist ein Schiffsverkehr wegen der Stromschnellen und Wasserfälle nicht möglich. Durch das neue Projekt soll der 200 Meter betragende Höhenunterschied zwischen dem Oberen See und dem Ozean durch Dämme und Schleusen überbrückt und der Niagarafall durch einen* neun Meter tiefen Kanal umgangen werden. Am Lorenzstrom wird bei diesen Arbeiten ein 1100 Meter langer Staudamm mit einem Wasserkraftwerk entstehen, welches mit 13 Milliarden Kilowattstunden Jahresleistung das größte der Welt sein würde, (-y-)
Ein SonntagmcHCüen mit Irene
Irene heißt mein zweijähriges Töchterchen. Nun legen Sie nicht gleich die Stirn in Falten und das Blatt beiseite, nachdem Sie erfahren haben, daß keine übliche Liebesgeschichte Ihrer wartet.
Eine Extradosis Morgenschlaf ist mein Sonntagvergnügen, aber spätestens um 7 Uhr raunzt es aus dem Gitterbettchen meiner Tochter erst schüchtern und leise, dann vernehmlicher und zulezt unüberhörbar: „Mama bieb, Papa bieb, Nene au bieb“. Der Kampf um das hartgesottene, mit dem Schlaf ringende Herz der Eltern hat begonnen Schon die raffinierteste Umdrehung, das lautlos gehauchte Wort wird zur unabwendbaren Niederlage und bringt Irene auf den Plan. Wie von einer Feder emporgeschnellt, steht sie bolzengerade in ihrem Bereich und beginnt systematisch unter Aufwendung ihrer gesammelten weiblichen Diplomatie und unter Höchstaufwand ihres Kindercharms, bald in artig bescheidenen, bald in härter zupackenden Tönen ihre Unterminierungsarbeit mit dem bald erreichten Ziel: die elterlichen Ehebetten.
Aus der Kombination von Oberbett und Decke entstehen nun Berge,, Täler, Höhlen, ja eine Rutschbahn, ohne Rücksicht auf jäh entblößte elterliche Zehen, die sich unbehaglich in der Morgenkühle winden. Aber bald hat Irene Appetit und startet zum neuen Befehl: „Nene Schoppele, Papa Küche“. Vergebens die Jugendreminiszenz: „Was war friher for e Kerl ich doch, heit bin ich nor de Babbe noch“ — die letzten wärmenden Hüllen müssen aufgegeben werden.
O welche Formen nimmt die einst so geruhsame Kaffeestunde an. Stolz schwingt Sie ihren Kaffeelöffel in der Hand und vergnüg* sich damit, mit strahlendem Gesicht, in ra schem Wechsel, sämtliche erreichbaren Gegenstände aufjauchzend zum Klingen zu bringen ohne den dadurch entstandenen Milchbächlein auf dem Tschtuch weitere Beachtung zu schenken, stets Herrin der Lage erprobt sie die
Eignung der umgestülpten Tasse zur Trommel. Selbst die wendigsten Entfernungsgriffe, können das drohende Unheil nicht immer abwenden und neue unübersehbare Ueberraschungs- momente führen leider allzuoft zur Trümmerbeseitigung. Aufatmend hebt die Mutter die Tafel auf, denn Nene widmet sich einem neuen Vergnügen; sie will „neisehe“, in die Welt hinein, aus dem Fenster Wie würde der mit geruhsamem Schmunzeln den Frühschoppen geistig Vorgenießende unsanft erwachen durch Irenes eindeutig vorgebrachten Wunsch: „Papa au“. Da ist es mit einer stillen Betrachtung nicht getan, sie braucht Anregung, will jedes „Mädele“ konstatieren und bestätigt wissen — noch haben die Büble keine Bedeutung —, entdeckt mit heller Freude die wandelnden Pilzen gleichenden Menschen unter dem „Birm“ und will endlich „dada“.
Aber auch das geht nicht ohne Aufregung ab. denn Irene kennt noch nicht die Fährnisse der Straße und oft sichert nur ein harter Griff ins Genick die Unbedachte. Lange verweilt sie in kreiselförmigen Bewegungen sich um sich selbst und den Papa drehend vor einem bekannten Laden, um dann plötzlich abzubrechen und sich auf einen winzigen Stein zu konzentrieren. Nun ist ihre Bodengebundenheit erwacht. Alles gütige Zureden und alle in Aussicht gestellten Leckerbissen, Hazis und Hofeies vermögen sie nicht zu erschüttern Schadenfroh grinsend sammelt sich ein Zuschauerkreis, und die prallen Arme einer friedlich aus dem Fenster Abwartenden verstärken noch die langsam aufkommende Unruhe. Nur ein Gewaltstreich kann noch einen halbwegs leidlichen Abgang sichern, die Flucht mit der auf den Arm genommenen Tobenden und sich wie rasend Gebärdenden.
Und doch — diesen Sonntag mußte ich meinen Spaziergang allein machen — ich hatte meine Morgenruhe, meinen friedlichen Kaffee und brauchte nicht zu kommentieren und doch fehlte mir etwas an diesem — Sonntag ohne Irene. F. Harlan
Sprache der Tiere
Von G. E. Lessing '
Ein gefräßiges Schwein mästete sich unter einer hohen Eiche mit der herabgefallenen Frucht. Indem es die eine Eichel zerbiß, verschluckte es bereits eine andere mit dem Auge.
„Undankbares Vieh!“ rief endlich der Eichbaum herab. „Du nährest dich von meinen Früchten, ohne einen einzigen dankbaren Blick auf mich in die Höhe zu richten.“
Das Schwein hielt einen Augenblick inne und grunzte zur Antwort: „Meine dankbaren Blicke sollen nicht ausbleiben, wenn ich nur wüßte, daß du deine Eicheln meinethalben hättest fallen lassen.“
☆
„Ich bin zu einer unglücklichen Stunde geboren!“ so klagte ein junger Fuchs einem alten. „Fast keiner von meinen Anschlägen will mir gelingen."
„Deine Anschläge“, sagte der ältere Fuchs, „werden ohne Zweifel doch klug sein. Laß hören, wann machst du deine Anschläge?“
„Wann ich sie mache? Wann anders, als wenn mich hungert?“
„Wenn dich hungert?“ fuhr der alte Fuchs fort. „Ja! da haben wir es! Hunger und Ue- berlegung sind nie beisammen. Mache sie künftig, wenn du satt bist; und sie werden besser ausfallen.“
Schloßparkspiele Krauchenwies
Shakespeares „Sommernachtstraum“ und Schillers „Wilhelm Teil“, die gegenwärtig in der Inszenierung von Intendant Egon Schmid den Spielplan der „Schloßpark-Festspiele 1950“ in Säckingen bilden, werden unter dem Protektorat des Fürsten Friedrich von Hohenzollern als „Schloßparkspiele Krauchenwies“ vom 29. Juni bis einschließlich 2. Juli auch im Park des Fürstlichen Landschlosses in Krauchenwies bei Sigmaringen zur Aufführung kommen. Die „Schloßparkspiele Krauchenwies“, von denen man hofft, daß sie nach diesem ersten Versuch sich für
Leben
Wenn der Sommer durch die Tore Wieder in den Tag getreten:
Ist in aller Blumen Flore,
Sonnbeglänzten, luftverwehten,
Nicht ein tief gestilltes Lächeln?
Ach wie heben sie die satten Blicke in des Windes Fächeln,
Der sie kost, die schlummermatten — wie als Kind wir’s gerne hatten.
Denn die mütterlichsten Tage Sind die jungen, sommerfrühen,
Da vor ungesagter Klage Blumen voll Entzückung blühen,
Oder wär’ ihr Duft nur Frage Nach Vollendung aller Mühen?
Nein — der Blüte hingegeben Sind sie doch mit ihrem Glühen Ende auch im Anfang: Leben.
H. STAHL
iiiiiMiinmimtiMMiiniiMiiHmiiiiiiiiiiiHiimimniiuimimmMmiiiiiiMiuiiMiiimiiiiiiimiiiiit
spätere Jahre zu einer ständig wiederkehrenden Einrichtung und damit zu einem auch landschaftlich reizvollen Anziehungspunkt für breiteste Besucherschichten nicht nur aus Hohenzol- lem, sondern aus dem benachbarten Baden und Württemberg entwickeln könnten, werden am Peter- und Paulstag mit einer „Sommemachts- traum“-Aufführung vor prominenten deutschen und ausländischen Gästen eröffnet.
Zum erstenmal in der Geschichte der Medizin gelang am Samstag in einer Chikagoer Klinik eine Nierentransplantation von einer Toten auf eine Lebende. Die Operation wurde unter der Leitung von Dr. Richard M. Lawler ausgeführt und dauerte eineinhalb Stunden Die Chirurgen begannen den Eingriff zehn Minuten, nachdem die Spenderin, die sich mit der Operation einverstanden erklärt hatte, gestorben war. Die behandelte Patientin, deren Befinden als gut bezeichnet wird, hatte die gleiche Blutgruppe wie die Spenderin Beide waren 49 Jahre alt. Der Or“"“"" 35 Aerzte
Und Chirurgen bei