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Heute noch liegt das Schicksal aller ln den Händen der älteren Generation, und wir be­mühen uns redlich, aus dem verruchten Teu­felskreis, den Politik und Wissenschaft seit Jahren bilden, herauszukommen.

Doch bald ist es an Ihnen, das Werk, und damit auch die Verantwortung, zu überneh­men. Gehen Sie darum mit Ernst an die Ar­beit und vergessen Sie nie, daß neben dem praktischen Fachkönnen auch die ausgegli­chene, charakterfeste Persönlichkeit in unse­rem Berufe wie in keinem anderen vonnöten Ist, soll unsere Arbeit die Früchte tragen, die eine ängstliche, verschüchterte Menschheit auch in ihren kühnsten Träumen heut nicht zu hoffen wagt.

Unbeweglich sitzen die Reihen der Hörer, und als der Professor sich anschickt, das Pult zu verlassen, setzt der allgemeine Beifall ein.

Für studentischen Ueberschwang ist im Au­genblick nicht die Zeit, und keiner in der wei­ten Runde scheint dies als Mangel zu emp­finden.

Nachdenklich und mit stiller Achtung fol­gen die Augen aller dem großen Manne, der ruhig durch den Mittelgang geht. Sachlich und klar ist sein Blick. Nur hin und wieder glitt, während er sprach, ein stilles Leuchten über seine Züge. Die meisten der Studenten wissen es, das war immer dann, wenn sein Blick se­kundenlang die Gestalt seiner Tochter Lissy umfing, seines Mädels, das bescheiden zwi­schen Studienkameraden ihres Semesters sitzt.

Seit Ellen, ihre Mutter, bei einem tragischen Schiffsunfall auf dem Ontario ums Leben kam, hängt des Vaters ganzes Herz an ihr. Manch­mal scheint es, als wolle er irgend etwas gut­machen, was er ihrer Mutter an innigem Ver­stehen zu geben versäumt hatte. Zwar war die Ehe glücklich, doch der Tod der geliebten Frau hatte dem ach so Vielbeschäftigten, nachdem das erste lähmende Entsetzen überwunden war, manche Stunde reuiger Besinnung ge­bracht. Hundert und aber hundert Dinge fie­len ihm damals ein, durch die er Ellen den Alltag des Lebens hätte verschönen können.

Und dann verbrachte Lissy zwei Jahre ihres ersten Studiums bei ihm, und er begann wie­der aufzuleben. Seine alte Frische, sein Le­bensmut kamen in dem Maße wieder, in dem er ihr Gutes tun konnte. Und sie dankte es ihm durch viele kleine Freuden, die seiner je­desmal harrten, wenn er nach langen Reisen oder nächtelanger anstrengender Laborarbeit müde und zerschlagen heimkam.

*

Stundenlang bemüht sich der Doktor ver­zweifelt, noch etwas Schlaf zu finden. Aber der Wirbel seiner immer wieder um die mit dem Wiedersehen zusammenhängenden Pro­bleme kreisenden Gedanken macht es ihm un­möglich. Ja, er liebt Gerda! Gerade jetzt, da er einen Augenblick fast glauben mußte, sie hätte sich von ihm losgesagt, spürt er das mit nie geahnter Deutlichkeit.

Und daß sie ihn ebenfalls liebt, das hat er bisher eigentlich niemals bezweifelt. Sie ist doch meine Frau, sagte er sich früher, da muß sie dich doch lieben! Abermuß sie das denn wirklich? Sind nicht schon viele Ehen zu­grunde gegangen, weil auf der einen Seite die Gefühle für den anderen erkalteten? Hat Gerda sich doch von dir losgesagt, nun auch inner­lich, grübelt er in sich hinein, nachdem du sie äußerlich so lange Zeit allein ließest?

Aber sie ist doch deine Frau und muß ein- sehen, daß du deine Arbeit nicht im Stich las­sen kannst! sagt auch heute wieder eine Stimme in ihm.

Ja, gerade weil sie eine Frau ist, hat sie ein Anrecht darauf, geliebt zu werden in der weitesten Bedeutung des Wortes, sagt eine an­dere Stimme.

Aber ich liebte sie doch!

Und weil sie deine Frau ist, hast du ihr das auch zu zeigen, es nicht nur in einem Winkel deines Herzens verborgen zu halten, sondern es ihr immer wieder in tausend Zärtlichkeiten und kleinen Aufmerksamkeiten zu beweisen. Hast du das getan?

Ich steckte bis zum Halse in der Arbeit...

Und hast sie darüber vergessen, hast sie als notwendiges, unentbehrliches Inventar deines Lebens betrachtet. Glaubtest sie mit dem Brautschleier für immer an dich gebunden. O du armer Wicht! Erinnerst du dich überhaupt noch des Schleiers? Weißt du noch, wie du das hauchdünne Gewebe damals glückselig durch

ATOM FORSCHUNG AM SCHEIDEWEG

Roman von wolf l/nke

deine- Finger gleiten ließest? Und das sollte sie ein Leben lang an dich binden, all die Be­lastungen aushalten lassen, denen du die Ehe durch deinen Egoismus, ja Egoismus, und deine Gedankenlosigkeit aussetztest? Nein, mein Lie­ber, so einfach ist das nicht! Täglich, ja, in jeder Stunde, die du bei ihr bist, mußt du an dem Schleier spinnen und wirken, und es muß sehr viel Liebe hineingeflochten werden, wenn er den Bund durch die Stürme des Lebens Zu­sammenhalten soll.

Ja, aber wenn sie wirklich geliebt hätte.. doch vielleicht hat sie mich gar nicht...

Das wagst du auch noch zu denken? Bist du nicht selber Forscher, um zu wissen, wie sie an dem Beruf hing, den sie deinetwegen aufgab? Oder beanspruchst du das Recht der Liebe zum Beruf etwa nur für dich? Ist es dir in der Zeit deiner Ehe denn noch nicht aufgegangen, daß auch sie ein fühlender Mensch ist mit Neigungen und Leidenschaften?

Mit einem Aufstöhnen preßt Thomas Eich­berg die Fäuste vor seine Augen und wälzt sich aufgewühlt hin und her. Immer deut­licher kommen ihm alle Versäumnisse und grundsätzlichen Fehler seiner Ehe zum Be­wußtsein. Gerda! Er glaubt, sie erst jetzt rich­tig begreifen zu können. Tausendmal tut er ihr innerlich Abbitte und gelobt sich, das al­les nun besser zu machen. Wenn sie nur erst da wäre, nie wieder will er von ihrer Seite weichen! Und arbeiten soll sie können, soviel sie mag. Die Abende würden dann ihnen bei­den allein gehören, und wie herrlich sollte es werden! Es ist ihm, als wolle er Gerda morgen erst richtig heiraten. Ach, wenn es nur erst so weit wäre! Träge schleichen die Minuten da­hin, während er auf das Ticken des Reise­weckers hört und mit brennenden Augen in die Finsternis starrt.

Es hilft nichts, sagt er leise zu sich, ich muß schlafen, um wenigstens noch zu retten, was zu retten ist.

Entschlossen dreht er das Licht an und kramt im Nachttisch, bis er das Döschen mit den Schlaftabletten findet. Mit fahrigen Be­wegungen löst er zwei davon in etwas Wasser auf und trinkt das Ganze in einem Zug hin­unter.

Aechch es schmeckt zum . . ., aber wenn es nur hilft, dann ist es schon gut! Zufällig blickt er in den Spiegel über dem Waschtisch. Und wieder läuft es ihm kalt den Rücken hin­unter: Kann man das überhaupt noch Mensch nennen, was ihm dort entgegenstiert? Hohl­wangig, unrasiert mit wirrem Haar und ge­furchter Stirn, unter der die schwarzumschat­teten Augäpfel mit fiebrig unstetem Blick her­vorstechen?

Geschüttelt von Grauen vor sich selbst wen­det er sich ruckartig ab und tappt mit müden Schritten zurück ins Bett. Jetzt nur nicht mehr denken! Hastig löscht er das Licht und sinkt schwerfällig in die Kissen. Wenige Minuten später schläft er ein.

Wie ein Befehl ertönt das schrille Läuten des Zimmertelephons.

Mit einer unwilligen Bewegung schlägt der noch halb Schlafende mit der Hand in Rich­tung der vermeintlichen Störung. Doch der Fernsprecher schrillt weiter, nur der Aschen­becher fällt polternd vom Nachttisch.

Mit einem Ruck sitzt Thomas Eichberg auf­recht, blinzelt um sich, und sein Blick wird starr vor Entsetzen, als er die Uhr erspäht. Hastig springt er hinüber, reißt sie an sich, hält sie ans Ohr. Tatsächlich! Es ist neun Uhr. Verschlafen! Und dann kann das Gespräch ja nur von dem russischen Offizier kommen. Ha­stig reißt er den Hörer von der Gabel und meldet sich in gespannter Erwartung.

Tatsächlich, der Sekretär meldet sich, wünscht einen guten Morgen und fragt auftrags­gemäß, ob er einen Wagen schicken soll. In einer Viertelstunde werde das Flugzeug er­wartet. Ein schwerer Druck legt sich auf die Brust des Hilflosen und ratlos sieht er an sich hinunter, wie er da steht: im Nachthemd, bar­fuß, ein wenig frierend, alles andere als männ­lich.

Schicken Sie bitte einen Wagen zum Flug­platz; ich kann meine Frau leider nicht selbst abholen. Aber ich komme so bald wie möglich zu Ihnen hinüber! sagt er hastig und wirft den Hörer auf die Gabel. Wie kann man sich nur so verschlafen! Gerade heute! Was soll Gerda denken, wenn sie jetzt allein dasteht und wartet?

Hastig macht er Toilette und fährt in die

Kleider. Bei dem herängeschellten Zimmer­mädchen bestellt er einen heißen, starken Kaf­fee und einen Wagen.

Eine halbe Stunde später rollt er dem gro­ßen Verwaltungsgebäude entgegen und steht dann wieder vor dem Offizier. Nach der kur­zen Begrüßung, bei der er sich zusammertneh- men muß, die Form zu wahren, beginnt der andere:

Ich erwartete Sie eigentlich eher zu früh als zu spät. Aber Sie haben Glück. Auch die Maschine hatte Verspätung und ist erst vor wenigen Minuten gelandet, Ihre Gattin muß jeden Augenblick hier sein.

Da meldet sich das Telephon und der Portier gibt die Ankunft des Wagens durch.

Ja und dann dann stehen sie sich gegen­über. Eine, zwei Sekunden saugen sich ihre Blicke ineinander fest, während jedem eine Flut von Gedanken, Eindrücken und Erinne­rungen durch die Seele zieht. Doch schon im

Thomas!"Gerda!

nächsten Moment hängt sie an seinem Halse. Thomas!

Gerda!

Fest preßt sie sich an ihn, während er ihre feuchtschimmernden Augen, die weiße Stirn, das helle Haar mit heißen Küssen bedeckt und und mit den Händen ihre straffe Figur um­spannt, als müßte er sich überzeugen, daß sie es auch wirklich ist.

Der Offizier beobachtet beide einen Augen­blick und entfernt sich dann leise mit einem feinen Lächeln. Ihm kann es nur recht sein, wenn sie sich recht gut verstehen und die Kluft der langen Trennung schnell überbrücken.

Der Doktor läßt seine Frau inzwischen in einen Sessel gleiten und setzt sich neben sie auf die Armstütze. Einen Augenblick lang se­hen sie sich stumm in die Augen, und dann beginnt er, während beiden das Herz bis zum Halse pocht, verhalten, fast tastend:Ich habe dich sehr vermißt und lange nach dir gesucht. Ich bereute es schon in den ersten Wochen, aber der Vertrag band mich, und Post erhielt ich nicht. Man hatte mir doch versprochen, sie nachzusenden. Lange habe ich gewartet und dann, dann suchte ich in der Arbeit zu fin­den, was mir das Leben zu versagen schien. Tage und Nächte verbrachten wir, Peter und ich, im Labor, und mein Bruder fand vollste Befriedigung im Schaffen. Mir ist das nie ge­lungen. Ein Teil meiner Seele lag immer brach, und das verursachte bei allem beruf­lichen Erfolge und allen Anerkennungen doch immer ein Gefühl der inneren Leere und dar­aus erwachsender Unruhe und Friedlosigkeit. Es war schön drüben, und trotzdem war ich nie recht glücklich, zumal Peter bald darauf ins Uralgebiet versetzt wurde.

Er möchte auf jauchzen. Sie liebt dich noch, hat dich immer geliebt! Mit einem Gefühl überströmender Zärtlichkeit beugt er sich hin­ab zu ihr und küßt sie heiß und lange..

Ja, gearbeitet habe auch ich, sagt er dann, und an Erfolgen und Anerkennungen mangelte es nie. Aber ich glaube, wenn du mir den Jun­gen nicht geschickt hättest, ich hätte es nicht so lange ausgehalten. Die Ungewißheit war einfach furchtbar.

(Nachdruck verboten)

Wie geht es ihm? Was macht er? Hat er sich eingelebt? Wie weit ist er mit seinem Stu­dium? purzeln ihre Fragen, denn jetzt bricht die ganze Flut der so lange aufgespeicherten Muttersorgen hervor. Mit stillem Leuchten hängen ihre Augen an seinen Läppen, als er nun von Friedrichs Studium, seinen Erfolgen, kleinen Episoden aus dem Leben drüben in buntem Durcheinander berichtet.

Ich glaube, er drückt dich tot, wenn wir erst bei ihm sind, schließt er. Doch da begin­nen ihre Augen wieder feucht zu glänzen. Un­stet irrt ihr Blick über den Boden, und ein verhaltenes Beben läßt ihre Schultern erzit­tern. Mit einem Aufschluchzen wirft sie ihren Kopf in seinen Schoß, und dann kommt es stoßweise hervor:

Thomas ich kann nicht!

Thomas geht es wie ein Schnitt durchs Herz. Also mußte sie sich verpflichten, muß wieder nach Rußland zurück. Langsam und monoton kommt es von seinen Lippen:

Wie lange noch?

Drei Jahre!

Mit gesenktem Kopf spürt er, wie sich etwas in ihm zusammenkrampft, und versinkt in stilles Grübeln, während sie mit ratlosem, schuldbewußtem Blick wie ein Kind zu ihm aufschaut.

Erschreckt fahren beide hoch, als ein leises Klopfen ertönt und nach kurzer Pause die Tür sich öffnet. Mit einer Entschuldigung tritt der Offizier herein und nimmt wieder an sei­nem Schreibtisch Platz. Nach einem kurzen orientierenden Blick schiebt er beiden wortlos die schwersilberne Zigarettendose hin und reicht ihnen Feuer. Dann lehnt er sich zurück und beginnt mit verhaltener Stimme:

Nun, habe ich zuviel versprochen?

Doch der Doktor bringt kein Wort des Dan­kes heraus; zu sehr liegt ihm die letzte Eröff­nung seiner Frau auf der Seele. Entschlossen setzt er zu einer Gegenfrage an:

Läßt sich der Vertrag meiner Frau auch vor der Ablaufsfrist kündigen?

Diese Frage erwartete der Offizier und ru­hig kommt die Antwort:Dafür bin ich leider nicht zuständig; aber der Sowjetstaat liebt es, wenn unterschriebene Verträge, auf die sich zum Teil ja die Planung der Regierung stützt, eingehalten werden.

Dann gibt es also keine Möglichkeit?

Es wird für Ihre Frau schwer sein, die Ausreisegenehmigung vorzeitig zu erhalten; denn sie steht auf einem wichtigen Posten und ist im Augenblick kaum zu ersetzen. Aber die Regierung will Ihrer beider Privatinteressen berücksichtigen und ist zu einer Kompromiß­lösung bereit.

Und das wäre? kommt es aus dem Munde des aufhorchenden Paares.

Die Sowjetregierung bietet Ihnen an, wen­det der Russe sich an den Doktor,den Rest der Zeit unter wesentlich günstigeren Be­dingungen, als es Ihnen in Amerika je möglich ist, mit Ihrer Frau zusammenzuarbeiten.

Ein langes Schweigen entsteht. Wie von ei­nem Hiebe getroffen sitzt Thomas Eichberg auf seinem Platz, während Frau Gerda ratlos und schwankend von einem zum anderen blickt. Damit rechnete keiner von ihnen. Erst langsam ist der Doktor imstande, all die damit zusam­menhängenden Probleme zu überschauen. Aber er kommt noch zu keinem Ergebnis. Im Au­genblick scheint es ihm bei aller Liebe zu sei­ner Frau einfach undenkbar, das Angebot an­zunehmen, und er wäre damit auch instinktiv herausgeplatzt, wenn nun, wenn eben Gerda nicht neben ihm säße.

Der Russe merkt wohl, was in den beiden vorgeht. Deshalb sagt er in beruhigendem Tone:

Sie brauchen das jetzt noch nicht zu ent­scheiden. Es ist nur ein Angebot, das Ihren In­teressen entgegenkommen soll. Ueberlegen Sie es sich in aller Ruhe. Ich erwarte Sie morgen bei mir; dann können Sie sich frei entscheiden. Da Sie höchstwahrscheinlich für sich sein wol­len, habe ich mir erlaubt, Ihnen in einer schön gelegenen Villa in Karlshorst ein nettes Ap­partement bereitzustellen. Die Koffer Ihrer Frau Gemahlin sind bereits dorthin gebracht worden, und die Ihren können im Falle ihrer Zustimmung auch sofort nachgeholt, werden. Die Wohnung ist sonst nur für durchreisende Regierungsbeamte bestimmt, und Sie werden alles Nötige vorfinden. Natürlich können Sie sich sonst frei bewegen, wie es Ihnen beliebt.

(Fortsetzung folgt)

für mühelose, rusche und hauischonende fhisur

PALMO LIVE-RASI ERC