6. Jahrgang

DIE LESESTUNDE

Nummer 47

Die Reise nach Kanton

Eine Erzählung aus Peru / Ventura Garcia Calderon

Don Tadeo Revoredo, Besitzer der Hazienda Chimbazo, befahl seinem treuen Mestizen E- leuterio in seiner sanften, spöttischen Stimme, vor der seine Leute zitterten:Du gleich ge­hen und mir den chinesischen Doktor holen!

Rein aus grandseigneurhafter Anmaßung bediente er sich jedem Menschen gegenüber der gebrochenen Sprechweise, die man bei uns im Umgang mit Chinesen anwendet, jenen ar­men Teufeln, die von Kanton nach Peru aus­gewandert sind und dort seit einem Jahr­hundert als abgezehrte, verfemte Märtyrer leben, welche man verachtet und die man lachend verprügelt. Manchmal aber werden sie aus ihrem Opiumrausch aufgeweckt, um einen letzten, verzweifelten Rettungsversuch zu machen, wenn bei einem schweren Krank­heitsfall die abendländische Heilkunst ver­sagt. Daher lebt auf den großen Gütern oder in den Vororten der Städte meist ein solcher undiplomierter Arzt, der sich versteht auf wunderwirkende Kräuter und auf die Art, Trunksucht durch einen Aufguß aus Fliegen und Syrup für immer zu heilen.

Aber Don Tadeo, der frühmorgens um sechs Uhr mit fröhlichem Sporengeklirr über den Hof schritt, schien eigentlich gar keinen Arzt zu benötigen. Zumal dieser Fünfziger, der das Leben mit vollen Zügen genossen hatte, heute mit einer zwanzigjährigen Schönheit, derToch- ter eines kleinen Pächters aus der Nachbar­schaft, die Ehe einging. Hinter den abseits gelegenen Geräteschuppen lag die nach San­delholz duftende Behausung des Asiaten. Dieser verneigte sich bis zum Erdboden, als ihm der Auftrag überbracht wurde und der Name Don Tadeo fiel.

Von der Veranda des Gutsgebäudes kam ihm Don Tadeo in bester, aufgeräumter Laune leutselig entgegen.Du komm hierher! rief er, den bebrillten chinesischen Doktor am Ohr zupfend. Und die beiden schlossen sich in dem großen Wohnzimmer ein.

Fürs Leben gern hätte Eleuterio den Grund für diese ärztliche Konsultation gewußt. Er plagte das übrige Gesinde, das die letzten Vorbereitungen für die Hochzeitstafel traf, mit neugierigen, jedoch vergeblichen Fragen. Punkt zehn Uhr kam an der Spitze einer glanzvollen Reiterschar der Bischof von Can- gallo in den Hof galoppiert. Es war eine be­sondere Ehrung, daß er die Trauung höchst persönlich vollzog, und daher brachte die tri- kolorefarbene Kinderschar auf jeder peru­anischen Hazienda gibt es Weiße, Indianer

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MimtiiiumimiiimHi'iiii

Gott seqne

Gott segne mir den Mann

In seinem Garten dort! Wie zeitig fängt er an. Ein lockres Bett dem Samen zu bereiten! Kaum riß der März das Schneegewand Dem Winter von den hagern Seiten,

Der stürmend floh und hinter sich aufs Land Den Nebelschleier warf, der Fluß und Au Und Berg in kaltes Grau Versteckt, da geht er ohne Säumen,

Die Seele voll von Ernteträumen,

Und sät und hofft.

JOHANN WOLFGANG GOETHE .."""""""

und Neger die Böller und Raketen unter Jubel zum Platzen. Ein Höllenspektakel und ein Geruch nach Schlachtgetümmel erfüllten die Luft, die Pferde bäumten sich im Pulver­dampf, während das Kirchenglöckchen ein Ge­zeter wie eine Negerin anhub. Der Grünspan der Jahrhunderte fraß an der Glocke und zerstörte immer mehr den eingravierten latei­nischen Bibelspruch. Vor langer Zeit, als Don Tadeo den Kopf eines Gutsnachbarns, seines Todfeindes, an ihrem Klöppel aufhängte, hatte sie, vom Wind bewegt, die ganze Nacht hin­durch leise gewimmert.

Das ist jedoch eine alte, schon fast ver­gessene Geschichte. Gegenwärtig dachte der Gebieter von Chimbazo nur daran, die Ge­schenke seiner Leute in Empfang zu nehmen. Sie kamen zu ihm über die Gipfel der Berge, vom anderen Flußufer, zu Fuß oder hoch zu Roß, aber mit vollen Händen. Geschickte Hände hatten Ponchos aus Vicunawolle sowie einen in allen Farben leuchtenden Teppich gewoben, dazu einen silbernen Spiegel für die Braut gearbeitet. Sie, die Erwählte des Ge­bieters, würde alles haben: die schönste Stute, die prachtvollsten Halsketten aus den glückspendenden Guairuros, den abwechselnd aneinandergereihten schwarzen und roten Ku­geln. Vor allem aber wird man sie mit Süßig­keiten überschütten, denn die Negerinnen frönen der Backkunst mit einer an Zauberei grenzenden Meisterschaft.

Gegen Mittag kam, ganz in Weiß gekleidet, duftende Jasminblüten im Haar, die Braut an. Auch sie mit ihrer Gefolgschaft von Eltern und Anverwandten zu Pferd. Nachdem der Bischof die Trauung vollzogen hatte, setzte man sich an die Festtafel. Was für Köstlich­keiten wurden da in silbernen Schüsseln ge­reicht! Gefüllte Truthähne, denen man Blu­mensträußchen in den Schnabel gesteckt und Kristallaugen gemacht hatte; ein prachtvoller Triumphbogen, den ein Bäcker-Architekt nach einem alten Stich angefertigt hatte; und ro­sige, aufrecht angerichtete Spanferkel, deren zartes Fleisch auf der Zunge zergeht und die einzig und allein nur ein chinesischer Koch mit einem Kranz solcher Leckereien zu ver­zieren versteht.

Glockengeläute, Böllerschüsse, Raketen­steigen, Gitarrespiel: all das dauerte bis zehn Uhr abends, keine Minute länger. Man mußte dem Gebieter Ruhe gönnen und niemand war gefürchteter als Don Tadeo. Das prächtige Haus im Kolonialstil bot Raum für alle Gäste, und um Mitternacht ging außer dem Mond nur noch der Mestize Eleuterio in der länd­lichen Stille um.

Was veranlaßte Don Tadeo, so früh am Morgen den chinesischen Arzt zu sich kommen zu lassen? Warum waren jene großen Fen­ster zu so später Stunde noch immer erleuch­tet? Das waren Fragen, um welche Eleutorios Gedanken kreisten. Und das viele Maisbier, der Schnaps, dazu dieser Mond, all das ließ die treue Seele des Mestizen nicht zur Ruhe kommen.

Schon gingen die Hirten in den Stall, schon fingen die Hähne an, wie alte Komödianten ihre Siegestiraden zu üben, als plötzlich eine zornbebende Stimme über den Hof schallte. Eleuterio rannte zur Freitreppe, auf deren oberster Stufe Don Tadeo, einen Poncho über sein Nachtgewand geworfen, auf ihn wartete. Du mir rasend holen chinesischen Doktor!

Rasend das hieß Hals über Kopf! Das war ebenso schnell wie ein alter Inkabote! Eine Viertelstunde später brachte Eleuterio den Arzt angeschleppt, der mit dem Kopf wackelte wie jene ewig nickenden Porzellan­figuren. Voll Scheu blickte er nach den Hän­den seines Gebieters, die so gut die Reit­peitsche und den Revolver zu handhaben ver­standen. Don Tadeo befahl ihm jedoch nur leise:Du sofort die Reise antreten nach Kanton!

Wer Peru nicht kennt, der begreift nicht die schicksalvolle Bedeutung dieser Worte. Der unglückliche Doktor aber wußte genau, was er zu tun hatte. Eine überstürzte Reise über den Pazifischen Ozean machen alle Chi­nesen unseres Landes, wenn sie alt, allzu arm und vorzeitig vom Opium, ihrer letzten Zu­flucht im Elend, verheert worden sind. Dazu genügt ein fester Strick und fester Ast. Auf diese Weise sterben, bedeutet unmittelbar dar­auf im traumschönen Kanton wieder aufer­stehen, fern von der Ungerechtigkeit und dem Zorn der Weißen.

Keiner, weder der Mestize hoch der ver­störte Chinese wagten nach der Ursache die­ses Urteilsspruchs, gegen den es keine Be­rufung gab, zu fragen. Und nachdem Sou Leng, der chinesische Arzt, seine gesamten Räucherkerzen vor dem kleinen Buddha ange­steckt hatte, nahm er sich in einem Seiden­gewand, die Brille sorgfältig auf der Nase befestigt (auf daß sie während der Reise nicht ins Meer falle), um sechs Uhr morgens das Leben.

Fast zur gleichen Stunde sah man aus dem Portal der Hazienda die junge Gattin Don Tadeos, noch im Brautkleid, heraustreten. Hinter ihr drein kam der Bischof nebst ihrem gesamten Anhang, und dann ritten sie alle in den goldenen Staub des peruanischen Morgens davon...

Er hat ihn mit vollem Recht bestraft, erklärte einige Tage später Eleuterio dem um ihn gescharten Gesinde.Denkt euch nur, der verdammte Chinese hatte sich geirrt. Geirrt? Weiß man denn bei diesen Kanaillen, ob sies nicht mit Absicht tun? Also hört zu, was ge­schehen ist: Ich muß vorausschicken, daß Seine Eminenz der Bischof, da er zuviel gefüllten Truthahn gegessen hatte, heimlich den chine­sischen Doktor zu sich befohlen hatte, um sich eine Arznei verschreiben zu lassen. Natürlich ein ganz anderes Mittel, als das von Don Ta­deo am frühen Morgen gewollte! Unser Herr hatte eines jener Mittelchen verlangt, das die Männer verjüngt. Man hat eben seine Würde und seinen Ehrgeiz! Und nun schluckte Don Tadeo das für den Bischof bestimmte Mittel, eine tüchtige Portion, so daß er prompt Durchfall bekam, während der geistliche Herr, Gott seis geklagt, wieder zur Jugend erwach­te! Und voll Ingrimm schloß der treue Me­stize:Es ist das erste Mal, daß unser Herr versagt hat. Was bedeutet dagegen schon der Kopf eines gelben Affen?

(Uebertragung aus dem Spanischen von Hans B. Wagenseil.)

Der blitzende Diamant

Von Wilhelm von Scholz

Der Urgroßvater eines meiner Freunde war Arzt in einer kleinen Stadt und Besitzer eines altertümlichen Hauses mit einem großen ge­pflasterten Hof zwischen Vorderbau und nied­rigen Stallgebäuden. Er war nicht gerade ein Sonderling, aber mit fünfunddreißig Jah­ren noch ledig doch immerhin ein eigen­williger, alleingewöhnter Mann, der Steine, Schmetterlinge, Pflanzen sammelte und uner­müdlich der Sorge für seine Kranken, oft weit auf dem Lande, oblag. Vielleicht war es hauptsächlich der Tod einer alten Haushälte­rin, die er von seinem lange verwitweten Va­ter mitgeerbt hatte, daß er sich noch zu hei­raten entschloß, ein liebes gutes Mädchen, Tochter eines Freundes und Patienten von ihm.

Als sie ihr erstes Kindchen erwarteten, brachte er ihr eines Tages aus der Stadt ein Geschenk zu ihrer Mutterschaft mit: einen schmalen Goldreif mit einem hell blit­zenden Diamanten, den einige kleinere Steine umgaben und hoben. Wie lange einsam ge­wesene Menschen oft, sah er in die Dinge mehr Leben und Sinn hinein, als die Leute sonst. So kam es ihm, seiner Frau, die wegen eini­ger Unregelmäßigkeiten ihrer bevorstehenden Niederkunft nicht nur mit Freude, sondern auch mit ein wenig Angst entgegensah, in leichtem Ernst scherzend zu sagen: dieser Ring, den ein feiner Goldschmied und, wie er wisse, sehr glücklicher Familienvater ge­arbeitet, werde, so hoffe er, auch ihm, der ihn bringe, großes Familienglück bescheren. Sie solle ihn als ein gutes Zeichen dafür an- sehen und recht hüten!

Diesen Ring, welcher ihr ein wenig zu weit war, so daß er bei nächster Gelegenheit enger gemacht werden sollte, verlor sie zwei Tage später wie sie glaubte, als sie im Hof die

Hühner. füttern wollte. Er hatte sich aber, trotzdem man den Hof abgesucht und den Sack Weizenkömer, in den sie gegriffen, durchsiebte, nicht mehr gefunden. Daß sie den Verlust im Augenblick des Fallens nicht gleich bemerkt hatte, war entschuldbar, da ihr Mann gerade von der Fahrt zurückkehrte und ihr beim Aussteigen aus dem Wagen erzählte, er käme eben von jenem Goldschmiede, dem zwei seiner Kinder plötzlich an heftigem Scharlachfieber erkrankt seien und wohl kaum zu retten sein würden.

Die Kinder des Goldarbeiters wurden ge­sund, die junge Frau aber, der der Gatte die Ansteckung mitgebracht hatte, erkrankte und starb mitsamt ihrem ungeborenen Kinde.

Der Arzt kehrte wie aus einem kurzen glückhaften Morgentraum in sein anstrengen­des Tagewerk, in seine Liebhabereien, in seine immer tiefer werdende Einsamkeit zurück. Er nahm einen Diener an, ein Faktotum, das auch kochen konnte. Er wehrte mit einem bit­teren Lachen ab, wenn ihm einer seiner alten Freunde Zureden wollte, sich wieder zu ver­heiraten. In ein paar zufällig erhalten ge­bliebenen Briefen aus jenen Jahren spricht er davon, wie völlig ihm die Frau und das eine Glückjahr seiner Ehe entschwunden seien, wie er kaum noch vor dem Bilde ein wirkliches Erinnern an die Tote wachrufen könne; während er den verlorenen Ring, den er damals wegen seines ausgesucht schönen Steines von seltenem Feuer gekauft, immer klar vor sich sehe.

Da das Kochen des alten Faktotums auf die Dauer nicht genügte, entschloß sich der Arzt nach einigen Jahren wieder zu einer Führerin seines Hausstandes, einem jungen Mädchen aus dem Waisenhause, dem er als Arzt bei­geordnet war. Dies Mädchen sollte eben nach

Der Pfirsichbaum

Von Hermann Hesse

Heut nacht ging der Föhn gewaltig und er­barmungslos über das geduldige Land, über die leeren Felder und Gärten, durch die dür­ren Reben und den kahlen Wald, zerrte an jedem Ast und Stamm, heulte fauchend vor jedem Hindernis, klapperte knöchern im Frei­genbaum und trieb die Wolken welken Laubes in Wirbeln bis in alle Höhen. Sauber in große Haufen hingestrichen lag es am Morgen, platt­gedrückt und geduckt, hinter jeder Ecke und jedem Mauervorsprung, die einen Windschutz boten.

Und als ich in den Garten kam, war ein Unglück geschehen. Der größte von meinen Pfirsichbäumen lag am Boden, nahe über der Erde abgebrochen und über die steile Böschung des Rebbergs hinabgestürzt. Sie werden ja nicht sehr alt, diese Bäume, und gehören nicht zu den Riesen und Helden, sie sind zart und anfällig, gegen Verletzungen überemp­findlich, ihr harziger Saft hat etwas von al­tem, überzüchtetem Adelsblut. Es war kein besonders edler oder schöner Baum, der da gefallen war, aber er war eben doch der größte meiner Pfirsichbäume gewesen, ein alter Be­kannter und Freund, schon länger als ich auf diesem Grundstück heimisch. Jedes Jahr hatte er bald nach der Mitte des März seine Kno­spen geöffnet und seine rosig blühende, schau­mige Krone kraftvoll vom Blau des Schön­wetterhimmels abgehoben, hatte in den launi­schen Böen frischer Apriltage geschaukelt, durchflogen von den goldenen Flammen der Zitronenfalter, hatte sich gegen den bösen Föhn gestemmt, war still und wie träumerisch im nassen Grau der Regenzeiten gestanden, leicht gebeugt zu seinen Füßen niederblickend, wo mit jedem Regentag das Gras der steilen Rebhänge grüner und fetter wurde. Manchmal hatte ich einen kleinen blühenden Zweig von

ihm mit ins Haus und Zimmer genommen, manchmal ihm zurZeit, wo die Früchte schwer zu werden begannen, mit einer Stütze gehol­fen, manchmal auch hatte ich in früheren Jahren, frech genug, ihn in seiner Blütezeit zu malen versucht. Er war nicht ausgezeich­net, nicht besonders beachtet, aber unentbehr­lich gewesen.

Nun war am Ort, der diesem alten Bekann­ten und Freund gehört hatte, ein Loch ent­standen, die kleine Welt hatte einen Riß, durch den das Leere, das Finstere, der Tod, das Grauen hereinblickte. Traurig lag der gebrochene Stamm, das Stammholz sah mürbe und etwas schwammig aus, die Aeste waren im Sturm geknickt, im März vielleicht hätten sie wieder einmal ihre rosenrote Frühlings­krone getragen und den blauen oder grauen Himmeln entgegengehalten. Nie mehr würde ich einen Zweig, nie mehr eine Frucht von ihm pflücken, nie mehr die eigenwillige und etwas phantastische Struktur seiner Ver­ästelung nachzuzeichnen versuchen, nie mehr am heißen Sommermittag vom Treppenweg zu ihm hinübergehen, um einen Augenblick in seinem dünnen Schatten zu rasten. Ich rief Lorenzo, den Gärtner, und -wies ihn an, den Gestürzten zum Stall zu tragen. Unmutig sah ich ihm nach. Ach, daß auch auf Bäume kein Verlaß ist, daß auch sie einem abhanden kom­men, einem wegsterben, einen eines Tages im Stich lassen und ins große Dunkel hinüber verschwinden können!

Ich sah Lorenzo nach, der schwer an dem Stamm zu schleppen hatte. Leb wohl, mein lieber Pfirsichbaum! Du hast ein Schicksal gehabt, wie es deinesgleichen zukommt und dafür preise ich dich glücklich; du bist besser und schöner alt geworden und bist würdiger gestorben als wir, die wir uns in unseren

Im März

. Nun ist er endlich kommen doch in grünem Knospenschuh.

Er kam, er kam ja immer noch", die Bäume nicken sichs zu.

Sie konnten ihn all erwarten kaum, nun treiben sie Schuß auf Schuß, im Garten der alte Apfelbaum er sträubt sich, aber er muß.

Wohl zögert auch das alte Herz

und atmet noch nicht frei,

es bangt und sorgt:Es ist erst März,

Und März ist noch, nicht Mai."

O schüttle ab den schweren Traum und die lange Winterruh, es wagt es der alte Apfelbaum,

Herze, wag's auch du!

THEODOR FONTANE

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fertiger Lehrzeit ins Leben treten. Da sie ihn immer, wenn er sie sah, mit ihrem munteren und doch in sich geke.hrten Wesen Freude ge­macht hatte, schien sie ihm zu gut, herumge­stoßen zu werden. Der alte Diener blieb, die neue Haushälterin erhielt eine Küchenmagd zur Seite; so ging das Leben still fort.

Der Hausherr sah das schlank und lieblich heranwachsende Mädchen, das ihm oft auch mit Handreichungen bei seinen Kranken half, mit dem sich nicht schlecht über ernste Dinge, das Leben, die Natur, selbst die Dichter, die er ihr zu lesen gab, sprechen ließ, gern und, wie er sich ruhig eingestand, nicht ohne ein leises Liebgewinnen um sich. Aber er hätte den Gedanken, sie zu heiraten, schön beim ersten Auftauchen rücksichtslos von sich ge­wiesen wenn ihm nicht zwei Dinge zu ei­nem Glück der Reife und seiner ihn heute als ihren Stammvater ehrenden Nachkommen­schaft zum Dasein geholfen hätten.

Das eine war, daß ein jüngerer Kollege ein­mal halb scherzend um die Hand der jungen Haushälterin bat. Das stürzte den einsamen Mann trotz des leichten Tons und mangelnden Ernstes der Frage in innerste Entschluß­schwierigkeiten: durfte er sie halten, wenn sich ihr eine solche Aussicht bot? Sollte er sich nochmals den für jeden liebenden, sich bin­denden Menschen stets nahen Gefahren des Lebens, das ihm schon einmal so grausam war, aussetzen?

In diesem Zweifelskampf wuchsen gleicher­maßen seine halbeingestandene Liebe zu dem Mädchen wie auch sein Widerstand gegen jede nochmalige Bindung, für die er sich auch einredete, nicht mehr jung genug zu sein. Aber eifersüchtig war er geworden und, wie er är­gerlich merkte, stets mit der Dame seines Herzens beschäftigt die nichts ahnte, hei­ter und tätig war wie immer und ihn wie im­mer mit sorgender Wärme umgab.

Da kam eines Tages ein Brief des jungen Arztes, der die Bitte um die Hand des Mäd­chens wiederholte; mit viel Entschuldigungen dafür, daß er in diesem sonderbaren Falle die Bitte an deren Brotherrn richten müsse, und dafür, daß er diesen Brotherrn einer so tüch­tigen Stütze beraube.

Mein Freund hat es aus einer Aufzeichnung, die der Alte für seine Nachkommen aufge- schrieben hat; er erzählte es mir:Mein Ur­großvater, der durch und durch ein Mann der Pflicht und der Härte gegen sich selbst war, mag wohl einen Augenblick mit sich gekämpft haben. Dann ging er hinauf in den oberen Stock, wo in einem Hofzimmer das junge Mäd­chen beim Nähen saß, und trug ihr das An­liegen des Kollegen vor. Sie hörte ihm, ohne zu begreifen, fast verständnislos zu, errötete dann jäh und sagte, sie bleibe seine Haushäl­terin und werde nicht heiraten. Als er ihr noch Zureden zu müssen glaubte, .weil er meinte, sie sage das aus der sehr verbreiteten Angst vor jeder Veränderung, die oft die Menschen um eine neue bessere Lage, um Glück und Zukunft betrügt, wandte sie sich vor Verlegenheit von ihm ab, dem Fenster zu und rief, froh, eine Ablenkung ihrer Scham gefunden zu haben, in den unter der Abend­sonne liegenden gepflasterten Hof zeigend: Was blitzt dort unten im Hof? Lassen Sie mich nachsehen, ob es nur eine Glasscherbe ist!

Sie lief, ohne eine Antwort abzuwarten, hinaus und ließ ihn mit seinem Brief stehen.

Sie ist dann mit dem Diamantring, der sich im Hof zwischen zwei Pflastersteine festge­klemmt hatte und vielleicht von einem Regen freigewaschen worden war, wiedergekommen und hat ihn meinem Urgroßvater, immer noch blutrot, schüchtern und wortlos gebracht.

Er hat ihn ihr an den Finger gesteckt und sie geküßt.

miiirmiiiiiiiiiMiiimmiiiiiiiiiimimiMimiimiiimiiiimiiiMimimiMiMiiiiHiiimMMiimiiimii

alten Tagen gegen das Gift und Elend einer verpesteten Welt wehren und jeden Atem­zug sauberer Luft der ringsum fressenden Verderbnis abkämpfen müssen.

Als ich den Baum hatte liegen sehen, hatte ich wie immer bei einem solchen Verluste an Ersatz gedacht, an Neupflanzen. An Stelle des Gestürzten würden wir ein Loch graben und es eine gute Weile offen stehen lassen, der Luft, dem Regen und der Sonne ausgesetzt, in das Loch würden wir mit der Zeit etwas Mist, etwas Dung vom Unkrauthaufen, und allerlei mit Holzasche gemischte Abfälle tun, und dann eines Tages, womöglich bei einem sanften lauen Regen, ein neues, junges Bäum­chen pflanzen.

Aber ich konnte mich diesmal nicht zum Nachpflanzen entschließen. Ich hatte ziemlich viele Bäume in meinem Leben gepflanzt, es kam auf den einen nicht an. Aber es wehrte sich etwas in mir dagegen, auch hier und diesmal wieder den Kreislauf zu erneuern, das Rad des Lebens aufs Neue anzutreiben, dem gefräßigen Tode eine neue Beute heran­zuzüchten. Ich mochte nicht. Die Stelle soll leer bleiben.

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