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S 19 4. Lätare, Jos M 20 Emumiel D 21 Frühlingsanj. M 22 Kasimir D 23 Viktorian F 24 Gabriel, Pig.
S 25 Mariä Verk.
Nr. 12 / 2. JAHR / 19. MÄRZ 1950
ILLUSTRIERTES WOCHENBLATT
Sd)tDobafpiegel
Der Metzgerturm
In der alten freien Reichsstadt Ulm an cLi Donau wurde in der guten alten Zeit über die Bäcker und Metzger eine strenge Aufsicht geführt, damit sie ihre Waren gut und billig und im richtigen Gewicht gaben. Wer von den Geschäftsleuten nicht reell war, der kam ohne Gnade in den Turm. Einer dieser Türme beherbergte unfreiwillig das ganze Jahr über Metzger und man nannte ihn deshalb den Metzgerturm. Darob wurden die Ulmer von den Fremden verspottet. Dies paßte dem Rat nicht und er beschloß, sämtliche Metzger der Stadt auf einen bestimmten Tag nach dem Metzgerturm zu führen. Oben auf dem Turm sollte ihnen angedroht werden, falls die unsauberen Geschäfte nicht aufhörten, die Betrüger von nun an in die Tiefe zu stürzen. Als nun alle die gewichtigen Metzger droben auf dem Turme standen, neigte sich dieser plötzlich ein wenig ob dem Gewicht der Mannen und diese schrien Zeter und Mordio. Von da an aber hat keiner mehr gewagt, sich etwas zuschulden kommen zu lassen und die Ulmer Wurst- und Fleischwaren bekamen im ganzen Reich ihren guten Ruf. O. L.
Der kurzsichtige Dorfbader
Der Hansjörg hatte das Reißen in den Gliedern. Schon längere Zeit war er von dem verflixten Uebel geplagt, aber er hatte sich nicht ergeben und hatte von keinem Doktor etwas wissen wollen. Jetzt lag- er da, mußte Arbeit Arbeit- sein lassen, ächzte und stöhnte und ließ es stillschweigend geschehen, daß seine Mirl ins Dorf hinunter lief und den Bader holte. Der kam, ging dem dunkeln Ofene de zu, in dem das große Vorhangbett stand, ließ sich vom Hansjörg erzählen, wo ’s ihm weh tat und welcher Art das Reißen im Bein sei, nickte darauf wohlwissend etliche Male mit dem Kopf und sagte: ,,Weiß schon ’s Rechte, Hansjörg. Ein paar Blutegel überm rechten Knie angesetzt, werden dir deine Ruh bald wieder verschaffen. Hab’ so ein paar Schmerzstiller bei mir daheim in ein Glas gesperrt; wart’ derweil, ich will sie gleich holen.“
Der Hansjörg konnt's verwarten; denn der Bader, der seinen Beruf ernst nahm, war bald wieder da und setzte die Egel an. „Wird’s gleich haben; aber eine kleine Weile müssen wir zuwarten“, sagte er und ließ sich indessen den von der Mirl eingeschenkten Holdergeist schmecken. Aber die sonst so blutdürstigen Tiere zeigten keinerlei Neigung, sich festzusaugen und dem Hansjörg seine Gicht abzunehmen
„Ja“, fragte der Hansjörg, ,,sollet denn die Egel uf d’r Haut sitza?“ — „Ei freilich, sollen sie das! Sonst kommt das schlechte Blut ewig nicht aus deinem Leib.“ — „Jaa, wenn die Sach’ s o isch“, sagte da der Hansjörg, „na muaß i z’erscht meine Lederhose ausziega.“
Der kurzsichtige Dorfbader hatte im Eifer seine Brille aufzutun vergessen und hatte dem Hansjörg die Blutegel auf die Hirschledernen gesetzt; kein Wunder, daß sie da nicht hatten anbeißen wollen. Gg. Brustgi
„Heilig's Donnerwetter!"
Im Ruhrgebiet hat es immer viel Schwaben gegeben; man hat dort, im Brennpunkt der Wirtschaft, ihren zähen Fleiß und ihre Gewissenhaftigkeit stets zu schätzen gewußt. Da lebte nun in einer Großstadt des „Kohlenpotts“ ein Kirchenbaumbister, der auch nach jahrzehntelangem Aufenthalt „da oben“ ein guter Schwabe geblieben war. Nicht nur, daß ihm seine Frau zweimal in der Woche Spätzle machen mußte — er konnte auch sehr grad- raus schwätzen, wenn ihn das Temperament überkam.
Als er eines Tages in der Kirche, wo größere Reparaturen vorzunehmen waren, die Arbeiter faulenzend vorfand, auch nicht alles so fachmännisch ausgeführt war, wie er es vorgeschrieben hatte, da lief ihm das Häfele über. Er brüllte auf die Leute ein, hieß sie alles mögliche, was weder hierzulande noch dort sehr schmeichelhaft ist, und es fehlte dabei auch nicht an Ausdrücken, die selbst freundlichstes Wohlwollen nur als donderschlächtiges Fluchen bezeichnen kann. In der Kirche! Das wurde dem Herrn Pastor hinterbracht, der ihn dann darob zur Rede stellte. Aber da brauste unser Baumeister nochmals auf und schrie den verdutzten Pfarrer an: „Heilig’s Donnerwetter! Wenn i en ’ra Kirch meine G’rüscht aufstell', no ischt des koi Kirch meh’, sondern a Bauplatz!“
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Nach einem Gemälde von Kunstmaler Plankenhorn Talheim
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DER FÖHN BRACH INS LAND
Der Föhn brach jäh ins weiße Land mit Wind und Regenböen, von Wolkenzügen überspannt, blinkt’s nun mit tausend Seen.
Schon liegt der erste Acker grün am braunen Höhenrücken, bald wird das erste zarte Blühn die junge Wiese schmücken.
Im kahlen Holz ein weicher Hauch von Farbe dämmert leise, vielleicht schon morgen hörst du auch der Meise Frühlingsweise.
Nun fährt der Lenz ins Herz und bricht die dunklen Hüllen nieder.
O Mensch, nun wird es neu und licht auch um dein Leben wieder.
HANS HEINRICH
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Nun steht das Frühjahr wieder vor der Tür
ein. Das ist ein Jubeln und Schreien, Her- dem Geschehen des Jahres aufs engste ver- umtollen und Haschen! Auch die Erwachse- knüpft, wir spüren den großen Durchbruch nen können sich nicht ausschließen von die- des Lichts körperlich. Neue Hoffnung zieht in ser Lust; es treibt sie hinaus in die Frühlings- unsere Herzen ein, freier wird unser Blick luft, und eine Melodie liegt auf ihren Lip- und fröhlich unser Gesicht. Das offene, sicht- pen. bare Geheimnis des Lebens ergreift von uns
Die dunkle Zeit ist überstanden; das Jahr Besitz und verleiht uns neue Kraft für den beginnt zu wachsen. Wir Menschen sind mit Lebenskampf. wh.
Der Alte vom Weichselufer
Ihr Schneeglöckchen, Märzveilchen und Krokusse, die ihr die ersten warmen Sonnenstrahlen sucht, ihr Vögel, die ihr in großen Schwärmen zurückgekehrt seid und nun eure Nester baut und mit fröhlichem Gezwitscher euer Liebeslied pfeift, ihr Bienen, die ihr Weidenbaum, Haselnußstrauch und Erle umfliegt, ihr Mücken, die ihr jetzt noch vereinzelt und harmlos im warmen Sonnenschein euch badet, du Himmel mit deiner stillen Klarheit, du Erde, die du deinen Schoß aufmachst, um die Saat zu empfangen, und ihr, heitere Lüfte, die ihr voll süßen betörenden Duftes seid, ihr alle zeigt mir an, daß der Frühling seinen Einzug hält, daß die schönste Zeit des jungen Jahres angebrochen ist.
Hinter seinem Pflug zieht der Ackersmann Furche um Furche. Auch sein Gesicht ist verändert. Der starke, betäubende Duft der Mutter Erde läßt ihn teilnehmen an dem stetig wiederkehrenden Geheimnis des Lebens und Werdens. Roggen, Hafer und Gerste streut er mit weitausholendem Schwung in das aufgebrochene Erdreich. Die Bäuerin ist im Garten beim Graben und Säen. Noch schmerzt ihr der Rücken ob dieser seit Monaten ungewohnten Arbeit. Aus ,den offenen Fenstern des Schulhauses dringt die alt vertraute Weise: ,,Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt.“
Jetzt beginnt das Spiel der Kinder im Freien: Radelrutsch, Stelzen, Bälle und Reifen werden aus ihrem Winterquartier hervorgeholt. Keines will mehr in der Stube sitzen, jetzt, da der Winter ausgespielt hat. Don Mädel fallen längst vergessene Reigen wieder
Er war gewohnt, im afrikanischen Busch Antilopen zu jagen, Schneehühner und Eisfüchse in Alaska zu schießen und in den Hochtälern des Pamir-Plateaus auf exotische Wildtiere zu streifen. Der leidenschaftliche Nimrod war ein begüterter Junggeselle vom Niederrhein. Vielsprachig und sehr belesen, aber in des Leibes Nahrung und Notdurft für sich ganz anspruchslos, hatte er, nach englischem Vorbild, auf Reisen in fremden Erdteilen sein Weltbild gestaltet und in Begegnungen mit Angehörigen aller Rassen, Völker und sozialen Schichten sein Menschlichkeits- gefühl ausgeprägt.
Da stand er, nun schon bejahrt, wortkarg und knöchern, einer Totenmaske gleich, aber aufblitzenden Auges, an einem spätsommerlichen Septembertag an Deutschlands einzigem Zugang zur Weichsel bei Kurzebrack, damals eine „europäische Sehenswürdigkeit“. An diesem neuralgischen Punkt des Weichselkorridors unseligen Angedenkens fanden sich oft Informationsgruppen aus allen Ländern, Politiker, Parlamentarier, Journalisten, Touristentrupps aller Zungen ein,
,,Le vieillard aigu“ nannten ihn die Franzosen — „The old silent man“ hießen ihn die Engländer. Der wies mit gestrecktem Arm und Zeigefinger in Richtung der „Insel Ostpreußen“ ... und sagt dazu kein Wort.
Ergriffen von der Schweigegeste, verstummte jedes Gespräch, und aller Blicke verfingen sich in der Gestalt, die wie ein Denkmal vor uns stand. War dieser Alte nicht ein Symbol von Deutschlands Lebensabend?
In jener Viertelstunde am Weichselufer bei Kurzebrack verband die Beteiligten ein Weltgefühl. das sich in Freundschaften umsetzte, die Tyrannei und Krieg überdauert haben.
Der Greis weilt nun längst nicht mehr unter den Lebenden ... Er ist, spitzig und knorrig wie er war, aber edlen Sinnes, hilfreich und treu, ein Anwalt der Toleranz und Humanität, in die ewigen Jagdgründe eingegangen, .. mit ihm ist auch der Weichselkorridor verschwunden und ein Stück ostpreußischer Heimat ringsum in die große politische Konkursmasse Deutschlands geraten. Aber die alten West- und Ostpreußen haben ihren „Vieillard aigu“ nicht vergessen! H. Sch.