6. Jahrgang

Freitag, 17 . März 1950

Nummer 42

Das Geld rollt immer langsamer

Bei Millionen Menschen ist Frau Sorge zu Haus

NP. Auf einer Reise durch alle Länder der Bundesrepublik, den Großstädten Düssel­dorf wie Hamburg, München, Hannover, Kleinstädten und Ortschaften des Bayri­schen Waldes wie des Emslandes und Nie­dersachsens, begegnete unser Sonderbericht­erstatter überall, der wachsenden Geldknapp­heit und der rapide angewachsenen Arbeits­losigkeit.

Es ist kein Geld mehr unter den Leuten! Das ist der Tenor der Gespräche heute im FD-Zug mit den Industriellen, im Hotel mit dem Empfangschef, im Lokal mit dem Ober­kellner, in der Straßenbahn mit dem Arbei­ter und auf der Straße mit der einkaufenden Hausfrau. Ueberwogen im Frühjahr, Sommer und Herbst letzten Jahres bei den Behörden, den Geschäftsleuten und Fabrikanten der Op­timismus und sprang einen die Lebensfreude in Gesprächen mit dem Mann auf der Straße mehr an als der bei Ausgebombten, Flücht­lingen, Schwerbeschädigten vorhandene Pes­simismus, so traf ich dieses Mal Frau Sorge bei Millionen Menschen.

Oasen und Schwerpunkte

In den Städten des rheinisch-westfälischen Industriegebietes, vornehmlich denen, die vom Bergbau und den großen Werken beherrscht werden, pulsiert das Leben noch am kräftig­sten. Die Zahl der Arbeitslosen unter den Zehntausenden, die allmorgendlich ihrer Ar­beitsstelle zustreben, ist nicht so augenfällig. Aber auch hier haben die Stempelstellen auf den Arbeitsämtern einen erheblichen Zuwachs zu verzeichnen.Das Geld rollte in diesen Monaten langsamer, fast zu langsam, ist das Ergebnis einer Umfrage bei Geschäftsinha­bern und Wirten. Die letzteren sind in einem Gebiet, in dem die Einwohner die Gewohn­heit haben, in normalen Zeitenmal rasch einen an der Theke zu heben, ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Frage der Be­wertung des Geldumlaufs.

Ausgesprochene Schwerpunkte einer sch verstärkenden Not sind dagegen die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Ba­yern. Die prozentual höchste Zahl von Ar­beitslosen trifft der Reisende im Bayrischen Wald, in Wilhelmshaven sowie in kleinen Ge­meinden zwischen Kiel und Flensburg an. Hier ist es durchaus keine Seltenheit, daß jeder Zweite, Dritte, den man im Gespräch auf der Straße nach seinem Wohlergehen fragt, resig­niert die Schultern zuckt:Arbeitslos wie lange wird das nun anhalten?

Einer der massiertesten Punkte des Frem­denverkehrs ist die Reeperbahn auf St. Pauli. Samstag vor acht Tagen setzte mich ein Ham­burger Freund mit dem Wagen da ab.Wir

Pfeidekrätte der Delphine

Interessante Untersuchungen über Delphine gelangen in der Marinebiologischen Station in England. Es wurden bei Nacht in einem Unter­wasserstand schwimmende Delphine beobach­tet. Dabei zeigte sich, daß der Delphin eine fast gerade Schwimmkurve besitzt im Gegen­satz zu Seehunden, die lebhafte, wellenförmige Bewegungen ausführen. Ein Delphin von einem Meter Länge und 170 Pfund Gewicht benötigt für eine - Geschwindigkeit von 15 Knoten 0.22 PS. Beivoller Kraft voraus dagegen muß das Tier 1,6 PS aufbringen. Ein Walfisch be­nötigt auf Grund seiner größeren Leibesfülle demgegenüber für eine 15-Knoten-Geschwin- digkeit 9 PS, entwickelt er seine höchste Ge­schwindigkeit, so benötigt der Wal hierfür bis zu 160 PS.

Alles für die Gattin

Ein amerikanischer Ingenieur hat sich des Pro­blems,Wie kann ich im Bett lesen, ohne meine Gattin in Träumen zu stören, angenommen und Handschuhe mit leuchtenden Fingerspitzen kon­struiert. Die Handschuhe spenden gerade so viel Licht, wie notwendig ist, um die Buchseilen zu erhellen. Wie der Erfinder jedoch beifügt, sind die Handschuhe nur zum Lesen im Bett geeignet.

haben kein Geld dafür, Sie werden nicht viel Betrieb finden. Die Passanten auf Deutschlands bekanntester Vergnügungsstraße waren zu zählen. Es fiel aber auch nicht schwer, die Zahl der Gäste imAllotria, demZillertal oder bei den 30 Bademädchen von Heckei festzustellen. In nicht wenigen Fällen waren Kapellen, Kellner, Garderobe­mädchen und Taxigirls den stundenlang ihren einzigen Mokka schlürfenden Gästen gegen­über in der Mehrzahl.Kein, Geld war vor­handen, stellte man auch hier betrübt fest.

Mit Pfennigen kalkulieren

In Bremerhaven wohnte ich mit einem Tex­tilreisenden zusammen. Drei große Muster­koffer stellte der Portier ins Zimmer. Dinge, die wir alle gut gebrauchen können: Ober­hemden, Ärbeitshemden, Unterwäsche usw. Das Weihnachtsgeschäft war glänzend, er­zählte der ehemalige Konsulatsbeamte.Jetzt

die sich erst von Geschäft zu Geschäft die Preisauszeichnungen ansieht, um dann dort einzukaufen, wo die Ware um einen, zwei oder drei Pfennige billiger ausgezeichnet ist.

Eingehende Befragungen und Untersuchun­gen ergaben die Feststellung, daß Arbeiter und Angestellte mit einem Monats-Nettoein­kommen von 250 bis 280 DM ihr Geld nur für den reinen Lebensunterhalt, für Miete, Licht, Beheizung usw. ausgeben. Bei den fast zwei Millionen unter ihnen, die die Zahl der Ar­beitslosen jetzt erreicht hat, sind die monat­lichen Beträge um mehr als 50 v. H. geringer. Wir können uns allenfalls noch Margarine, Sauerkraut und Kartoffeln leisten.

Es muß bald etwas geschehen

Von langatmigen Debatten um Ursache und Wirkung der Arbeitslosigkeit und dem beliebten Spiel der Behörden mit Zahlen, warum und wieso sie in diesem Ausmaß angestiegen ist, haben wir nichts, erklären alle Menschen unterwegs.Nur Maßnahmen allein vermögen zu helfen. Sie warten auf das Ingangsetzen des Wohnbauprogramms, auf Notstandsmaßnahmen, kurz: auf Arbeits­

hapert es schwer mit den Aufträgen, obwohl möglichkeiten.Was nutzen uns die prall ge-

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wir mit den Preisen erheblich heruntergegan­gen sind. Es wird wieder mit Pfennigen kal­kuliert.Wir tun es teilweise schon mit Bruchstücken davon, versicherten die Groß­händler in Deutschlands größtem Fischereiha­fen Bremerhaven.Wenn das so weiter geht, werden wir nicht einmal mehr unseren Fisch los.

Noch mehr haben die Hausfrauen der ar­beitslosen Männer die Pfennigrechnung wie­der erlernen müssen. Es ist heute keine Sel­tenheit mehr, die Hausfrau zu beobachten,

füllten Schaufenster, die Fülle an Lebensmit­teln und Früchten, an Kleidern, Anzügen, Wäsche und Schuhen, wenn wir uns nicht ein­mal richtig sattessen können?

Arbeiten wollen sie alle die Menschen, die ich unterwegs traf in Weiden in der Ober­pfalz, in Lauenburg an der Elbe, in Meppen im Emsland, in den Großstädten des Reviers, an den Kais in Hamburg. Noch haben sic Hoffnung und Vertrauen, daß man ihnen bald die Möglichkeit gibt, die Kelle wieder in die Hand zu nehmen.

Kulturkampf in Bayern bevorstehend

Streit um die Samba / Hundhammer gegen Münchner Philharmoniker

D.St. Seit der Kampfabstimmung um die vierte Landesuniversität hat sich der Schwer­punkt der politischen Auseinandersetzungen in Bayern auf den kulturellen Sektor verla­gert. Im Mittelpunkt der verschiedenen Streit­fragen, die in der letzten Zeit aufgetaucht sind, steht der bayerische Kultusminister. Hundhammers Einfluß in der Regierung und besonders in der CSU geht seit seiner er­sten großen Niederlage bei der Ablehnung der vierten Universität langsam aber stetig zurück. Trotzdem versucht er hach wie vor mit allen Mitteln, seine Konzeption eineralt- bayerisch-christlichen Kulturpolitik durch­zusetzen.

Eines der umstrittensten Probleme der letzten Wochen war die Weiterführung des Münchner Philharmonischen Orchesters. Der Stadtrat der bayerischen Landeshauptstadt beschloß mit großer Mehrheit, den Bestand der Philharmoniker als selbständiges städti­sches Orchester durch einen jährlichen Zu­schuß von 600 000 DM zu sichern. Dieser Ent­scheidung der Münchner Stadtväter waren monatelange Verhandlungen mit dem Bayeri­schen Rundfunk vorausgegangen, die ur­sprünglich auf eine Fusion der Philharmoni­ker und des Rundfunkorchesters hinzielten.

Eingeweihten Kreisen war es seit langem bekannt, daß Bayerns Kultusminister diese Fusion entschlossen anstrebte. Hundhammer bringt dem Rundfunkdirigenten Eugen Jo- chum weit mehr Vertrauen entgegen als dem jungen Fritz Rieger, der sich als Leiter der Münchner Philharmoniker bereits in der kur­zen Zeit seines Wirkens durch sein Eintreten für die moderne Musik und seine zahlreichen ..Volkskonzerte vor * den Gewerkschaften beim Kultusministerium unbeliebt gemacht hat.

Der Entschluß der Stadt München, ihr tra­ditionsreiches Orchester trotz großer finan­zieller Opfer beizubehalten, wurde daher auch von Hundhammer in einer Landtagssitzung heftig kritisiert. Er erklärte:Der Erhal- tungsbeschluß ist unsinnig, die Philharmoni­ker sind überflüssig. Sein Parteifreund, der Münchner Bürgermeister Walter von Miller,

schoß sofort zurück:Die Philharmoniker be­stehen seit Jahrzehnten, der Eindringling ist das Rundfunkorchester. Der Gesamtstadtrat wies Hundhammers Kritik alsEinmischung in die kommunale Selbstverwaltung zurück.

Diese Haltung des bayerischen Kultusmini­sters hat ihm, sogar in seinen eigenen Rei­hen, außerordentlich geschadet. Die Stimmen der Warner vor einerKulturdiktatur des Salvatorplatzes (Sitz des bayerischen Kul­tusministeriums) erschallen von Tag zu Tag lauter. Inzwischen beginnt sich Hundhammer sogar schon in rein interne kirchliche Fragen einzumischen. Der katholische Publizist Cle­mens Münster, Mitherausgeber derFrank­furter Hefte, hatte in einem Vortrag am Bayerischen Rundfunk den Hirtenbrief des Würzburger Bischofs Dr. Döpfner kritisiert, in dem dieser den Samba und einige andere moderne Tänze alsunsittlich erklärt und für seine Diözese verboten hatte.

Hundhammer erklärte nun vor einigen Tra­gen seinerseits am Rundfunk:Es geht nicht an, daß ein katholischer Laie einen Bischof kritisiert. Diese Erklärung rief in Bayern einen kleinen Entrüstungssturm hervor. Maß­gebende kirchliche Kreise versicherten, die Auffassung des Kultusministers sei falsch, die " Kritik dürfe nur nichtin verletzender Form vorgebracht werden. Außerdem wurde Hundhammer von politischer Seite vor gewor­fen, daß er sein Amt als Kultusminister und die ihm in dieser Eigenschaft eingeräumte Sendezeit mißbrauche. Samba wird natürlich trotz bischöflicher Verdammnis weiter ge­tanzt auch und vielleicht gerade in der Diözese Würzburg.

Aber noch eine Reihe weiterer kultureller Probleme dürfte in den nächsten Wochen in Bayern zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Eines davon ist das in München mit besonderer Eile vorbereiteteSchmutz- und Schundgesetz, das auf einen unerwartet entschlossenen Widerstand aus allen Kreisen der Bevölkerung stößt. Bayern dürfte in den kommenden Wochen und Monaten einen Kul­turkampf erleben, wie es ihn in den letzten 20 Jahren nicht mehr gegeben hat.

Schatjgräber am Seeufer

Jagd nach dem großen Glück

Sch. B. Noch treiben die Eisschollen die eng­lischen Flüsse herab, noch ist auf den Seen die dünne Decke kaum aufgebrochen, da sind mit Feuereifer die Schatzgräber wieder am Werk. Man schätzt, daß etwa 200 Männer diesem seltsamen Beruf nachgehen. Gewiß, viele andere versuchen es auch, aber nur we­nige haben die notwendigen Tricks gelernt, um wirklich etwas zu finden. Dazu gehört außer Glück sehr viel Erfahrung.

Gesucht wird nach dem, was andere Men­schen verloren haben, was ihnen beim Bestei­gen oder beim Verlassen der Vergnügungs­dampfer aus der Hand gefallen ist. In nur seltenen Fällen gelingt es dem Eigentümer, seine Sachen wieder vom Flußgrund zu fi­schen. Stellen die Vergnügungsdampfer wäh­rend der Wintermonate ihren Hauptbetrieb ein, dann beginnt die Zeit der Schatzgräber. Dabei handelt es sich absolut nicht um kleine Unternehmen. Meist beteiligt sich die ganze Familie an der Arbeit. Das reichste Gebiet liegt zwischen 4 und 9 Meter unter der Oberfläche des Wassers.

An jeder Landungsbrücke kommt ein be­stimmter Streifen als besonders wertvoll in Frage. Der Schatzgräber steigt in einer Tau­cheruniform in die Tiefe, während seine Frau die Luftpumpe bedient. Der Sand auf dem Flußboden wird unter Wasser in ein Sieb geschaufelt, das an einem Kran oben an der Brücke befestigt ist und das jederzeit auf­gezogen werden kann. In diesem Sieb kom­men 'dann die erstaunlichsten Dinge zum Vorschein, vor allen Dingen Münzen der ver­schiedenen Werte, Ringe, darunter auch wert­volle Stücke, manchmal eine Uhr und oft ganze Handtaschen mit Inhalt.

Die erfahrenen Schatzgräber rechnen mit drei Geldtaschen in der Woche. Die Scheine die darin gefunden werden, lassen sich aller­dings nur zum Teil und durch eine sorgfältige Behandlungretten. Sie müssen vorsichtig getrocknet und dann mit einem Bügeleisen gebügelt werden. Es genügt, wenn man sie soweit wieder herstellen kann, daß die Bank sie gegen vollwertige Scheine eintauscht.

Doch damit sind die Funde der Schatzgrä­ber längst nicht erschöpft. Einzelne Schuhe, Badetaschen mit Inhalt, Kinderroller und an­deres Spielzeug gehören zur täglichen Beute.

Taschenmesser kommen neben Brieftaschen zum Vorschein, die mehr oder weniger wert- vollePapiere enthalten. Leider läßt sich das nicht geschäftlich auswerten, weil die Papiere durch das Wasser fast restlos zerstört sind.

Die erfahrenen Schatzgräber, die allerdings eine oft unangenehme Arbeit in eiskaltem Wasser in Kauf nehmen müssen, behaupten, daß sie im Herbst und im Frühjahr so viel Geld verdienen, daß sie sich in jedem Som­mer eine schöne Erholungsreise leisten können.

Wie sie sich erklären

Wieder einmal haben amerikanische Statistiker die Unterlegenheit der Männer ausgerechnet: bei männlichem Geschlecht drücken iment­scheidenden Moment 36 Prozent die Hände ver­zückt ans Herz, 24 Prozent besiegeln ihre Lie­beserklärung mit Küssen, 20 Prozent stottern, 10 Prozent bringen überhaupt keinen Laut her­vor, 4 Prozent hauchen der Angebeteten einen sanften Kuß aufs Haar, 2 Prozent begnügen sich mit einem bescheidenen Handkuß, weitere 2 Prozent erklären sich schweigend und die rest­lichen 2 sinken in die Knie. Demgegenüber be­nimmt sich das schwache Geschlecht weit coura­gierter: 60 Prozent sinken, kurz entschlossen und wortlos, in die Arme des Geliebten, 20 Prozent erröten und verbergen schamvoll ihr Gesicht, 14 Prozent blicken dem einzig Geliebten stumm, aber beredt ins Auge, 5 Prozent stellen sich, ganz wie aus den Wolken gefallen, 1 Prozent fällt ohnmächtig zu Boden und 0,04 Prozent sucht das Weite.

Absatzschwierigkeiten

Ein Laboratorium in Peking, in dem Läuse ge­züchtet werden, muß demnächst seine Tore schließen. Von der letzten Jahresproduktion, 20 Millionen Läuse, konnten nur 3 Millionen abge­setzt werden. Die Kundschaft besteht aus Expe­rimentatoren.

Die Erzählerin Selma Lagerlöf

Zu ihrem 10. Todestag am 16. März

Am 16. März 1940 ist Selma Lagerlöf auf dem kleinen Herrenhof Marbacka in Värmland, auf dem sie auch geboren wurde, im hohen Alter von über einundachtzig Jahren gestorben. Das phantasiegewaltige Werk der großen schwedi­schen Erzählerin ist aber geblieben. Mit dem brausenden, überschwenglichen romantischen Lied vonGösta Berling ist sie 1891 zur Zeit des Naturalismus in die Literatur eingezogen. Die­ses seltsam reizvolle Buch um den lebenstrun­kenen ehemaligen Pfarrer Gösta Berling und die Kavaliere auf Ekeby wurde ihr berühmte­stes und machte sie selber in der ganzen Welt berühmt. Als äußeren Höhepunkt in ihrem an Erfolgen nach einer langen suchenden Jugend reichen Leben empfand Selma Lagerlöf wohl selbst die Verleihung des Nobelpreises im Jahre 1909. Die Sagen und die Spukgeschichten ihrer värmländischen Heimat sind inGösta Berling mit seinen lose geknüpften, abenteuerlich" phan­tastischen Menschenschicksalen eingegangen, aber auch der Zauber und der Glanz von Värmlands dunklen Wäldern und hellen- Sommernächten. Gestaute Lebensfreude bricht hier schäumend auf und aus. Schweden, Värmland zumal, ist auch die Mitte von der Lagerlöf Schaffen ge­blieben. Trotz der vielen Reisen, die sie ab 1895 hinaus in die weite Welt geführt haben. Die da­bei empfangenen reichen Eindrücke haben zwar immer wieder ihren Niederschlag im Werk gefun­den, so in dem großen RomanJerusalem, der den Auszug sektiererisch entflammter Bauern aus Dalame ins Heilige Land schildert, die mei­sten ihrer vielen Erzählungen und Romane aber sind allein in der schwedischen Heimat ange­siedelt. Das umfassendste Preislied hat sie ihr in der 1906/07 entstandenenWunderbaren Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgän­sen geschrieben, das mehr ist als nur ein Kin­derbuch.

Selma Lagerlöfs erzählerisches Werk, das kei­neswegs immer gleichwertig ist und von dem wir nur noch ,Die Wunder des Antichrist,Eine Herrenhofsage,Herrn Arnes Schatz,Christus­legenden .Liljecronas Heimat,Jans Heim­weh,Charlotte Löwensköld undAnna, das Mädchen aus Dalarne, nennen, besitzt die Breite des Lebens und der eigenen Welt, die den gro­

ßen Erzähler ausmacht. Selma Lagerlöf ist von der Liebe zu den Dingen und den Menschen er­füllt, die sie das Zuständliche, das Sein schlecht­hin ausführlich darstellen läßt. Sie weiß aber auch vom ewigen Sich-Aendern des Lebens, von dessen stetem Verfließen. In ihren Büchern ge­schieht noch etwas. Sie sind prall an Handlung. Ihre Phantasie ist stets tätig, schafft und schöpft immer neue Gestalten und Wendungen der Hand­lung. Dabei werden all die vielen Personen eines Buches, aus Erzählerinstinkt und aus einem klaren Kuristverstand heraus, immer und oft frappierend zueinander in Beziehung gesetzt. Ihr Schreiben hat noch etwas vom Tonfall des münd­lichen Erzählens, das sie auch tatsächlich weit­gehend angeregt und beeinflußt hat. Stofflich hat sich Selma Lagerlöf gleichfalls von den münd­lich überlieferten Mythen und Geschichten der Heimat immer wieder geben lassen. Der Kraft ihrer Phantasie und ihrem gestalterischen Kön­nen gelingt es aber meist, diese oft seltsam krau­sen Elemente zusammenzubinden und zu einem Ganzen zu fügen. Ohne aufdringlich gehand- habte Psychologie kennt die Lagerlöf die Gründe und die Abgründe, wenn auch die nur bedingt, des menschlichen Herzens. Die Welt der großen Städte und ihrer sozialen Spannungen fehlt je­doch dem Werk fast gänzlich. Das Grundelement von Selma Lagerlöfs Wesen ist menschliche Güte. Sie verleiht ihren Romanen und Erzählungen für uns oft den Schimmer des Märchens. H. D.

Schuberts MärchenoperSchnee­wittchen

Deutsche Erstaufführung in Freiburg

Die Freiburger Städtischen Bühnen brachten als erstes deutsches Theater die Märchenoper Schneewittchen mit Musik von Franz Schubert zur Aufführung, die Felix Weingartner, der be­kannte Dirigent und Komponist, nach einem Text von Otto Maag eingerichtet hat. Mit diesem Werk ist etwas gelungen, was bisher noch nie geglückt war, nämlich, wertvolle Stücke Schu­bertscher Opernmusik aus der Vergessenheit der Archive zu lebendigem Bühnendasein zu erwek- ken. Zeitlebens hat Schubert mit der Oper ge­rungen er scheiterte an der Unzulänglichkeit der Texte.

Als der Baseler Schriftsteller und Kritiker

Otto Maag mit der Idee einerSchneewittchen- Oper nach Schubertscher Musik zu Felix Wein­gartner kam, wurde dieser nach anfänglicher Ab­lehnung schließlich durch die Tatsache zur Mit­arbeit bewogen, daß zahlreiche Stücke aus Schu- bertschen Opern die meist Zauber- und Mär­chenstoffe behandeln dem neuen Text über­raschend entsprachen. Solche geradezu ans Wun­derbare grenzenden Uebereinstimmungen fanden sich bei genauer Durchsicht der Gesamtausgabe fast bis in alle Einzelheiten. Durch die von höch­ster Verantwortung getragene, liebevolle Bemü­hung der Bearbeiter gelang es so, die Schubert- sche Musik mit diesem Text, der in das drama­turgisch geschickt verarbeitete Grimmsche Mär­chen die Fragmente Theodor Storms zu einem Schneewittchenspiel einbezieht, zu erstaunlich organischer Einheit zu verschmelzen. Es wurde grundsätzlich nur für die Bühne geschriebene Musik verwendet, von der nur die zurZauber­harfe und zuRosamunde schon bekannter ist. Sogar die Texte konnten oft mit geringfü­gigen Aenderungen übernommen werden. Es war übrigens Weingartners letzte abgeschlossene Arbeit und das letzte Werk, das er vor seinem Tode (im Mai 1942) dirigierte.

MitSchneewittchen ist der Bühne tatsäch­lich eine vollbürtige Schubertoper geschenkt. Ist sie als Märchenspiel dem Lyriker Schubert be­sonders angemessen, so reicht dessen Musik doch auch über den Zauber* des Märchenhaften weit hinaus in die Bezirke des Dämonischen und der echten Dramatik. Der einmütig herzliche Erfolg, der dem Werk bisher auf zahlreichen Bühnen des Auslands, besonders der Schweiz, beschieden war, blieb ihm auch bei der deutschen Erstauf­führung in Freiburg treu.

Die durch Generalmusikdirektor Wilhelm Schleuning musikalisch sorgsam betreute Auf­führung ließ in der überlegen geführten szeni­schen Gestaltung durch den Baseler Gastregis­seur Friedrich Schramm und in den fein in den Raum des Waldpanoramas komponierten Schau­plätzen Friedhelm Strengers jene Einheit von Märchenpoesie und Schubertscher Gefühlsdra­matik zum unmittelbaren Erlebnis werden. Nach dem stürmischen Beifall des ausverkauften Gro­ßen Hauses zu schließen, dürfte das schöne Werk auch viele weitere deutschen Bühnen erobern.

D». H. Bd

Nächtliches Ahnen

Dunkel ward die Glut im Herde Mir im Wachen, mir im Traum,

Aus der harten Wintererde Wuchs die Trauer wie ein Baum.

Soll ich ihre Stimme hassen,

Wehren ihrer Uebermacht?

Mit dem Herzen will ich's fassen,

Was ich ahne in der Nacht.

Eingeküllt in Traum-Gefieder,

In der Lichter fromme Zier,

Schöner Himmel, stehst du wieder Als ein Wächter über mir.

Um der reinen Sterne willen Und des Heiles Wiederkehr Legst du diesen todesstillen Tiefen Schatten um mich her.

HENRY VON HEISELZR

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Kulturelle Nachrichten

Die Stuttgarter Staatsoper bringt in der Karwoche in fünf Sondervorstellungen Richard WagnersParsifal zur Aufführung. Die musikalische Leitung hat Ferdinand Leitner. Die Vorstellungen finden am Gründonnerstag, Kar­freitag, Ostersonntag, Ostermontag und Sonntag, den 16. April statt.

Mit der Eröffnung einer deutschen Ausstellung mittelalterlicher Meister Anfang April in Paris beginnt ein kulturelles Austausch­programm für das Jahr 1950 zwischen Frank­reich und der Bundesrepublik.

Am Dienstag fand in Santa Monica in Kali­fornien die Trauerfeier für Heinrich Mann unter Beteiligung zahlreicher deutscher und europäischer Schriftsteller und Künstler statt. Der ebenfalls in der Emigration lebende Schriftsteller Lion Feuchtwanger hielt die Ge­denkrede.