6. Jahrgang

Freitag, 17. Mär* 1950

Nummer 48

Roosevelts Graue Eminenz

Hitler ist nach der anderen Seite abgesdiwenkt

Die amerikanischen und britischen Militärs gaben Stalin nur einen bis drei Monate

Es ist heute müßig zu tragen, was ge­worden wäre, wenn Hitler die Sowjetunion nicht angegriffen hätte. Fest steht aber auf jeden Fall, daß er damit die folgenschwerste Entscheidung während des Krieges getroffen hat. Daß seine Annahme, es werde ihm in kur­zer Zeit gelingen, das Rußland Stalins zu zerschlagen, um dann die Abrechnung mit England durchführen zu können, nicht ganz abwegig war, beweist die Tatsache, daß man auch in militärischen Kreisen Englands und der Vereinigten Staaten der gleichen Meinung gewesen ist.

Für England selbst* und die Vereinigten Staa­ten bedeutete die Nachricht vom Ueberfall auf die Sowjetunion einen unvorhergesehenen Zeitgewinn. Sherwood berichtet in seinem BuchRoosevelt mit Hopkins darüber:

Am Sonnabend, dem 21. Juni, an dem Hopkins sich einen Tag Erholung nahm und die Rennen besuchte, fing ein Kurzwellenemp­fänger die Nachricht auf, daß Hitler in die Sowjetunion eingefallen sei Hopkins erster Gedanke bei dieser Nachricht war:Die Politik des Präsidenten, England zu unterstüt­zen, hat sich wahrhaftig bezahlt gemacht. Hit­ler ist nach der anderen Seite abgeschwenkt. Für .den Augenblick empfand Hopkins das als Erleichterung, aber eben nur für den Augen­blick: denn er mußte sogleich das neue riesige Problem der Hilfe für Rußland ins Auge fas­sen. Am Sonntag der Invasion in Rußland war ich zufällig Zeuge eines merkwürdigen und aufschlußreichen Vorfalls. Ich mußte dienst­lich einer Versammlung beiwohnen, die im Zeichen desKampfs um die Freiheit in Har- lem abgehalten wurde. Als wir in den Saal gingen, stand vor ihm ein Spalier von Leuten (offenbar Kommunisten) mit Plakaten, welche dieFreiheitskämpfer als Kriegshetzer im Solde des britischen und Wallstreet-Imperia­lismus verdammten. Als wir anderthalb Stun­den später wieder herauskamen, waren die Plakatträger verschwunden. In dieser kurzen Zeitspanne waren die Richtlinien der Kom­munistischen Partei von Moskau nach Harlem gelangt und völlig in ihr Gegenteil umgeschla­gen (oder vielmehr: Hitler hatte sie völlig umgedreht). Am nächsten Tag war der kom­munistischeDaily-Worker probritisch und setzte sich für die Intervention, für das Pacht- Leih-Gesetz und zum ersten Male seit zwei Jahren für Roosevelt ein.

Wie die Militärs sich irrten

Kriegsminister S t i m s o n schrieb am 23. Juni an Präsident Roosevelt, nachdem er eine Besprechung mit dem Chef des Generalstabs und den Herren in der Kriegsplanungsabtei­lung des Generalstabs gehabt hatte:Deutsch­land wird mindestens einen Monat und mög­licherweise, allerhöchstens drei Monate, voll­auf damit beschäftigt sein, Rußland zu schla­gen. Mit seiner Einschätzung des russischen Feldzugesmit mindestens einem Monat und höchstens drei Monaten wich das amerika­nische Kriegsministerium nicht viel von der­jenigen der britischen militärischen Fachleute ab, obwohl diese letzteren so vorsichtig waren, sich für den Fall zu decken, daß Wunder ge­schehen würden. Ihre Beurteilung der Lage (datiert vom 1. 7. 1941) erhielt Hopkins eine

Woche nach dem Beginn des Angriffes Hitlers auf die Sowjetunion. Sie sagten:

Es ist möglich, daß die erste Phase ein­schließlich der Besetzung der Ukraine und Moskaus nur drei Wochen oder vielleicht sogar sechs Wochen oder mehr beansprucht. Wenn der Feldzug in Rußland ein Blitzkrieg von, sage« wir, drei bis vier Wochen ist, dann kann man erwarten, daß die erneute Gruppierung der deutschen Formationen im Westen, etwa vier bis sechs Wochen nach dem Abschluß des Feldzuges in Rußland in Anspruch nehmen wird. Dauert der Feldzug länger, dann werden sie vielleicht sechs bis acht Wochen brauchen.

Sowohl Churchill als auch Roosevelt haben die Chancen, die ihnen Hitler mit der Wen­dung nach Osten bot, bestens benützt. Chur­chill hat sich sofort für eine Hilfeleistung an die Sowjetunion entschieden, während Roose­velt sich noch zurückhielt, vielleicht weil er Stalin nicht traute und mit der Möglichkeit eines überraschenden Friedensschlusses der Sowjets mit Hitler rechnete. Der frühere USA- Botschafter in Moskau, D a v i e s , schrieb am 8. Juli an Hopkins ein Memorandum, als der Krieg in Rußland schon zwei Wochen im Gang war, in dem es hieß:Stalin ist ein Orientale, ein kalter Realist und schon ziemlich bei Jah­ren. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er noch einmal den Frieden mit Hitler als das kleinere UCbel wählt. Er glaubt, daß Rußland von ka­pitalistischen Feinden umgeben ist.

Roosevelt übernimmt Geleitschutz

Roosevelt wünschte auch zuerst einmal zu erfahren, was Rußland brauchte und zweitens wie die Güter transportiert werden könnten. Das Bedenklichste an der neuen Lage war, daß die Versorgung Rußlands eine beträchtliche Ausdehnung der Geleitzüge und ihrer Routen nach sich zog und die Route von England nach Murmansk war ohne Vergleich im gan­zen Kriege die gefährdetste. Die britische Flotte,

weit verstreut über alle lebenswichtigen Linien des Nord- und Südatlantik, des Mittelmeeres und des indischen Ozeans, konnte unmöglich auch noch diesen neuen und kostspieligen Auf­trag übernehmen, wenn sie nicht anderswo entlastet wurde.

Am 11. Juli 1941 entschloß sich Roosevelt nach einer längeren Aussprache mit Hopkins, den Schutz aller Routen zu übernehmen, die westlich des 26. Längegrades lagen. Dadurch wurden britische Begleitschiffe für anderwei­tigen Dienst, insbesondere für die Route nach Murmansk freigemacht. Hopkins wurde erneut nach England geschickt, um Churchill diesen Beschluß mitzuteilen. Bei dieser neuen Bespre­chung mit Churchill gewann Hopkins den Ein­druck, daß es notwendig sein würde, die Wahr­heit über die Lage im Osten zu erfahren und von Stalin genaue Informationen über die Bedürfnisse der Sowjetunion zu erhalten. Am 25. Juli schickte er ein Kabel an Roosevelt:

An den Präsidenten vertraulich:

Ich möchte wissen, ob Sie es für nötig und nützlich halten, wenn ich nach Moskau ginge. Ich habe das Gefühl, daß man alles daran set­zen müßte, um zu erfahren, ob die Russen auch wirklich ihre Front auf die Dauer halten kön­nen, selbst wenn sie in dem augenblicklichen Kampf geschlagen werden. Wenn Stalin über­haupt zu einem kritischen Zeitpunkt beein­flußt werden kann, so halte ich es für gut, wenn dies in direkter Verbindung mit Ihnen durch einen persönlichen Gesandten geschieht. Ich meine, es steht so viel auf dem Spiel, daß dies geschehen müßte. Stalin würde dann auf unmißverständliche Weise erfahren, daß wir es mit der Unterstützung auf lange Sicht ernst meinen.

Einen Tag später erhielt Hopkins von Roo­sevelt folgenden Bescheid:

Weites und ich sind sehr mit der Moskauer

Kleines Mosaik

Berlin bleibt Berlin

Die sechs Berliner Musiker, die am vergange­nen Sonntag zumMarathonspielen starteten, spielten mit 100 Stunden neuen Weltrekord. Der alte wurde von vier amerikanischen Negern mit 96 Stunden gehalten.

Die Berliner Siegerin im Marathontanz, Rita Kurzicka, erklärte, als die Musiker unter ihrem einarmigen Dirigenten Heinz Kopitzky mit wun­den Fingern und aufgeplatzten Lippen, aber gu­ten Mutes, den Triumph nach Hause spielten, von nun an würden die Berliner Dauermusiker und Dauertänzer alle Rekorde brechen.

Eifersucht macht erfinderisch

Kürzlich erschien ein junger Mann auf der Polizeistation in Detroit und bat den Wacht­meister, ihn einzulochen, da er total betrunken sei und sich nicht traue, seinen Wagen zu fah­ren. Die Polizei kam der befremdlichen Bitte nach. Wenige Augenblicke später ertönten laute Schreie aus einer der entferntesten Zellen. Der eben so reuige junge Mann war damit beschäf­tigt, den zweiten Zelleninsassen. Arthur Troja, gründlich zu vermöbeln.

Der junge Mann berichtete, seine Ehefrau hätte sich bei ihm beschwert, daß Troja sie be­lästigt habe. Daraufhin habe er sich auf die

Suche nach dem Schurken begeben und erfah­ren, daß Troja wegen Trunksucht im Gefäng­nis gelandet sei. Einen anderen Weg hätte er nicht gesehen, um dem Störer seines häuslichen Glücks ans Leder zu kommen.

Das gefährliche Hollywood

Paul Behrmann, ein etwas anrüchiger Ge­schäftsmann aus Hollywood, hat der Polizei mit­geteilt, daß sieben Filmstars für den Gangster­könig Mikay Cohen arbeiten würden. Behrmann nannte Namen bekannter Schauspielerinnen und behauptete, die jungen Damen hätten sich mit wohlhabenden und einflußreichen Persönlichkei­ten in kompromittierender Weise photographie­ren lassen und teilweise sogar ein Diktaphon unter ihren Betten verborgen. Mittels dieser optischen und akustischen Beweise hätten dann Mikay und Co. die armen Opfer erpreßt. Die Anr gaben Behrmanns erregten einiges Aufsehen.

Geographie der Damen

In einem amerikanischen Unterhaltungsmaga­zin findet sich folgendeGeographie der Frau: Von 1622 sind sie wie Afrika: jungfräulich und nur zum Teil entdeckt; von 2335 wie Asien: heiß und mysteriös; von 4655 wie Europa: ein wenig verwüstet, aber noch mit einigen inter­essanten Stellen; ab 60 wie Australien: jeder kennt sie, aber keiner geht hin.

Reise einverstanden. Ich schicke Ihnen noch heute nacht eine Botschaft für Stalin.

Diese Mitteilung bevollmächtigte Hopkins zu einer der bedeutendsten Missionen des gan­zen Krieges. Am 27. Juli hatte er mit Chur­chill in Chequers eine Unterredung. Sherwood berichtet darüber:Churchill erzählte Hopkins in allen Einzelheiten von den Bemühungen Englands, die Hilfe für Rußland zu organisie­ren. Hopkins fragte, ob er einiges davon vor Stalin wiederholen dürfe.Sagen Sie es ihm, sagen Sie es ihm, rief Churchill,sagen Sie ihm, daß England nur einen Ehrgeiz hat, nur einen Wunsch, Hitler zu zerschmettern. Sagen Sie ihm. daß er sich auf uns verlassen kann ... Leben sie wohl Gott segne sie, Harry.

Maiskys handgeschriebenes Visum

Während der Zug abfuhr, der Hopkins nach Schottland bringen sollte, erschien der ameri­kanische Botschafter Winant im Laufschritt und überreichte Hopkins den Paß mit Maiskys handgeschriebenem Visum das sich später als völlig überflüssig erwies, da niemand in Rußland ihn je nach dem Paß gefragt hat. Die einzige Beglaubigung, die Hopkins auf dieser ungewöhnlichen und plötzlichen Reise außer seinem Paß bei sich trug, war ein Telegramm von Summner Welles in Vertretung des Staatssekretärs: ,

Der Präsident bittet Sie, bei Ihrer ersten Begegnung mit Herrn Stalin diesem im Na­men des Präsidenten folgendes zu sagen:

Mr. Hopkins ist auf mein Ersuchen nach Moskau gekommen, um mit Ihnen persönlich und mit anderen Personen, die Sie bestimmen mögen, über die lebenswichtige Frage zu spre­chen, wie wir am schnellsten und wirksamsten die Hilfe ins Werk setzen können, welche die Vereinigten Staaten Ihrem Lande in seinem großartigen Widerstand gegen die verräterische Aggression Hitler-Deutschlands leisten möch­ten. Ich bitte Sie, Mr. Hopkins genau dasselbe Vertrauen entgegenzubringen, als wenn Sie mit mir persönlich sprächen. Er wird mir direkt die Ansichten übermitteln, die Sie ihm gegen­über äußern und wird mir sagen, welche be­sonderen Probleme Sie für die dringendsten halten, in denen wir Ihnen behilflich sein können."

Am 28. Juli trat Hopkins seine verantwor­tungsvollste und bedeutsamste Reise an. In­folge der Geheimhaltung wie der hastigen Vor­bereitung für diese Reise hatte man keine Möglichkeit gehabt, den Fahrgästen irgend­eine Bequemlichkeit zu bieten. Als Hopkins über das russische Land flog, begann er sich über die Zukunft der Sowjetunion zu beruhi­gen. Unter ihm erstreckten sich auf Hunderte von Meilen dichte Wälder und er sagte sich, daß Hitler mit all seinen Panzerdivisionen niemals hoffen konnte, ein solches Land zu überwinden. Ueber seine Ankunft in Moskau schrieb Hopkins:In Rußland habe ich so viele Hände schütteln müssen, wie nie zuvor in meinem Leben. Mehrere Male mußte ich heimlich grinsen und ich fragte mich, ob ich auf einer Wahlkundgebung wäre. Wenigstens habe ich keine Babies geküßt.

Ueber den Besuch Hopkins im Kreml und seine Gespräche mit Stalin berichten wir in einer der nächsten Ausgaben.

(Alle Rechte für den Abdruck aus dem Buch SherwoodRoosevelt und Hopkins bei Wolfgang Krüger Verlag GmbH, Ham­burg.)

Sie ist rein

Sie ist eine Virginia.,

Sie ist eine

reine Virginia J

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