6. Jahrgang
WIRTSCHAFT
Nummer 41
Abkehr von der Kontrollrats-Steuergesetzgebung
Staatssekretär Dr. Alfred Hartmann in Reutlingen zur neuen Steuer- und Finanzpolitik
JK. Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Die Tarifreform selbst bringt nach den Aus- Dr. Alfred Hartmann sprach am Wochenan- führungen Dr. Hartmanns Steuersenkungen bis fang über Fragen der deutschen Steuer- und zu 27 Prozent. Auch in den untersten E i n- Finanzpolitik. Der Einladung der Industrie- und kommensstufen seien weitere Sen- Handelskammer Reutlingen war neben flohen k u n g e n vorgenommen worden, so daß diese Vertretern der Staatsregierung, an ihrer Spitze nun — das ist ein neuer Gesichtspunkt — u n - Staatspräsident Dr. Gebhard Müller, ein ter den Sätzen von 1939 liegen. Da- überaus zahlreiches Auditorium aus Wirtschaft gegen liege die steuerliche Belastung bei den und Behörden gefolgt, um den Redner, der die mittleren und höheren Einkommen immer noch Steuer- und finanzpolitischen Geschicke der Bun- über den ausländischen Vorbildern. Beim Woh- desrepublik Westdeutschland mit an erster nungsbau ist die Abschreib'ungsmöglichkeit auch Stelle leitet, zu einem Thema zu hören, das — für Nichtselbständige im neuen Steuergesetz 1 ver- wfe Handelskammerpräsident Kern einleitend ankert worden. Eine überraschende Neuigkeit sagte — uns allen auf den Nägeln brennt. war die Ankündigung des Redners, daß der Fis-
kus von der bisherigen Methode der vierteljähr- Itn Sinne der sozialen Marktpolitik liehen Einkommenserklärung abgehen und wie-
Finanzpolitik sei in unseren unruhigen Zeiten der zum System der festen Vorauszahlungen nie isoliert zu betrachten, stellte Dr. Hartmann übergehen will, wie es vor der Kontrollrats- seinen Darlegungen voraus. Sie habe sich in den Steuergesetzgebung üblich war.
allgemeinen Rahmen der Wirtschaftspolitik ein- , , , , __
zufügen und müsse diese — die soziale Markt- Steuerreform kostet den Fiskus 900 Mill. DM
Politik — fördern. Vertrauen zum Staate zu Die Verbrauchssteuern seien seit der Wäh-
schaffen, das durch manche Fehler der Vergan- rungsreform systematisch gesenkt worden (was genheit gestört sei, bedeute eine staatspolitische aber kaum für alle Arten von Verbrauchssteuern Aufgabe ersten Ranges. Heute gelte es, diesem zu treffen dürfte! d. Red.), dabei unlängst die Vertrauen ein neues Fundament zu geben: ein Zigarrensteuer als außerordentliche Maßnahme tragbares Steuersystem. So hätten die Fehler zugunsten eines schwer notleidenden Wirtschafts- der Währungsreform, wenn diese auch technisch zweiges. In absehbarer Zeit werde die Bier
geglückt sei, schwere staatspolitische Schäden hervorgerufen. Es beständen noch weithin die Steuergesetze des Kontrollrats, zwar nicht in allen ihren Einzelheiten, aber in der Konzeption. Die damalige Verwaltung für Finanzen habe schon im Juli 1948 eine Tarifreform mit Steuersenkungen von 20 Prozent vorgelegt, sei aber dann froh gewesen, daß diese wenigstens den untersten Einkommensstufen zugute gekommen wären.
hang mit bedeutenden Preisermäßigungen. Alles in allem koste die Steuerreform den Fiskus 900 Mill. DM, ihre Verwirklichung sei ein Beweis des außerordentlichen Verständnisses der Länderfinanzminister für die Nöte der Wirtschaft. Ais nächste große Aufgabe obliege der west- ter den Sätzen von 1939 liegen. Da- deutschen Finanzpolitik die Regelung des endgültigen Lastenausgleichs. In dessen Rahmen seien auch die Altsparer zu berücksichtigen. Ein Bundestagsausschuß für den Lastenausgleich sei an der Arbeit und das Bundesfinanzministerium erwarte von ihm die Richtlinien für die Gesetzgebung, würde aber im Notfall auch „selbst zur Feder greifen“.
Bisher 1 Milliarde Soforthilfeabgabe
Im Zusammenhang mit dem Problem Lastenausgleich anerkannte Dr. Hartmann, daß von der Wirtschaft bisher rund 1 Mrd. DM in Form von Soförthilfeabgabe neben den überhöhten Steuern aufgebracht worden sei. Dies sei mehr als ein Zeichen guten Willens und es sei heute offenbar, daß diese Leistung nicht ohne weitgehende Kreditinanspruchnahme möglich gewesen sei. Bedenklicher Kapitalmangel trete allenthalben auf, und die verschiedensten Mittel der Steuer- und Finanzpolitik seien hier zur Wiederherstellung eines dem Wohle aller dienenden Gleichgewichts einzusetzen.
Steuer folgen, und zwar erstmals im Zusammen-
Wirtschaftliche Kurzberichte
Gegen die geringe Kapitalbildung
Japan will westdeutsche Importe sperren TOKIO. Der Direktor der japanischen Devisen* Kontrollkommission erklärte soeben, daß Japan sich demnächst unter Umständen genötigt sehen werde, eine Sperre über Einfuhren aus dem Bundesgebiet zu verhängen, weil die Bundesrepublik mit ihren Eine ungeheuer geringe Kapitalbildung sei eine Einfuhren aus Japan im Rückstand sei. Wenn cs der bedenklichsten Erscheinungen unserer Zeit, sich erweisen sollte, daß Japan seinen Einfuhrsaldo Drei große Anleihen erstklassiger Anleiheträger in Dollar begleichen müsse, werde diese Maßnahme (Eisenbahn-, Wiederaufbaubank- und Wohnungs- erforderlich.
bauanleihe) seien Mißerfolge gewesen, trotzdem Deutsch . schweizerisc her Handel wieder aktiv
BERN. Im. schweizerischen Warenverkehr mit Westdeutschland ergab sich im Februar mit 27.5 Mill. Sfr auf der Einfuhrseite zum erstenmal seit der Währungsreform ein nennenswertes Aktivsaldo
man wesentliche steuerliche Vorteile gewährt habe. Die Marshallplan-Gegenwertmittel seien einmal beschränkt, und zum andern unterlägen sie der zentralen Planung. Diese berücksichtige
naturgemäß zuerst die Grundstoffindustrie, die zugunsten^des' Bundesgebietes.
Energieerzeugung, die Eisenbahn, schließlich auch den Wohnungsbau. Also eine Art „Zwangsbe- Stahlexporte unter Inlandspreis?
wirtsdiaftung des Kapitals“, die weite Gebiete DUISBURG . Die Stahlindustrie des Bundesge- der Wirtschaft blutleer lasse. Die Rückkehr zu bietes berät gegenwärtig Maßnahmen zur Steige- einer gesunden Steuerpolitik, die dem Unter- rung des Exports nach den Dollgrmärkten, der nehmer die Eigenkapitalbildung ermögliche, sei durch die günstigen Preisangebote, der französi- der seit langem erkannte und nun auch beschrit- sehen und belgischen Stahlwerke^ in ^der letzten
tene Ausweg.
Nach dem Bundesrat die Hohen Kommissare
Das Gesetz zur Aenderung des Einkommensteuergesetzes liegt in dieser Woche — wir berichteten darüber schon in unserer Nummer 37 vom 8. März — dem Bundesrat zur Beratung vor. Die Vergünstigungen, die in den Jahren 1948 und 1949 als Ersatz für unterbliebene Tarifreform gewährt worden waren, seien zum großen Teil erhalten geblieben, teilweise sogar noch erweitert. Dr. Hartmann hofft, daß das Gesetz trotz schwerer Bedenken des Bundesrats gegen den Fortbestand dieser Vergünstigungen noch in dieser Woche verabschiedet wird. Dann befinden die Hohen Kommissare darüber, die eine Behandlungsfrist von drei Wochen haben.
Zeit stark zurückgegangen ist. Man hält es für sicher, daß die deutsche Stahlindustrie sich in absehbarer Zeit werde dazu entschließen müssen, zur Steigerung der Ausfuhr von Eisen- und Stahlerzeugnissen nach den Dollarländern zu einem niedrigeren Preis als dem deutschen Inlandspreis zu exportieren.
Der Ausfuhrumsatz in Württemberg-Hohenzollern
TÜBINGEN. Der Bruttowert der Industrieproduktion Württemberg-Hohenzollern (ohne Elektri- zitäts- und Gaswerke, sowie die Bauindustrie) lag im Januar 1950 mit 145,4 Millionen DM um 38,1 Prozent über dem Produktionswert des Januar 1949. Der Gesamtumsatz belief sich im Januar 1950 auf 138,2 Millionen, der Ausfuhrumsatz auf 6,5 Millionen. Abgesehen von einem Rückgang um 3 Prozent von Dezember 1949 auf Januar 1950 zeigt der Ausfuhrumsatz im Verlaufe der letzten Monate eine
Sinkender Kosten-Index im Wohnungsbau
TÜBINGEN. Nach jetzt abgeschlossenen Erhe- im Januar 1949 über 189,5 im Juni 1949 und 182,1 bungen des Statistischen Landesamtes von Würt- im Oktober 1949 bis zum Januar 1950 auf 177,6 temberg-Hohenzollern ist der Index der Woh- gesunken.
nungsbaukosten in Württemberg-Hohenzollern bezogen auf die Basis von 1936 = 100, von 205,4
Indexgruppe
Jan.49
In den einzelnen Gruppen des Bauwesens ergibt sich folgendes Bild:
Juni 49 Okt. 49 Jan. 50 Veränderungen Indexziffer in°/o Jan. 50
1 9 3 6 = 100 geg. Jan. 1949
Erdabfuhr.
. . 254,8
214,3
197,9
166,7
— 34,6
Baustoffe frei Bau.
. . 229,4
208,7
199,4
192,3
— 16,2
Mauersteine.
. . 266,8
246,7
223,9
208,1
— 22,0
Kalk.
198,0
206,9
207,8
— 2,3
Zement.
136,5
136,6
133,7
— 14,2
Schnittholz.’.
. , 234,3
. 218,3
216,2
212,6
— 9,3
Baueisen.
. . 178,5
161,9
167,4
170,1
— 4,7
Handwerkerarbeiten.
. . 222,8
186,5
171,3
165,3
— 25,8
Löhne, Unkosten und Verdienst
. . 155,4
165,5
170,4
172,8
+ 11,2
Tariflöhne.• . .
. . 142,9
150,5
154,0
156,3
+ 9,4
Gesamtbaukosten ..
189,5
182,1
177,6
— 13,5
deutlich steigende Tendenz. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: August 1949 4,9 Mill.; September 1949 4,6 Mill.; Oktober 1949 5,5 Mill.; November 1949 5.5 Mill.; Dezember 1949 6,7 Mill.; Januar 3 950 6,5 Mill.
Messen am laufenden Band
WIEN. Die 51. Wiener Frühjahrsmesse ist am Sonntag eröffnet worden. Sie wurde von rund 100 deutschen Firmen, die durch 50 österreichische Aussteller vertreten sind, beschickt und weist zum erstenmal nach Kriegsende wieder eine stärkere deutsche Beteiligung auf.
FRANKFURT. Etwa 200 Firmen aus Frankreich, der Französischen Union und den französischen Kolonien werden auf der Frankfurter Frühjahrsmesse vom 19. bis 24. März ihre Erzeugnisse ausstellen — vor allem Textilien, Industrie- und Ledererzeugnisse, Werkzeugmaschinen, Büromaschinen und Automobile.
KÖLN. Die Kölner Frühjahrsmesse 1950, die am Sonntag eröffnete, wurde am ersten Tag von 28 000 Einkäufern besucht. Der Gesamteindruck sei zufi'ie- denstellend, doch habe man am ersten Messetag allgemein vorsichtig disponiert.
Schwedischer Volkswagen für 2000 skr?
STOCKHOLM. Ein „Volkswagen“, der mir 2000 skr kosten soll, wird wahrscheinlich im Sommer auf dem schwedischen Markt erscheinen. Der Wagen soll 3,15 m lang, 1,40 m breit sein und nur 125 kg (?) wiegen. Er soll mit einem 6 bis 7 PS-Mutor und Dreiganggetriebe ausgerüstet sein, seine Höchstgeschwindigkeit liege bei 80 km/h.
Hoffman über England verärgert
WASHINGTON. Großbritannien werde 150 Mill. Dollar Marshall-Plan-Hilfe einbüßen, wenn es nicht den anderen europäischen Ländern folge und eine teilweise Beseitigung der Handelsschranken herbeiführe, erklärte Paul G. Hoffman Pressevertretern. Diese Kürzung solle keine Strafmaßnahme darstellen, sondern sie werde der geplanten europäischen Clearing-Union zugute kommen, ob Großbritannien dieser beitrete oder nicht. Er sei verärgert wegen der britischen Haltung in der schwierigen Frage des freien Währungsaustausches in Westeuropa, erklärte Hoffman.
Reduzierter Dollarbonus
FRANKFURT. Die Mitteilung des Bundeswirtschaftsministers über einen Dollarbonus in Höhe von 15 bis 20 Prozent hat in Außenhandelskreisen enttäuscht. Allgemein hatte man bereits mit einer festen Quote des Exporterlöses aus dem Dollarraum von 25 Prozent bei freier Uebertragbarkcit und weitgehend freier Verwendung gerechnet. Wie verlautet, hat sich der Zentralbankrat eingeschaltet und eine höhere Quote als 15 Prozent für untragbar erklärt.
400 Konzessionen für den Güterfernverkehr
TÜBINGEN. Seit Einführung des Güterfernverkehrsänderungsgesetzes auch in Württemberg. Hohenzollern wurden vom Innenministerium Abt. Straßenverkehr in Tübingen etwa 400 Genehmigungen für den Güterfernverkehr erteilt. Diese Zahi entspricht etwa dem Vorkriegsstand.
50 Jahre Hohenzollerische Landesbahn
TÜBINGEN. Die Hohenzollerische Landesbahn feiert am 28. März dieses Jahres ihr 50jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlaß wird für die Belegschaft eine zusätzliche Altersversorgung in Form einer Pensionskasse geschaffen.
Treibstoffe werden billiger
Keine steuerliche Zusatzbelastung / Benzin 53, Dieselöl 60 Pf. / Uebergangsregelung bis 31.12. 50
w Das Drama der Treibstoffpreise in Westdeutschland scheint jetzt seinem Ende entgegenzugehen, und tatsächlich sogar einem glücklichen Ende, einem Ende, dessen erfolgreicher Ausgang nicht zuletzt der temperamentvollen wirtschaftspolitischen Arbeit der Kraftverkehrswirtschaft zu danken ist. Dem Bundestag ist jetzt ein Gesetz über die Neufestsetzung von Mineralölhöchstpreisen und über die Abführung von Ueberschüssen an das Zentralbüro für Mineralöl GmbH in Hamburg auf dem Absatz von Brennstoffen zugeleitet worden, nachdem der Preis für Vergaserkraftstoffe 53 Pfg. statt gegenwärtig 60 Pfg. betragen soll, und der Preis für Dieselkraftstoffe 39 Pfg. statt bisher 45 Pfg. Bekanntlich hatte der Bundesfinanzminister vorgesehen, daß in dem gleichen Augenblick, in dem Benzin auf 53 Pfg. und Dieselkraftstoff auf 39 Pfg. herabgesetzt werden würde, die gegenwärtigen Preise von 60 bzw. 45 Pfg. dadurch wiederhergestellt werden sollen, daß eine Ausgleichsabgabe von 7 bzw. 6 Pfg. erhoben würde. Praktisch würde dadurch die Preisermäßigung für Kraftstoffe wieder illusorisch gemacht werden. Nunmehr hat der Bundesfinanzminister aber von dieser Ausgleichabgabe offenbar Abstand genommen und damit ist die Preisermäßigung auf 53 bzw. 39 Pfg. (Benzol soll alsdann 63 Pfg. je Liter kosten) in unmittelbare Nähe gerückt. Der' Termin für das Inkrafttreten dieser Preisermäßigung allerdings kann noch nicht mit- geteilt werden, weil Bundestag und Bundesrat dem Gesetz noch zustimmen müssen und es von der Schnelligkeit dieser Gremien abhängen wird, wann die Preisermäßigung wirksam werden wird.
Sonderpreise für technische Zwecke
Bei den genannten Preisen handelt es sich um Höchstpreise an der Zapfstelle. Sonderpreise sind in dem Gesetzentwurf vorgesehen für technische Zwecke, für die der zollfreie Preis in Kesselwagen frei Empfangsstation 15 DM für 100 kg betragen soll, ebenfalls für technische Zwecke mit Zollbegünstigung, für die ein Preis von 17,40 DM vorgesehen ist, für die Landwirtschaft mit einem Preise von 19,10 DM (Gebinde und Tankwagen 21,60 DM), für Notstromaggregate der öffentlichen Elektrizitätsversorgung mit 14 bzw. 16,50 DM. Für die Binnen- und Küstenfischerei ist ein zollbegünstigter Bunkerpreis von 13,80 DM vorgesehen, für die Hochseefischerei ein zollfreier Preis von 12 DM, für die Binnenschiffahrt ein Preis von 16,50 DM, für in See gehende und von See kommende Schiffe von 13 DM, für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger ein Preis von 12 DM. Für den Verkauf von Petroleum für motorische Zwecke wird ein Höchstpreis von 35 DM je 100 Liter festgesetzt.
Nach dem Gesetzentwurf sind Vorschriften, soweit sie Preise, Preisbestandteile, Entgelte, Zah- lungs- und Lieferungsbedingungen regeln, auf Petroleum sowie auf Treibgas und Methan nicht mehr anzuwenden.
Beträge, die dem Zentralbüro für Mineralöl in Hamburg aus dem Absatz von Treibstoffen zu den oben erwähnten neuen Preisen zufließen oder ab 1. Januar 1950 zugeflossen sind, müssen nach dem Gesetzentwurf der Bundesrepublik Deutschland überwiesen und im Haushaltsplan des Bundes nachgewiesen werden, soweit sie die Selbstkosten des Zentralbüros für Mineralöl übersteigen. Darüber hat das Zentralbüro für Mineralöl dem Bundeswirtschaftsminister monatlich Rechnung zu legen. Das Gesetz soll im übrigen am 31. Dezember 1950 außer Kraft treten.
Begründung des Bundeswirtschaftsministers
In der Begründung des Bundeswirtschaftsministers zu diesem Gesetzentwurf wird darauf hingewiesen, daß das Bundeswirtschaftsministerium eine eingehende Ueberprüfung der Preise für Vergaser- und Dieselkraftstoff eingeleitet hat, daß aber diese Ermittlungen nicht rasch abgeschlossen werden können. Der Gesetzentwurf sieht daher eine Uebergangsregelung vor, die, wie gesagt, bis Ende dieses Jahres gelten soll. Bei Petroleum, bei Treibgas und bei Methan gibt es im übrigen keine Preisfestsetzung und Bewirtschaftung mehr mit Ausnahme der Abgabe von Petroleum für motorische Zwecke mit einem Preis von 35 Pfg. pro Liter.
In der Begründung wird im übrigen unterstrichen, daß das Gesetz vom 10. 8. 1949, wonach das Zentralbüro für Mineralöl die aus der Nichterhebung der Eingangsabgaben für importierte Fertigöle ersparten Beträge an Zoll- und Umsatzausgleichssteuer an den Bundeshaushalt abzuführen hat, unbefristet gilt.
Frank Thieß
(Zu seinem 60. Geburtstag am 13. März)
Im vierten Teil des epischen Werkes „Jugend“ von Frank Thieß, in dem Roman, „Der Zentaur“, notiert sich der Schriftsteller Dr. Kernbeißer auf einen Zettel: „Darum aber, weil jede Dichtung aus dem Chaos geboren ist, führt sie zur Spaltung des Bewußtseins derer, die sie empfangen. Dies ist ihr Sinn: sie soll beunruhigen, soll in Frage stellen und soll die Schlacke aus dem Erz brennen. Der Dichter ist ein Raubtier, das die schlafenden Dörfer in gesunder Angst hält. Denn der Mensch darf nicht in zu großer Sicherheit leben. Ein Dichter, der die inerkannten Mächte gutheißt, die gültigen Gesetze preist, den Frieden der Bürger nicht stört... fort mit ihm!“
Um so handeln und schreiben zu können (und Handeln und Schreiben ist hier einmal dasselbe) braucht es einen Mittelpunkt und ein tiefes Wissen; aber das Wissen hat seine Grenzen, und „Ihr Götter“ heißt es ein andermal — in dem Essayband „Erziehung zur Freiheit“ — „mir scheint der wichtigste Teil der Welt fängt erst hinter der allgemeinen Beweisbarkeit an!“
In diesen beiden Sätzen, an deren Stelle leicht eine Menge von anderen, ähnlichlautenden treten könnte, haben wir den ganzen Frank Thieß und die Quelle seiner Wirkung. Er gehört zu den wenigen Männern des deutschen Schrifttums, bei denen der Unterschied von Dichter und Schriftsteller seinen Sinn verliert. Ueber das Lebenswerk des nun 60jährigen Balten, das an Umfang und Gehalt wie als Spiegel unserer Zeit gleichviel bedeutet, in einigen Sätzen etwas auszusagen, scheint unmöglich; wenn es doch gewagt sein soll, kann es nur im Bild, im Gleichnis geschehen:
Drei Punkte sind gegeben, durch die ein Kreis gelegt werden soll. Nun, einige würden, der Schulweisheit sich erinnernd, die Punkte durch zwei Gerade verbinden, auf ihnen die Mittelsenkrechte hinstellen und von ihrem Schnittpunkt aus mit Zirkel und Lineal den Kreis ziehen. Andere würden die Punkte betrachten, den Stift nehmen und aus freier Hand den Kreis ziehen — nur wenigen gelingt er makellos. Frank Thieß, um das Gleichnis weiterzuführen, konstruiert den Kreis; dann nimmt er einen neuen
Bogen und zeichnet den Kreis aus freier Hand, makellos. Daß er jenes Verfahren zur Stufe dieses wählt, macht seinen Rang aus.
Da sind einmal die Bücher, in denen Thieß den Standort festlegt, vor allem „Das Gesicht des Jahrhunderts“, ein Bündel kecker Angriffe, sowie „Die Erziehung zur Freiheit“, die Summe seiner Erkenntnisse zur Liebe, zur Ehe, zur Jugendbildung, und nicht zuletzt „Das Reich der Dämonen“, breite Darstellung des Weges von den Griechen bis zum Sieg des Christentums, Schilderung des ewigen Kampfes zwischen Recht und Macht, um das Gleichgewicht von Geist und Stoff; in dem 1940 unter der Diktatur erschienenen Werk wurde für den, der zu lesen verstand, das Ringen gegen die Diktatur im Namen der Menschlichkeit aufgenommen.
Da sind ferner die Werke reiner Gestaltung, Novellenbände wie „Der Kampf mit dem Engel“, „Narren“, „Angelika ten Swaart“ und „Eine sonderbare Ehe“, alle mit einem Doppelgriff nach dem erregenden Problem und nach der selbständigen Fabel zugleich gepackt, endlich die Romane „Der Tod von Falern“, ein gültig ausgeweiteter Sonderfall eines Liebesschicksals, ferner die erwähnte, viersätzige Jugendsymphonie mit der alle Motive kunstvoll verschlingenden Fuge des „Zentauren“, in dessen Helden Eric Almquist sich einmal die deutsche Jugend sah, ferner „Tsushima“, der Roman eines Seekrieges: hier gipfelt die Kunst des Dichters, Stoffmassen zu ordnen und ordnend zu gestalten.
Es folgen die nach dem zweiten Weltkrieg erschienenen Bücher um den Gesang, um Puccini, um Caruso, in Abstand gerückt und dennoch nah südlich beglänzte Formung des leidenden Menschen ...
Wie gern gedenk’ ich einer Stunde zu Beginn des vierundvierziger Jahres, als mir in Wien Thieß, den ich nur dies eine Mal gesehen, Puc- cinis Geist beschwor und den Erfolg seiner Opern daraus erklärte, daß den unterm Krieg leidenden Menschen durch das Erlebnis des Schicksals ihr Leid singender Menschen geholfen werde! (Puccini — lag es nicht nahe, an Stendhal zu denken,' der über der Vorliebe zu den Italienern auf manche unsterblichen Meister gern verzichtete, deren Werk damals im Bewußtsein der Zeitgenossen heraufwuchs?) Sein romantisches Spiel „Der ewige Taugenichts“ nach Eichendorff bleibe
nicht unerwähnt, „Johanna und Esther“, „Der Weg zu Isabella“ und „Die Zeit ist reif“, wieder ein Buch von Reden und Vorträgen.
Aber ich habe versprochen, das Gleichnis auszuführen. Die drei Punkte, durch die Thieß den Kreis legt, sind diese: die Gegenwart, wie sie ist; die Menschenordnung, wie sie sein sollte; das gestaltende Wort, das beide spiegelt. Und der Mittelpunkt des aus überlegener Schau gezeichneten Kreises: Selbsterziehung zur Freiheit, unerschütterlicher Glauben an Einmaligkeit, an Recht und Pflicht des Individuums. Und eben darum hat Frank ‘Thieß so vielen geholfen und hilft ihnen noch.
Otto Brües
*
Rechtzeitig zum Geburtstag des Dichters ist im Wolfgang Krüger Verlag, Hamburg, ein Sammelband erschienen, in dem 32 Persönlichkeiten des europäischen Geisteslebens — darunter Hermann Broch, Kasimir Edschmid, Pascual Jordan, Alexander Lernet-Holenia, Manfred Hausmann, Kurt Hiller, Wilhelm Furtwängler und R. A. Schröder — die Bedeutung Thieß’ als Romancier, Essayist, Dramatiker, Historiker und Philosoph würdigen. Der Herausgeber Rolf Ita- liaander gibt einen aufschlußreichen Lebensbericht.
Der Verlag Gustav Kiepenheuer brachte den Roman „Katharina Winter“ heraus, der eine völlige Umarbeitung des 1927 erschienen „Frauenraub“ darstellt. Die Titeländerung deutet bereits an, daß nunmehr das Hauptgewicht ganz auf die bis ins letzte nuancierte psycho! ogische Durchdringung der Frauengestalt im Mittelpunkt des Romans verlegt wurde.
Heinrich Mann gestorben
Der Schriftsteller Heinrich Mann, der ältere Bruder von Thomas Mann, ist am Sonntagabend in Santa Monica, Kalifornien, an den Folgen eines Herzschlages gestorben. Mann wäre am 27. März 79 Jahre all geworden. Das reiche Lebenswerk des Verstorbenen, das in 12 Bänden gesammelt vorliegt, umfaßt Romane, Essays und Novellen. Am bekanntesten wurden „Der Untertan“, „Professor Unrath“ (später als Film ..Der blaue Engel“), die Romane um Heinrich IV. Seine
letzten Werke waren „Ein Zeitalter wird besichtigt“ und „Der Atem“.
Heinrich Mann, der frühere Präsident der Preußischen Dichterakademie, war zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft zunächst nach der Tschechoslowakei, dann nach Frankreich und 1940 nach den Vereinigten Staaten emigriert.
Die Sowjetzonenregierung hat den Verstorbenen, der politisch stark zum Kommunismus tendierte, in einer Trauerbotschaft als „unwandelbaren Freund der Sowjetunion“ bezeichnet. Heinrich Mann wollte in diesem Frühjahr nach Berlin zurückkehren. Er war Ehrenpräsident der ostzonalen „Akademie der Künste“.
Kulturelle Nachrichten
Etwa 200 000 DM gibt das württembergisch- hohenZollerische Kultministerium jährlich für die Unterstützung begabter und bedürftiger Studenten aus.
Professor Karl Jaspers wird auf Einladung des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität Heidelberg im Sommersemester Gastvorlesungen in Heidelberg halten. Prof. Jaspers wirkt seit 1948 an der Universität Basel.
Die Bühnen der Stadt Bonn werden aus finanziellen Gründen mit Abschluß der Spielzeit den Opernbetrieb einstellen und nur noch Schauspiel, Operette und Orchester beibehalten.
In der vergangenen Woche wurden in Strat- ford-on-Avon die diesjährigen Shakespe'are- Festspiele mit einer Aufführung von „Maß für Maß“ feierlich eröffnet. Für die Veranstaltungen, die bis Okiober gehen werden, sind bisher über 20 000 Karten verkauft worden.
Im Juli wird im Haus der Kunst in München eine Ausstellung des Lebenswerkes des jetzt in London lebenden Malers Oskar Kokoschka stattfinden.
Kammersänger Hans Hotter von der Wiener Staatsoper ist an die New Yorker Metropolitan Opera verpflichtet worden. Er wird sein Engagement im Oktober antreten.
Die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde veranstaltet vom 1. bis 15. Juni in Wien ein ..I n - tprnationales Bachfest", zu dem bedeutende Dirigenten und Gesangssolisten aus verschiedenen Ländern gewonnen wurden.