ff. Jahrgang
BAUPROBLEME
Wohnungsbau als produktive Soforthilfe
Ein Vorschlag von Dr. Franz Ehrenfried, Rottweil a. N.
Die Soforthilfeabgabe wirkt sich nach den bisherigen Bestimmungen und Erfahrungen, neben den sonstigen steuerlichen Abgaben und dringenden Reparaturausgaben, beim Hausund Grundbesitzer als eine untragbare Belastung und nachgerade als eine außergewöhnliche Wertminderung aus. Dies ist um so mehr der Fall, wenn der Haus- und Grundbesitzer, wie in zahlreichen Fällen bei Rentnern und Witwen, auf die Mieteinnahmen zur Erhaltung seiner Existenz angewiesen ist. Der durch- die zwangsläufige Aufnahme von Bankkrediten bedingte private Vermögensschwund hat bereits nach 10 Jahren gleichzeitig eine mindestens 25—30prozentige Verminderung des Volksvermögens zur Folge, die nicht im Interesse des Staates und des Gesetzgebers liegen kann. Die Abtragung einer derartigen Hypotheken- und Schuldenlast wäre nur durch einen Verkauf möglich, der als allgemeine Erscheinung eine weitere Wertminderung erwarten läßt, um so mehr, wenn die dringendsten erforderlichen Reparaturen weitere 10 Jahre zurückgestellt werden müßten. Das unausbleibliche Ergebnis wäre, daß im Laufe der nächsten 10 Jahre wohl 2,5 Millionen Neuwohnungen im Werte von 25 Milliarden DM erstellt, der Wert der Alt Wohnungen aber von rund 40 Milliarden Steuereinheitswert um annähernd 20 Milliarden gleichzeitig vermindert würde.
Die „Bau-Mark“
Die Haus- und Grundbesitzer sind bereit auf ihr Grundvermögen eine Briefhypothek in Höhe von 20—25 Prozent des Steuereinheitswertes eintragen zu lassen und mit dieser Briefhypothek die Bürgschaft für das Wiederaufbauprogramm zu übernehmen. (Altwerte bzw. Steuereinheitswerte sind ohne den derzeitigen Baukostenindex von rund 200 Prozent berechnet.) Die Haus- und Grundbesitzer übergeben zu diesem Zwecke entweder direkt oder durch Vermittlung besonderer Zwischenstellen an einen Bauherren, der die entsprechende Summe benötigt, ihre Briefhypothek kostenlos ab. Der neue Bauherr läßt sich vom zuständigen Stadtbauamt oder Bürgermeister seinen Bauwillen (Unterlagen) bescheinigen und sendet diese Bescheinigung und die gegen eine genau festgelegte Empfangsbescheinigung erhaltene Briefhypothek direkt an die Bank Deutscher Länder oder an eine vorgeschaltete Wiederaufbaubank ein, die auf Grund dieser abgetretenen Werte und Bürgschaften laut Briefhypothek in die Lage versetzt wird, neue Banknoten auszugeben oder entsprechende Geldmittel für den Wohnungsbau als sogenanntes „Baugeld“ („Bau-Mark“) zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise werden sämtliche Briefhypotheken bei der BdL bzw. Wiederaufbaubank deponiert, die den jeweiligen Gegenwert dem Bauherrn auf Bankkonto überweist bzw. zur Verfügung stellen wird.
Zu niedrigstem Zinsfuß
Nach Bezahlung der Bausumme aus „Baugeld“, einschließlich privatem Kapital und eventuellen sonstigen staatlichen Zuschüssen bzw. Darlehen von Bausparkassen usw. läßt der neue Bauherr eine entsprechende Briefhypothek auf seinen Neubau eintragen und tauscht diese gegen die frühere Briefhypothek des Haus- und Grundbesitzers, die im Depot der BdL bzw. Wiederaufbaubank aufbewahrt ist, zwecks Rückgabe an den früheren Hausund Grundbesitzer ein, wodurch letzterer durch Löschung im Grundbuch von seiner Bürgschaft wieder frei bzw. entlastet wird. Weil dieses Baugeld zusätzlich geschaffen wurde, kann es zu niedrigstem Zinsfuß zur Verfügung gestellt werden. Da beabsichtigt ist, den neuen Bauherrn von der Grundsteuer zu befreien, kann dieser berechtigterweise die laufende Amortisation des Baugeldes selbst übernehmen, zumal ihm ungeachtet dessen — wie weiter unten noch dargestellt wird —. weitere Staatszuschüsse zugewendet werden können.
Vollbeschäftigung im Bauhandwerk
Gegen die Befreiung von der Soforthilfeabgabe von 2 Prozent auf Wohngebäude bzw. 3 Prozent auf Grundstücke, werden die Hausund Grundbesitzer verpflichtet, jährlich mindestens 1 bis VA Prozent des Steuereinheitswertes, d. h. die Hälfte der Soforthilfeabgabe, für Reparaturen auszugeben. Dadurch fließen aus einem Gesamtsteuereinheitswert von rund 40 Milliarden DM aus den noch vorhandenen Wohnungen rd. 400 bis 600 Millionen DM dem Handwerk zu, das bereits durch das Wiederaufbauprogramm beschäftigt und durch die zusätzlichen Reparaturen bis zu seiner Höchstleistung in Anspruch genommen wird. Aus diesem Reparaturwert kann eine Lohn- bzw. Einkommenssumme von 25 Prozent, also rd. 100—150 Millionen DM, geschätzt werden, die wiederum dem Staate etwa 25 Prozent, d. h. rd. 25—37,5 Millionen DM, an Lohn- bzw. Einkommensteuer bringt. Zur Bewältigung der über die Kapazität hinausgehenden Reparaturarbeiten wird das Handwerk schließlich gezwungen sein, einen Großteil der bisher noch arbeitslosen Flüchtlinge zur Mitarbeit heranzuziehen (Die Mehrzahl der Flüchtlinge sind bekannterweise Landwirte und können als solche in den Westzonen nicht leicht neue Arbeit finden. Landwirte sind aber praktisch geeignet, als Maurer, Zimmerleute, Maler usw. eingesetzt bzw. umgeschult zu werden. Falls es möglich würde, auf diesem Wege 2 Millionen Flüchtlinge — evtl, mit Familienangehörigen — wieder in Arbeit zu bringen, könnten dem Staate schon bei einer monatlichen Unterstützung von nur DM 25.— bzw. jährlich DM 300.— pro Flüchtling rund 600 Millionen DM als Unterstüztungsgelder erspart werden. Vermutlich dürfte die Einsparung durch den Eigenverdienst und die selbständige Unterhaltung der Familienangehörigen noch günstiger ausfallen. Diese Einsparungen einschließlich der zusätzlichen Lohn- und Einkommensteuer sowie des Mehraufkommens
an Umsatzsteuer ergeben insgesamt dieselben Einnahmen wie durch die Werte zerstörende Soforthilfeabgabe (rd. DM 800 Millionen bei DM 40 Milliarden Steuereinheitswert).
Wohnungsbauprogramm für 4 Jahre
Außerdem können durch die vorgeschlagene Form der Briefhypothek sofort rund 8—10 Milliarden DM neue Baugelder (= 20 bzw. 25 Prozent aus 40 Milliarden DM Steuereinheitswert) geschaffen werden, womit das vorgeschlagene Wohnungsbauprogramm mit einem Schlage zunächst a u f d i e Dauer von 4 Jahren sichergestellt wäre. Ohne Berücksichtigung von etwaigem zusätzlichen Privatkapital könnten später in ähnlicher Weise neue Bürgschaftsübernahmen durchgeführt werden. Das zusätzliche Privatkapital wird um so mehr in Neubauten Anlage suchen, als durch die Befreiung des Haus- und Grundbesitzers von der Soforthilfeabgabe wiederum eine Rentabilität des Haus- und Grundbesitzes gewährleistet ist.
In 10 Jahren rund 8 Mill. Wohnungen
Die für das Wohnungsbauprogramm der nächsten 3 Jahre (1951, 52 und 53) voreingenommenen Beträge könnten bei Ueberschrei- tung der derzeitigen Höchstkapazität des Baugewerbes (rd. 300 000 Wohnungen jährlich) als rückzahlbare Kredite für andere sozialpolitische Zwecke (Kriegsbeschädigte, Flieger- und Währungsgeschädigte, Flüchtlinge) für Unterstützungsgelder, Kredite, Umschulung, Lehrlingswerkstätten usw. zu Lasten der hierfür in den Sozialetats 1951—1953 vorgesehenen Ausgaben verwendet werden. Nach dem dargelcg- ten Vorschlag sind in 10 Jahren in den drei Westzonen sämtliche noch zurzeit vorhandenen 5,5 Millionen Altwohnungen wieder instandgesetzt und dadurch vollwertig erhalten und zusätzlich weitere rund 2,5 Millionen neue Wohnungen geschaffen worden, also insgesamt
Nachdem sich die Ernährungsverhältnisse gebessert haben, ist von den drei Urbedürf- nissen des Menschen, der Nahrung, Wohnung und Kleidung, das Wohnungsbedürfnis das dringlichste geworden. Anerkannt muß werden, daß die öffentlichen Stellen hier zu helfen suchen. Diese Hilfe ist aber ganz unzureichend. Staat .und Gemeinden können nur einen kleinen Teil der nötigen Mittel aufbringen; nur ein kleiner Teil der Notleidenden kann daher eine öffentliche Beihilfe erhalten, während andere, ebenso Bedürftige leer ausgehen müssen. Darin liegt natürlich eine bedenkliche Ungerechigtkeit. Denken wir aber ein wenig weiter, so verstärkt sich diese noch. Kein Finanzminister und kein Oberbürgermeister ist „Eslein-streck-dich“, dem man nur das Zauberwort zuzufiüstern brauchte, damit es Goldstücke produziert. Was er ausgeben soll, muß er vorher einnehmen. So ists auch mit den Baubeihilfen. Staatsbeihilfe für den einen bedeutet Steuern für den andern. So muß der Nichtbedachte Hilfsbedürftige die Beihilfe seines glücklicheren Mitbewerbers in Form von Steuern auch noch mitbezahlen.
Die Möglichkeit, Wohnungen zu bauen, könnte beträchtlich vergrößert werden, wenn sich die Absicht der Bundesregierung verwirklichen ließe, die alten Guthaben bei den Sparkassen usw. nachträglich aufzuwerten, da manch einer dadurch Mittel in die Hand bekäme. Aber woher sollen diese Mittel kommen? Man hat ja den Sparkassen, Lebensversicherungsgesellschaften usw. die Gegenwerte genommen, indem man die Hypotheken und andern Forderungen auf den zehnten Teil abwertete und die übrigen neun Zehntel für die noch dringlichere Flüchtlingsfürsorge festlegte.
Weiter führen kann ein anderer Weg. Ein starkes Hemmnis der Bautätigkeit liegt in der Verteuerung des Kredits. Wer Bankkredit in Anspruch nimmt, muß heute 8 Prozent Zinsen zahlen. Ohne Kredit aber kann jetzt niemand bauen. Da diese Zinsen von den noch' dazu gewaltig gestiegenen Baukosten gezahlt werden müssen, so kommt eine heute hergestellte Wohnung so teuer, daß die wenigsten die Kosten aufbringen können. Wie kann man helfen, ohne Staats- oder Gemeindemittel aufzuwenden?
Ein wirksames Mittel wäre die Steuerermäßigung, aber nur eine solche gründlichster Art: die Steuerbefreiung. „Wie schlau!“, sagt natürlich der Leser, „als ob es für Staat und Gemeinde nicht ganz dasselbe wäre, etwas zahlen zu müssen oder eine geschuldete Einnahme nicht zu erhalten: den Fehlbetrag müssen sie in beiden Fällen durch eine andere Einnahme decken. Gemach, so ist es nicht gemeint. Was der öffentliche Verband, hier die Gemeinde, bisher bekommen hat, soll er weiter erhalten; nur auf den Mehrbetrag, der erst durch den Bau entsteht, soll er verzichten. Errichtet jemand auf einem Bauplatz im Einheitswert von 5000 M ein Wohnhaus im Einheitswert von 20 000 M, so soll er auch weiterhin für 5000 M. nicht aber für 25 000 M Grundsteuer zahlen. Die Steuer für 20 000 M entgeht dann freilich • der Stadt. Aber das wäre kaum etwas anderes als die Taube auf dem Dach: wenn jemand überhaupt nicht baut, bekommt sie diese Steuer auch nicht. Sie verliert in diesem Falle also nicht einmal einen künftigen Gewinn.
Und denken wir nun an die mittelbaren Folgen. Wie kaum ein anderer Erwerbszweig ist das Baugewerbe geeignet, dem ganzen Wirtschaftsleben einen Auftrieb zu geben Erinnern wir uns nur an den Bau der Reichsautobahnen in einer Zeit schlimmster Arbeitslosigkeit! Mit dem Bauwesen belebten sich auch die Industrie der Steine und Erden, die Holzindustrie, das Transportgewerbe, das Instal
rund 8 Millionen Wohnungen verfügbar. Damit ist der Wohnungsbedarf in den drei Westzonen in 10 Jahren bereits zu 75—80 Prozent gedeckt.
Stetige Konjunktur
Durch das Wohnungsbauprogramm und das zusätzliche Reparaturarbeitenprogramm fließt bei fortgesetzter Leistungssteigerung neues Leben in die Wirtschaft und es ist daher mit einer stetigen Konjunktur bzw. Wiedergesundung in den nächsten Jahren zu rechnen. Auch ohne ausländische Hilfe erscheint so die fast unlösbare Aufgabe mit inländischen eigenen Mitteln lösbar, wobei durch die Belastung mit Briefhypotheken der deutsche Haus- und Grundbesitz auch gegen eine etwaige Ueber- fremdung geschützt wäre. Eine Gefahr für die Entwertung der DM erscheint nicht gegeben, da für die zusätzlichen Gelder laufend neue Gegenwerte in Neubauten geschaffen werden.
Gleichzeitig ist auch das schwerwiegende Problem der bisher noch unklaren Verrechnung der noch unbestimmten Höhe und Dauer der Soforthilfeabgabe bzw. des Lastenausgleiches bei Grundstücksverkäufen eindeutig dahin gelöst, daß der Käufer den vollen Marktpreis (errechnet auf Grund des Steuereinheitswertes bzw. Brandschadenswertes) zu bezahlen hat und dabei entsprechend die jeweils eingetragene Briefhypothek übernimmt, die ja später wieder automatisch gelöst wird. Damit könnte sich auch der Grundstücksmarkt wieder normal weiterentwickeln.
Schließlich wird die scheinbare Freistellung des Haus- und Grundbesitzes (vergleiche Reparatur- und Bürgschaftspflicht) von „ausgleichenden“ Abgaben und Vermögensverlusten gegenüber dem „N u r-K a p i t a 1-B e s i t z er“ dadurch gerechtfertigt, daß auch der Haus- und Grundbesitzer sein ganzes Barvermögen verloren hat (vergleiche Warenbesitzer und Beamte) und er außerdem jahrzehntelang die Grundsteuer neben der Vermögensteuer bezahlen mußte.
lationsgewerbe und viele andern. Und das wirkt sich wieder auf andere Erwerbszweige aus. Die Steuererträge, besonders die der Einkommensteuer und Gewerbesteuer, steigen; auf der anderen Seite sinken die sozialen Lasten, besonders die Kosten der Arbeitslosenfürsorge. Durch den vorgeschlagenen Verzicht würden also die Gemeinden nicht nur nichts verlieren sondern noch gewinnen.
Natürlich hat es gewisse Bedenken, hier Vorrechte zu schaffen, indem die etwa vom 1. Oktober 1949 ab errichteten Häuser viel günstiger gestellt werden als die vorher .erbauten. Solche Bevorzugung liegt aber in jeder wirtschaftlichen Förderung, wie sie auch gestaltet sei und wen sie auch treffe. Bedenklich sind nur dauernde Privilegien. Um ein solches handelt es sich aber nicht. Die steuerliche Bevorzugung soll keine dauernde sein. Genügen würde eine Befreiung auf etwa zehn Jahre und für die folgenden fünf eine Ermäßigung auf die Hälfte.
Nummer SS
Laiengedanken über das Bauen
Es ist eine der Merkwürdigkeiten dieses Lebens, daß Arbeit, die dem Frieden dient, lange nicht so viel Anziehungskraft auf Gelehrte und Erfinder auszuüben vermag wie Arbeit für den Krieg. Diese Tatsache ist mit frappanter Eindringlichkeit beim Wohnungsbau festzustellen.
Es ist mir, einem Laien, völlig unerfindlich, warum wir uns im wesentlichen noch immer derselben Bauelemente bedienen wie vor 2000 Jahren. Und es ist mir unerfindlich, warum sich immer noch nicht ein Gremium von Wissenschaftlern zusammengetan hat mit dem Ziel, ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus um 3500 DM zu — zu erfinden. Allerdings (und das wäre dann als Erfindung des Schweißes der Edlen wert) unter Verwendung völlig neuer Baustoffe.
Es kann mir beispielsweise niemand klarmachen, daß es zweckmäßig sei, Außenfronten von Häusern in irgendeinem Verfahren zu mauern oder zu stampfen und darnach zu deren Abdeckung einen Gipsbewurf aufzubringen, der seinerseits womöglich auch wieder einer besonderen Haftunterlage bedarf. Ganz abgesehen davon, daß dadurch die Baukosten zwangsläufig in die Höhe getrieben werden, ist der Bewurf nach längstens 10 Jahren erneuerungsbedürftig. Also neue Ausgaben für dasselbe Objekt, die die Amortisation sehr erheblich beeinflussen.
Wer sagt, daß es nicht irgendein, vielleicht noch unbekanntes Material gibt, das (möglicherweise unter Farbbeimischung in einem gewollten Ton oder Muster) genügend Oberflächenhärte hat, sein Lebtag dem Wetter zu trotzen?
Man entgegnete nicht, das sei unmöglich. Vor 10 Jahren war die Atomenergie ein unerfüllter Traum so gut wie der Düsenjäger. Und noch vor 50 Jahren kamen Motorfahrzeuge nur in den Romanen von Utopisten vor.
Worauf es ankommt, ist, Gegebenes nicht als unabänderlich hinzunehmen.
Weiter: Man überlege sich doch einmal, wieviel Arbeitsgänge nötig sind, bis ein einziges Zimmer bezugsfertig ist. Ja, muß denn das in alle Ewigkeit so bleiben, daß, wenn der Maurer fertig ist, gegipst wird, dann geweißnet und tapeziert und am Ende der Fußboden gelegt? Und was ist das Ergebnis dieser vielen, mit veralteten Mitteln durchgeführten Arbeiten?: Der Gips kriegt Sprünge, die Kalkmilch blättert ab, die Tapete bleicht in der Sonne. Nach wenigen Jahren beginnt auch hier das gewohnte Spiel: Ausbessern, Erneuern.
Ich weiß, daß es auch für diesen Zweck noch kein Material gibt, das alles in einem ist: Gips, Kalkmilch und Tapete. Aber gewiß wird es das eines Tages geben. Dann nämlich, wenn irgendeinen klugen Kopf die Lust ankommt, sich (und damit seine Mitmenschen) von überkommener Gewöhnung freizumachen. Wenn sich dann dieses Material, ausgestattet mit Holzeigenschaften und Farbzusätzen, auf Decke und Wand unablöslich aufstreichen läßt, dann haben wir einmal eine Ausgabe für Gipsen, Kalken und Tapezieren — alles in allem — und dann ist Schluß. Was der Hausfrau beim Frühjahrsputz zu tun bleibt, wäre, mit einem Schwamm abzuwaschen und im übrigen dann ein funkelnagelneues Zimmer zu beziehen.
Wäre das nicht schön?
Und billig?
Die Fertigbauweise zur Diskusion gestellt
Um den Fertighausbau unvoreingenommen beurteilen zu können, müssen die charakteristischen Merkmale dieser Bauweise kurz gestreift werden. Die gebräuchliche Bezeichnung „Fertighaus“ ist irreführend, denn dieses Haus kommt ja keineswegs etwa fertig aus der Fabrik, sondern muß erst an Ort und Stelle aus Fertigteilen auf einem in bisher üblicher Bauart hergestellten Untergeschoß. aufgestellt werden. Man spricht also richtiger von einem „vorgefertigten“ Haus. Die Anfänge dieser Bauart liegen etwa 20 Jahre zurück. So neu ist die Sache also gar nicht. Neueren Datums ist nur, daß diese Bauweise jetzt auch auf den Wohnungsbau übertragen wurde. Ursprünglich wurden nur kleine Wochenend- oder Landhäuschen aus Holz von Holzbaufirmen in der Werkstatt (in Einzelteilen) hergestellt, um dann irgendwo zusammengebaut zu werden. E’ne Hochblüte erlebte die Fertigbauweise im dritten Reich, als die RAD-Baracke zur alleinseligmachenden Norm erhoben wurde. Den Höhepunkt bildete das durch „Führererlaß“ geschaffene Behelfsheim. Ueber den Wert dieses Behelfsheimes brauchen wir wohl kein Wort mehr verlieren. Es war so miserabel, daß das Handwerk eigene, befriedigende Lösungen vorschlug, aber leider drang es damit nicht durch.
Nach den mehr oder weniger lauten Anpreisungen sollten wir annehmen, Fertighausbau sei eine sehr einfache Sache. Da müssen wir uns aber immerhin wundern, daß selbst im kapital- und rohstoffreichen, hochindustrialisierten Amerika das Problem des Fertighauses noch nicht befriedigend gelöst wurde und es ist bezeichnend, daß sich das Kapital von diesen Hausfabriken zurückzieht. Dazu kommt, daß bei uns andere Anforderungen an ein Haus gestellt werden. Wir können nicht in 10 Jahren wieder umziehen in einen anderen der 48 Staaten, wo neue Rohstoffe oder Industrien neue Arbeitsmöglichkeiten bringen. Wir bauen nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kinder. Haus und Heim sind bei uns untrennbare Begriffe, deshalb muß unser Haus Dauer haben. Nun ist es für die junge Technik des Montagebaus keineswegs leicht, mit der ausgereiften und ausgefeilten Massivbauweise in Wettbewerb zu treten. Schon beim Barackenbau im dritten Reich waren fahre angestrengter Arbeit nötig, um die Bauteile so weit zu entwickeln, daß diese allen konstruktiven, statischen und fabrikatorischen Anforderungen genügen. Einer Firma ist es erst nach Jahren gelungen eine Maschine zu bauen, die in einem Arbeitsgang einen RAD-Barackensparren fertig abbindet. Und
dabei hat es sich nur um Baracken gehandelt. Es wäre daher ungerecht, jetzt schon einen Fertighausbau verlangen zu wollen, der in allen Teilen befriedigen könnte. Wir dürfen nur an das Auto erinnern, wie viele Typen sind in den letzten 50 Jahren in aller Welt gebaut worden — und wieder verschwunden. Ein Fertighaus jedoch verschwindet nicht! Das vielfach reizlose Aussehen dieser Bauten ist die Ursache, weshalb die öffentliche Meinung geneigt ist, ein solches Haus für billiger anzusehen.
Die Wärmespeicherung im Montagehaus erreicht nicht die der traditionellen Bauweise. Das ist ja verständlich, alle Montagebauweisen sind aus Transport- und Fördergründen gezwungen, die Gewichte ihrer großen Einzelteile möglichst gering zu halten. Die Wärmehaltung aber ist eine Funktion der Masse und damit des Gewichts. Was nützen alle amtlichen wärmetechnischen Feststellungen, wenn sie am Bau nicht zutreffen, weil der Einfluß der an den Fugen der großen Wandteile entstehenden Kältebrücken alle Berechnungen über den Haufen wirft. Wir haben solche Fälle — trotz aller Sorgfalt bei der Ausführung — erlebt. Im übrigen müssen die besonderen Verhältnisse bei uns berücksichtigt werden. Es gibt hier keine ausgesprochenen Großbaustellen, und auch noch keine Fabriken für die Fertigung der Teile, weil das Kapital fehlt und die Kontinuität der Aufträge nicht gesichert ist. Dazu kommt daß ja nur an wenigen Punkten eine solche Fabrik errichtet werden kann Die Folge wären große Transportkosten. Das Fertighaus auf der Kölner Werkbundausstellung kam weit teurer als ein massiver Bau.
Wer macht aber eigentlich die Reparatur an so einem Fertighaus? Abgesehen von all diesen Dingen wirft der Fertighausbau Probleme auf, wenn er sich durchsetzen sollte. Der Handwerker wird zu dem für ein paar Tage notwendigen Handlanger herabsinken, das Geld wird dorthin fließen, wo die Fabrik steht. Die Behörden könnten vielleicht allzusehr geneigt sein, unter dem Druck der Verhältnisse nach einem Ausweg zu suchen, an dessen Ende Arbeitslosigkeit droht. Die Bauherren tun gut daran, sich nach dem jetzigen Stand der Bauweisen zu entscheiden.
In Essen hat kürzlich ein „Bauwettstreit“ stattgefunden, bei dem sich die Ziegelbauweise mit einer ebenfalls neuen Bauweise, der ..Schüttbetontechnik“, nach Tempo und Kosten messen sollte; der Ziegelbau war 10 Prozent billiger. Wohlgenwrkt Ziegelbau. bei Hohl- blockbauweise sind die Ergebnisse sicherlich noch günstiger. Ludwig Nesch, Rottenburg
Bauförderung durch Steuerverzicht
Von Dr. Felix Genzmer