6. Jahrgang
WIRTSCHAFT
Nummer 14
Staatshaushalt - Steuern - Besatzungskosten
Die fiskalische Situation des Landes Württeraberg-Hohenzoilern
J. K. Das Finanzministerium von Württemberg- Hohenzollern veranstaltete am vergangenen Mittwoch zum erstenmal nach der Währungsreform eine Pressekonferenz, auf der Ministerialrat Vowinkel In aller Ausführlichkeit zu dem Problemkomplex öffentlicher Haushalt — Besatzungskosten — Lastenausgleich — Steuern und Zölle Stellung nahm und dabei eine ganze Reihe von offenen Fragen beantwortete, die uns auf den Nägeln brennen. Da ist vor allem der Staatshaushalt,, der, nach den Worten des Vortragenden, „eine der Hauptsorgen des Finanzministeriums bildet“ — eine Empfindung, die das Finanzministerium zweifellos mit allen jenen Bürgern teilt, die sich über den Zusammenhang zwischen Staatshaushalt und Steuern klar geworden sind. Der Staatshaushalt für 1949/50 schloß, wie bekannt, mit einem Defizit von 99 Mill. DM ab. - Nicht durchaus befriedigend. aber immerhin doch erfreulich war, zu hören, daß man durch energische Einsparungen auf der einen Seite und durch etwas höhere Steuereinnahmen bei dieser oder jener Posj- tion auf der anderen Seite hofft, diesen Fehlbetrag bis zum 31. März 1950 bis auf 50 Mill. DM senken zu können — vorausgesetzt, daß zusätzliche Abgaben des Landes an den Bund (Matri- kularbeiträge genannt) bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu leisten sind.
Haushalt 1950/51 noch nicht absehbar Das neue Haushaltjahr bringt auf fiskalischem Gebiet einschneidende Veränderungen: ab 1. 4. 1950 fließen Umsatzsteuer, Umsatz- ausg1eichsteuer, Belörderungs- steuer, Zölle und die Verbrauchssteuern (mit Ausnahme der Biersteuer) dem Bund zu, und ferner erhält der Bund 6 Prozent der Posteinnahmen, über die das Land bisher verfügen konnte. Auf der anderen Seite übernimmt der Bund die Besatzungs- und Besatzungsfolgekost'en, die Kriegsfolgenhilfe (Ausgewlesenenhllfe), die Ausgaben für verdrängte Beamte, die K B- Leistungen, die Aufwendungen für dieAr- beitslosenfürsorge und die Zuschüsse zu den Renten der Sozialversicherung, außerdem die Ausgaben der Zollverwaltung. Nach Werten des Haushaltplans 1949/50 erhält so der Bund rund 120 Mill. DM Steuern des Landes, übernimmt aber dafür die genannten Lasten mit zusammen rund 202 Mill. DM. Um die Differenz von 82 Mill. DM würde somit der Haushalt für 1950/51 entlastet, wenn die Länder nicht eine sog. Interessenquote von 15 Prozent von den Kriegsfolgelasten — das sind in unserem Falle also rund 30 Mill. DM — zu tragen haben würden, wie es geplant ist. Es verbleibt nach dieser Rechnung für den Bund praktisch ein Ausgabenmehr von 52 Mill. DM. Aber auch dabei dürfte es nicht bleiben, weil der Bund einen noch nicht festgelegten TeH der Einkommensteuer beanspruchen wird, wie dies im Grundgesetz vorgesehen ist, um sein eigenes Defizit zu decken. So läßt sich also nicht absehen, wie der Staatshaushalt 1950/51 aussehen — oder, anders gesagt — wie hoch lm kommenden Jahr das Defizit sein wird.
Die Lasten des Krieges Nach einer (in den Einzelheiten bezüglich der Besatzungskosten noch nicht überprüften) Berechnung betragen je Kopf der Bevölkerung
ln
Württ.-
im Bundes-
Hohenz.
gebiet
DM
DM
Besatzungskosten
96.17
95.58
Vertriebenenhtlfe
9.33
11.66
KB-Leistungen
46.22
44.03
Zuschüsse zur Sozialver-
Sicherung, Ausgaben für
verdrängte Beamte
13.28
28.73
Je Kopf der Bevölke-
rung zusammen
165.—
180.—
Somit hat also jeder Einwohner von Württem- berg-Hohenzollern — und es ist nicht überflüssig, sich diese Tatsache einmal eindringlich vor Augen zu führen — im Jahr nicht weniger als 165 DM allein für gewisse Kriegsfolgelasten
zu tragen, die aus dem allgemeinen Steueraufkommen entnommen werden. Der große Lastenausgleich, dessen erstes Stadium die Soforthilfeabgabe bezeichnet, ist ja in unserer Zusammenstellung nicht berücksichtigt. Und diese erste Gruppe der Kriegsfolgelasten verschlingt in unserem Lande 81,8 Prozent der Steuereinnahmen, ina Bund 60,4 Prozent. Aber diese Zifferngegenüberstellung ergibt noch kein richtiges Bild, weil sie die unterschiedliche Steuerkraft der Länder außer Betracht läßt.
Die Steuerkraft
Recht aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang eine Schätzung des Steueraufkommens im Rechnungsjahr 1949 in den Ländern je Kopf der Bevölkerung, getrennt nach Steuern und Zöllen, die an den Bund übergehen (in der Aufstellung mit „Bund“ überschrieben), und nach den Steuern, die bei den Ländern verbleiben (mit „Land“ überschrieben):
Bund
Land
zus.
Baden
162.94
138.05
300.99
Bayern
117.10
138.64
255.80
Hamburg
459.70
311.31
771.07
Nordrhein-Westfalen
150.16
183.30
333.46
Rheinland-Pfalz
112.45
111.77
224.22
Schleswig-Holstein
100.62
88.83
189.45
Württemberg-Baden
163.25
184.82
348.07
Württemberg-Hohenzollern
118.57
155.52
274.09
Bundesdurchschnitt:
145.54
158.09
302.63
Zwischen Hamburg mit der höchsten und Schleswig-Holstein mit der geringsten Steuerkraft liegt unser Land demnach ungefähr Inder Mitte. Leicht einzusehen somit, daß die Bürde der Kriegsfolgelasten uns schwerer wird als etwa Hamburg oder auch nur dem Nachbarland Württemberg-Baden, obwohl der Zerstörungsgrad der Städte ln diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen Ist. Dia drückendste Last resultiert jedenfalls, wie unsere Rechnung gezeigt hat, aus den Besatzungskosten.
Besatzungskosten 4,5 Mrd. DM Sie gehen ab 1. April 1950 auf den Bund über. Jede Besatzungsmacht stellt einen Besatzungskosten-Haushaltplan auf, der, zum Gesamtplan
TÜBINGEN. Wie Ministerialrat Vowinkel, Finanzministerium Württemberg - Hohenzollern, gelegentlich einer Pressekonferenz mitteilte, waren bis zum 31. Dezember 1949 an Soforthilfe 30,9 Mill. DM und an Soforthilfesonderabgabe 4,2 Mill. DM zu zahlen. Davon waren bis zum gleichen Zeitpunkt in runden Zahlen eingeangen: 22,9 Mill. DM Soforthilfeabgabe und 3,2 Mill. DM Soforthilfesonderabgabe, zusammen also rd. 26,1 Mill DM.
Bis zum 31. 12. waren Indessen noch rund 38 000 Fälle mit zusammen 8 Mill. DM Soforthilf eabgaba rückständig; in rund 18 000 Fällen und mit einer Summe von 5.4 Mill. DM wurden Stundungen gewährt. Außerdem waren zum gleichen Zeitpunkt noch 2300 Fälle der Soforthilfesonderabgabe mit rund 1 Mill. DM rückständig, wovon ln 970 Fällen und mit rund 800 000 DM Stundungen gewährt wurden. In der Zeit von Jahresende bis heute dürfte sich nach Schätzungen das Gesamtaufkommen noch einmal um etwa 2,5 Mill. DM gebessert haben, so daß — was als ein recht befriedigendes Ergebnis bezeichnet werden kann— einem Soll-Aufkommen von etwa 35 Mill. DM Zahlungseingänge von immerhin mehr als 28 Mill. DM gegenüberstehen.
Die Finanzämter waren angewiesen worden, bei der Beurteilung von Stundungsgesuchen verständige Maßstäbe anzuwenden. Auch die Mahnungen wurden zunächst nicht mit Schärfe durchgeführt, doch dürfte sich dies nunmehr in allen Fällen ändern, in denen eine Stundung nicht beantragt oder nicht genehmigt wurde.
Die Verteilung der eingegangenen Mittel liegt im Aufgabenbereich des Innenministeriums. Nach vorläufigen Schätzungen sollen bis zum 31. 3. 1950 18 Mill. DM an Unterhaltshilfe bezahlt werden, was die Erledigung von rund 25 000 Anträgen bedeuten würde. Hausrathilfe wurde von 30 000 Antragstellern bean-
vereinlgt, der Bundesregierung vorgelegt wird. Für das kommende Haushaltjahr rechnet man mit etwa 4,5 Mrd. DM. Die Senkung der Belastung, vor allem auch ein einheitliches Besatzungskostenrecht, das heute noch sehr zersplittert ist, stehen in ihrer fiskalischen Bedeutung vor allen anderen Problemen. Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes zeigen die Besatzungskosten in unserem Lade wohl bei einigen Positionen sinkende Tendenz, haben dafür aber bei anderen zugenommen. So müssen ab Januar die Löhne des Betriebspersonals der Besatzungsmacht, monatlich zwischen 700 000 und 800 000 DM, zusätzlich bezahlt werden; außerdem sollen die postalischen Ausgaben mit monatlich etwa 150 000 DM zusätzlich übernommen werden. Auf der anderen Seite wurde ab Februar die Besatzungskostenpauschale von 6,3 Mill. DM auf 5,67 Mill. DM monatlich, also um 10 Prozent, gesenkt. (Interessant wäre übrigens, etwas über die Verwendungszwecke dieser Pauschale, die es in den anderen Zonen nicht gibt, gelegentlich zu erfahren.) Dafür regelt bei uns die Besatzungsmacht die Belegungsschäden an Immobilien in konzilianterer Weise; solche aus der RM-Zeit werden im Verhältnis von 1:1 umgestellt, während, Belegungsschäden an Immobilien in der britischen Zone noch nicht ersetzt und In der amerikanischen Zone nur 10:1 umgestellt wurden. Auch die zunehmende Freigabe von Wohn- und Gaststättenraum verdient anerkennende Erwähnung.
Wie die Lasten erleichtern?
Für ein steuerschwaches Land sind Besatzungskosten In dieser Höhe, das muß in dieser zusammenfassenden Darstellung unserer Steuer- und Finanzdinge nochmals erwähnt werden, nicht tragbar. Ihre fühlbare Senkung ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine wirkliche Steuerreform, die ihren Namen auch verdient. Aber es gibt deren weitere. Darüber sowie über die weiteren in der Pressekonferenz des Finanzministeriums erörterten Fragen werden wir in Fortsetzung unserer Betrachtung demnächst berichten.
tragt. Ferner sind Beträge für Ausbildungsbeihilfen, Aufbauhilfe, für Flüchtlingsbetriebe, für Lehrlingsheime vorgesehen, dazu ein Betrag von 2 Mill. DM für den Wohnungsbau. Insgesamt dürften bisher rund 11 Mill. DM ausbezahlt sein. Die Gelder werden — im Gegensatz zum Verfahren in der Bizone — auf Landes ebene verwaltet, kommen somit nur ln Württemberg- Hohenzollern zur Verteilung.
22.8 Mill. DM für die Kreise und Gemeinden
TÜBINGEN. Die Kreise und Gemeinden erhalten — wie Ministerialrat Vowinkel vom Finanzministerium mitteilte — im laufenden Haushaltjahr als Finanz- und Lastenausglelch insgesamt 22.8 Mill. DM an Ausgleichszahlungen vom Land. Damit erhalten sie ungefähr den gleichen Prozentsatz von den Erträgen der Einkommen- und Körperschaftssteuer, wie die Gemeinden und Kreise in Württemberg-Baden.
Verschlepptenzahl verringert, Kosten gestiegen
TÜBINGEN. Die Staatsregierung hat, wie das Finanzministerium bekanntgab, wiederholt darauf hingewiesen, daß die Zahl der lm Lande befindlichen sogenannten verschleppten Personen sich wohl ständig verringere, die Kosten für diesen Personenkreis jedoch nicht zurückgingen, sondern sich Insgesamt halten, wenn nicht höher werden. Die Zahl der DPs betrug am 15. 6. 1949 rund 13 200, am 15. 12. 1949 Jedoch nur noch 9300. Die Ausgaben belaufen sich im Monatsdurchschnitt auf rund 0,9 Millionen DM.
Zunehmende Raumfreigaben
TÜBINGEN. Während am 31. März 1949 von der Besatzungsmacht, PDR, IRO, von Holzschlagfirmen und Ferienkolonien noch 272 Hotel- und Beherbergungsbetriebe sowie 108 Gaststätten belegt waren, Ist die Belegung schon am 30. 9. 1949 auf 189 Hotel- und Beherbergungsbetriebe und 54 Gaststättenbetriebe zurückgegangen. Die Zahl der belegten bewohnbaren Einzelzimmer ging im gleichen Zeitraum von 3460 auf 2414 zurück.
Ueber 28 Mill. DM Soforthilfeabgabe ein^egangen
Die Bmte. preise
Regelung im Verordnungswege?
BONN. Mit Mehrheit stimmte der Ernährungsausschuß des Bundestages am Dienstag einer Neuregelung des Preisaufbaues in der Milchwirtschaft zu. Der Miichgrundpreis soll nach dieser Regelung auf 4,4 Pfg. reduziert, der Preis pro Fetteinheit auf 5,5 Pfg. festgesetzt und der prozentuale Mindestfettgehalt der Vollmilch von 2,5 auf 2,8 Prozent erhöht werden. Der Preis für entrahmte Milch wurde auf die Hälfte des Preises für Trinkmilch festgelegt. Für Butter wird eine Preiserhöhung auf 5.84 DM je Kilogramm vorgeschlagen. Davon würden 5.20 DM auf den Abgabefestpreis der Molkerei und der Rest auf die Handelsspannen entfallen. Es ist zu erwarten, daß diese Regelung auf dem Verordnungswege vom Bundeswirtschaftsministerium erlassen wird.
In der Welt sehr unterschiedlich
w. Das Verhältnis der Butterpreise zu den Margarinepreisen ist In den einzelnen Ländern der Welt außerordentlich verschieden. Wenn man den Preis der Margarine für Oktober 1948 — 100 setzt, so kostete damals in Ceylon Butter 105. Sie war also fast genau so billig wie Margarine. Für Hongkong ergibt sich ein Rutterpreis von 135. In Schweden war Butter 73 Prozent teurer als Margarine, in England 78 Prozent teurer, in Portugal 82 Prozent teurer, in der Türkei 91 Prozent teurer, ln den Vereinigten Staaten von Amerika 97 Prozent teurer, In Irland 107 Prozent teurer. In Deutschland und der Tschechoslowakei stellte sich der Butterpreis auf 210, wenn man den Margarinepreis r= 100 setzt, in Dänemark auf 236, in Holland auf 262, in Oesterreich auf 310, in Belgien auf 320, in Luxemburg auf 360, in Finnland auf 367, in Ungarn auf 382, in Italien auf 388. Am höchsten aber war der Butterpreis in Frankreich mit 486, ln Indonesien mit 580 und in Norwegen mit 620.
Kurzberichte
Kückgang der Holzausfuhr nach Frankreich
SPEYER. Nach einer Mitteilung der Generaldirektion de? Südwestdeutschen Eisenbahnen In Speyer ist die Holzausfuhr aus der französischen Zone nach Frankreich in der ersten Woche des neuen Jahres gegenüber der letzten Woche 1949 von 900 auf 361 Wagenladungen zurückgegangen.
Weinbau fordert Einfuhrzölle
BERNCASTEL. Zu der gegenwärtigen Krise des deutschen Weinbaus führte der Leiter des Weinbauamtes Berncastel-Küs, Direktor Dr. Hammerschlag, am Samstag auf einer Winzerversammlung aus, daß gegenwärtig in Berncastel ausländische Weine zum Preise von 0.C3 D M pro Liter angeboten seien. Wenn der deutsche Weinbau nicht zugrunde gehen solle, müsse er durch Zölle geschützt werden.
Deutscher Import rückläufig
FRANKFURT/MAIN. Die Einfuhrtätigkeit der Bundesrepublik, die auf Grund der Freilisten und der liberalisierten Handelsverträge gegen Ende des Vorjahres stark angestiegen war, zeigt Jetzt einen gewissen Rückgang. Die Einfuhrgenehmigungen der vergangenen Woche erreichten ln ihrem Werte nur noch 12 Millionen Dollar gegenüber 17 Millionen in der vorhergehenden Woche und 26 Millionen in der Woche vom 21. bis 26. November 1946.
Senkung auch der Bier- und Zigarettensteuer?
MAINZ. Der Staatssekretär im Bundesflnanzmlni- sterium, Alfred Hartmann, erklärte auf einer Ausschußsitzung des Landesverbandes Großhandel von Rheinland-Pfalz, daß die zurzeit in Vorbereitung befindliche Steuersenkung eine Entlastung der untersten Steuergruppen um etwa ein .Sechstel vorsehe. Die Bundesregierung könne aber nicht daran denken, die Steuertarife unter die im Ausland angewandten Tarife sinken zu lassen. Bel der Erörterung der Verbrauchssteuern kündigte Hartmann neben der Senkung der Zigarrensteuer auch eine Senkung der Bier- und Zigarettensteuer an. Die letztere hänge jedoch von der SicherungderTabak- versorgung ab.
Wieder Pforzheimer Edelsteinbörse
PFORZHEIM. Heute wurde in den Räumen der Gierling-Ausstellung tn Pforzheim die erste Pforzheimer Edelsteinbörse nach dem Kriege eröffnet. Die Börse wurde mit einem Referat von Prof. Dr. Schloßmacher eingeleitet.
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