6. Jahrgang

Freitag, 27. Januar 1950

Nummer 14

nicht ganz entbehrt werden und wenn sie nur das erreichen, daß der Jugendliche ohne unnötige Erregung seiner Phantasie vor Zeit­schriften stehen und sich an der Fülle des Gebotenen freuen kann. Das Strafgesetzbuch scheint doch nicht zu genügen, um hier Ab­hilfe zu schaffen. Das zeigt ja das Ueberhand- nehmen des widerlichen und süßlichen Zeugs mit unverkennbar pornographischer Inten­tion (so Prof. Sehmid).

Im alten Stuttgarter Landtag hat seinerzeit Staatspräsident Bolz, eine von Prof. Sehmid sehr verehrte Persönlichkeit, seine Eindrücke von den Reichstagsdebatten über das Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften vom 18. 12. 26 geschildert. Er habe sich sehr gewundert, daß viele Volks­vertreter immer nur um die Freiheit der Li­teratur und Kunst bekümmert gewesen seien, dagegen viel weniger um das Volk und seine Jugend. Selbst wenn einmal die Polizei einen Mißgriff tue, sei das weniger schlimm, als wenn man alles dulde und damit die Jugend in Gefahr bringe. Staatspräsident Bolz würde heute sicher genau so denken, aber wohl fest­stellen müssen, daß die Zustände auf dem Magazinmarkt jetzt wesentlich schlimmer sind als damals.

Von Polizeiaktionen ist nicht die Rede, son­dern von gesetzgeberischen Maßnahmen, die gerade die Gefahren, die mit einem polizei­lichen Vorgehen verbunden sind, ausschließen sollen Geht es so weiter, so kann man bald wieder von Männern und Frauen des Volkes, die keinen so hochgespannten Freiheitssinn haben wie Prof. Sehmid, die Bemerkung hö­ren:Zum Teufel mit der Demokratie, wenn sie es unter Berufung auf die demokratische Freiheit nicht fertig bringt, von der Jugend wenigstens den schlimmsten Schmutz fernzu­halten! Gerade eine solche Entwicklung aber muß verhindert werden.

Gegen Butterpreiserhöhung

TÜBINGEN. Der Vorsitzende des Be­zirksverbandes Württemberg-Hohenzollern des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Fritz Fleck, erklärte uns nach dem Bekanntwerden einer geplanten Butterpreiserhöhung, daß sich die Gewerkschaften mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln gegen die Butterpreiser­höhung, die ein Raubzug gegen das werktätige Volk sei, wenden werde.

In ähnlichem Sinne äußerte sich der Vor­sitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. Böckler, in einem Telegramm an Bundes­kanzler Dr. Adenauer. Auch der Hauptverband des Deutschen Lebensmittel - Einzelhandels hat sich telegraphisch an Dr. Adenauer und an Professor Erhard gewandt und darauf hin­gewiesen, daß eine Butterpreiserhöhung die Bemühungen der Wirtschaft störe, die Lebens- mittelpreise der vorhandenen Kaufkraft an­zugleichen. Der Deutsche Bauernverband da­gegen stellte am Mittwoch fest, daß die vom Bundestagsausschuß geplanten Butterpreise sich mit den vom Bauernverband geforderten Preisen deckten (s, auch Wirtschaftsteil).

Die Reglerungsverfaandlungen

TÜBINGEN. Die Verhandlungen zwischen Dr. Müller und der FDP über eine Regie­rungsneubildung in Südwürttemberg-Hohen- zollern, sind nach einer Meldung von dap am Mittwoch vorläufig abgeschlossen worden. Landesvorstand und Landtagsfraktion der FDP wollen nun über die Vorschläge bera­ten. Wie dpa weiter zu melden weiß, ist als Kandidat für einen von der FDP zu be­setzenden Ministerposten der Fraktionsvor­sitzende Dr. L e u z e vorgesehen, mit dem die SPD jedoch voraussichtlich nicht einverstan­den sein wird. Wenn die FDP keine andere Persönlichkeit vorschlägt, besteht die Mög­lichkeit, daß die Verhandlungen scheitern werden und die Partei in die Opposition geht.

Die Vertreter der CDU sprachen sich auf ihrer Konferenz in Sigmaringen für eine große Koalition und eine Verringerung der Zahl der Ministerien aus.

FRANZ WILHELM KIELING

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»] KRIMINALROMAN Alle Rechte bei FeuiUetondienst MoUnder, Tübingen-Lustnau

Auf der schnurgeraden, guten Straße ka­men sie schnell vorwärts. Schon von weitem war die Unfallstelle zu sehen. Zwei Land­jäger bewachten den Platz, veranlaßten des Weges kommende Fahrzeuge zum Weiterfah­ren und sorgten dafür, daß an der Unfall- itelle nichts verändert wurde,

Der Oberstaatsanwalt ließ sich den Vorfall schildern. Ein Motorradfahrer, der auch den Unfall zuerst gemeldet hatte, erklärte den Herren, daß er mit einer Geschwindigkeit von siebzig Stundenkilometer die völlig ge­rade und übersichtliche Straße entlang ge­fahren sei. Vor ihm sei ein Personenwagen gefahren, der etwa dieselbe Geschwindigkeit gehabt habe wie er. Auf einmal habe dieser Wagen sich stark nach rechts geneigt und dabei zwei Bäume an der rechten Straßenseite gestreift. Im nächsten Augenblick sei er auf die Straßenmitte hinübergeschleudert wor­den, dann auf der linken Seite wieder gegen einen Baum gerast und in den Graben ge­stürzt. Der Zeuge sei noch etwa zweihundert Meter entfernt gewesen, genaueres über das Gebaren des Fahrers könne er leider nicht aussagen. An der Unglücksstelle angekom­men, mußte er sich davon überzeugen, daß er allein nichts weiter ausrichten konnte, er habe deshalb den Landjäger benachrichtigt.

Schon bei oberflächlicher Betrachtung war festzustellen, daß die Angaben des Zeugen richtig waren. Zwei Bäume auf der rechten Straßenseite wiesen frische Beschädigungen auf.

Referendar Reu der sich mit großem Interesse der Untersuchung annahm, entdeckte im Straßengraben eine losgerissene Tür­

Nordbadische Abgeordnete wichtiger?

Ministerpräsident Maier über das Stocken der Südweststaatverhandiungen

th. STUTTGART. Ministerpräsident Dr. Maier Erklärungen abgegeben. Die versprochene hat vor Pressevertretern eine Erklärung über Richtigstellung sei noch nicht erfolgt- den Stand der Südweststaatfrage abgegeben. Anschließend befaßte sich der französische Er sagte, ähnlich wie im Frühjahr 1949 seien Hohe Kommissar mit der Hamburger Rede sich die Alliierten auch heute nicht darüber Dehlers, wobei er nach Zitierung einer Stelle einig, wie die staatlich neugeordneten Länder der Rede auf denschockierenden Charak- verwaltet werden sollten; ferner bestünden tcr solcher Aeußerungen aus dem Munde gegensätzliche Ansichten darüber, welche Aus- eines Bundesministers hinwies, ynter flagran- wirkungen eine solche Neuordnung auf die ter Entstellung der Geschichte "würde Frank- beiden Besatzungszonen haben würde. Infolge- reich die Verantwortung für den ersten Welt- dessen sei eine Stockung in den Verhandlun- krieg aufgebürdet und durch eine gleiche Ent- gen eingetreten. Stellung der Wahrheit die Politik Hitlers auf

Nach einer Darstellung von Dr. Maier hat Kosten Frankreichs gerechtfertigt. Bisher sei Außenminister Schuman bei seinem Besuch man solchen Behauptungen nur in extrem ne­in Deutschland erklärt, daß, ehe die Länder- tionalistischen und offenkundig antifranzösi- grenzenfrage endgültig geregelt werde, zwi- sehen Kreisen begegnet.

sehen den Amerikanern und den Franzosen Bundeskanzler Adenauer betonte in seiner gewisse Vereinbarungen getroffen werden Antwort, die Bundesregierung und er selbst müßten.Die schwierige Frage ist, erklärte lehnten es ausdrücklich ab, sich die Ausfüh- Dr. Maier,ob eine deutsche Aktivität im ge- rungen Dr. Dehlers in der Form, wie sie genwärtigen Stadium sich störend oder gün- verbreitet worden seien, zu eigen zu machen, stig auf die alliierten Verhandlungen aus- Dehler habe ihm zudem erklärt, daß die Ver­wirkt. öffentlichungen seiner Rede in entscheiden-

Der Ministerpräsident sagte in Beantwortung den Punkten infolge der Kürzungen durch die einer Frage, es treffe zu, daß die Tübinger p resse zuMißverständnissen Anlaß hätten Regierung dadurch verstimmt sei, daß die geben können. Er habe nicht die Absicht ge- Stuttgarter Regierung die Freudenstädter Be- habt) Angriffe gegen Frankreich zu richten, Schlüsse nicht in vollem Umfange anerkannt sondern sei vielmehr ausdrücklich für eine habe.Wir können aber nicht die Wünsche der Vertiefung der deutsch-französischen Verstän- nordbadischen Abgeordneten unberücksichtigt digung eingetreten. Adenauer drückte sodann lassen. sein Bedauern aus, daß Teile der Rede Deh-

Auf einer Konferenz der Landtagsfraktion i ers Z u falschen Schlußfolgerungen hätten füh- und der Kreisvorsitzenden der CDU in Sig- ren können, maringen erklärte Staatspräsident Dr. Geb-

hard Müller, er werde noch einen letztenOiW6 Vorbehalte

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Grundlage der Freudenstädter Beschlüsse her- DÜSSELDORF. Der deutsche Vertreter der beizuführen. Die Teilnehmer der Tagung bil- Ruhrbehörde, Vizekanzler Franz Blücher, ligten die von Dr. Müller ln der Südwest- gab in der Dienstagsitzung der Internationa- staatfrage verfolgte Politik. len Ruhrbehörde eine Erklärung über die

deutsche Mitarbeit in der Ruhrbehörde ab, Mißverständnisse wobei er feststellte, die Bundesregierung sei

. , . . . , bereit, alles zu tun, was die Integration der

Der Briefwechsel Poncet-Adenauer europäischen Wirtschaftseinheit fördere. Sie

BONN. Das Bundespresseamt veröffentlichte werde diesen Beitragohne Vorbehalte und am Mittwoch den Briefwechsel des französi- ohne Hintergedanken" leisten. Die Ruhrbe- schen Hohen Kommissars Francois-Po ri- hörde verabschiedete endgültig den Haushalt cet mit Bundeskanzler Adenauer über die und anerkannte die Gleichstellung des deut- Hamburger Rede des Justizministers Dr. sehen Sekretariatspersonals mit dem inter- Dehler. Francois-Poncet führte darin aus, nationalen Personal. In dieser Sitzung wurde Dehler habe kürzlich vor dem Bundestag der stellvertretende deutsche Delegierte Dr. über die noch in Frankreich inhaftierten deut- Heinrich Potthoff bei der Ruhrbehörde ein- schen Kriegsverbrecherwahrheitswidrige geführt.

Nachrichten aus aller Welt

ASCHAFFENBURG. Im städtischen Kranken- BERN. Der 60jährige Schweizer Postbeamte haus brachte die 25jährige Ehefrau Marianne des Emil Steiger bekannte sich vor einem Kriegsge- Volksschullehrers Wilhelm Schiefer aus Hörstein rieht in Bern schuldig, dem französischen Ge- im Kahlgrund Vierlinge zur Welt. Die drei Mäd- heimdienst seit 19 Jahren Abschriften von Tele- chen und ein Junge sind trotz ihres Gesamtge- grammen in der Schweiz akkreditierten auslän- wichtes von 13 Pfund gesund und normal ent- dischen diplomatischen Vertretungen verkauft zu wickelt. haben. Er will zu diesem Schritt getrieben wor-

MANNHEIM. Der Chefingenieur eines Mann- sein, da ihn seine -Frau mit dem Taschen-

heimer chemischen Werkes, der rund 15 000 Liter » zu * urz gehalten habe,

amerikanisches Armeebenzin, das gestohlen war, BASEL. Vor einem Basler Gericht begann der für seine Firma angekauft hatte, wurde zu drei Prozeß gegen eine Schmuggelbande, die im Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von Herbst vergangenen Jahres große Mengen 10 000 DM verurteilt. Rauschgift von Deutschland nach der Schweiz

TRIER. In einem kleinen Grenzdorf wurde transportiert hatte Es handelt sich um die eine Bauernfamilie verhaftet, die seit langem größte Rauschgiftaffare, die in den letzten Jah- einen schwunghaften Schmuggel mit Kaffee be- ren in der Schweiz aufgedeckt worden ist. trieben hatte. Die Beamten fanden In der klei- AGRIGENT (Sizilien). Ein 20jähriger italieni­nen Dorfkirche 20 Ztr. Kaffee, den die Familie scher Schüler muß sich vor Gericht verantwor- über die Grenze geschafft hatte und in Trier ver- ten, weil er wegen Nichtbestehens im Examen kaufen wollte. Ein im Hause lebender Onkel er- eine Lehrerin umgebracht hat. hängte sich nach seiner Vernehmung. PRAG. Die tschechoslowakische Regierung ver-

BREMEN. Der 41jährige Autohändler Friedrich bot den Spiritisten, Wahrsagern aller Art, Hand- Behrens, der zwei amerikanische Soldaten zu liniendeutern und Kartenlegern die Ausübung einem schweren Bankraub verleitet hatte, wurde ihres Gewerbes. In der letzten Zeit hatte die vom amerikanischen Distriktgericht zu 14 Jahren Nachfrage nach Wahrsagerei und anderen For- Zuchthaus verurteilt. men des Okkulten stark zugenommen.

HAMBURG. Der starke Frost der letzten Tage NEW YORK. In Bridgeport, Connecticut, be- hat im deutschen Küstengebiet und auch auf den gann ein Prozeß gegen eine 21jährige Frau, die deutschen Binnenschiffahrtswegen zu erheblichen ihren Vater, der an einer unheilbaren Krebs- Verkehrsbehinderungen geführt. Der Schiffsver- krankheit litt, in seinem Bett im Krankenhaus kehr ist zum Teil durch Treibeisbildung stark mit dessen Dienstrevolver erschossen hat, um behindert. ihn von seinen Qualen zu erlösen.

klinke des Wagens. Auf der Strecke war deut- zu sehen, wie der Wagen geschleudert war. Der auf der linken Seite stehende Baum war abgeknickt, der Stoß mußte mit riesiger Wucht erfolgt sein. Die linke Kühlerhälfte des Wa­gens war eingedrückt, der Kotflügel vollkom­men abgerissen. Der Verunglückte klemmte noch hinter dem Steuerrad. Er war tot. Der weiche Filzhut, den er trug, war wie mit Messern zerschnitten, das Steuerrad hatte sich in die Brust gedrückt.

Still umstanden die Männer einen Augen­blick den Toten.

Eine genauere Angabe der Todesursache vermag ich natürlich erst nach eingehender Untersuchung zu geben. Vermutlich haben aber ein Schädelbruch und die Brustquet­schung den sofortigen Tod herbeigeführt", erklärte der Arzt.

Inzwischen hatten der Untersuchungsrichter und der Oberstaatsanwalt sich noch einmal die Stelle betrachtet, an der der Wagen aus seiner Fahrtrichtung abgewichen war.

Der Gerichtsarzt ließ die Landjäger den Leichnam aus dem Wagen 2 iehen, was nur unter großer Mühe gelang, und auf den Rasen betten.

Referendar Reuter kroch auf allen Vieren um das Fahrgestell herum. Ihn hatte eine Art Jagdleidenschaft gepackt. Da er selbst einen kleinen Sportwagen besaß, verstand er sich recht gut auf alle Dinge, die mit der Auto­fahrerei zusammenhingen.

Eine Stunde verging, während alle Einzel­heiten überprüft und die Protokolle aufge­nommen wurden. Dann traten die Herren zu einer Besprechung zusammen.

Der Gerichtsarzt konnte nur seinen ersten oberflächlichen Befund bestätigen. Allerdings habe er gemeinsam mit Reuter eine Art Stich­wunde an der rechten Hand des Toten ent­deckt, wodurch die Vermutung aufgetaucht sei, daß der Fahrer vielleicht durch den Stich einer Wespe oder Bremse die Herrschaft über den Wagen verloren habe.

Rätselhaft Ist der ganze Unfall an dieser Stelle der Straße auf jeden Fall. Wahrschein­lich wird sich ein Defekt am Wagen finden ..

Hier faßte sich Referendar Reuter ein Herz. Soweit ich feststellen konnte, liegen Schäden am Wagen, welche den Unfall verursacht ha­ben könnten, nicht vor. Reifen, Lenkrad, Bremsen sind in Ordnung, auf der glatten Straße ist mit einem Bruch innerer Teile kaum -zu rechnen.' Ich würde andere als tech­nische Ursachen suchen!

Der Oberstaatsanwalt sagte mit leisem Lä­cheln:Da Sie wohl der einzige Kraftwagen­sachverständige unter uns sind, mögen Sie recht haben. Aber was für Vermututigen deu­ten Sie da eben an?

Reuter setzte nun in knappen Worten den Herren zwei Theorien auseinander, die er sich im Laufe der vergangenen Stunde ge­bildet hatte. Er hatte die Genugtuung, daß seine Vorgesetzten ihm mit einer gewissen Spannung folgten.

Vielleicht überfiel den Mann ein kurzes Eindämmern infolge großer Uebermüdung Dauerfahrer kennen das nur zu gut, dann der plötzliche Schreck beim Aufwachen durch das Streifen des ersten Baumes, so könnte der Fahrer die Gewalt über den Wagen ver­loren haben. Die zweite Vermutung wäre, daß ein Insekt, eine Wespe oder eine Bremse, in den Wagen drang, den Fahrer stach, worauf dieser um sich schlug und dabei das Lenkrad freigab.

Der Oberlandjäger meldete, daß bei genauer Durchsicht der Sachen des Verunglückten we­der Führerschein noch die Zulassungsbeschei­nigung des Wagens zu finden gewesen seien, eine Brieftasche habe der Tote nicht bei sich gehabt, im Wagen sei auch nichts gewesen.

Eine nochmalige Untersuchung blieb ebenso erfolglos. Entweder war der Fahrer ohne Pa­piere unterwegs gewesen, oder man hatte ihn innerhalb der wenigen Minuten, währehd de­rer sich der Zeuge entfernt hatte, um die Meldung zu machen, beraubt.

Föderalistische S tzoidnung

cz. Ja, die Bayernpartei. Wie schlecht wäre es doch um den deutschen Föderalismus bestellt, wenn es sie nicht gäbe. Das bewies Aniang die­ser Woche der Fraktionsvorsitzende selbiger Partei im Bundestag, Dr. Gebhard Seelos, indem er einen bitterbösen Brief an den Vorsitzenden des Bundesrats, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen schrieb. Dem war zu ent­nehmen, daß Seelos die . Sitzordnung beim Essen zu Ehren des französischen Außenmini­sters Schuman bemängelte Der Bundesratsprä­sident sei zugunsten des Bundestagspräsidenten benachteiligt worden, obwohl er doch sämtliche Länderregierungen und Ministerpräsidenten re­präsentiere, während des Bundestagspräsidenten Amtpraktisch an der Schwelle des Bundestags endet". Es gehe also nicht an, daß der Bnmles- ratspräsident hinter dem Bundestagspräsidenten Tangiere, was mißbilligend zu vermerken ihm als Fraktionsvorsitzendem einer föderalistischen Parteisehr am Herzen liege.

Der loyale Staatsbürger pernimmt von solchen Sorgen mit besonderem Wohlgefallen. Seien wir doch froh, daß Seelos den Bundeskanzler wenigstens noch sitzen und dessenAmt nicht auch an irgendeinerSchwelle enden läßt.

Ob Seelos Schreiben wohl dem Chef des Pro­tokolls eine schlaflose Nacht bereitet hat, von wegen der antiföderalistischen Sitzordnung? Ob wohl Bundesratspräsident Arnold sich schämt, die föderalistischen Interessen Bayerns beim Essen so schlecht vertreten zu haben? Man soll so etwas nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schließlich wird ja doch Im Sitzen und nicht im Stehen oder Umhergehen letzteres erfordert einen Wandergewerbeschein regiert. Wer rich­tig sitzt, hat mehr vom Leben!

Mit den Vertretern Bayerns ist es zurzeit überhaupt wieder mal so eine Sache. Bundes- justizminister Dr Dehler zog in Hamburg das falsche Manuskript aus der Tasche und schon wars passiert. Dehler kommt leicht inrage, wie ich als Augen- und Ohrenzeuge im bayeri­schen Landtag vor einigen Monaten es bereits miterleben durfte. Damals entschuldigte er sich, nachdem sein bajuvarlscher Furor bei der Ge­genseite auf wenig Sympathie gestoßen war und der AusdruckBazi" zu den mildesten gehörte, mit denen man ihn titulierte, recht kleinlaut. Jetzt entschuldigt sich die Bundesregierung mit diplomatischen Erklärungen Das ist wesentlich peinlicher. Zum Glück fiel ihm. wie vor ihm an­dere noch rechtzeitig das bewährteste Mittel, die eigenen Sünden auf fremden Häuptern zu versammeln, ein: Nicht richtig wiedergegeben. Wo kämen wir bloß hin. wenn es das nicht mehr gäbe. Die Meister in ihrem Fach pflegen in dem einen Presseinterview bereits zu dementieren, was sie, fast gleichzeitig, wo anders zum Besten gaben siehe früher Remilitarisierung und jetzt wieder Saar. Doch zu denen gehört Dehler nicht. Obwohl ein Justizminister so was eigentlich kön­nen müßte. Wäre aber ausgesprochen unbaye­risch.

Falsch wäre es, nunmehr anzunehmen, das all- hier Berichtete erfüllte uns mit Sorge. Mit nick­ten. Weder die Sitzordnunnssorgen des Herrn Seelos, noch die munteren Reden des Bundes­justizministers sind von Belang Wenn man über letztere im Ausland sich ärgert, tut man den oratorischen Entgleisungen eines Supertempera­mentes zuviel der Ehre an. Und Ministersorgen sollen sogar einzelne Bundesländer haben sagt man. Fragt, sich nur. wann sie mehr Mühe ma­chen,'die Minister: Bis man sie hat oder wenn man sie hat. Damit wird das Thema geradezu alldeutsch, rangiert also in der föderalistischen Sitzordnung vorn und hinten, da sich das Melo­drama nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Länderebene abspielt.

Sturm gegen Hickman

BERLIN. Gegen den bisherigen Landesvor­sitzenden der CDU, Professor Hickmann ist seit einigen Tagen ein Kesseltreiben der SED im Gange, das am Montag zum Eingreifen des Generalsekretärs der CDU und Außenmini­sters Georg Dertinger führte. Vertreter der acht wichtigsten Betriebe des Kreises Zwickau haben nun dem Landesverband Sach­sen der CDU eine Entschließung überreicht, in der die Niederlegung der staatlichen und politischen Funktionen von Professor Hick­mann und des auch der CDU angehörenden Finanzministers R o h n e r gefordert wird. Die Stadtverwaltung Chemnitz hat den Ausschluß des CDU- Landesvorstandsmitgliedes Dr. Schöne gefordert.

Als Referendar Reuter eine halbe Stunde später vor seinem Mittagessen saß und die sanften Vorwürfe der Mutter über sein un­pünktliches Kommen geduldig überstanden hatte, konnte er mit einiger Genugtuung dem ihn zuerst gar nicht wohlwollend betrachten­den Vater mitteilen, daß der Herr Oberstaats­anwalt ihm sehr freundlich gesagt hatte, ,er habe anscheinend den Scharfblick seines Va­ters, dieses ausgezeichneten Strafverteidigers, geerbt Das tat dem Vaterherzen des Justiz­rats wohl.

II

Ihr glattes, dunkelblondes Haar war schlicht gescheitelt und ziemlich kurz geschnitten. Ueber dem hochgeschlossenen Kleid trug sie eine wundervolle, alte Kette, venezianische Arbeit, die den besonderen Reiz ihrer Erschei­nung betonte. Suchend sah sich Dorothea Falk in dem dichtbesetzten Raum der kleinen Likörstube am Kurfürstendamm um, zwängte sieh mit Mühe durch die Tisch- und Stuhl­reihen; im angrenzenden, noch kleineren Raum winkten ihr Hände zu.

Lächelnd begrüßte sie Frau Professor Ste­phan. die sie vor einer Wehe angerufen hatte, sie möchte doch einen gemütlichen Abend mit Stephans verbringen, es sei noch mehr Be­such da nein, die Arbeit sei nicht wichti­ger, die könne gern einmal warten! Professor Stephan küßte ihr galant die Hand und stellte ihr dann Dr. Werner, den Oberregierungsrat im Berliner Polizeipräsidium, vor. Die drei waren schon in einem Weinlokal gewesen und befanden sich in recht heiterer St-mmung. Die Enge des kleinen, verräucherten Raumes, der wie eine alte Bauernstube eingerichtet war, erhöhte die Gemütlichkeit Dorothea war nun doch froh,, daß sie der Einladung Folge ge­leistet hatte. Sie war gern unter Menschen, und wenn ihr bevorstehendes Examen erst bestanden war und sie ihren Dr med. ge­macht hatte, dann wollte sie auch nicht mehr hinter Mauern von Büchern hocken.

(Fortsetzung folgt)