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Schwarzwälder Tageszeitung'

Seite S

Aus Stadt und Land

EIN Llltjt wurde entzünde!

O Am kommenden Sonntag ist der erste Lichtersonntag der Weihnachtszeit. Auch im Krieg lassen wir den alten Brauch nicht verkümmern Wissen wir doch, wie gerade das Licht der Weihnacht allen Kraft spendet Wir sind es unseren Kindern schuldig, daß ihnen diese Vorweihnachtserlebnisse auch im Kriege erhalten bleiben, weil niemals den Kindern dieses Er­lebnis. das an das Kindesalter geknüpft ist, sonst wieder­gegeben werden könnte. Vorwcibnacht. das ist auch die Zeit, in der wir weit die Herzen öffnen, damit die Liebe über die Not triumphiere, damit die helfende Gemeinschaft aller als Lebensguell des Volkes empfinden.

Ein Licht wurde angezündet, als zum erstenmal das Winterhilfswerk in die entlegensten Hütten des Reiches kam, als die Einsamsten ihrer Verlassenheit entrissen wurden, als der Mütter und Kinder, der Kranken und Greise, der Armen und Hilflosen gedacht wurde Was war alles vorher im Namen des Sozialismus gepredigt worden? Im Namen des Sozialismus schlug man sich gegenseitig tot, wütete man in Haß und Klassenkampf gegeneinander, gab man wohl auch Versprechungen ab, aber geschehen war nichts. Erst 'nach dem Sieg der nationalsozialistischen Bewegung kam es zum sozia­listischen Walten der mobilisierten Gemeinschaftskraft, wurde in den Herzen der Menschen ein neues, zukunftverheißendes Acht entzündet.

Daß dieses Licht niemals wieder in unserem Volke zum Erlöschen kommt, daß der Tatsozialismus zur wärmenden Flamme werde, das ist auch der letzte Sinn unseres Kampfes. Wenn nun der erste Lichtsonntag der Vorweihnachtszeit zu­gleich ein Opfersonntag für das Kriegswinterhilsswerk des deutschen Volkes ist, dann wird dieser Tag uns doppelt zum Opfer im Geiste des nationalen Sozialismus ausrufen. Alles, was wir für die Gemeinschaft des deutschen Volkes getan, schenken wir letzten Endes uns selbst Keiner steht so hoch, daß er der Gemeinschaft nicht bedürfe, wohl aber beruht das Glück des einzelnen aus der Sicherheit und Freiheit seines Volkes. Nur em freies Volk vermag auch einen unabhängigen Sozialstaat zu errichten. Daran wollen wir denken und immer danach handeln! G B.

Das neue Legejahr hat begonnen

Zum Beginn des neuen Eierwirtschaftsjahres ab 1-Ok- tober, bas bekanntlich an die Geflügelhalter eine erhöhte Ablieferungsforöerung stellt, schreibt der Vorsitzende der Hauptvereinigung her Deutschen Milch-, Fett- und Eier- wirtschast:

Die Forderung nach einer Mehrleistung für die Ge­samtheit ist ein Beweis dafür, welch zunehmende Bedeu­tung der Eierwirtschaft in der Gesamternährung heute zu­erkannt wird. Sie zwingt dazu, der Leistungssteigerung im Hühnerbestand des Bauern eine noch stärkere Beachtung zu schenken als bisher. Hühner, die nicht mindestens 70 Eier für die Allgemeinheit liefern, sind nicht wert, daß sie ge­halten werden. Wenn 70 Eier je Huhn abgeliefert wer­den und dem Htthnerhalter selbst noch ein gewisser Ueber- schuß verbleiben soll, dann ist dies nur möglich, wenn keine überalterten Tiere gehalten werden. Es gibt noch viele Geflügelhalter, bei denen Legehennen drei Fahre alt wer­den, obwohl erwiesen ist, baß in diesem Alter die Lege­leistung bereits stark im Abfinken begriffen ist. Also: Ver­jüngt den Hühnerbestand! Laßt den Tieren entsprechende Pflege zukommen und füttert rationell!"

Wenn nun am 4. Dezember eine Geflügelzäh­lung Surchgcführt wird, so darf es nicht wieder vorkom- men, daß von Erzeugern dieser Zählung nicht die erfor­derliche Beachtung geschenkt wird. Es wird diesmal schär­fer als bisher nachkontrvlliert werden. Solche Ge­flügelhalter, die leichtfertig oder in betrügerischer Abstcht zu niedrige Zahlenangaben bei dieser amtlichen Erhebung machen, haben die Beschlagnahmung ihres Geflügel- bestandes und ein Verbot weiterer Geflügelhaltung zu ge­wärtigen.

Niarstcllnnj, zum Fleisch ans Näbrmittclkarlcn. Der den Verbrauchern rrrnöalich>- Bezug von Fleilch nui Nöbrmittclmarken hat in der Praxis »u einer Unklarheit geführt Die Regelung gebt dabin. daß die Ver­braucher bis zum 3 Dezember aut die Ncihrmittelabschnitte der Grund- und Ergänzuuaskarten Fleisch oder Wurst im Verhältnis 2 1 beziehen können Verschiedentlich haben die Verbraucher aber auch Nährmittel- abschnitte der Nrlauberkarten und aut Nährmittel lautende Reisemarkcn dorgelegt und dafür ebenfalls im entsvrcchcnden Verhältnis Fleisch und Wurst 'bezogen Bon unterrichteter Seite wird hierzu festgestellt, dak Nährmittel- Urlauber- und Reüemarken nicht mit Fleisch und Wurst be­liefert werden dürfen Zum Fleischbezug berechtigt sind nur die Näbr- mittelabschnitte der roten Crgänzunqskarte 69. der blauen Grundkarte für Voll- und Teilselbstversorger 69 und der hellblauen Wochenkarten für-aus- ländische Zivilarbeiter. Die für Stärkeerzeugnisse bestimmten Nähr- mittelmarkcn sind ebenfalls zum Fleischbezug nicht zugelassen. Nach 'dem 3 Dezember vorgelegte Nährmittelmarken dürfen mit Fleisch oder Wurst überbauvt nickt mehr beliefert werden.

EltastungSprämien für Roggen und Weizen. Für den bis zum 2l. Dezember 1944 vom Erzeuger übernommenen Roggen und Weizen erhalten die Verteiler eine Ersassungsprämie in Höhe von 2 RM, für die vom I. Januar bis 31. Mai >946 übernommene Menge eine solche von l RM je Tonne. Für die Meldung und die Erstattung der Er­fassungsprämie gilt das gleiche Verfahre» wie im Voriahr. Die An­träge sind auf dem Formblatt bei dem für den Verteiler zuständige» Getreidewirtschaftsverband einzureichen. Sie müssen innerhalb einer Ausschlujzfrist von einem Monat, also für die bis zum 31. Dezember 1944 übernommenen Mengen spätestens bis zum 31. Januar 1945. für die übrigen Mengen spätestens bis zum 39. April 1945 beim Getreidewirt­schaftsverband cingcgangeu sein. Später eingehende Anträge können grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden

Beschränkungen im Reiseverkehr

Vom I. Dezember 1944 on littst« die Zöge v 237 Stutt­gartNiirnbergBerlin und D 337 Friedrichshofen-Crailsheim mit A schiuß aus den D 237 nach Berlin nur noch mi> Zu! ssungs- karlen beniitzt werden. Außeid-m n»rden zu den Zügen D 237 und v 13 KonstanzStuttgartWürzburgBerlin nur noch Reiserde mit Fahrausweisen aus Lntsernungrn von mehr als 150 Kilometer zug>lassen.

Simmersfeld. Ausgezeichnet infolge Tapferkeit vor dem Feinde wuide mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse Odeijäger Michael Kalmbach.

Stammhrim. (Eine unmenschliche Mutter) Vorder Straskommtr Tübingen mußte sich die ledige Hausgehilfin Anna M. von Ltamo heim, Kr. Co w, aus Ungarn g>bürt>g, wegen Kindesiölung und Kindesaussetzung verantworlen. In einer De- zemdervvcht des Jahres 1941 s tzle sie Ihr Kind, das sie außer- ehelich geboien Holle, io Salzburg in einem P. rk aus. Dort wurde es noch lebend gesunden. Im August düses Jahres machte sich die unmenschliche Matter aber erneut schuldig, indem sie ihr diilles m eheliches K nd bei der Geburt in eine Abortgrube f.llea ließ, wo es erstickte. Die Strafkammer veiurteilte die Ang«k!agte unter Zubilligung mildernder Umstände zu 3 Jahren und 3 Mo­naten Gefängnis.

Stuttgart. (Das Entladen vergessen.) In der irrigen M'lnang, die W> ffe n ch Gebrauch oidnungsmäßig emladen zu haben, stillte der 78 Jahre alte Karl B. in Eßlingen a. N. seinen Zimmeistutzen io eine Zlmmerrcke, nackdem er ihn ützimols im Sommer dieses Jahres benütz« hatte. M'ttlenveile zog seine ver­heiratete Tochter mit ihren beiden Kmdein bet ihm rin, und zwar in das Zimmer, in dem der Stutzen ausbewahrt war. Dem Ver- bot seines Großvaters zuwider^, der oucv sitzt noch glaubte, daß keine Patrone mehr im Lars >ei, ohne fick jedoch hiervon pflicht­gemäß zu überzeugen, mochte sich sein z h, jähriger Enk l eines Tages on dem G>wehr zu jchaffin. Debet entlud sich ein Schuß und traf einen donebensteh ndev neun Jahre alten Schüler io die Stirn, so daß er sofort lot war. Die Sirofkommer Stuttgart ver­urteilte B. nuv wigen iphilässiger Tötu» g an Stelle von sechs Wochen Gifängnis zu 300 RM. Geltstiase.

Winnenden. (Gefährliches Spiel mit Brandbombe.) Im Waid wollten zrmi 15 Jahre atze Oberschlller eine S'ab- brondbowbe mit Spieng otz ruseinandeinebmen. N ch Lösung der Deischlußjckraube wu>re de Eprenz.1 düng heiaurg nomrnen. In Uri kenn ws der G säkrlick keit und der Sprengwirkung d-r- aitiger Sprengkapseln zündeten die beiden Jungen die Zündschnur mit einem Zum Holz on. In der nächsten Sekunde riß es b iv>n Jungen die rechte Hand weg; ouß.rdem verlor einer der Zungen auch noch das l nke Auge.

Rund unk am Sonntag

Neichsprogramm: 8.008.80 Uhr: O-rgelmusik von iroh. Seb. Bach und SanS Friedrich Michclsen. 8.30 9.00 Uhr: Morgensingen der Jugend. 9.00lO.oo Uhr: Bunte Klänge. 10.3011.00 Uhr: Musik zur Unterhaltung. 11.00 bis ll.30 l.hr: Vom großen Vaterland:Das Meer", eine Hör­folge von Heinrich Anöresen. 11.3912.30 Uhr: Beschwingte Mclodiensolge. 12.40-14.00 Uhr: Das deutsche Volkskonzert. 14.1515.00 Uhr: Klingende Kurzweil mit der Kapelle Erich Börschel. 15.00-16.30 Uhr: Die Novelle des Monats: Knecht Rupprecht" von Hans Friedrich Blunck,- Svrechcr: Gustav Knnth. 15.30-16.00 Uhr: Solistenmusik: Siegfried Grundeis spielt Kompositionen von Schubert und Liszt. 16.00 bis 18.00 Uhr: Was sich Soldaten wünschen. 18.00 -19.00 Uhr: Unsterbliche Musik deutscher Meister:Fidelio" (zweiter Akt) von Ludwig van Beethoven: Aufführung der Staatsoper Wien unter Leitung von Karl Böhm. 19.0020.00 Uhr: Der ZeitsZegel am Sonntaa. 20.1522.00 Uhr: Abend-nterhal- tung mit beliebten Solisten, bekannten Kapellen und Orche­stern.

vierten Opkerronntag am 3. 12. 1944

5veicksr üer ktrstL

Wollsnclort im Westen uocl lstsmmsrsclork im Osten iiatzsil clcrs Scbickscil sictitbcu gsmocstt, welches clsm clsutschsn bebe» irsscsiieclsn sein wllrcls, wenn es in clis Gewalt unserer keimt« kiele. Diese Demonstration ihres Vsrnichtongswillsns ist so offenherzig uncl ihre Drohungen sincl so unvsrhüllt, claü st sinnlos wäre, sie im geringsten ru tzerweiksln oclsr clis bs- schsiclsns Hoffnung ru nähren, clast es vielleicht cloch nicht so schlimm wsrclsn würcls. Wären unsere Osgnsr nicht fest ent­schlossen, an uns alle jene Greuel ru veröden, welch« ikrs hasttriessncksn Gsclansten sich bereits ausmolsn, clonn würcks ihnen schon clis politische Klugheit gebieten, uns eher eins rs rosig beschriebene Zukunft in Aussicht ru stellen als eins « erschreckend geschlickerte.

Denn auf lockende Sirenengesänge so rnüsttsn sis sicil sagen würde ein Voll« unter cksr käst von mehr als kiinl fahren ckss schwersten bisherigen Krieges eher hersinkallsn, ol> vor cksr Drohung ru weichen, cko6 von cksn Liegern alle; rsr- stört unck ousgsrottsl wsrcks. Wir sinck cksm ksind nur ckanlcb» ckofür, ckast er in ckisssr klinsmbt mit offenem Visier kämpft; weil so selbst clis letzten gutgläubigen Schwächlings in unser«! ksstien ckis entsetzlichste krotrs cksrsr sehen können, mit den«« wir es in ckissern Krieg rv tun haben. Unck auch sis sinck mm bereit, sich mit aller Kraft in cksn King unserer unsrrcttüttsn- lichsn Vsrteickigung ru stellen.

Vom Vollcrsturm bis rum Wuncker unsererV"-Woffsn ist unser ganzes ksbsn ru einem sinnigen Kanal ckisssr bsckin- gungslosen Kampfbereitschaft gsworcksn, ckis Kräfte rvr Wir­kung bringt, welche cksr keine! nun wie eins kowins auf sicsi stürren sieht, ks gibt nichts mehr in unserem gegenwärtig«! Dasein, was nicht im Dienste unseres Kampfes stüncks unck sein» Voraussetzungen verbesserte.

^uch >sns grasten Sorialwsrks cksr clsutschsn VolksH ckis wie kockein in ckis Speicher cksr cksutsciisn Kraft siinsi»»- leuchtsn unck unserem Volke erstmals offenbar mochten, ckoü « in sich selbst ckis Stärke rur klebsrwinckung jeder blot bsritrt, nehmen ckabsi einen angemessenen klatr sin. Ikr ösispisl reigt uns, welche reale t/ocht cksn Kräften ckss Icksolisrnus inriswotmt, wenn rislbewusttsr Wille sie bewegt. Der Wille, cksr unauf­hörlich icksslle Werts in materielle wonckslt unck mit ihrer Hilf» endlich auch ckas angestrsbts De! erreicht, klnck ckissss auf welchen Wegen wir er auch onstsvsrn, in cksr fisimot nicht weniger unbeirrt als on cksr krönt wirck immer nur ckas sin« sinnige sein unck blsibsn: unseres Volkes ksbsn unck Zukunft.

Dr. KI. 8.

Gestorben

Walddorf: Christian Braun, 67 I.; Nagold: Amold Fleckenslei», 30 I.: Calw-Alzenberg: David Wurster, 72 I.; Gechiugen: Friedrich Schneider, 23 3, Otio Schuhmacher; Wildbadr Anna Colo«; Pfalzgrafenweiler: Jakob Brösamle, SckuhmacheiMeister, 79 3.; Fried ri ck s 1 a l-Aach: Emma Funkler grd. Schaidle; Baiersbrono-Feuerbach: Karl Züstt, 30 I.

! Vor ollem im werkst wichtigste >VoKs > gegen Kolilsnlclau! Oer Xoiilenvorraf muü

i äiesmol kesonclsrs gut gsstreclrt wsrclsn.

Darum lempsratur ärau6en uncl clrinnen

atzsfimmen. Wenn möglicli, nocii i-fsir-

poursn einlegen. OncI niclit mekir als 16^ ^

Zimmertemperatur!

Ssiri auk »ut vnci ikn gut?

«22. Fortsetzung.»

Der Morgen sah die Bürger unter dem mächtig «ndrängenden Feind, der die Stimme seiner Feld­schlangen und Kartaunen über die unglückliche Stadt unvorstellbares Grauen speien ließ, einig wie kaum je zuvor. Sowohl Jakob Brandt wie Matthias Vorreiter konnten sick unter der Mann­schaft der Wälle bewegen, als gehörten sie nicht verschiedenen Parteien an. Den Belagerern stellte sich ein gemeinsamer Widerstandswillen entgegen.

Wenn wir alle ^usammenstehen. werden uns die Schwedischen nicht besiegen!" Anna Maria Vorreiterin wußte nicht, daß sie die gleichen Worte aussprach wie ihr Mann auf dem Rathaus. Sie dachte an eine Belagerung der Stadt aus ihrer ersten Kindheit Auch dort hatte der Feind ab- ziehen wüsten, weil die gesamte Bürgerschaft sich einmütiq erhob und fest zusammenstand.

Eine wunderbare Kraft strömt von ihr aus!" Stimmen der Bewunderung wurden laut. Viele Hände ordneten sich dem jungen Weib unter, das Scharfblick und eigenes rechtes Zupacken zeigte, wie auch die Macht, zu führen und anzuordnen.

Mehrere Brandherde waren schon gelöscht. Wummernd dröhnte der Klang der Geschütze. Schwer flogen die Stücke über die Stadt hin Neue Brände entstanden, leckten gierig weiter Doch meist noch konnte man ihrer Herr werden mit Be­herztheit und rechtzeitigem Zufasten.

Die tun"? Anna Maria wußte nicht, daß sie tn diesen Stunden hoch über alle Bürgerinnen der Stadt hinauswuchs Sie wußte auch nicht, daß üe die innere Befehlsgewalt an sich gerissen hatte, da sämtliche Männer an die Stadttore und Wälle ge­zogen waren Nicht lange mehr würde es dauern, und der Feind würde die Sturmleitern anlegen oder sich gegen die Tore der Stadt stemmen. Und wehe der Stadt die in die Hände der siegenden Schweden fiel"

Die Frau faltete für einen Augenblick die Hände«

über dem wild klopfenden Herzen. Das Haar hing ihr wirr ins rauchgeschwärzte Gesicht, das Kleid war stellenweise zerrissen, der Rock ein Stück ab­getreten. Es war nicht gut, in Weiberkleidern Männerarbeil zu leisten. Die Augen schloß sie für einen Herzschlag, in dem ihr nichts anderes vor Augen stand als das Kind, das sie daheim gelassen hatte, weil diese Stunde mehr von ihr forderte als es daheim zu hüten. Keinen besseren Schutz konnte sie ihm jetzt angedeihen lassen, als daß sie überall mit zugriff und aus diese Weise die ganze Stadt mit all ihren Kindern rettete.

Da Anna Maria schlug die Augen wieder auf. Ein Flammensprühen quoll in gefährlicher Nähe auf, die Gaste hinab, an deren Ende der Marktplatz lag. Der Wind trieb brandigen Rauch die Gaste entlang, gerade hin gegen das Brunnen­haus. Es war. als stehe auch über ihm eine Feuer­garbe.

Der Anna Maria Porreiterin Stimme gellte die Gaste hinauf und hinab:Helfen, zu Hilfe, das Haus des Bürgermeisters Brandt steht in Flam­men, und der Wind treibt das Feuer gegen den Markt, gegen den Brunnen!"

Die Frau keuchte.

Ja, der Brunnen mußte gerettet werden!

Aus den anliegenden Häusern jagten Schritte, Helfende Hände wollten zupacken, die Kette nach dem gefährdeten Haus zu bilden. Klein war der Brand noch, würde sich ichnell löschen lasten.

In diesem Augenblick schrie gegen den Ruf der Anna Maria Vorreiterin ein anderer Es brannte nicht nur das Haus des Bürgermeisters. Es stand auch in jenem armseligen Stadtteil eines jener kleinen Häuser in Flammen. Windschief war es, wie gebeugt unter der Last seiner Jahre. Morsch und brüchig war alles darin. Die Flammen würden leichtes Spiel haben Die Schneiderscheu wohnten dort mit ihrer zehnköpfigen Kinderschar.

Die helfenden Hände die sich ohne eigenes Wis­sen gefühlsmäßig unter Anna Marias Befehl zur Hilfe am Brandtschen Haus gesammelt hatten, zuckten zurück. Sie griffen aber sofort wieder zu. als Anna Maria Vorreiterin sie antrieb Mochte das kleine Haus der Schneiderschen brennen! Ver­einsamt stand es, bedrohte mit dem eigenen Brand nicht unmittelbar die ganze Stadt. Zudem das Haus des Bürgermeisters brannte schon auf der Hofseite, dem Brunnenhaus gegenüber.

Des jungen Weibes Stimmt aber versank plötz­lich im Toben der heulenden Stimmen, die von jenseits des Marktes herkamen.

Ein neuer Tumult war ausgebrochen, der im­mer mehr anschwoll. Gegen Anna Maria wandte sich eine verhetzte Menge, erfüllt von fanatischem Haß. Eines rief es dem anderen zu, immer neue Gerüchte kamen auf, alles Anklagen, welche die alte Magdalena Sturzin der Menge zurief: Die Vorreiterin hat das ganze Unglück über uns ge­bracht! Sie allein kann noch Brot backen, während wir Hunger leiden sie verriet schon einmal die Stadt an die Schwedischen. Helft ihr nicht löschen, sie will des Bürgermeisters Haus retten und läßt das der Armen verbrennen, nur, weil sie die heim­liche Buhlin des Bürgerineisters ist! Helft ihr nicht! Ich habe sie selbst im Hause des Bürger­meisters gesehen!

Wutschreie gellten aus der Menge auf mit Windeseile verbreitete sich das Gerücht in der Stadt, Anna Maria fand keine Helferinnen mehr, aber eine wütende Menge sammelte sich um sie. Plötzlich erschien Matthias Vorreiter, zu dem der Lärm des Aufruhrs sogar bis auf den Stadtwall gedrungen war. Höhnische Rufe und Schimpfreden empfingen ihn. Da ordnete er an, daß die Häuser der armen Leute zuerst gelöscht werden sollten: denn ihm lag daran, um leden Preis weiteren Aufruhr zu vermeiden. Anna Maria beschwor ihn, erst das Brandtiche Haus löschen zu lasten, das für die ganze Stadt zur Gefahr wurde, umsonst. Vor­reiter beharrte auf seinem Befehl. Aber die Menge gab sich nicht zufrieden damit:Euer Weib ist die Buhlin des Bürgermeisters! Nachts schleicht sie zu ihm, und nun will sie, daß des Bürgermeisters Haus gerettet werde!" So kreischten, lärmten und schrien immer neue Stimmen durcheinander Ent­setzt blickte Vorreiter aut sein WeibFragt sie doch gleich, wo sie vor zwei Nächten war!" zeterte eine gehässige Stimme, und die Menge wiederholte die Frage. Anna Maria wußte, daß jede Verteidigung aussichtslos war. daß die Menge ein Opfer haben wollte, und suchte bei Matthias Schutz Mit einem Male stand der Bürgermeister, der vom Wall aus die Flammen aus seinem Hause hatte lodern sehen, neben den beiden. Neue Schimpfreden wur­den laut, aber noch ehe die Menge eine Gewalttat begehen konnte, tönte ein furchtbarer Schreckens­schrei die Straße entlang: ,Die Pest! Die Pest! I

flieht, die Pest!!" In schwarze Kutten gekleidet, fuhren Pestknechte die Leichen der ersten Opfer der grauenvollen Krankheit nach einein entlegene« Winkel der Stadt. Im Nu stob die Maste, von Angst und Verzweiflung gepeinigt, auseinander,' keines kümmerte sich mehr um den anderen, nie­mand dachte mehr ans Löschen. Mochte alles zu­sammenbrechen. Der Gedanke an die Pest lähmte auch bei den wenigen Besonnenen, die »och bereit gewesen wären, jede ruhige Überlegung

Anna Maria hatte nur eines noch im Sinn Das Kind! Ich muß mein Kind retten, muß mit ihm fort von hier: denn wenn man mich wieder in der Stadt sieht, wird man mich umbringen. Wo nur Matthias ist hat ihn die Menge mit sick fortgeristen? 2n rasender Eile jagte sie nach dem Vorreiterschen Hanse, fand ihr Kind noch unver­sehrt und sich mir ihm wie gehetzt auf Um­

wegen der Stadtmauer zu, wo sie in einer schützen­den und durch Gebüsch verdeckten Nische hinsank. In ihrem zerfetzten Rock bara üe das Kind, bereit, es mit ihrem Leib rn lchn'"-

Eine furchtbare Nacht ,vlgte diesem Tage. Die Stadt brannte lichterloh, aufrührerische Horden zogen durch die Straßen, man suchte bald Mat­thias Vorreiter, bald Brandt als Schuldige, wäh­rend diese von ihren Anhängern gedeckt wurden, vor allem aber hatte dre Sturzin es verstanden, die Wut der Maste wieder gegen dieHere" Anna Maria zu lenken, die sicher schon wieder mit den Schwedischen gemeinsame Sache mache Auch das Vorreitersche Haus ging in Flammen auf Aber nicht durch die Brandgeschosse der Schwedischen. Die Sturzin hatte es vermocht, Friedrich Find­ling, der schon den ganzen Tag über bei ihr waL dazu anzustiften, das Feuer anzulegen:Du tu» sin gutes Werk damit, denn Anna Maria ist m» dem Bösen im Bunde und sie wird dich bald ihrem eigenen Kinde gegenüber zurücksetzen!" So sank auch dieses Haus in Schutt und A'cke

Btutigrot ging am Morgen die Sonne über der Stadt auf. Noch einmal überschütteten die Schwe­dischen die noch übriggebliebenen Häusei mit einem Hagel von Geschossen. Niemand griff mehr zu den Feuereimern. Panik und Haß gegen di« eigenen Mitbürger ließen kein vernnnitmes Smm deln mehr zu.

«Fortsetzung lolgr.)