Nr. L80
SchMarzwälder Tageszeitung
Seite 3
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Regelmäßige Kontrolle des Einmachguter.
In der Herbstzeit werden viele Hausfrauen Gelegenheit gehabt haben — und sie werden es in nächster Zeit auch noch können - Gemüse und Obst einzuwecken, um sich einen Wintervorrat zu schaffen. Um dieses kostbare Einmachgut vor -em Verderben zu schützen, ist es notwendig, es dauernd zu Beaufsichtigen. Vor allem muß das Eingemachte kühl auf- Bewahrt werden. Dann mutz in der Woche mehrmals nachgesehen werden, ob ein Glas aufgegangen ist oder ob sich Schimmel gebildet hat. Hat sich nur eine dünne Schimmelschicht gebildet, so ist das nicht schlimm. Man nimmt diese vorsichtig ab und verbraucht das Eingemachte bald Bei Säst Bildet sich manchmal im Flaschenhals ein Schimmelpfrovien. Wenn er behutsam entfernt wird, kann man den Saft dann ahne weiteres verbrauchen. — Schlimmer ist es schon, wenn das Eingeweckte in Währung übergeht. Dann muß man sofort den Inhalt des Glases oder der Flasche koche«, um die Bakterien zu töten. Häufig passiert es auch, daß Gläser mit Eingemachtem aufgehen. Merkt man es gleich, so sterilisiert man neu: sind schon ein paar Tage vergangen, dann muß der gesamte Inhalt neu gekocht werden. Manchmal ver^ärbl sich der Inhalt des Glases, so häufig bei Erdbeeren. Das schadet icdoch nichts. - Sehr vorsichtig muß man aber mit Fleisch, Pilzen und grünen Bohnen sein. Ist hier bei den Mösern irgend etwas nicht in Ordnung, so verwende mar der* Inhalt liebe'' Vicht, weil Vergiftungsgefabr o'esieht.
Aus Stadt und Land
Tromm: Kinilerjpielzeug zu Weihnachten!
Auch für das kommende Weihnachlsfest ist natürlich wieder die Herstellung von Kinderspielzeug sehr wichtig. Trotz aller Schwierigkeiten kann man da mit ein wenig Mühe viel Freude schaffen. Holzabfälle aus einer Tischlerwerkstatt, mit Sandpapier glattgerieben, vielleicht auch mit etwas Farbe bearbeitet, dann in einen Beutel gefüllt, ersetzen einen Baukasten für das Kleinkind. Ein Hampelmann läßt sich aus Holz oder Pappe Puppen lassen sich aus Holz und Stoff arbeiten, Puppenwägelchen und Wiegen entstehen aus Holz, Pappe, Stroh und Maisstroh oder durch Verwendung der Knüpftechnik. Kleine Tiere aus Holz, Stroh oder Stoff-, Garn- und Wachstuchresten werden das Kinderherz ebenso erfreuen wie eine geknüpfte Pserdeleine, ein schön geschnitzter Peitschenstock, eine aus Holzklötzen gearbeitete Eisenbahn, vielleicht sogar ein Steckenpferd oder ein schönes Holzschwert. Daß daneben auch Panzer, U-Boore und Flugzeuge für die Jungen gebaut wechen, ist ganz in der Ordnung. Puppenstuben, Kaufläden und Küchen entstehen ebenfalls neu oder werben wieder instand gesetzt. Ein Bilderbuch kann man auch selbst schaffen, es brauch» gar nicht selbst gemalt zu sein. Bunte, kindliche Dinge ans Postkarten und Zeitschriften ausgeschnitten und eingeklebt,' erfreuen ebenso unsere lieinen Mädel und Buben. Daneben muß aber auch Festschmuck, Tisch- und Baumschmuck selbst hergcstellt werden. Strohsterne und andere Stroharbeiten «Unruhen» in ihrem leuchtenden Gold passen gut in die dunklen Zweige des Tannengrüns. Bunte Ketten aus Eicheln, Bucheckern, Beeren und Strohhalmen erfreuen die Kinder ebenso wie Festschmuck aus bunten Papierresten. Auch Haselnüsse und Tannenzapfen lasfxn sich gut verwerten. Werkbogen für die Eigenanfertigung von Spielzeug und Geschenken können dir Parteidienststellen, vor allem die Frauenschaft, vermitteln.
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Bewährte Soldaten
Ein bewährter Soldat ist T sreiter Karl Böhl aus Alteast r i g. A»s am 10. 10. 1944 die Sowjets im Norden der Ostfront Inn-rholb drei Stunden mit der üblichen Feuervordereiiung drei Angiiffe wi> i? 50—80 Mann machten, wurde Böhl, der Melder in einem Füsilier-Bataillon ist, gleich za Beginn >m Rücken verwundet. Seiner Schmerz-n nicht achtend, blieb er an der Seite seines Bataillons-Kommandeurs und schoß unentwegt mit sichtbarem Eckolg auf den avstürmenden Gegner. Auch eine zweite Verwundung am Arm machte ihn nicht weich. Er verließ das Kampsfeld nicht eher, bis die Sowjets b-i beginnender Dämmerung ihren Mut in diesem Abschnitt endgültig gekühlt hatten. Die
Stellung blieb fest In deutscher Hand. Dem tapferen Soldaten wuide die verdiente Anerkennung zuteil.
Sanitäis G-fretter Karl Ziegler, Sohn der Witwe Luise Ziegler in Calw, Badstraß- 48 (Gastwirtschaft zum „Rebstock"), erbot sich, als am 29. 10 44 aus dem Wege zu wichtiger Stützpunkten eine eingebaute feindliche Mine aufzesunden wurde, dieselbe ouszubauen und sicherzustellen. Das geschah denn auch, und großer Schaden wurde verhütet. Ziegler hat damit innerhalb von drei Tagen zwei feindliche Minen ausgebaut und fichergestellt. Ge erhi lt eine besondere Anerkennung seines Kommandeurs.
Ueberberg. (Auszeichnung.) Der Obergesreite Jakob Kalmbach wurde mit dem EK. 2 ausgezeichnet.
Schramberg. (Kind aus dem Fenster gestürzt.) Ein Kind siel aus dem Fenster des zweiten Stockwerks auf eine massive Gartenmauer. Den erlittenen schweren Versitzungen ist das Kind noch am gleichen Tage im Krankenhaus erlegen.
Vereinfachung bei Waffenscheinen. Zur Vereinfachung der Verwaltung und zur Ersparung von Papier und Lichtbildern können Waffenscheine bis auf weiteres durch einen Vermerk aus der Rückseite ««, höchstens drei Jahre verlängert werden. Die Verlängerung kann auch erfolgen, wenn der Antrag in angemessener Frist nach Ählauf der Gültigkeit des Waffenscheins gestellt wird.
Der MliWrik am Donnerstag
Reichsprogramm: 7.8l>—7.45: Zum Hören und Behalten ans der Literaturgeschichte: G. E. Lessing. — 12.35—12.45: Bericht zur Lage.
14.15— 1!>.00: Allerlei von zwpi bis drei. — 16.00—16.00: Opernklänge. 16.00—17.00: Die Hamburger Unterhaltungskapelle Jan Hoffmann spielt.
17.15— 17.50. Unterhaltsame Nachmittagsmusik. — 17.50—18.00: Die Sr-, zählung des Zeitspiegcls. — 18.00—18.30: „Klingendes Land", Chor mck' Orchester der Rundfunkspielschar Hamburg musizieren. — 19.00 —ISLOr 50. Hörerpost des Zeitspiegcls. — 19.30—19.45: Frontberichte. — 80.15 bis 21 00: Das Rundfunkkonzert. Artur Rother dirigiert die Sinfonie z» Dantes „Divina commedia" von Franz Liszt. — 21.00—22.00: Erster Akt aus Rossinis Oper „Der Barbier von Sevilla".
Deutschlandsender: 17.15—Z8.30: Sinfonische Musik »»» Mozart, Richard Strauß und Reger. — 20.15—22.00: Bunte Melodien- skette aus Tonfilm, Lustspiel, Operette.
Gestorben
Nagold-Neckarsulm: Cäcilie Schlang,'geb. Fischer, 45I.: Gültlingen: Friedrich Erbrle, Fuhrmann, 71 I.; Bairrs- bronn: Otto Schmelzle, 20 I.
Die wichtigste Frage
Don der Pflicht in Cntscheidungszeiten
In allem, was 0er Mensch tut, liegt eine Borwegnayme öer Zukunft, in jedem Wollen ist die Vollendung, in jedem Weg das Ziel. Das macht uns die Arbeit leichter, denn wir sehen nicht bloß die augenblickliche Mühe, sondern sehen schon den Erfolg. Wie grau wäre das Dasein, wenn es nicht stets überglänzt wäre von einem Wunsch, einer Sehnsucht, einer Hoffnung! Viele würden es als Härte empfinden, wenn sie ihre Arbeit bloß aus deu Erfordernissen des Augenblicks heraus tun müßten, ohne den helfenden Gedanken an einen Abschluß und zu dem damit verbundenen inneren oder äußeren Gewinn. Und doch gibt es noch eine Betrachtungsweise, die einer höheren Ordnung angehört, eine Auffassung, die das Handeln nicht von dem möglichen Ausgang abhängig macht, sondern die fordert, daß etwas getan wird, weil es getan werden muß — ,daß eine Pflicht erfüllt wird, weil es eben Pflicht ist!
Es gibt Zeiten, die diese heroische Forderung, vielleicht nach einem langen moralischen Waffenstillstand, plötzlich wieder dem Menschen vorlegen, Zeiten, die das Leben auf das Gebot des Augenblicks zusammendrängen und den Trost der Zukunft rücksichtslos str/nchen. Dann erkennen wir, daß wir in einer sittlichen Welt leben und nicht bloß in einer Welt der Oelfelder und Bodenschätze: dann erkennen wir, daß es noch nicht Pflichterfüllung im eigentlichen Sinn ist, wenn wir eine Arbeit mit Eifer verrichten, weil dahinter eine Belohnung, eine Auszeichnung, eine Beförderung winkt. Nur der Soldat kennt die Pflicht als rein sittliche Forderung, denn er handelt ohne die Suggestion persönlichen Nutzens. Nie weiß er, ob er die Frucht seines Einsatzes genießen wird; auch wenn der Sieg errungen wird, kann er auf der Walstatt bleiben. Er muß seine Pflicht ganz ohne den Vorschuß der Zukunft tun.
Das Schicksal des Soldaten ist heute das Schicksal des Volkes. Der fliegende Mord kann jeden von uns täglich und stündlich vor die letzte Frage stellen. Das gibt dem Augenblick sein großes Gewicht und läßt alles in schärferen Um- j rissen heroortreten. Manchen freilich hat dieser Einbruch öer Unsicherheit in seinem Wesensgefüge erschüttert und in eine stumpfe Ergebung hineingedrängt. Wenn nichts mehr sicher ist, was hat dann alles Sorgen und Mühen für einen Sinn?
Aber nur Schwache können so sprechen; oer Starte wety: Leben ist immer Gefahr, Leben ist immer Wagnis, und nie habe ich die Gewähr, daß ich den Weg, den ich einschlage, bis zu Ende gehen kann. Trotzdem tue ich, was ich muß, was die Pflicht öer Stunde, was öer Befehl des Gewissens ist. Auch wenn der Erfolg ausbleibt oder ich ihn nicht mehr erlebe — was zu tun ist, wird getan.
Sb zu denken und zu handeln ist freilich viel schwerer, als mit einer Anweisung auf die Zukunft seine Aufgabe zu erfüllen. Ans die Dauer läßt sich das Leben nicht überlisten mit Sicherheiten und Versicherungen: es kommt immer wieder der Augenblick, da es sein rätselhaft gefährliches Angesicht zeigt und den Menschen zwingt, ihm ohne Rhetorik und Taktik Rede und Antwort zu stehen.
Allein der Bauer hat sich von der natürlichen Grundlage des Daseins nie völlig entfernt. Er konnte auch sagen: waS soll ich viel anbauen und mich schinden und plagen — vielleicht lebe ich im Sommer gar nicht mehr. Trotzdem richtet er seinen Acker, weil er weiß: das Leben geht weiter. Und wenn ihn das Schicksal wegnimmt, dann ist ein anderer da, der für ihn im Svmmer die Sense und im Herbst den Pflug führt. Sein schlichtes Beispiel ist tiefste Weisheit des Lebens. Der hat wahrhaftig die gewaltige Sprache unserer Zeit noch nicht verstanden, der sein Arbeiten und Kämpfen nur im Umkreis des Ichs sieht. Nie ist eine Arbeit sinnlos, auch wenn mir der Ertrag nicht mehr gehört, so wenig der Sieg des Soldaten sinnlos ist, wenn er darüber fällt.
Dieses Jahr hat uns in Entscheröungszeiten geführt. Es hat uns die Schwere des Kampfes enthüllt. Es hat neue Pflichten und neue Gefahren gebracht. Der Deutsche Volkssturm ist aufgerufen. Nun gibt es nur einen Gedanken: der Feind an den Grenzen des Reichs! Nun gibt es nur eine Frage: was ist jetzt zu tun? Nun gibt es nur eine Pflicht: zu kämpfen, ohne zu fragen, was wird und was war?
„Der eine fragt: was wird danach?, der andere: waS ist recht?
Und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht."
<19. Fortsetzung.»
Die Anna Maria Vorreiterin konnte ihren Leute« noch zu essen geben, während die anderen hungerten. Das konnte nicht mit rechten Dingen zuaehen. Die Anna Maria mußte mit geheimen Machten, vielleicht gar mit dem Bösen selbst im Bunde sein, sie war eine Zauberin, eine Hexe. Solche Gedanken vermochte die alte Sturzin sogar Friedrich Findling gegenüber wahrscheinlich darzustellen. Obwohl dieser nur Gutes von Anna Maria empfangen hatte und empfing, war er solchen Gedanken doch zugängig, denn sein Inneres war für das Schlechte sehr empfänglich. In Friedrichs Herzen wohnten sehr zwiespältige Gefühle, und je älter er wurde', um so mehr unterlagen die kindlichen Regungen dankbarer Anhänglichkeit än Anna Maria einer sich steigernden Unruhe, einem Hang zu nachlässigem Sichherum- treiben und einer aufkeimenden Freude am Schlechten. Das fremde Blut begann übermächtig in ihm zu werden. Mit unguten Gedanken erfüllt, die ihm die alte Sturzin beigebracht hatte, verließ er das Haus, als es draußen wieder ruhig geworden war.
Als die junge Anna Maria Vorreiterin durch das ärmste Stadtviertel schritt, weil sie dort zu einem au? den Tod darniederliegenden Kind gerufen worden war, suhlte sie hinter den noch geschlossenen Türen und Fenstern hassenve Blicke nach sich tasten. Doch sie war noch zu unerfahren, «m sie sich deuten zu können.
Sie trat in die Kammer des Kindes, für das man Beistand bei ihr erbeten hatte.
Stickig warm dünstete ihr üble Luft entgegen.
Die Frau taumelte zurück. „Öffnet ein Fenster!" befahl sie der Mutter, die am Lager des Kindes zusammengesunken war.
Die schüttelte verweigernd den Kopf. „Es gehen Geister draußen um!" Ihre hohle Stimme flüsterte geheimnisvoll „Die Sturzin war gestern hier und hat gesagt, daß man die Fenster schließen müsse.
_^.«ugegier aus dem Brandtfchen Haus seien
ausgezogen und wunderten jetzt durch die ganze Stadt."
Anna Maria rührte die Unglückliche an der Schulter. „Die Eraugsister des Brandtschen Hauses sind ein Gerede, Schusterin. Ich habe selbst im Brandtschen Haus gelebt und habe sie alle als nichts anderes erkannt, als ein paar Dutzend Mäuse, die es sich in Boden und Keller häuslich gemacht hatten."
Die Frau schüttelte wieder den Kopf. „Die Erau- geister gehen um, Vorreiterin. Ihr seid noch nichi lange genug in der Stadt, um sie wirklich zu kennen. Damals, vor Jahrzehnten, als das hitzige Fieber durch die Stadt raste, sah meine Mutter sie auch. Sie ist daran gestorben. Keiner darf die Eraugeister sehen. Laßt die Fenster geschlossen, Vorreiterin!" kreischte die Unselige auf, als Anna Maria die Fenster mit Gewalt öffnen wollte.
Anna Maria schauderte plötzlich. Die Luft in der Stadt war mit Grauen und Entsetzen all die Wochen über angefüllt Diese schwere, stickige Luft kroch in jede Ecke, jeden Winkel und beängstigte auch das tapferste Hzrz. Eng zog Anna Maria das Tuch über das goldhelle Haar, als wolle sie es bedecken vor dem gespenstischen fahlen Dämmern, das die Kammer beherrschte. Die lag voll von Unrat und Schmutz.
„Ihr müßt die Kammer aufräumen und säubern!" Anna Maria stand jetzt dicht neben dem Lager des kranken Kindes. In solcher Luft wie hier gedeihen allerlei Krankheiten!"
„Es bringt keiner mehr Lust auf, Kammern und Stuben sauber zu halten! Es ist doch alles vergebens." Die Frau zuckte unwillig mit den Schultern.
Anna Maria fiel es ein, daß auch die beiden Mägde im eigenen Haus Widerspruch leisteten, als sie ihnen die Reinhaltung des Hauses wie zu jeder anderen Zeit befahl. Nirgendwo gebe man sich mehr solche Mühe. Selbst die Magdalena Sturzin aus dem Haus des Bügermeisters Brandt habe gesagt, es lohne nicht mehr. Die Schwedischen würden keinen Stein nach der Einnahme der Stadt auf dem anderen lasten. Denn die Schweden würden anders mit der Stadt umgehen als damals, da man auf Befehl des Bürgermeisters Brandt noch die Vernunft habe walten lasten und sich nicht auf eine qualvolle Belagerung einließ.
als huschten wirklich gespensterhafte Eraugeister aus von dem Brandtschen Haus Mancherlei Einfluß hatte die Sturzin vor allem bei den Frauen der Stadt, weil sie sich auf allerlei geheime Dinge zu verstehen glaubte, was kleinen Geistern, die leicht zu betören waren, großen Eindruck machte. Hielt sie Ordnung und Reinlichkeit für unnötig, so griff es bald auf alle anderen Frauen in der Stadt über. Die schon sehr verwahrlosten Stuben, durch die sie in den vergangenen Tagen gekommen war, standen vor ihrem Blick. Und überall hielt man die Fenster verschlossen, überall herrschten Unordnung und Schmutz. Und aus Unordnung und Schmutz, zusammen mit dem Hunger, wuchs schaurig die Krankheit.
Dem iungen Weib war es, als packe es das Entsetzen. Sie brachte nicht mehr die Kraft auf, es in dieser Kammer auszuhalten. Denn zeigte das Kind auf dem Lager nicht das schaurige Mal der gräßlichen Krankheit, die immer noch mit Hunger, Schmutz und Glut der Tage zusammengegangen war?
„Nein, es ist nicht wahr!" Die gesunde Jugend der Frau bäumte sich auf gegen die entsetzliche Erkenntnis. Wie gehetzt jagte sie die Straßen entlang. Einmal nur hatte sie sich umgewandt auf der Schwelle der Kammer, als sie der klagenden verzweifelten Mutter zurief: „Haltet das Haus sauber und öffnet zur Zeit die Fenster, und geht nicht viel mehr unter die anderen Menschen!" Dann schloß ihr das Grauen den Mund.
„Sie ist da!"
Matthias Vorreiter umsing, sein zu Boden sinkendes Weib im Gärtchen des Hofraumes. Dann hörte er nichts mehr. Anna Maria war vor Grauen das Bewußtsein geschwunden.
Da trug der Mann die Frau hinein in den kühlsten Raum des Hauses, öffnete ihr die Kleider, besprengte sie mit Master und legte ihr ein feuchtes Tuch auf das Herz.
Matthias Vorreiter empfand plötzlich Mitleid mit Anna Maria. Hätte er nicht damals die Hand nach ihr ausgestreckt, sie wäre jetzt nicht mit ein- aeschlosten in das furchtbare Schicksal der Stadt. 3m gleichen Augenblick verwarf er diesen Gedanken wieder. Ein Mädchen wie Anna Maria wäre draußen wohl in die Hände gieriger Landsknechte gefallen, die sie zu Tode aebrackt hätten.
__ ^ -.uigaoe der rrnna Maria W:kk-
koppin, sein und ihr Leben in die Zukunft zu tragen? Der Mann hörte auf das Wimmern feines Kindes, das nach der Mutter schrie Vorsichtig streichelte seine Hand über die weißen zarten Schultern der vor ihm Liegenden. Ja, sie hatte in den vergangenen Wochen oft mehr Lebensmut bewiesen als er selbst. Dafür war sie wohl im Lager aufgewachsen und in einer Stadt, die mehr als einmal eine Belagerung hatte aushalten müssen.
Aushalten, immer nur durchhalten!
Matthias Vorreiter richtete sich an dem Lager seines Weibes hoch au<.
Ja, einer wurde siegen. Entweder die Stadt oder die Schwedischen draußen. Und der würde Sieger sein, der am längsten durchhielt. Denn mit der Not hatten sie alle zu kämpfen, die Stadt wie die Schwedischen, denen auch schon längst das Brot ausgegangen war. Die umliegenden Dörfer waren schon vor einem Jahr ausgeplündert. Das dürre Korn auf den Feldern hatte man verwüstet. Die Wiesen gaben nicht einmal Futter für die Pferde. Und der Nachschub schien aus irgendwelchen Gründen nicht mehr durchzukommen. Vielleicht lagen die Kaiserlichen schon so nahe, daß die Schweden auf keine Hilfe mehr rechnen konnten Und mußten sie abziehen, so war die Stadt gerettet.
„Durchhalten!" Dicht am Ohr des Weibe« flüsterte der Mann das Wort, das sie ihm selber so oft Vorgesprächen hatte.
Da schlug Anna Maria die Augen auf. Von einem durchsichtigen Hellen Blau waren sie, wie man sie gegen Norden zu fand und wie sie den Mo'' ' den Gcnnd sc?t-Oen Otiellwasiers er-
,,-.c gt da!" teucyte G'. Lcoer Diesmal war das Entsetzen gebannt in dem Bewußtsein, um jede« Preis durchzuhalten, weil die Schwedischen keine Gnade mit der Stadt üben würden
Matthias Vorreiter schaute fragend. Da barg die Frau den Kops an seiner breiten Brust. Ein Schluchzen schüttelte ihren jungen, zarten Körper. „Die Pest, Matthias, die Pest ist in der Stadt! Ich sah sie im Haus der Schusterin, die mich zu ihrem kranken Kind rief. Aber es war keine Krankheit, die ein Kind gelegentlich befällt. Es war di« Krankheit, die mit Hunger und Schmutz Hand in Hand geht."
, (Fortsetzung folgt.)