SchDLrzrvälder L^grszcitang
Sette 3
Nr. 27
Ztsubsns. gSSekZncjsles Vsk'mscktniZ
2u Ltsubsns ISO. Tockestsg SM 28. blovsmbsi'
Ohne öen p-eUvtsche» General Friedrich Wtlhelnt von Stenben »väre das Wert der Befreiung der nordameri- kanischen Union von verständnisloser britischer Zwanqslierr- schaft nie gelungen. Kein Geringerer als George Washington selbst, der erste Präsident der USA, und ihr erster Oberbefehlshaber in harten Kampscsjqhren, hat die entscheidende Bedeutung der Stenbcnschen Armeeschopsung nnterstrichen und wenigstens am Rande, auch ans den heroischen Einsatz der deutschen Einwanderer, ans die Wafsentatcn eines Generals Her- gesheimer und eines Freiherr» von Kalb hingewiesen. Wenn mail dennoch selbst in Friedenszciten nur wenige Amerikaner jand, die etwas über Stenben und über die deutschen Kämpfer im Mohawktal mußten, wenn andererseits absolute Nullen die Generalskitel sin Befreiungskrieg erbielten und oft genug schmählich versagten, über den grünen Klee gelobt wurden, Hann kann man darin ein Allstem erblicken Während man den ehrgeizigen Marquis Lasanette geradezu als Nationaihel- den heransputzte, wurde erst 1930 (!) durch den damaligen Gouverneur von New Port, den heutige» Präsidenten Roose- velt, Stenbens Sterbehaus unter staatlichen Schutz gestellt. Noosevelt wußte wenig genug von Stenben und liebte ihn keineswegs, aber er nützte bekanntlich jedes Mittel zum Stimmenfang für leine Präsidentenwahl
Warum, so wird inan sich gerade heule fragen, kämpfte Stenben überhaupt für die junge nordamerikanische Union? War es etwa persönliche Not, die ihn über das große Wasser trieb? War er einer der heimatlosen Offiziere jener Zeit, in der ehrvergessene „deutsche" Fürsten meistbietend ihre Landes- kinder verkauften? Von alledem kann bei dem ehemaligen Adiutanten des großen Prenßenlönigs, der von l747 bis zum Hubertusbnrger Frieden mit großen Ehren gedient hatte, nicht die Rede sein. Der Mann, der 1778 nach geradezu katastrophalen Niederlagen des so fragwürdigen jungen USA-Heeres von Washington die undankbare Aufgabe des Erziehers und Reformers übernahm, verabscheute, die britische Tvrannei eines geldgierige» Klüngels, und er glaubte daran, daß im neuen Land eine Stätte der Freiheit und des wahren Fortschritts geschaffen werden könne. Das Reden und Bramarbasieren überließ er anderen: er packte zu und formte ans einem wilden Haufen zuerst einmal Musterbataillone.
Washington, der von eigenen Generalen wie Benedikt Arnold verraten und betrogen war, der ständig mit dem Geiz und der Raffgier per „Hochmögenden" zu kämpfen hatte, staunte über die Sauberkeit und Unerbittlichkeit des Deutschen. Er sah. wie geschickt sich Stenben den besonderen Gegebenheiten des Kampfplatzes und des vorhandenen Kümpfertumes anpaßte, wie er gerade das, was bisher als Schwäche gegolten hatte, zu einer Stärke machte. Daß uni diese Zeit unter den deutschen Schülern Steubens auch ein Gneikenau war und daß sogar der große Preußcnkönig Steubens Gedanken vom Einsatz des Einzelkämpfers und Füsiliers aufnahm, das mag den alten Magdeburger Offizier sehr glücklich gemacht haben.
Stenben wurde Generaladjutant des Präsidenten, wurde Ehef des Generalstabcs und Generalinspettor der gesamten Armee, aber er hatte sich diese Armee selbst geschaffen. Und in den härtesten Tagen empfand Washington, daß unter den wenigen absolut Zuverlässigen Stenben der Zuverlässigste und der Tüchtigste war. Als Chef eines Elitekorps erzwang Steuden nach allen Regeln der Feldherrnkunst die entscheidende britische Kapitulation von Borktown. Heute heißt eines der
grogten amerilaniichen Knegs»chi)le nach üwiem eniicheidenden Tag, — aber von Stenben ist nicht mehr die Rede . . .
. George Washington, von feigen Kreaturen bis zuletzt beichimp't, se.ue Augen ichloß, da huuerlicß er ein politisches Testament. Der „Pater des Vaterlandes", „der Erste im Kriege, im Frieden nnd^un Herzen seines Volkes" forderte nachdrücklich, daß sich US-Ämerua für immer von den Streitigkeiten anderer Erdteile scrnhalte und daß es niemals seine eigentliche große Ausgabe, die Erschließung eines eigenen riesigen Kontinents, übersehe. Das Testament ivuroe allerdings bald genug dem Volke unterschlagen. Von Monroie angefangen, zeigten sich die angeblichen Repräsentanten der Freiheit als die erbarmungslosesten Landräuber und Unterdrücker. Der D o l l a r i m p e r i a l i s m u s führte das große Wort, die jüdische Finanzwelt von Wallstreet drängte die eigentliche politische Führung beiseite. Steuden? Washington? Den Profitjägern erschienen sie als abgeschmackt, ja als verdammungswürdig.
Stenbens Vermächtnis wurde von Unwürdigen vertan, und die Geschichte wird einmal nicht eben glimpflich mit diesen Zeitgenossen umgehen. Man hat in den Vereinigten Staate,i Steubens Traum von einem wahrhaft freien und tüchtigen Lande an den Dollarimperialismus und die Juden von Wallstreet verraten. Alan bar Washingtons Mahnung, die eigenen gmerikanischen Allsgaben zu lökcn, in den Wind geschlagen.
Dte Folgen sind unvorsteLeare Zerüüsliingen dieses Vielvölkerlandes. sind schamlose Bereicherung aus der einen und bitterstes Elend und schlimmste soziale Rot ans der anderen Seite.
Vor ISO Jahren — am 28. November 1794 — ist Steube» gestorben als ein aufrechter, gerader und vorbildlicher Mann. Die Briten haben ihn gehaßt, die Inden sein Andenken verfolgt, aber sie alle wollten in ibin die nordamerikanische Union selbst treffen. Einen Amerikaner von wirklicher Haltung müßte das alles sehr nachdenklich stimmen. Nie hat Deutschland die Vereinigten Staaken bedroht, nie Hai es dem Land jenseits des Atlantiks etwas Böses gewünscht. Wie aber ist es mit den heutigen-Verbündeten der Union? Washington und Stenben erheischen Antwort! Eitel Kaper
Geheimdiplomatie, Der Kardinal Valenti-Gonzaga, na«i übereinstimmenden Berichten ein Weltmeister des diplomatische« Blendwerks, halte einmal mit dem französischen Gesandte« am römischen Hose eine höchst heikle politische Angelegenheit abzuwickeln Um der Verhandlung gleich am Beginn dk nötige Vernebelung angedeihen zu lassen, verfaßte er mit dei Vesten Kunst diplomatischen Gaukelspiels einen langen Brief and schickte ihn an seinen Verhandlungspartner. Der Franzos« las das Schreiben, las es nochmals und zu wiederholte« Malen — und verstand es nicht. Infolgedessen bat er den Kar> dinal durch seinen Sekretär höflichst um Aufklärung Valentt- Gonzaga lächelte. „Wie können Sie erwarten, meinen Briet zu versieben", fragte er, „da ich einen ganzen Tag Arbeit darauf verwendet habe, ihn unverständlich zu machen?"
Bismarcks Lebensgefährtin
Zum SO. Todestag von Johanna von Puttkamer
Durch einen deutschen Feuerüberfall vernichteter feindlicher Panzer.
PK-Aufnahme: Kriegsberichter Wolkenstörser (Wb)
Ans sei Thaddenschen Hochzeit aus Schloß Trieglafs in Pommern hatte Otto von Bismarck Johanna von Puttkamer teniiengelcrnl. die einzige Tochter des Herrn von Puttkamer aus Reinfeld und der gestrengen Frau Luitgard Zu Pfingsten hatte er sie wieder in Cardemtn getroffen, am Hause seines Jngendsrenndes Moritz von Blanckenburg, der Marie von Thadden geheiratet batte. Marie von Blanckenburg hatte dann den Freund Otto zu einer gemeinsamen Harzreise ein- geiciden. Die Reisegesellschaft bestand aus 'Moritz und Marie von Blanckenburg Johanna von Puttkamer und Otto von Bismarck mit einem jungen Geistlichen Wangemann und einer befreundeten Familie Aus dieser Harzreise fanden sich Bismarck und Johanna für immer „Das einzig fromme, reine tiefe Mädchen" wie sie Moritz von Blanckenburg zwei Jahre vorher schon einmal seinem Freunde Bismarck gerühmt hatte Und er hatte hinzugefügt: „Sie ist äußerst gescheit, durch und durch musikalisch kohlschwarze oder glänzend braune dingen mir einem Hellen glänzenden Lichte Die Züge haben sonst nichts hervorstechend Antikes, aber äußerst lieblich Sie ist durch und durch ein geistreicher Student, höchst originell mit einem kiesen, frommen Herzen, dem alle Pietislerei fremd ist, das mit der allerlwidesten Kindeseinfalt Walzer spielt, wre ich es noch nie gehört habe." Und Marie schrieb ein Jahr später: „Ein einzig tiefes Gemüt: zum Giiicklichmachen Hai das schwarze Mädchen eine warme, tiefe, starke, unentwegte Kraft der Liebe."
Der berühmte Werbebries vom 21. Dezember 1846 und wenige Tage danach Bismarcks Erscheinen im Hause der Braut, wo er mil einer überraschenden Wendung — er umarmte vor den Eltern zum Erstaunen derselben kühn die Tochter und nah», damit das Ergebnis der Verhandlung vorweg — die Entscheidung herbeisührte. leiteten die Verlobung und die Hochzeit ein. Diese fand am 28. Juli >847 in der Holzkirche von Alt-Kolziglow stall, zu der Ncinield gehörte.
Schon zur Verlobung hat Bismarck an seinen Bruder Bernhard berichtet:
„... Jm übrigen glaube ich, ein großes und nicht mehr gehofftes Glück gemacht zu haben, indem ich, ganz kaltblütig gesprochen, eine Frau von seltenem Geiste und seltenem Adel der Gesinnung heirate: dabei liebenswürdig sehr und leicht . zu behandeln, wie ich nie ein Frauenzimmer gekannt habe." ^
Es war eine Braut- und Jungehezett. reich an Geist und c Leben gewesen. In schlichter Größe ist sie mit Bismarcks nn- ! vergleichlichen Briefen an Braut und Gattin in die Geschichte der deutschen Liebe eingeschrieben. Weiches Herz des Eisernen Mannes! Welche Feinheit, welcher Takt und welche Gemüts- sülle, und welche Sehnsucht nach ihr. weit» er von ihr fern ist! Welche Poesie in diesen Briefen! Als sie ihm einmal traurig ! war. munterte er sie ans. !
„Mein Herz ist voll von Dir und hat nicht Raum für - andres. Bist Tn ein welkes Blatt, ein ausgewaschenes ! Kleid? Ich will sehen, ob meine Liebe das Grün wieder heranpflegen, die Farben auffrjschen kann. . Frische Blätter - mußt Tn treiben, und die alten will ich zwischen das Buch j
meines Herzens tegen, daß wir >ie vetm Lesen ktnden als Zeichen lieber Erinnerung. Du hast die Kohle, die unter Asche und Trümmer in mir glühte, neu angesacht; sie soll Dich in belebende Flammen hüllen."
Und ein andermal:
„Ich will Dir auch einmal des Morgens schreiben, und zwar an einem trüben regnenden Morgen, will ich die Sonne wenigstens in mir scheinen lassen, indem ich nur an Dich denke. Es ist halb neun und hier so dunkel, daß ich kaum schreiben kann. Da mußt Du. schwarze Sonne, von innen sehr hell scheinen, wenn's gehn soll! Wie kann schwarz leuchten? Nur in Gestalt von poliertem Ebenholz, geschliffener Lava, so glatt und hart bist Du nicht: mein Bild mit der schwarzen Sonne in also falsch. Bist Du nicht eher eine dunkle warme Sommernacht mit Blütenduft und Wetterleuchten? Denn stern- und mondhell möchte ich kann, sagen, das Bild ist mir zu gleichmäßig ruhig."
Als dem jungen Paar in Schönhauser, im August des nächsten Jahres das erste Kind, ein Töchterchen, geboren wurde, schrieb er dem Großvater Puttkamer u a.:
„Johanna liegt still und matt, aber doch heiter und beruhigt hinter dem Vokhang: das kleine Wesen einstweilen unter Tüchern au? dem Sofa und quarrt ab und zu. Ich bin recht froh, daß das Erste eine Tochter ist: aber wenn es auch eine Katze gewesen wäre, so hätte ich doch Gott auf meinen Knien gedankt, in dem Augenblick, wo Johanna davon befreit war"
Viel später noch hat er ihr geschrieben:
„Latz. Dich durch nichts irre machen in dem Glauben, daß ich Dich liebe wie ein Teil von mir. ohne den ich nicht leben mag und kann, wenigstens was man leben nennen mag: ich fürchte, ich würde nichts werden, was Gott gefällt, wenn ich Dich nicht hätte: Du hist mein Anker an der guten Seite des Ufers: reißt der, so sei Gott meiner Seele gnädig."
47 Jabre hat Fron Johanna ihrem Gatten das Leben verschönern können. Sein Heim, mochte es in Schönhauser« oder in Varzin oder in Berlin sein, war ihm die stille Insel des Friedens. Das schönste Geschenk, das ihm das Leben reichte, blieb seine Frau. Als sie ihm am 27. November 1894 starb, da war ihm das Liebste ans der Welt qcnommen.
Esgert micü - was Icsrm s schon üosten - in Kisten unck auf KstkenrostenI
LsrlottsL«
60 QM Kock uncj
9ul c!en 6Io6en Locken 8c6ütten.
M»
, , 2 . Fortsetzung.»
eets Anna Maria das Zimmer verließ, um den seiden Männern in den Hof nachzugehen, sah sie ,en Schatten Jakob Brandts schon um die Haus- cke verschwinden. In Matthias Vorreiters Stirn rber erkannte sie die Furche einer Falte, die sie iislang nicht geschaut hatte.
„Es wird im Belagerungsfalle für die Stadt Echt leicht sein, auszuhalten!" Matthias Vor- eiter nahm die schmale Hand seines Weibes zwi- chen die seine. „Die Bürgerschaft ist uneins in sich, cnd es gehen Gerüchte um, die bereits aufsteigen ,us innerer Unruhe und dem Nichtwissen, wohin Kese ganze Zeit führen soll."
Der schmale Hofraum schien wie verlaßen. Anna Maria beugte sich nieder zu dem Kind, das sie inter einem Sonnenschutz mitten zwischen ihren Llumen stehen hatte, weil das Haus keine Kühle mehr bo.
„Das Leben wird immer weitergehen. Matthias, in der Natur, in unseren Kindern. Wir dürfen »ns dem Dunkel nicht beugen und auch nicht dem Tod'"
Anna Maria Vorreiterins Augen wurden durchscheinend in ihrer Bläue. Aus ihnen sprach nicht das Unverstehen der Jugend. Viel war an diesen Augen vorübergeglitten. Matthias Vorreiter fühlte die Kraft, die aus diesen Augen strahlte, aus unerklärlichen Tiefen wie die Quellen aus dem Schoße der Erde unter dem Brunnenhaus.
- Da neigte er sich über der Frau Hände und küßte sie und dann den Mund, der die tapferen Worte »prach.
Aus dem Himmet zückte die Sonne ihre Strahlen wie drohende Pfeile. Die mittäglich stille Luft, die soeben noch stillzustehen schien über der im Tal eingeschlossenen Stadt, war jäh von Lärm erfüllt.
Die beiden sich selbst hingegebenen Menschen schraken auf. Schritte jagten draußen vorüber. Ulriche gellten auf. Eine Fiedel schrie plötzlich
und hatte soeben noch sunnerzlich süße Liebesweise gewußt. Ein duulelhäutiges fremdes Gesicht spähte in den Hofraum hinein. Einer der Zigeuner, der in diesen Tagen mit seiner Bande an die Tore der Stadt geklopft Halle, um Nachrichten aus der großen Welt draußen zu bringen, stand vor dem Ratsherrn Matthias Vorreiter.
„Sie sind da, Herr" — seine Brust keuchte in der Furcht, nicht mehr rechtzeitig die Stadt verlaßen zu haben, in Angst vor dem Kommenden, das jeder belagerten Stadt drohte, würde sie bezwungen oder nicht — „sie kommen — die Schweden! Gnade uns Euer Gott, Eure Heiligen oder die Jungfrau Maria! Es wird jetzt gut sein, sich bei allen zu empfehlen!"
Spurlos wie er aufgetaucht, verschwand er wieder, Es blieb nichts als ein Schauder zurück. Anna Maria griff nach dem ruhig atmenden Kind, barg es an ihrer Brust und trug es trotz der dort herrschenden Schwule ins Haus. Es würde gut sein, jetzt ein festes Haus um sich zu haben.
Matthias Vorreiter sah sein Weib über die Schwelle seines Hauses schreiten, das Kind auf dem Arm. Ja, das Leben mußte weitergehen! Und mit einem Weib wie Anna Maria würde sich immer der Weg finden, auch im größten Grauen.
Als er den Weg zum Rathaus am Brunnenhaus vorüberschritt, dachte er der Stunde, da er Anna Maria hier zum erstenmal begegnet war. Mancherlei hatte er damals gewußt aus seinen Reisen in die Welt. Aber fremd war rhm noch gewesen, daß alle nüchternen und praktischen Erwägungen, alles Angespanntsein für die Zukunft erst Sinn gewinne, wenn eine Frau wie Anna Maria neben den planenden und handelnden Männern stand. Erst aus der Gemeinschaft erwuchs Zukunft, sichtbar in einer neuen jungen Generation, für die man allem Entsetzen zum Trotz sich behaupten mußte.
„Wir müßen die Stadt mit allen nur erdenklichen Mitteln halten!" Er schaute in der Sitzung des Rates starr durch das geöffnete Fenster, durch das stickig heißer Brodem des glühenden Nachmittags kroch.
An diesem Nachmittag widersprach keiner. Niemand rührte sich von den Anhängern des Bürgermeisters Brandt. Auch dieser schwieg. Es ließ sich j wohl auch niemand mehr davon überzeugen, daß I
es um um«»
Gott anzurusen habe oder das Sakrament zu nehmen. Es ging um das bescheidene irdische Leben um die Wälle und Mauern der Stadt. Das Schicksal war aus jeglichen Spekulationen in die harte Wirklichkeit der Fäuste gerückt.
Der Obrist Gustav Christiansen hatte seinen Kameraden das Stücklein der Stadt im Tal vom vergangenen Frühjahr hohnlachend beim Schein des Lagerfeuers erzählt. Ja, sie mußte märchenhaft abgeschlossen liegen, daß ihr Bürgermeister sich noch den Träumen vom rechten Glauben hin- gab. Oder er mußte sonderlich dem Buchstaben verschworen sein. Die Zuhörenden spotteten. Sie dachten wohl auch diesmal mit ihrer weitaus rößeren Heeresmacht leichten Einzug in die Stadt alten zu können. So waren sie enttäuscht, daß sie vor fest verschlossene Tore kamen, ja, daß man kaum ihren Abgesandten im Rathaus hören wollte. D'e Bürger hatten ihre Erfahrungen gesammelt. Man verlachte diesmal nicht die Erfahrung Matthias Vorreiters. Der wuchs im Rathaus über Jakob Brandt hinaus. Er sprach nicht viel, verhieß keine Freuden und Siege. Er forderte nur ein vollkommenes Zusammenstehen aller. Denn mit Zwietracht und Hader in ihrer eigenen Reihe babe noch keine Stadt einen Feind bezwungen.
Unübersehbar lagerten die Fähnlein der Schweden vor den Toren. Gräßlich würden sie die Stadt überschwemmen Die Not zwang zur Anerkennung von Matthias Vorreiters Worten. Denn öffnete man den Schweden die Tore wie im vergangene» Jahr, so würde der kommende Tag bei dieser Maße von Berittenen und Pikenieren, von Arkebusieren und Feldschlangen wie Kartaunen wohl kein Stein auf dem anderen bleiben. Verschloß man aber die Tore, so stand es außer Zweifel, daß die gut bewehrte und befestigte Stadt sich etliche Wochen würde halten können. Und wenige Wochen konnten oft die endgültige Entscheidung bringen
Am spaten Abend schickten die Schwedischen ihren ersten donnernden und blitzenden Gruß in die Stadt. Die hatte ihre ersten Toten zu beklagen
An einem der heißen Abende tauchte plötzlich Friedrich Findling bei der alten Magdalena aus. In der Nähe des Brandtschen Hauses hatten sich allerlei Unzufriedene zusammengerottet. Als ste>
oas uw heimlich von zu Harne entfernt hatte, erkannten, hatten es einige davongejagt, und da war Friedrich Findling schnell zur alten Magdalena gelaufen; denn einmal kannte er sie noch von früher, und außerdem war das Brandtsche Haus für ihn am schnellten m er- eichen gewesen.
Die alte Magdalena war mit den Jayren der Anna Maria Dorreiterin gegenüber nicht milder gestimmt geworden. Jm Gegenteil. Je mehr sie erkennen mußte, wie glücklich sich Anna Marias Ehe gestaltete und wie gut das ganze Hauswesen unter ihrer Leitung gedieh, um so größer wurde der Haß der alten Sturzin. Was an guten An- agen in ihr geschlummert haben mochte, hatte ich nicht entwickeln können, es war verschüttet un- 'er Unzufriedenheit und Verbitterung. Je em- 'amer und freudloser das Leben im Hause des Bürgermeisters Brandt geworden war, um so mehr entwickelte sich in Mnndalenn der Haß aeqen
Anna Maria.
In ruhigeren Zeiten Hane die ünnzni mit hrem Haß nicht viel ausrichten können Aber nun. n der Notzeit, wo schwache Gemüter allerlei üblen Gerüchten leichter zugängig sind als sonst, da fand die alte Magdalena einen guten Boden. Haß auszusäen gegen Anna Maria und das ganze Vor- reitersche Haus. Die Menschen waren ja !o dumm. Jedes üble Gerücht glaubten sie, wenn man es nur verstand, die Lüge schmackhaft zu machen
So benutzte Magdalena setz» die Anwesenheit Friedrich Findlings, um ihn über alle möglichen Einzelheiten im Vorreiterschen Hause auszufragen. Daß man dort zwar mit allem ebenfalls sehr kargen mußte, aber doch nicht, wie bei den meisten anderen Familien, bereits hungerte, das würde, zur rechten Zeit den rechten Leuten geschickt bei» -ebracht, sehr geeignet sein, wrlden Haß gegen die» es Haus zu entfachen. Von den nach Gerüchten Gierigen fragte sa doch niemand danach ob das alles f '.minie, und daß nur das kluge, rechtzeitige ^-nieilen der Vorräte durch Anna Maria bisher E größte Not von der Familie serngehalten atte. Und davon, daß man bis zu einem gewisse» Grade selbst daran schuld war, wenn die Not jetzt mit einem Male so groß war, weil man sich nie hatte einschränken wollen, davon wurde natürlich erst recht nicht gesprochen.
lFortjetzung folgt.) .