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Schwarzwälüer Tageszeitung
Gew«
Bolschewismus
Wie am Beispiel Süditaliens, so erweist sich auch in bezug -uf de Gaulle-Frankreich von Tag zu Tag immer stärker, daß ii, den von den Alliierten besetzten Landesteilcn die Volsche- wisierung planmäßig vorangetrieben wird, und daß die Weltmächte, wie von deutscher Seite immer gesagt worden ist, weder gewillt noch in der Lage sind, dagegen ein Veto einzulegen. Was Süditalien betrifft, so ist jetzt aus einem Reuterbericht bekannt geworden, daß General Eisenhower unmittelbar nach Teheran öufgefordert worden ist, dafür zu sorgen, daß die kommunistischen Gruppen dort volle Bewegungsfreiheit bekommen. Er hat ausdrücklichen Befehl erhalten, dafür zu sorgen, daß die bolschewistische Agitation, die mit der Verfolgung aller nationalen Italiener Hand in Hand geht, keine Hindernisse mehr findet.
Der Verräterkönig und sein Badoglio werden selbstverständlich in solchen Dingen überhaupt nicht mehr gefragt.
Ebenso mehren sich die gleichen Anzeichen in Nürdasrika. Dis dortigen Kommt '.istcn haben, wie gemeldet, von dem Dissidentenausschuß de Gon les, der sich als französische Regierung ausspielt, klipp und klar gefordert, er solle einen gleichen Vertrag mit Ler Sowjetunion abschließen wie Venesch. Natürlich ist dieser Vertrag nicht als ein Vertrag Algiers gedacht, sondern als ein Bündnis des künftigen Frankreich, möge es nun später nach den Hoffnungen der Engländer unter de Gaulle stehen oder unter dem Schützling der Moskauer Bolschewisten, dem Kommunisten Marty. Ein weiteres Symptom ist die Flucht des französischen Obersten Malez aus Algier nach Tanger. Dieser Malez war Nichts geringeres als Chef für den Aufbau der gaullistischen Armee. Die Ursache seiner Flucht ist die Bolschewisierung der !Dissideirz. Dem „Matin" zufolge erklärte Malez nach seiner Ankunft in Tanger: Bei der dissidentischen Armee zeigen sich starke Verfallserscheinungen, denn auf Befehl der Kommunisten wurden die meisten aktiven Offiziere, da sie als unzuverlässig angesehen wurden, ausgeschieden. Den einzigen wirklichen Faktor ^stellen 50 00g Marxisten dar, die aus einem Konzentrationslager entlassen wurden und nun unter dem Kommando Martys stehen. Giraud hat versucht, einzugreifen, er hat aber nichts ausrichten Ännen. Die gleichen Mißstände bestehen bei der Polizei, wo neun Zehntel der Polizisten der Kommunistischen Partei angehören. Die „Befreiung" durch den Bolschewismus ist also im vollen Eano.
Stalin denkt, wie man sieht, nicht im geringsten daran, auch nur den westlichen „Cordon sanitaire" zu respektieren, vorn dem der südafrikanische General Smuts vor kurzem noch gesprochen hat und auf den die Amerikaner als atlantischer Schutzwall noch vor wenigen Wochen Wert legten. Er benützt alle Mittel und «alle Instanzen, um die Bolschewisierung bis zum Atlantik vorzutreiben, wo er übrigens bestimmt nicht Halt zu machen gedenkt. Wie sehr der Krem! alle Mittel einsetzt, um sich die beherrschende Stellung in ganz Europa zu sichern, ergibt sich aus Herr Plänen für die Londoner Kommission, die ein Neuyorker «Bericht in „Svenska Dagbladst" meldet. Für diese Kommission, die die künftige „Neuordnung in Europa" behandeln soll, hat mach diesem richt die Sowjetunion vorgeschlagen, daß alle jsechzehn in der Sowjetunion vereinigten Republiken, darunter jauch die baltischen, in der Londoner Kommission vertreten sein Lallen. Die Amerikaner haben nach dem schwedischen Blatt immerhin gemerkt, was dieser Trick bedeutet; er würde bedeuten, daß rtm voraus die territorialen Forderungen der Sowjetunion bezüglich des Ostlandes anerkannt wären, und er würde weiter Bedeuten, daß Moskau die ganze Europakommission beherrschen
am Atlantik
würde. Es ist aber klar, daß es für eine etwaige Gegenwirkung schon zu spät ist, denn es liegt auf der Hand, daß das alles schon in Teheran zugestanden ist, ebenso die Umschaltung der südöstlichen Emigrantenregierungen von London auf Moskau.
Sogar de Gaulle selbst hat eine Art Flucht in die Öffentlichkeit angetreten, indem er einem portugiesischen Oberstleutnant sagte, daß die Amerikaner die Vormundschaft über Frankreich unter Einschränkung seiner Souveränität beanspruchten, während sie den Eaullisten andererseits keine Waffen lieferten. Wahrscheinlich glaubt dieser politische Dilettant, durch Konzessionen an den Bolschewismus den Amerikanern imponieren zu können. Sichtbar hat er in Algier wie im französischen Mutterland in den letzten Wochen und Monaten erheblich an Boden verloren, weil immer deutlicher erkennbar wird, daß er nichts andere» fertig bringt, als französische Rechte und französischen Besitz an die Engländer — siehe Libanon —, an die Amerikaner und di« Bolschewisten zu verschleudern
Im ganzen erkennen dementsprechend Deutschland und all« europäischen Völker von Helsinki bis Madrid, von der Ostfront
bis zum Atlantik, immer klarer, daß sie militärisch nur durch unseren Sieg gerettet werden können und daß politisch ihre Zukunft und Freiheit nur Lei uns deponiert ist.
England ohne soziale Zukunft f
DNB Gens, 27. Dez. Die Konferenzen von Teheran und Kair» seien schön und gut, meint die Londoner SonntagszeitunU „People", aber dies sei ein Krieg, in dem die Nationen ih»! Ganzes hergeben, und man ihnen eine neue soziale Ord« nung für nach dem Kriege versprach. Krieg sei nun einmak kein Karneval, und gemachte Versprechen seien zu halten. geachtet dessen habe aber Lord Wolltou in seiner neue» Eigenschaft als Wiederaufbauminister nur wenig zu biete». Zwar beseelten ihn die wundervollsten und aufrichtigsten AL« sichten, doch hinderten seine Tory-Kallegen ihn an ihrer Ver»j wirklichung, denn einer nach dem andern von ihnen griff di» Nachkriegsplanung an. „Nein, um die innerenglische Front steht; es wirklich schlecht. Gleichgültig, was die Minister reden, di» einfache Wahrheit ist, daß unsere Nachkriegspläne überhaupt nicht; existieren. 2m Kabinett aber sucht man vergeblich nach aufrich»^ trgen Leuten, die die Versprechen von 1940 erfüllen und ei»»' neue Sozialordnung für Enaland einfübren wollen."
Neve NSA.-Oberbefehlshaber In England
Stockholm, 27. Dez. Am Weihnachtsabend hat Roosevelt die seit langem erwarteten Aenderungen im alliierten Oberkommando bekanntgegeben. General Eisenhower wurde zum Oberbefehlshaber der in England stehenden britischen und amerikanischen Truppen ernannt. Also der Jnvasionstruppen für das westliche Europa. Das Oberkommando im Mittclmeergebiet übernimmt General Sir Henry Maitland Wilson, der Chef der im Nahen Osten stehenden britischen 9. Armee, während General Alexander das Kommando über die in Italien stehenden britischen und amerikanischen Streitkräfte erhielt. Mont- gomery verläßt die 8. Armee und wird Eisenhowers Stellvertreter in England mit einem selbständigen Kommando über die britischen Verbände. Die NSA.-Luftwaffe in Großbritannien nürd selbständig. Sie untersteht General Spaatz.
Dis llmbesetzungen haben in Lodnon lebhaftes -Erstaunen hervorgerufen. Die meisten Kommentare werden an die Ernennung Eisenhowers geknüpft. Seit bekannt geworden war, daß Washington die Ernennung Marshalls hatte rückgängig machen müssen, war die Erwartung Londons gewesen, daß ein Engländer das Oberkommando über die „Jnvasionsarmee" erhalten könnte. Roosevelt hat aber offenbar auf einem amerikanischen Oberbefehl bestanden und nun in Eisenhower einen Mann bestimmt, der nicht wie Marshall als „zu selbständig" den Widerspruch des Kreml heransfordern wird und sich leichter von Roosevelt und Stalin dirigieren läßt. Eisenhower war Chef der USA.-Truppen in England, ehe er den Oberbefehl in Nordafrika erhielt.
Der ihm beigegebene Montgomery soll offenbar der eigentliche Leiter der Invasion werden, was freilich bedeuten würde, daß die englischen Truppen die Träger der Offensivuntcrnehmen sein müßten. Die Abberufung Montgomerys aus Süditalien und die Unterstellung dieser Front unter Maitland Wilson, der in Kairo sitzt, gibt der Meinung neue Nahrung, daß die süditalienische Front an Bedeutung verliert und nur eine Teilfront der geplanten Mittelmeeraktion gegen den Balkan sein wird.
Der britische Staatsminister für den Mittleren Orient, Ca- sey in Kairo, wurde abberufen. Casey, der.aus dem konservative» Lager stammt, war den Sowjets schon lange im Mittelmeer ein recht unangenehmer Partner. Der sowjetische Vertreter im Mittelmeerausschuß, Wischinsky, hat die Entfernung Easeys von seinem Posten gefordert. England hat als folgsamer Trabant diesem Befehl auch sofort Folge geleistet. Casey wird nun Gouverneur von Bengalen, jener Provinz, die durch di» Hungersnot besonders in» Mitleidenschaft gezogen ist. Das liberale Mitglied des indischen Staatsratcs, Pandit Hirdaynath Kunzru, erklärte dem Reutervertretsr gegenüber, daß die Ernennung Caseys „eine Beleidigung für Indien" sei.
Die Londoner „Times" veröffentlicht einen neuen Beitrag zu dem jetzt in England so viel besprochenen Thema der Vertreibung englischer Landwirte von ihrem E rundbesi tz, der für llebungszwecke der amerikanischen Truppen requiriert wird. Das Blatt berichtet, daß in Südwestengland die Landbevölkerung in dem Rathaus einer kleinen Stadt zufammenberufen wurde, um über die geplanten Absichten der USA.-Militärbchörden auf englischem Boden unterrichtet zu werden. Dabei wurd« den Leuten zunächst die beruhigende Versicherung gegeben, sie sollten ihren Grund und Boden und ihre Heimstätten nicht verlieren. Dann aber hieß es, die USA.-Trup- pen würden das Gelände, 24 000 Morgen erstklassigen Landes, das sich auf 260 Höfe und 80 000 Stück Vieh und 18 000 Schafe erstreckt, als llebüngsplatz für Panzertruppen benutzen. Den Landwirten solle Gelegenheit gegeben werden, ihr Vieh in der Nähe ihrer Behausungen in Gattern zusammenzutreibcn. Ein USA.-Eeneral sagte im Verlauf der Versammlung unter anderem: „Unsere Panzer werden das Land aufwühlen und eure Hecken, Gitter und Tore zerschmettern, weil wir auch viele Nachtübungen durchführen." Die englischen Landwirte spüren nun am eigenen Leibe die Folgen der Politik Churchills, die landfremde Truppen nach England zog, die sich dort jetzt ebenso als Herren aufspielcn wie in Algier oder Sizilien.
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14. Fortsetzung
Die Witwe rückte bereitwilligst zur Seite. In ihrem ischarfgeschnittenen Gesicht funkelte Freude. Die Nachbarn würden glauben, ein feiner Gast sei bei ihr eingekehrt. Sie mußte heimlich lachen, wenn sie sich ausmalte, wie man sie mit Fragen bestürmen würde. Sollte sie ihnen dann ein Märlein aufbinden oder ganz einfach sagen: Man hat so seine Verbindungen und Beziehungen...
Taupadel machte es Spatz, ihr zuzuhören. Sie hatte eine unbewußte Freude am Wort, am Schildern. Außerdem war sie für ihr Alter erstaunlich frisch geblieben.
Unauffällig brachte er sie dazu, von dem zu sprechen, .was ihm wichtig war. Da habe es doch einmal eine surcht- idare Sache in Ludwigsstadt mit einem gewissen Edmund tSchulz gegeben? Oder er müßte sich sehr täuschen.
„Ja, ia...I" antwortete sie und spähte die Gasse auf ,und nieder, ob denn niemand des Weges käme, der sie mit »dem feinen Herrn sitzen sah.
„Uebrigens — das mit dem Edmund Schulz...", sie unterbrach sich, hörte sogar ein paar Sekunden aus zu häkeln und sann nach. Wenn die weißen Haare und die zusammengefunkene Haltung nicht gewesen wären, hätte man sie für dreißig Jahre jünger halten könnenl, Lachte Taupadel.
„Nach dem Edmund Schulz", hob sie nach einer Weile an, „haben mich oft die Leute gefragt. Noch heute, wenn man von der Vergangenheit spricht, wollen sie immer, daß ich von ihm erzähle. Daß einer hitzig war, das ist ja weiter nichts Besonderes. Aber so hitzig wie der Edmund Schulz, gottlob, das. gibt's nicht oft. Wenn man ihtt sich noch vorstellt, wie er aus Berlin herkam, also ich sag' Ihnen, fein und talentiert war er und ein Auftreten hatte er «auch, dann kann man gar nicht begreifen, daß er hinter Der Herr werden schon entschuldigen, aber trinken kann man bei ihm nimmer sagen. Und wie das so ist, mit dem Gefängnismauern endigen mußte. Natürlich hat er gesoffen. .Suff hing alles andere zusammen, daß er erst unreell -wurde im Geschäft, daß er den Leuten schlechte Bankpapiere jempfahl, daß bald jeder seiner Handlungen etwas Zweifel- vastes anhing."
„Was hat er für ein Geschäft betrieben?"
„Eine Bankfiliale hat er gehabt, und die Frau hat daneben Zigarren und Lotterielose verkauft. — Viel Gewinne sind damals nicht in Ludwigsstadt gezogen worden — aber da dachte man sich nichts weiter dabei. — Die Frau hat einen erbarmen können. Und ein kleines Mädelchen haben sie gehabt, ich seh' das Kind und die Frau vor mir, sie war eine liebe und zarte Frau, hat keinem was zuleide getan ..."
Richtig gerührt war sie, die alte Witwe Froeb, obgleich es schon so viele Jahre her war. „Wie sie gestorben ist, da hat ganz Ludwigsstadt mitgetrauert, solch ein Begräbnis 'at sie gehabtl Es war gerade Sommer und in allen ärten haben die Lilien geblüht. — Ja, sehen Sie, damals oben die Leute gesagt, ein Jammer ist's, daß die junge 'rau schon hat sterben müssen, und hernach — ja. da haben es erkannt, Gottes Wege sind schon die richtigen. Wenn
sie es hätt' miterleben müssen — du barmherziger Gott, sie hätte es ja nicht überstanden, sie nicht! So eine wie die wird nie im Leben fertig mit so was. — Nun, der Mann hat weiter getrunken: er hat niemand zu Hause gehabt, mit dem er ein Wort hätt' reden können, das Kind war zu klein, und jede Magd ist ihm davongelaufen, weil er so jähzornig sein konnte — nun, und da ist er schließlich überhaupt nimmer aus dem Wirtshause heim.
Mit der Politik hat er's auch gehabt, ganz rabiat war er damit. Und bei so einem Gespräch war's — da ist er mit einem Rechtskonsulenten, oder wie man so jemand heißt, es war so jemand, der den Leuten beim Testamentaufsetzen und bei Streitfragen hilft, ein Herr, der wohl aus der Gegend regelmäßig nach Ludwiqsstadt kam, aber nicht da gewohnt hat.
Ja, da ist sehr bald darauf der Edmund Schulz mit dem Rechtskonsulenten, der auch ein Hitzkopf war, in Streit geraten: er ist handgreiflich geworden und die Sache hat schließlich mit einem Totschlag geendigt. — Mitten in der Nacht hat mich damals mein Mann geweckt. Kreideweiß ist er an meinem Bett gestanden und hat geschrien, was der Edmund Schulz sei, der habe einen Mord begangen..."
Die Witwe Froeb sah den fremden Herrn neben sich aufmerksam an.
„Jetzt sind Sie auch ganz erschrocken — nicht wahr?" sagte sie und ihre Stimme drückte Befriedigung aus. Diese Kantorstochter aus dem Hohenloheschen, gebildeter als die anderen Frauen des Ortes, war eine berühmte Geschichtenerzählerin. Aber sie heischte auch Beifall.
„Was ist denn aus dem Kinde geworden?" fragte Taupadel.
„Die Hildegard? No, die hat unser damaliger Pfarrer bei sich ausgenommen, weil sie so hübsch war."
„Und was ist dann mit dem Edmund Schulz geschehen?"
Das Gesicht der Witwe Froeb verfinsterte sich. „Der Edmund Schulz ist ins Untersuchungsgefängnis gewandert. Der Prozeß gegen ihn war kurz. Er kam ins Zuchthaus, und ist bald im Zuchthause gestorben ..."
Ludwigsstadt hat sehr wenig Gasten. In ihnen schleuderte Herr von Taupadel an diesem Abend noch svät auf und ab, Sterne flimmerten am Himmel. Aber dazwischen schob sich wie ein riesiges Ungeheuer die Eisenbahnbrücke, die für die Ludwigsstädter die Welt bedeutet. Manchmal rollte ein Zug heran, verlor sich wieder in der Nacht. Amte Dorrit Schäfer!, dachte Taupadel voller Mitgefühl. Es konnten kaum Zweifel bestehen an dem, was die Witwe Froeb mitgeteilt hatte. Selbstverständlich mußten diese Mitteilungen noch beglaubigt und womöglich ergänzt werden. Er würde nichts versäumen, nichts unversucht lassen, morgen neue Erkundigungen einzuziehen. beschloß Taupadel. Wie edel hatte der Nürnberger Pfarrer Undorf gehandelt, als er das schöne Kind aus dem Kreise jener Menschen nahm. Wahrscheinlich wußte in der Diako- nissenanstalt nur der leitende Geistliche die Wahrheit über des Kindes Herkunft. Und vielleicht war selbst Professor Schäfer ahnungslos gewesen. Wer weiß das heute? Ist es noch aufzuklären?
Am nächsten Tage schon konnte Taupadel im Pfarramt die schriftlich niedergelegten Laten über die Familie des verstorbenen Ehepaares Edmund Schulz abholen. Aber er konnte noch nicht abreisen. Es gab noch manchen Weg zu machen. Er mußte zum Beispiel das Grab der armen jungen Frau aufsuchen, die zweifellos die Mutter der Frau Professor Schäfer war. Der einsilbige Totengräber geleitete ihn. Mitten im Sonnenglast lag ein schlichtes Grab, blumen
los, aber von Efeu umsponnen. Auf einem weißen StL^" kreuz stand zu lesen:
Hier ruht in Gott Frau Gertrud Schulz, geb. Jäger.
Es folgten die Geburts- und Sterbedaten. Taupadel notierte sie mechanisch. Er versuchte den Totengräber auszufragen, ob er sich an den Edmund Schulz erinnere?
„Was manen S'?"
Taupadel wiederholte seine Frage. —
Der alte taube Totengräber sah ihn ganz entsetzt mit gelben Augen an. Dann hieb er mit beiden offenen Händen durch die Lust, daß ein Zitronenfalter erschrocken von einer Nelke aufflatterte. „Der war wie ein Kain, der Abel erschlug!" stieß er hervor, schnupfte eine Prise Tabak, als müsse er sich beruhigen, und verschwand hinter einer Gräberreihe.
Es gab noch eine alte, zuverlässige Frau im Orte, die Büglerin Lederlein. Auch auf sie hatte man Taupadel im Pfarrhause hingewiesen.
Hans Georg von Taupadel, der es iinmer unter seiner Würde gefunden hatte, etwas anderes als höchsten» Zigaretten, Zeitungen oder eme Blume zu tragen, schleppte plötzlich ein unförmiges Bündel über die Straße. Er fand Frau Lederlein, die wie eine behäbige alte Köchin wirkte, in ihrer weißen Schürze am Bügelbrett stehen und ihre» Amtes walten. Die Bügelstube war niedrig, besaß außer einem weit ausladenden Bügeltisch nichts als einen jetzt im Sommer schlafenden Kachelofen und Holzbänke, die sich längs der Wände hinzogen.
Ob sie ihm den weißen Leinenanzug bügeln möchte? Er könne doch daraus warten — nicht wahr?
„Warum denn nicht?" Frau Lederlein legte das blaue Herrenhemd, an dem sie eben gearbeitet hatte, beiseite, nahm den weißen Anzug in Angriff. Der mußte vor allem eingesprenat werden. Die alte, welke Hand spritzte Wasser über das Leinen, rollte den Anzug wieder ein, aber freilich aus kunstgerechtere Weise, als der Major es vorhin getan
„A weng Geduld muß der Herr schon haben!"
„Hab' ich, Hab' ich, gute Frau! Ich kann doch rauchen — und Sie erzählen mir was, da geht die Zeit schon hin." Taupadel setzte sich auf die Pank, klopfte sich eine Zigarette zurecht.
„Was ich^dem Herrn schon erzählen könnt'!" Das alte Frauchen kicherte.
Taupadel hielt einen kleinen Vortrag über Familien- iorschung, und daß er gerade die Papiere der Ludwigs- städier Familie Jäger zusammenstelle. Die Familie sei aus- gestorben, das Sägewerk in fremde Hände übergegangen. Aber vielleicht könne sich Frau Lederlein noch an irgendein Mitglied jener Familie erinnern?
D - alte Frauchen wurde lebhaft.
„Freilich, freilich — den Josef Jäger Hab' ich gekannt. Er war ein Schweiger, ist hinter seinem Ladentisch gestanden, hat Zigarren und Tabak verkauft, hat auch einen kleinen Handel mit Gewürzen betrieben und im Herbst einen mit Blumenzwiebeln. Der Josef Jäger war ein Junggeselle, aus dem Sägewerk ein Sohn. Später hat ihn eine Nichte, die Tochter seines Bruders, der das Sägewerk besessen hatte, beerbt, sie kam mit Mann und Kind aus Berlin. Schulz haben sich die Leut' geschrieben. Dieser Schulz, das wird der Herr ja wissen, ist ein Totschläger gewesen und ist ins Zuchthaus gekommen ..."
Taupadel nickte. Er fragte, ob sie sich der Eheleute Schulz entsinne?
(Fortsetzung folgt) r