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E«h»atzs»Slüer Tageszeiring
Nr. 119
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Aus Stadt und Land
Altensteig, den 24. Mai 1943
Erwachen des veronlrvorlungsbervritzten sozialen Gewissens
Steigende Leistungen der NSV im Kreis Ealw — Ein Jahrsesrückblick
Wir wollen heute an Hand von einigen Zahlen zeigen, in welchem Maße die NSV. im Kreise Ealw an der größten sozialen Einrichtung aller Zeiten, die die NSV. heute darstellt, beteiligt ist.
Die Zügen de rholungspflege ist ein Gebiet, dem die NSV. ihre' ganze Aufmerksamkeit zuwendet. In 8 Heimverschik- kungen, wurden insgesamt 86 Kinder aus dem Kreis Ealw verschickt. Eine Landverschickung brachte 49-Kinder ins Elsaß. Ausgenommen wurden im Rahmen der allgemeinen Kinder- landverschickung im Kreise Ealw in fünf Belegungszeiten.430 Kinder, die aus den Gauen Franken, Essen, Maifranken. Steiermark und aus Holland stammten. In einer 6. Belegungszeit kamen außerdem 63 Kinder aus dem Kreis Friedrichshasen zu uns. Die Kinder haben sich alle prächtig erholt und freuen sich, wenn sie mal wieder in unser Heimatgebiet kommen dürfen.
Von den schulentlassenen Kindern wurden 19 Mädel aus dem Kreise Calw in Italien und z. T. in Thüringen untergebracht.
Das Hilfswerk „Mutter und Kind" ist eines der wichtigsten Gebiete, die zum Aufgabenbereich der NSV. gehören. Sagte der Führes einmal, daß dem Siege der Waffen der Sieg der Wiegen folgen müsse, dann weiß jedermann, daß sein Opfer dazu beiträgt, das Leben der Nation auf lange Zeit hinaus frucht- blängend zu gestalten. Die Erstarkung unserer Bolkskraft gibt zudem die verstärkte Grundlage zur Höherentwicklung deutscher geistiger und körperlicher Leistungen. 2n diesem Sinne tut die NSV. auch im Kreise Ealw alles, um das Hilfswerk „Mutter und Kind " zu fördern.'
So unterhält die NSV. im Kreise Calw drei vollständig eingerichtete B eratuygs st eklen und zwar in Neuenbürg, Calmbach und Calw. 2m Entstehen sind solche in Gültlingen, Nagold und Alten steig.
Zwei Erntekinderkrippeu unterhält die NSV.: in Sulz a. E. und in Deckenpfronn.
Sehr umfangreich sind auch die Aufwendungen, die die NSV. in unserem Kreise für die verschiedensten sozialen Zwecke macht. So wurde ausgegeben : für Säuglingsausstattungen 3393 RM, für Ernährungsbeihilfen 5280 RM, für Bekleidungsbeihilfe 486 RM, für Bettenhilfe 1500 RM, für Sonderhilfe 1100 RM, für Tbc -Fürsorge 600 RM, für Hinterbliebenen- Betreuung 7000 RM. In 166 Fällen wurde ein Ant'rag auf Gewährung eines Reichszüschusses gestellt. In 80 Fällen wurde eine Müttererholung ermöglicht.
Im Rahmen der Erweiterten Kinderlandverschik- kung konnten 110 bis 200 Mütter mit 238 bis 400 Kindern in Deutschlands schönsten Gegenden einen wohltuenden Erholungsaufenthalt genießen.
Durch die Haushalthilfen und Kriegshilfsdienstmaiden wurden 200 Familien in unserem Kreise betreut.
Die stets wachsenden Kriegsaufgaben auf allen Gebieten machten die Betreuung gerade des Kleinkindes immer wichtiger und vordringlicher. Der Arbeitseinsatz der Frau und Mutter wurde immer mehr zu einer nationalen Pflichterfüllung, und damit stieg die Bedeutung der Kleinkind-Betreuung.
Die Zahl der Dauerkindergärten betrug 24, in denen durchschnittlich 1400 Kinder untergebracht waren. 9 Kindergärtnerinnen, 4 Kindeipflegerinnen, 2 Eäuglingshelferinnen, 16 Laienkräfte und 27 Helferinnen, insgesamt also 58 Kräfte, waren hier erfolgreich tätig.
Außerdem unterhielt die NSV. 12 Hilfsktndergärten, die von durchschnittlich 485 Kindern besucht waren. 18 Kräfte leisten hier wertvolle Hilfe.
Daneben unterhielt die NSV. im Kreise Calw 10 Ernte- k i n d.e rg ä rt en, in denen durchschnittlich 365 Kinder von 12 Kräften betreut wurden.
Die Zahl der zu betreuenden Kinder betrug nicht weniger als 2250, für die 17 Fachkräfte, 36 Laienkräste und 35 Hilfskräfte, insgesamt 88 Kindergartenkräfte, benötigt wurden, die rastlos und mit Umsicht und Geschick tätig waren.
Wie bereits mitgeteilt, sind in diesem Frühjahr neue Kindergärten in Iselshausen und Pfinzweiler eröffnet worden. stA
Die NSV.-Kindergärtnerinnen-Seminare besuchen z. Z. aus dem Kreise Calw 2 Laienkräfte - 3 Helferinnen werden augenblicklich auf den NSV.-Kinderpflegerinnenschulen ausgebildet.
Bekanntlich werden die Kinder im Kindergarten auch ärztlich betreut. Seit einigen Jahren wird diese Betreuung von einem Arzte des Staatlichen Gesundheitsamtes ausgeübt. Außerdem wurden den Kindergartenkindern im Hort Cebionzucker und Lebertran als Stärkungsmittel verabreicht. Durch Tuberkulinprobe wurden im Entstehen begriffene schwere Lungenkrankheiten rechtzeitig erkannt. Die damit behafteten Kinder wurden dem Gesundheitsamt zugeführt, wo die entsprechenden Maßnahmen zu ihrer Gesundung getroffen wurden.
Dem Kleinkinde wendet die NSV. im Kreise Calw auch dadurch ihre Fürsorge zu, daß sie im Jahre 1943 Kleinkindertransporte vornimmt. Vorgesehen sind 3 Kleinkindertransporte mit insgesamt 25 Plätzen.
Die N S.-S chwestern sind auch im Kreise Calw vertreten. Von fünf dieser Schwestern wurden im Jahre 1942 insgesamt 1999 Personen behandelt und gepflegt. Dabei wurden 17033 Hausbesuche und 2197 Sprechstundenbesuche durchgeführt.
Zu den vornehmsten Aufgaben der NSV. gehört die Solda- ten- und Lazarettbetreuung. In der Zeit vom 8.-28. April 1942 wurde in einer Urlauberkameradschaft 35 Soldaten ein schöner Erholungsaufenthalt geboten. Eine Anzahl Freiplätze wurde durch Fronturlauber belegt.
Einen großen Aufgabenkreis der NSV. stellen die Hilfswerke KWHW. im Winter und Kriegshilfswerk für das Deutsche Rote Kreuz im Sommer dar. Beide zeigen von Jahr zu Jahr bedeutend ansteigende Ziffern. Für das KWHW. wurden im Kreise Calw an den Opfersonntaqen aufgebracht :
1941,42 374168.40 RM 1942 43 474504.16 RM
Die Reichsstraßensammlungen für das KWHW. erbrachten: 1941/42 244103.30 RM 1942 43 408578.16 RM.
Dazu kommt die Agrarspende, die 1941/42 19 744.62 RM ergab, während sich 1942/43 diese Summe auf 23043.50 RM steigerte. Die Wildspende stellte sich 1941 42 auf 3545.90 RM und 1942 43 auf 5150.50 RM. Das Mehraufkommen 1942/43 beziffert sich auf 289714.45 RK.
Die Steigerungen der Spendefreudigkeit in unserem Kreise sind der beste Beweis dafür, daß das große Sozialwerk des Führers, das die NSV. ist, immer größerem Verständnis begegnet.
Wir wollen den Leistungsbericht, der übrigens nur Teilgebiete umfaßt und noch bedeutend erweitert werden könnte, nicht ab- schließen, ohne den Haupt- und zahlreichen nebenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu danken. Dieser Dank gilt aber auch der Bevölkerung unseres Kreises, die von Jahr zu Jahr mehr ihr verantwortungsbewußtes soziales Gewissen durch stets sich steigernde Opferbereitschaft für das Gedeihen unseres Volkes im Sinne einer immer aktiver werdenden Volksgemeinschaft unter Beweis stellt.
Die ländliche Neuordnung — eine Zukunftsaufgave
Stuttgart, 22. Mai. Im Stuttgarter Stadtgartensaal hatten stch am Samstag zahlreiche Mitglieder des Arbeitskreises NSBRT der südwestdeutschen Landesgruppe der Deutschen Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplanung und der Fachgruppe Bauwesen des NS.-Bundes deutscher Technik zu einer Vortragsreihe zusammengefunden. Das erste Referat hielt Landesplaner Regierungsbaudirektor B o h n e r t-Stuttgart über ,Die ländliche Neuordnung in ihrer biologischen und kriegswirtschaftlichen Bedeutung". In seinen durch Lichtbilder näher erläuterten Ausführungen legte er dar, wie durch die ungeheure Besitzzersplitterung eine. rationelle Betriebsführung in der Landwirtschaft unmöglich ist und nun eine umwälzende Neuordnung Wandel schaffen und auch die Landflucht stoppen kann. Die Neuordnung im Altreich steht in unlösbarem Zusammenhang mit der Besiedelung der neu gewonnenen Gebiete; das Gesamtproblem kamt nur von einer zentralen übergeordneten Schau heraus bewältigt werden.
Stadtrat Dr. Schwarz-Stuttgart behandelte die Fragen der „Einordnung von Landwirtschaft und Gartenbau in Stadtgebieten". Die meisten deutschen Städte stehen vor der Notwendigkeit einer Auflockerung ihrer Gebiete. Ein Teil der im Stadtgebiet liegenden landwirtschaftlichen Betriebe wird sich aäf Gemüse-, Beeren- und Obstbau umstellen müssen. Haus-, Eigen- und Dauerkleingärten werden weitere Formen intensivster Nutzung darstellen. In Stuttgart ist man in dieser Beziehung beispielgebend vorangegangen, denn von den vorhandenen 30 000 Kleingärten entfällt schon auf jede vierte Familie einer.
Am Nachmittag ging Regierungsbaumeister Vlind-Stutt- gart auf die Nutzanwendungen ein, die der künftige Städtebau aus den Erfahrungen des Luftkrieges zu ziehen haben wird. Sehr aufschlußreich waren schließlich die mit einem Tonfilm über deutsche Bauernhöfe früher und heute ausgestatteten Ausführungen von Regierungsrat Grebe vom Reichsernährungsministerium Berlin über den Neuaufbau von Bauernhöfen im Reich und im Osten. In baulicher Hinsicht sei die Landwirtschaft v besonders stark zurückgeblieben. Eine,der wesentlichsten Sorgen der deutschen Agrarpolitik sei aber, daß neben der allgemeinen Nrbeitserleichterung die Landfrau entlastet werde. Die Erkenntnis über hen llmfanst und die Wichtigkeit dieses Vaugebietes fei schon jetzt in weitesten Kreisen der Bevölkerung erkannt. Daß die landwirtschaftliche Vaukunde einen hervorragenden Platz an den Hoch- und Fachschulen einnimmt, zeigte ein im Aufträge des Reichsernährungsministeriums hergestellter Film ./Deutsche Bauernhöfe früher und heute".
Neuregelung im Lustseldpostverkehr der Ostfront. Für den Zuftfeldpostverkehr der Ostfront gibt das Oberkommando der Wehrmacht bekannt: Vonttl. 6. 1943 an sind Luftfeldpostkartev mch dem Osten mit einer Lufifeldpostmarke, Luftfeldpostbrief>- »it zwei Luftfeldpostmarken zu versehen. Die' Luftfeldpostmaren werden in entsprechend erhöhter Anzahl an der Front aus- tegeben.
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Freudenstadt. (Verkehrsunfälle.) In Fieudevstadt ereignete sich ein Ve,Kehrsunfall, dem ein junges Menstten'e'en zum Opfer fiel. Am Mtttwochvormiuag lief in der Horst-W-ssel-Siraße rin , keines Kick aus einem G-rten auf die Straß, und direkt in einen Lastkraftwagen. Es wurde übe fuhren und starb bald daraus im Krankenhaus. Am Donnerstag st eß n in der Murgtalstroße ein Lastkraftwagen und ein Krastc-d zusammen. Der Fahrer des Kraftrades erlirt einen Beinbruch und mußte ins Krankenhaus eingeltefert werden.
Freudenfiadt. (Acht neue Erntekindergärten.) Anfang Mal wurden in unse em Kieisgediet wieder 8 Erntekinder- gä l-n eröffnet, und zwar in A rch, Hallwvngen, Herzogsweiler, Hörjchweiler, Grüntal, G ömbach, Lombach, Schopslock. Wettere Etluichtungcn kommen in den nächsten Tagen zur Eröffnung.
Igelsberg. (Geburtstag von Altbürgermeister Kappler.) Am 22. Mai vollendete Alibürgerm-tster Friedrich Kappler sein 7i. Lebensjahr, u sp'ünglich Holzhändler, der seine Aare noch aus Flöß-n versrachiete, erwarb er späier ein Sägewerk und en wickelte es zu beachtlicher Höhe. Dar eben war er 25 Jahre l> ng Bürge, meist r tm best n Sinne des Worte», vorbildlich treu und vit north Öligem E" stütz aufs ine G-m-inde. Don fünf im Felde stehenden Söynen ist e uer gefall-n; der Vater selbst widmet sich nach, schrie er K onkbeit mit erstaunlicher Kraft den
vermehrten Aufgaben des K> reges. Daß ihm diese Kraft noch recht lange geschenkt werden möge, das wünscht ihm seine Gemeinde aufrichtig.
»sg Hsrü. (Neues Heim 'für die NS.-Frauen- ickaft.) Durch den Einsatz von Ortsgruppenleiter Hoß. der sich selbst ohne Rücksicht auf seine Gesundheit an die Arbeit machte, ist es möglich geworden, daß der NS.-Frauenschaft in Mühlheim a.B. ein neues Heim im oberen Stock der Eemeinde- waschküche zngewiesen werden konnte.
Stuttgart. (75 Jahre.) Der frühere Stadkamtprann Hermann Schock, der als Pionier der Kurzschrift in stenographischen Kreisen weit über Württembergs Grenzen' hinaus bekannt ist, beging seinen 75. Geburtstag. Während einst in den Steno
graphenvereinen nur Liebhaberstenographen mit der Kurzschrift vertraut gemacht wurden, setzte er sich zum Ziel, tüchtige Stenographen und Stenographinnen für den praktischen Dienst aus ^en Behörden und Aemtern heranzubilden. Nachdem er i München die staatliche Prüfung für das Lehramt der Stenographie (System Eabelsberger) abgelegt hatte und als Kammerstenograph und später als Ratsstenograph der Stadt Stuttgart tätig gewesen war, wurde ihm als erstem Württembergs,: die höchste Würde, die „Ehrenmiiglicdschaft der deutschen Steno- oraphenschast" verlie^-n.
Friedrichshasen. (Hochbetagt.) Die älteste Einwohnerin Fricdrichshasens, Kausmannswitwe Julie Franke, könnt» H guter Verfassung ihren 95. Geburtstag begehen Täglich macht sie in Begleitung ihrer Tochter noch kleine Spaziergänge.
Menschen im Dunkel
Roman von Maria Fuchs
Urheberrechtsschutz Verlag A. S ch w i n g s n st s i n. München 2. Fortsetzung ' Nachdruck verboten
„Und Sie gratulieren mir nicht einmal", lacht der Bender, „nachdem Sie doch die Traudl so gut kennen und wie ich glaube, Ihr besonderer Liebling ist?"
„Eben deshalb verschlagt es mir die Redl Gratulieren aber w ich erst dann immer, wenn die Ehe selber eine glückliche wird!" Dreht sich um und wünscht dem Direktor kurz „Gute Nacht!"
Die knappen Schritte des Doktors gehen im Hupen eines öahersahrenden Autos unter.
Dender ist von des Alten Art nicht beleidigt. Er scheint ihn zu kennen. Die Schale rauh, der Kern aber gut. Wieviel Märlein erzählen sich nicht die Armen von diesem ihrem Doktor!
Heut hat er einmal Sturm um sich, der Siegwein. Kreuzhaget und Donnerwetter, wem soll das wundern? Glaubt da so ein hirnverkeiltes Mannsbild, dieser Dender, weil die Traudl «in gleichmäßig stilles Wassert ist, das nie überschäumt, er kann sie bedenkenlos in eine liebeleere sonnlcff« Ehe hineinjagen? Nur, damit er seinen.heiligen Frieden hat und die Kinder eine gute Mutter. Das letztere laßt er ja gelten, aber das andere ist egoistische Verrücktheit.
y, 'En, da hat der Bender noch nicht das letzte Wort geredet! «ch was, sagt er sich Minuten später, nützt das vielleicht was? ->eö den Menschen die Heirat aus und das Glück? Spüren immer pur den Hammer in jedem guten Wort, sehen nie die Hand, die lhn halt!
Wenn er nur wüßt, was die Traudl dazu bewogen hat? War Es ihr ewiger Sonnenglaube? Die Sehnsucht nach dem adelnd Meryailichem, Werktätigem? Oder war es ein unbedachtes Schrittst m heimwehkranker Stund? Könnt ihrs nicht verdenken, der Mandl. Wird schon als einsames Mädel an viel Stein gestoßen lein und manchmal Sehnsucht haben, daß einer dasteht, der sie «nen anderen Weg führt.
Warum aber hat sie ihm ihr Herz zugedeckt?
Dr hat ihrs doch immer nur gut gemeint.-
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Viel Neugierige drängen sich in die Kirche, vor der blumsn- bekränzte Wagen stehen. Man muß doch zu erzählen wissen, wie Direktor Dender mit seiner Schwägerin die Hochzeit hält.
„Ist wohl ein brückweitsr Unterschied von der ersten Frau", tuschelt eine der Nachbarin zu. „Man merkt es, daß sie schon an die dreißig ist."
„Ja, ja", züngelts wie spitze Flämmchen zurück, „sie hat Zeit gehabt, daß sie das Heiraten nicht versäumt. Freilich, einen mit drei Kindern nimmt nicht gleich jede. 'Noch dazu den eigenen Schwager. Finden Sie nicht auch, daß es ein bißt hungrig aussieht?"
„Ja, hungrig, da haben Sie vollkommen recht!"
Drinnen kniet die Braut. Ihre Hände rasten verschlungen auf den weißen Blüten. Neben ihr Franz Bender, der angetraute Gatte. Um seine Schläfen liegen die grauen Haare wie lichte Schleier.
Rüdigers Blick brennt den Zweien hin. Die Lippen des Jungen sind schmal. Seine Gedanken wandern eine enge Gaffe, in deren Dunkel er sich verliert.
Das Bild der Mutter steht vor ihm. Fremd sind sie jhm hier alle. Finster blickt er auf di« Schwester, di« trendig erstaunt dies Neue in sich aufnimmt. Denkt sie denn nicht, daß es sür sie nur eine Mutter geben kann? Und ist die Tante Traudl auch noch so gut und ist sie auch Mittlers Schwester, ihm stand sie nie ferner als in der Stund«, in der sie ihm und seinen Geschwistern nahe rücken soll.
Und Paul? Der hat sein Gesicht in die aufgestülpten Aermchen gepreßt, als macht er sein Kinderreich damit umzäunen, damit er, Rüdiger, nicht mehr sagen kann: Merk dir das eine, für uns gab es nur «ine Mutter, und die ist tot!
Für den älteren Bendecjnngen ist dieses Wissen ein Wandern durch eine sonnheiße Wüste.
Der alte Siegwein hat einen Blick aufgefangen, mit dem der Bub die Eltern hat angeglüht.
Und er denkt sich: Traudl, wirst oft vergebens an dieses Jungenherz anpochen; so schnell tut der es nicht auf!
Weißgekleidete Mädchen erwarten ihre ehemalige Lehrerin und überreichen ihr Blumen. Lin Schimmer Glücks umblüht sic und macht sie jung und froh.
„So", sagt Franz dann zu ihr im Wagen, „nun fangen wir das neue Leben an, Traudl. Du bist so still, als hättest du Angst davor. Ich stehe ja bei'dic und schütze dich!"
Was soll sie darauf saqen? Ihr ist so seltsam ;u Mute. Sie
möchte ihm das Glück zutragen und steht dennoch scheu wie ei»« Magd und wartet.
Die Blüten liegen in ihrem Schoß. Eine leise Sehnsucht streichelt darüber hin.
Ihr Mann blickt sie aufmunternd gut an und doch verrät sei« Gesicht, daß die Erinnerung einen anderen Hochzeitstag sucht. Di« greift durch Ewigkeiten um sein otes Weib.
Mit keiner Frage löscht Traudl seine Gedanken aus. Ihr Gesicht hat ein Lächeln von Güte, Verstehen. Verzicht und Liebe.
„Verzeih, Traudl", reißt sich ihr Mann aus der Welt, die nie mehr die leine werden kann, „ich bin anderswo gewesen. Bei dir - brauch ich nicht zu fürchten, daß ich dir damit wehe tu. Ich Hab nur einen Wunsch in mir, ich möchte dich glücklich wissen."
„Das kann ich erst sein, wenn ich dich und Sie Kinder froh weiß. Wenn ich sehe, daß nicht alles vergebens war." ,
„Vergebens? Das Opfer meinst du? War es fo groß für dich?" -
„N—e—i—n!" — Ihre Finger spielen an der Hellen Seide ihres Kleides. Diese knistert wie Adventkerzen. Gut daß er nicht weiß, daß ihre Liebe der brennende Kranz dazu ist. Sie würde sich ihrer unerwiderten Gefühle schämen.
Sie hat es sich doch nicht so.schwer gedacht, dieses Fernestehen vor dem eigenen Glück, dieses heimliche Hungern nach einem guten Wort, nach einem lieben Blick. Vielleicht ist sie trotz aller Kämpfe und eines errungenen Friedens noch zu jung, um mit verschlossenen Augen immerzu für andere bereitzustehen. Zu geben, nie zu empfangen. Wenn es ein Scheinsteg war, dieses Anlassen fremden Lebens? Heut käm das Erkennen zu spät.
Man hatte nicht allzuviel Gäste geladen. Der schweigstamste von allen war der Doktor Siegwein. „Sie wollen schon gehen?" wunderten sich einige, als er die Uhr zog und seine Unruhe nimmer meistern konnte.
„Ja, entschuldigt's mich", sagt er unbekümmert, „ich muß fort. In der Sprechstund warten meine Leut ans mich."
„Aber, Onkel", redet nun auch die Traudl auf ihn ein, „warum hast es denn nicht angeschlagen, daß du heut nicht ordinierst. Hast doch das Recht, dir selber auch einmal zu gehören."
„Redest wie ein Kind", gibt er kurz zurück. „So, wie du von - heut ab nimmer dir gehörst, ists bei mir vom Anfang meiner Praxis an gewesen. Die Kranken und ich. wir gehören einmal zusammen. Kannst das nicht verstehen?"
„Schon, aber..."
„Die Aber muß sich ein Arzt abgewöhnen. mein Kind. Auf : Wiedersehen!"
Fortsetzung folgt