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Nr. 245._Amts- und Anzeigeblatt für dev Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im OberamtS- bezirk Calw für die einspaltige BorgiSzeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.» Reklamen 25 Psg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Mittwoch, den 2V. Oktober 1815.

Bezugspreis: In der Stadt mit LrSgerlohn Mk. l.2S vierteljährlich, Post. bezugSpreiS für den Ort«- und Nachbarortsverkehr Mt. 1 .L 0 , im Fernverkehr Mk. t.M. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich «2 Psg.

Serbien vom Bierverbandsheer abaeschnitten.

Es stimmt etwas nicht im Vierverband.

Seit die Zentralmächte auch auf dem Balkan die militärische Initiative ergriffen haben, ist in den Vier­verband eine Krisenstimmung gefahren, die man trotz aller offiziellen Dementis und Eolibaritätserklärungen untereinander nicht mehr wegleugnen kann. Als ersten fegte der sehr kräftige neue Balkansturm Delcasft hin­weg, und schon wird in bestimmtem Ton davon gespro­chen, daß auch Erey einen gehörigen Schnupfen bekom­men habe, der ihn über kurz oder lang zwingen werde, die Stätte seiner Wühlarbeit zu verlassen. Vorerst wird er noch von Asquith gehalten, da dieser natürlich nicht den einzigen Verantwortlichen, der noch aus seinem Kriegskabinett vorhanden ist, auch noch preisgeben will. Datz aber irgend etwas vorgeht, das letzten Endes viel­leicht sogar das Kabinett Asquith aus seinen Angeln heben könnte, darauf deutet schon der Rücktritt des Mi­nisters Carson hin, der allerdings weniger durch seine Ministertätigkeit bekannt geworden ist als durch die Or­ganisation des bewaffneten Widerstands gegen die even­tuelle Annahme der irischen Bill, nach welcher das evan­gelische Ulster unter die Regierung des katholischen Ir­land hätte kommen sollen. Durch die Notwendigkeit der Bildung eines Koalitionsministeriums zu Zwecken der Aufrechterhaltung der heiligen Einigkeit wurde seiner­zeit bekanntlich derUlsterrebell" Earson neben dem Irenführer Redmond ins Kabinett berufen, wenn auch beide eigentlich nur als blinde Figuren amtierten. Reu­ter hat nun gemeldet, der Rücktritt Carsons sei nicht etwa, wie angenommen wurde, wegen der Dienstpflicht erfolgt, sondern wegen der Ereignisse auf der Balkan­halbinsel. Man will also eine Uneinigkeit in der Wehr­pflichtfrage in Abrede stellen. Es ist aber sehr wohl möglich, datz beide Fragen bei den künftigen politischen Erwägungen in England in ursächlichen Zusammen- hang^ebracht werden, denn durch den Gang der Ereig­nisse auf^vem Balkan ist eben die Frage eines ausrei­chenden Nachschubs für das englische Heer akut geworden, und es ist dabei für die Beurteilung der Stimmung in den politischen Kreisen Englands für uns nebensächlich, ob man dem englischen Auswärtigen Amt den Vorwurf macht, datz es durch eine falsche Valkanpolitik diese Schwierigkeiten, die im weiteren auch für den Orient drohen, heraufbefchworen hat, oder ob der Druck von außen kommt, d. h., datz die Bundesgenossen Englands eben angesichts der Lage eine noch stärkere militärische Beteiligung verlangen, was aber in großen Kreisen des englischen Volkes auf schärfste Gegnerschaft stößt. Da­her auch die tastende Art der jetzigen englischen Regie­rung, die sich der Gefahr der militärischen Niederlage bewußt ist, die aber ebenso Gefahr läuft, mit der Mehr­heit des Volkes in Konflikt zu geraten, falls sie aus ihren militärischen Ueberlegungen die Folgerungen ziehen wollte. Man spricht in politischen Kreisen heute schon von allgemeinen Wahlen, die also unter der Pa­roleFür oder gegen die Wehrpflicht" stattfinden wür­den. Die Entscheidung des englischen Volkes könnte in diesem Falle von weittragender Bedeutung werden.

Auch aus Italien gelangen eigentümliche Nachrich­ten zu uns, wonach es im italienischen Kabinett eben­falls zu kriseln droht. Und zwar soll der direkte Anlatz auch in der veränderten Balkanlage zu suchen sein. Die Alliierten, namentlich Frankreich, das jetzt wieder zum größten Teil die Balkantruppen stellen soll, verlangen ebenso stürmisch wie seinerzeit bei der Dardanellenexpe­dition die Mitwirkung Italiens auf dem Balkan, da die Italiener doch ein großes Interesse daran hätten, datz der Balkan nicht unter dieHerrschaft" Deutsch- Lands komme. Aber ebensowenig, als sich die italienische

Negierung seinerzeit entschließen konnte, ihre Truppen bei dem Dardanellenabenteuer zu opfern, ebensowenig vermochten die Ententebrüder italienische Truppenhilfe für den Balkan zu erlangen. Man versuchte Paris und London damit zu trösten, datz man die Mitwirkung der italienischen Flotte in Aussicht stellte, aber damit ist den Alliierten nicht geholfen. Die reservierte Haltung Italiens sowohl gegenüber der Dardanellenexpedition als auch bei der Frage der Mitwirkung an der West­front, wie auch jetzt in der Balkanfrage dürfte ihren Ursprung in der Zusammensetzung des Kabinetts haben. Es hat sich herausgestellt, daß Salandra und Sonnino mit ihrer Politik der unbedingten Unterordnung unter die Anschauung der übrigen Ententeregierungen inner­halb des Ministeriums nicht auf dauernde Gefolgschaft rechnen können, und datz die Kreise, die sich der Politik Salandras widersetzen, der sich mit Haut und Haar dem Dreiverband verschrieben hat, einen immer größeren Anhang gewinnen. Man beginnt in Italien von dem Rausch zu erwachen, den man sich mit fremdem Geld ge­kauft hatte, und steht nun ernüchtert vor den Tatsachen des neuen Balkankriegs, den man sich ganz anders vor­gestellt hatte, vor dem unüberwindlichen österreichischen Wall und vor dem russischen und französisch-englischen Fiasko. Das ist eine bittere Erkenntnis, die da dem ita­lienischen Volk zu dämmern beginnt. Ob der geklärte Blick die Sachlage im italienischen Interesse auch noch so betrachten wird, wie bei der Kriegserklärung?

Die russische Presse giebt aus naheliegenden Grün­den vor, die Wendung der Dinge auf dem Balkan habe wenig Eindruck in Rußland gemacht. Man wisse, daß die Entscheidung nur auf der russischen oder französischen Front fallen könne. Datz man aber doch nicht so ganz sorglos ist, sieht man an den Erklärungen der Peters­burger Telegraphenagentur, die die Vermutung aus­sprechen, datz das deutsche Hauptquartier hoffe, Serbien noch vor dem Eintreffen eines russischen Expeditions­heeres niederringen zu können. Um aber jeder Möglich­keit zu begegnen, rücke von der Goltz Pascha mit 200 000 Mann von Adrianopel gegen die bulgarische Grenze. Sei dem wie ihm wolle, die fortschreitende Niederzwing- ung des serbischen Heeres werden auch die Russen nicht aufzuhalten vermögen.

O. ?.

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Ministerkrisis in Italien?

(MTV.) Zürich, 20. Okt. Nach einer Privatmel- dung derNeuen ZUr. Nachr." aus Mailand wird die Stellung Salandras für ernstlich erschüttert angesehen, scdatz sein baldige« Rücktritt zu erwarten sei. Es ist an­zunehmen, daß das gegenwärtige italienische Kabinett nach seinem Ausscheiden auf die Dauer nicht bestehen bleiben, sondern durch ein Ministerium abgelöst werden wird, dessen Vierverbandsgefolgschaft keinesfalls einen so ausgeprägten Charakter tragen wird, wie das Salan­dras. In politischen Kreisen nimmt die Gegnerschaft gegen die Teilnahme Italiens an dm Balkanabenteuer, wofür Salandra und Sonnino eintreten, immer schär­fere Formen an. Hinter ihr steht die gesamte öffentliche Meinung Italiens, soweit sie sich nicht unter der Dik­tatur Salandras befindet.

Rotterdam. 19. Okt. Zn London sind, wie nach der Deutsch. Tageszeitg." von dort hierher gemeldet wird, aus Rom Nachrichten eingelaufen, wonach eine Neubil­dung des italienischen Kabinetts in den Bereich der Mög­lichkeit gerückt sei. Es handle sich um eine Beteiligung italienischer Truppen am Balkanfeldzug. Deswegen be­

ständen Meinungsverschiedenheiten zwischen Salandra und Sonnino. Der erstere ist dagegen. Sonnino will je­doch, datz Italien an dem Balkanfeldzug teilnehme. Sollte Salandra die Folgen daraus ziehen und zurück­treten, so würde Sonnino nicht nur das Aeutzere ver­walten. sondern auch den Vorsitz in dem neuen Kabinett übernehmen.

Frankreich und England.

(WTB.) London, 19. Okt. (Reuter.) Der franzö­sische Ministerpräsident Viviani hat an Sir Edward Krey gedrahtet, er versichere ihn in dem Augenblicke, in dem im französischen Kabinett eine Aenderung vorge­nommen werde, seiner persönlichen Hochachtung und teile ihm mit, datz die Republik fest entschlossen sei. un­entwegt die Politik zu verfolgen, die Frankreich bisher mit England verbunden habe. Erey dankte ihm für sein Telegramm und versicherte Frankreich der dauernden und beharrlichen Mitarbeit Englands. Das Bündnis werde durch die Ereignisse des letzten Jahres, in dem französische und englische Truppen Schulter an Schulter gekämpft haben, noch gekräftigt. Der gegenseitige Treuschwur geschieht in einem Augenblick, da die Seele der Revanchepolitik in Frankreich wandern mutzte. Um den Eindruck zu vermeiden, als sei damit auch die Rich­tung der Regierung geändert worden, hat man nun ge­wissermaßen vor aller Welt feststellen wollen, datz alles noch beim alten ist.

Die Lage mrf derr Kriegsschauplätzen.

Die deutsche amtliche Meldung.

(WTB.) Großes Hauptquartier, 19. Okt. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Keine wesent­lichen Ereignisse.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Eeneralfeldmarschalls v. Hindenburg: Südlich von Riga stürmten unsere Truppen mehrere russische Stellungen und erreichten die Düna östlich Borkowitz. 1 Offizier, 24V Mann wurden gefangen, 2 Maschinenge­wehre erbeutet. Ein russischer Angriff nordwestlich Za- kobstadt wurde abgewiesen. Zn der Gegend von Smolwy wurde durch eines unserer Kampfflugzeuge ein franzö­sischer Doppeldecker» der von einem russischen Stabskapi­tän geführt wurde, und mit einem englischen Maschinen­gewehr ausgerüstet war, abgeschosfen.

Heeresgruppe des Gencralfcldmarschalls Prinz Leopold von Bayern: Nichts Neues.

Heeresgruppe des Generals v. Li «singen: Die gestern gemeldeten Kämpfe am Styr nehmen einen für uns günstigen Verlauf.

Balkan kriegsschauplatz: Bei der Heeres­gruppe des Gencralfeldmarschalls v. Mackensen wurde von der Armee des Generals v. Koewetz durch österreich- ungarische Truppen die Stadt Obrenovac genommen. Südlich von Belgrad erreichten deutsche und österreich­ungarische Verbände nach Kampf die Höhen östlich von Vranic südlich von Ripany und südlich von Erocka an der Donau. Die Armee des Generals v. Eallwitz erkämpfte mit dem rechten Flügel die Gegend westlich von Scone, sowie die Orte Vodanj und Mala Krsna. Das Höhen­gelände bei Lucica, sowie südlich und östlich von Bozevac bis Mis Genovac wurde dem Feind entrissen. Die Armee des Generals Bojadeff drang gegen Zajecar, Knja- zcoac über Jnowo und gegen den Kessel von Pirot wei­ter vor. Andere bulgarische Truppen haben Vranjoc im oberen Moravatal und weiter südlich die Linie Egri Palanka Stip bereits überschritten.

Oberste Heeresleitung.