Die Lage auf dem Balkan.

Zur Mobilmachung Bulgariens.

(WTB.) Mailind, 23. Sept. Der Londoner Korre­spondent desSecolo" drahtet: Aus Athen eingetroffene Telegramme enthalten Einzelheiten über die bulgarische Mobilmachung. Darnach sei der Warenverkehr am Samstag nacht auf dem bulgarischen Eisenbahnnetz ein­gestellt worden .Am Sonntag abend habe König Fer­dinand einen Erlaß unterzeichnet, der die Mobilmach­ung von 5 Divisionen angeordnet habe. GleickMitig seien von Sofia mehrere Reiterregimenter nach einem ge­heimen Bestimmungsort abgegangen. Alle bulgarischen Offiziere, die sich in Frankreich auf Urlaub befanden, um die dortigen Operationen zu verfolgen, seien zurück­berufen worden. In Athen habe die Nachricht der Mo­bilmachung einen tiefen Eindruck hervorgerufen.

(WTB.) Mailand, 23. Sept.Secolo" meldet aus Rom: In Kreisen, die bulgarischen Diplomaten nahe­stehen, spricht man davon, daß die bulgarische Mobil­machung die sofortige Besetzung Mazedoniens bis Mo- «astir bezwecke und, daß das deutsch-östevreichisch-unga- rische Vorgehen in Serbien in enger Verbindung mit der bulgarischen Mobilmachung stehe. Ministerpräsident Nadoslawow sei entschlossen, ohne Aufschub zu handeln und habe sogar den Vorschlag einer vorübergehenden Besetzung der abzutretenden Gebiete durch die Verbands­mächte abgelehnt.

(WTB.) London, 23. Sept. Das Reutersche Bureau meldet, der Bericht, daß Bulgarien mobilisiere, habe in diplomatischen Kreisen natürlich viel Unruhe verursacht, obwohl man auf eine derartige Entwicklung vorbereitet gewesen sei. Ueber die Bedeutung der Mobilisierung sei man augenblicklich noch im Unklaren. Die bulgarische Gesandtschaft habe die Nachricht erst am 21. September spät abends erhalten und erklärt, Bulgarien würde weiter Neutralität bewahren, aber bewaffnete Neu­tralität. In anderen Kreisen werde erklärt, Bulgarien versetze sich lediglich in denselben Zustand, wie einige seiner Nachbarn, oder wie die Schweiz und die Nie­derlande.

Vereitelte Pläne.

Budapest, 23. Sept. Laut einer Mitteilung der bul­garischen Telegraphenagentur an die Blätter hat die bulgarische Regierung die Ausfuhr des von einer fran­zösisch-englischen Gruppe unter Leitung des französischen Senators Cruppi und des bulgarischen Abgeordneten Eenadien» angekauften großen Teils der bulgarischen Eetreidevorräte verboten.

Zum türkisch-bulgarischen Vertrag.

(WTB.) Berlin, 24. Sept. Aus Sofia erfährt, wie derVoss. Zeitg." berichtet wird, dieTimes", Minister­präsident Nadoslawow habe erklärt, daß der mit der Türkei abgeschlossene Vertrag von Seiten Bulgariens die bewaffnete Neutralität notwendig mache.

Die Hoffnung Serbiens.

Wien, 23. Sept. Nach einer Meldung derCam- bana" befinden sich die an der bulgarischen Grenze steh­enden serbischen Regimenter in ständiger Bereitschaft. Die serbische Regierung erklärte, daß die Vierverbands­mächte in Saloniki ein großes Heer landen würden, das den Serben zu Hilfe kommen werde.

Griechenland.

(WTB.) Bern. 23. Sept. LautCaffaro" soll die halbamtlichePatria" in Athen erklärt haben, daß Griechenland keinen Grund zum Einschreiten haben würde, wenn die Deutschen durch den Balkan zögen, ohne daß Rumänien und Bulgarien sich widersetzen. Nur dürfe sich Bulgarien auf Kosten Griechenlands nicht übermäßig vergrößern.

(WTB.) Athen. 23. Sept. DieAgence d'Athenes" veröffentlicht folgendes Lommnniquö: Die Negierung verfolgt mit Ruhe die Entwicklung der Ereignisse und wird die durch die Umstände gebotenen Maßnahmen treffen, um jeder Eventualität die Stirn zu bieten. Zwischen dem König, dem Ministerpräsidenten Venizelos und dem Generalstab herrscht vollständige Uebereinstim- mung. (Die Auslastung kann ebenso gut an die Adresse des Vierverbands als an diejenige Bulgariens gerichtet sein.)

Die Balkanmachenschaften der Entente.

(WTB.) Bukarest, 23. Sept. Der halbamtlicheVi- torul" verurteilt in seinem gestrigen Leitaufsatz die Treibereien der vor einiger Zeit gegründeten sogenann­ten Wache zur Beruhigung (!) der nationalen Würde, die bisher ihre Hauptbeschäftigung darin gesehen habe, Zeitungsjungen zu überfallen und ihnen nicht genehme Blätter zu verbrennen. Auch einen Reitknecht Marghilo- mans (Deutschfreund) rissen sie neulich auf dem Renn­platz vom Pferde. Vorgestern abend kam es zu einer Schlägerei zwischen der Wache und ihren Gegnern, über dieVitorul" heute schreibt: Derartige Vorkommnisse

sind sittlich entwürdigend, denn sie zeigen uns dem Aus­land gegenüber in einem Licht, als ob wir die Vertei­diger fremder Interessen im eigenen Lande wären. Gewiß wären wir nicht so weit gekommen, wenn nicht einige Zeitungen gewissenlos genug gewesen, wären, umstürzlerische Handlungen zu ermutigen. Gegen diese Kundgebungen müssen strengste Maßnahmen ergriffen werden,' denn nur auf diese Art wird die innere Ruhe geschützt.

Gerüchte und Stimmungen.

Sofia, 23. Sept.Balkanska Poschta" erhielt fol­gendes Telegramm aus Nisch: Hier aus Sofia einge­troffene Nachrichten rufen die größte Bestürzung wegen der Gefahr eines Waffenkonsliktes mit Bulgarien her­vor, welcher, da er gleichzeitig mit dem Beginn der öster­reichisch-deutschen Offensive zusammenfallen würde, als sehr ernst angesehen wird. Das Organ der Sozialisten veröffentlicht einen Artikel, in welchem nicht verhehlt wird, daß Serbien vor einer Katastrophe stehe, die nur durch rasche Amputation beseitigt werden könne. Sämt­liche Blätter berichten von geheimen Kriegsvorberei­tungen Bulgariens und erklären, daß die türkisch-bulga­rische Verständigung ein Beweis für das Zusammen­gehen Bulgariens mit den Zentralmächten sei.

Lugano, 23. Sept. DemCorriere della Sera" wird, nach drahtlicher Uebermittlung an dieNat.-Ztg." von seinem Korrespondenten aus Bukarest gemeldet, daß Bulgarien seine gesamte Kavallerie an der serbischen Grenze konzentriert habe. Die bulgarische Regierung hat bei der Eisenbahnverwaltung Befehl erteilt, sämt­liche Waggons sofort zu entladen und zur Verfügung der Militärbehörde zu halten. Weiter meldet derEor- riere della Sera" aus Rom, daß man in den dortigen Kreisen der Ansicht ist, daß Griechenland seinen Ver­trag mit Serbien auch durch den deutsch-österreichisch- ungarischen und wahrscheinlich auch bulgarischen Angriff gegen Serbien nicht anwendbar hält. Trotz der neuge­schaffenen Lage werde Griechenland ruhig bleiben und den Gang der Ereignisse abwarten. DerSecolo" erfährt aus London, daß Bulgarien zu einem vollen Einver­nehmen mit Rumänien gelangt sei.

Christiania, 23. Sept. Aus Paris wird, nach der Voss. Zeitg.", gemeldet: In ihrer letzten Note schlug die Entente der bulgarischen Regierung vor, falls diese damit einverstanden sei, Mazedonien durch englische und italienische Truppen besetzen zu lasten. Alsdann würde zwischen Serbien und Griechenland keine andere ge­meinsame Grenze existieren als Albanien. Wenn Bul­garien diesen Vorschlag annehme, könne ihm die Entente sehr günstige Bedingungen zur Besetzung der verspro­chenen Gebiete verschaffen. Schlage es jedoch dieses letzte Angebot ab, so werde die Entente alle bisher ge­machten Angebote als nicht geschehen betrachten und Serbien zu erkennen geben, daß Bulgarien gegenüber nicht die geringsten Zugeständnisse mehr gemacht wer­den dürfen. Die Entente erwartet Bulgariens Ant­wort noch vor Ende September.

Bon unseren Feinden.

Auch ein Ultimatum.

(WTB.) Berlin. Der russische Finanzminister Bark hat in London, verschiedenen Morgenblättern zu­folge, angeblich ein regelrechtes Ultimatum gestellt und erklärt, Rußland werde, falls England nicht die russi­schen Couponjs einlöse und die russischen KMegsbestel- lungen bezahle, ferner das nötige Bargeld zum weiteren Kriegführen liefere, außer Stande sein, den Krieg fort- zuführen.

Die Gärung in Rußland.

(WTB.) Kopenhagen, 23. Sept. In einem Leit­artikel über die Gärung in Rußland teilt das Blatt Sozialdemokraten" mit, maßgebende Politiker inRuß- land hätten erzählt, daß der Zar persönlich die bestimm­tere Haltung in der inneren Politik Rußlands durch sein Eingreifen bewirkt hätte und meint, deutlicher könne nicht ausgesprochen werden, daß an Stelle der Versprechungen, die der Zar bei Beginn des Krieges den Polen, Juden und anderen Völkerschaften gemacht hätte, wieder die alte echt russische Reaktion trete. Es verstehe sich von selbst, daß man in England und Frank­reich über diesen Stand der Entwicklung nicht begeistert sei. Man sei sich klar, welche verhängnisvollen Folgen die Vertagung der Duma haben werde. Anknllpfend an Herves Aufruf in derEuerre Sociale" meint das Blatt, die Gärung in allen Bevölkerungsschichten scheine mit der Einsetzung der Reaktion zuzunehmen. Nach den russischen Zeitungen selbst seien die wirtschaftlichen Ver­hältnisse nahezu verzweifelt und böten fürchterliche Bil­der des Elendes, in welchem Tausende von Vertriebenen und Flüchtlingen lebten. Gerüchte sprechen davon, daß überall große Ausstände als Protest gegen die Vertag­ung der Duma vorbereitet würden. Man könne nicht wissen, ob der vorläufige Sieg der Reaktion nicht der Anfang vom Ende für sie sein werde.

(WTB.) Petersburg, 23. Sept. Eine Bekannh- machung des Kommandanten des Petersburger Militär­bezirks vom 21. September stellt fest, daß wiederum Streikbewegungen unter den Munitionsarbeitern ent­standen sind und daß die Arbeiter sogar auf den Straßen Demonstrationsversammlungen abgehalten haben und über Fragen verhandelten, die die Arbeiter gar nichts angingen. Dadurch erleide die Armee einen Ausfall an Munition. General Rußki habe diese bereits als Vater­landsverrat bezeichnet, was der Kommandant unter­streichen müsse. Wenn auch schmerzliche Geschehnisse Vor­lagen, so sei deshalb doch keinerlei Anlaß gegeben, gleich­zeitig einen Aufruhr im Innern zu stiften. Der Kom­mandeur rät den Arbeitern an, zu arbeiten und nicht über ihren Wirkungskreis hinauszugehen.

Der Dumaausschuß an die Lust gesetzt.

Stockholm, 23. Sept. Aus Petersburg wird gemel­det: Die Regierung teilte dem Vorsitzenden des Heeres­und Munitionsausschusses der vertagten Duma mit, daß die Regierung auf die Beratungen des Ausschusses vorläufig verzichte. Der Zusammentritt des Ausschusses tm Dumagebäude wurde durch die Militärwache ver­hindert.

Die Erregung in Indien.

(WTB.) Konstantinopel, 24. Sept. Das Pretzbureau verbreitet eine vom Juli datierte Erklärung der natio­nalistischen Partei Indiens, die die unheilvollen Er­gebnisse der englischen Verwaltung schildert. Die Be­völkerung sei durch Hunger und Pest dezimiert und durch schwere Steuern verarmt. Der Ausschuß erhebt gegen die Verwendung von Indern auf den Kriegsschauplätzen Einspruch und erklärt, daß die Inder sich im Kriegszu­stand mit England befänden und für ihre Freiheit käm­pfen würden.

Unruhen in Aegypten.

Lugano, 23. Sept. Die MailänderSera" meldet, daß es in Kairo und Alexandrien zu Straßendemon­strationen und Unruhen aus unbekannten Gründen ge­kommen sei. Die italienischen Konsulate waren mehr­fach bedroht. Die Ruhe wurde von australischen Trup­pen wiederhergestellt.

Amerika.

Deutschland und Amerika.

(WTB.) Newyork, 23. Sept. (Durch Funkspruch von dem Privatkorrespondenten des WTB.) Die Presse hat die Erörterung der deutsch-amerikanischen Bezieh­ungen eingestellt, da die vertraulichen Besprechungen über die Tauchbootfrage nunmehr im Gange sind.

Wilson und Bryan.

Washington, 23. Sept. (Reuter.) Der frühere Staatssekretär Bryan besuchte zum erstenmal seit seinem Rücktritt das Weiße Haus und hatte eine einstündige Unterredung mit dem Präsidenten Wilson. Als er zurückkehrte, weigerte er sich, über die Unter­redung etwas zu sagen.

Die Schattenseiten der Vierverbandsanleihe.

(WTB.) Manchester» 23. Sept. DerManchester Guardian" behandelt in einem Leitartikel die geplante Anleihe in Amerika sehr skeptisch. Wenn der Zinsfuß 4)4 Prozent übersteige, könnten die Deutschen sagen, daß wir das Geld zu uygünstigeren Bedingungen auf­nehmen als sie selbst. Es würden ferner Staatsanleihen und alle anderen Wertpapiere entwertet. Das Blatt bemerkt, daß die Preise für Lebensbedürfnisse in Eng­land so gestiegen feien, daß für die Arbeiter das Pfund Sterling 30 Prozent Einkaufskraft eingebüßt habe. Der Artikel empfiehlt statt der Anleihe amerikanische Wertpapiere zu verkaufen und Gold auszuführen und schließt, jedenfalls müsse das Parlament gefragt werden, ehe das Finanzgesetz abgeschlossen werde, das ernstester Rechtfertigung bedürfe.

Gegen die amerikanische Moral.

(WTB.) Newyork, 23. Sept. ImNewyork Ame­rican" gibt ein Leitartikel der Ansicht entschieden Aus­druck, daß Amerika auf keine Weise helfen dürfe, den schrecklichen Krieg zu verlängern und sagt: Von Män­nern in hoher öffentlicher Stellung wird uns erzählt, daß es unser moralisches Recht ist, jeden nur erdenk­lichen Nutzen zu ziehen aus der Lieferung von Geld, Waffen und Munition, die dazu verwendet werden sol­len europäische Männer zu töten und Europas Wohl­stand zu vernichten. Sie sehen nicht die Unvereinbarkeit, wenn sie feierlich zum Allmächtigen beten, daß ex dem unglücklichen Europa Frieden bringe und zu gleicher Zeit Europa mit Mitteln versehen, die den Frieden nm Monate und Jahre hinausriicken. Das sei eine er­staunliche Ansicht.

Das FLiegerattentat auf Stuttgart.

Stuttgart, 24. Sept. Die Polizeidirektion gibt be­taut: Schaden an bewegl. und unbeweglichem Vermögen,