Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

Nr. 213. (Erstes Blatt.)

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Erscheinungsweise: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- öeztrk Talw für die einspaltige Borgiszeile IO Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg-, Nekiamen LS Pfg. Schluß für Jnseratannahme III Uhr vormittags. Telefon ö.

Montag, den 13. September 1918.

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Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.

Die militärische und politische Lage.

Die Kämpfe im Osten nehmen nach den natürlichen Ruhepausen auf die Verfolgung und nachdem die Russen in ihren rückwärtig vorbereiteten Stellungen frische Kräfte gesammelt haben, wieder einen heftigeren Cha­rakter an. Es scheinen sich einmal größere Kampfhand­lungen im Bereich des Dreiecks RigaDünaburg Merecz (südwestlich Wilna) vorzubereiten, worauf ein­mal der deutsche Tagesbericht hinweist und ebenso die russische Eeneralstabsmeldung, die von einer starken deutschen Offensive in jener Gegend zu berichten weih. Die zweite Linie, auf der Kampfhandlungen in größe­rem Maßstabe im Gange sind, verläuft östlich Grodno, rechtsseitig des Njemen bis zur Zelwiankamündung, entlang dieses Flußlaufes und entlang der Jasiolda. Die beiden Brennpunkte, gegen die die verbündeten Heere vorstoßen, sind Slonim und Pinsk. An den mei­sten Stellen dieser Front ist der Feind geworfen und befindet sich im Rückzuge. Der dritte strategisch in sich abgeschlossene Kampfabschnitt geht vom wglhynischen Festungsdreieck aus und äußert sich durch besonders hef­tige Kämpfe an der südostgalizischen Grenze, am Sereth zwischen Tarnopol und Trembowla. Auf dem nördlichen Flügel dieser Kampffront haben sich unsere Truppen auf der Linie DubnoOlyka dicht an die letzte wol- hynische Festung herangeschoben, haben den Goryn bei Derazno, etwa 20 Kilometer nördlich der Festung über­schritten und sind also bereit, die Festung selbst im Rücken zu bedrohen. Aus Prestigegründen machen die Russen nun anscheinend nochmals den Versuch, wenig­stens den kleinen Zipfel von Galizien, der noch in ihren Händen ist, zu halten, und dadurch gleichzeitig Bessara- bien zu schützen,damit es den Rumänen bei einem et­waigen Einmarsch in ihrem früheren Staatsgebiet nicht vielleicht einfallen könnte, trotz aller Russenfreundlich­keit das Land zu besetzen, ehe es unsere Verbündeten in Besitz nehmen. Bei Tarnopol mußten unsere Ver­bündeten infolge der scharfen russischen Angriffe bis zu» Strypa zurück, der Versuch des Feindes jedoch, noch weiter durchzubrechen, mißlang, nachdem deutsche Trup­pen zu Hilfe gekommen waren. Es dürfte wohl auch nicht mehr lange dauern, bis der russische Widerstand auch hier gebrochen ist. Der Vormarsch der Verbündeten im Bereich des wolhynischen Festungsdreiecks wird auch dazu beitragen, die russische Front am Sereth durch Flankierungsmöglichkeit zu gefährden, und überdies vertrauen selbst die eingeweihten rassischen Kreise dieser nouen russischenOffensive" nicht allzu sehr, sonst hätte man nicht schon alle Maßnahmen zur Räumung von Kiew getroffen, trotzdem es von dem Operationsgebiet bis zur Nnjeprstellung noch gut 300 Kilometer sind.

Nach der von unserem Generalstab gezeichneten militärischen Lage haben demnach unsere Feinde gar keinen Grund von einer Aenderung der Lage zu Gun­sten der Russen zu sprechen. Da man aber zur Zeit kein anderes Mittel zur Hand hat, die Neutralen und die eigenen Völker über die mißlichen Verhältnisse auf den Kriegsschauplätzen hinwegzutäuschen, so haben die Rus­sen sowohl als auch die Presse der Alliierten den russi­schen Gegenstoß bei Tarnopol zum Anlaß von Sieges­botschaften genommen, denn erstens braucht das russische Volk eine gewisse Aufrüttelung nach den harten Schlä­gen und zweitens waren die Alliierten schon drauf und dran, allen Respekt bei den Neutralen zu verlieren, die sie letzten Endes doch noch für ihr« Zwecke zu angeln hoffen.

Zn Rußland scheint es trotz aller gegenteiligen Ver­sicherungen doch nicht so fest mit derheiligen Einig­

keit" zu stehen. Es gilt jetzt als sicher, daß der Einfluß der liberalen Kreise doch gewaltig sich breit gemacht hat und man sagt, daß von dieser Seite aus die Ab­setzung des Großfürsten Nikolajewitsch durchgesetzt wor­den sei, weil er einen Schlag gegen die ihm zu selbst­ständig werdende Duma beabsichtigt haben soll. Die Duma beginnt infolge der Unterstützung durch Intelli­genz, Industrie und Handel, und vor allem auch durch die kommunalen Organisationen, die natürlich das rus­sische Beamtensystem satt haben, immer stärker zu wer­den, und in demselben Grade Hetzen natürlich die reak­tionären Kreise gegen sie, indem sie der Regierung das Gespenst der Revolution vormalen. Der Zar bangt in erster Linie um seinen Thron, und man hat den Ein­druck, als neige er zu der Anschauung, daß er vorerst sein Heil eher in Konzessionen an die Mehrheitspar­teien finden werde, als durch Gewaltstreiche, wie sie ihm andererseits empfohlen werden. Die Desorganisa­tion im Lande ist aber infolge der kopflosen Erlasse und Maßnahmen der Veamtungen, die ebenso die aus den bedrohten Gebieten herausgeschleppten Flüchtlinge als auch die Einwohnerschaft im Innern des Landes be­treffen, nicht zu reden von der Behandlung der fremd­sprachigen Völker und der Juden, so weit gediehen, daß bei der nicht mehr zu bezweifelnden völligen Nie­derlage der russischen Heere.es aller Wahrscheinlichkeit nach doch zu einem Konflikt zwischen Regierung und Volk kommen dürfte.

Die Vermutung, wonach die Italiener zu einer Offensive an der Westfront herangezogen werden sollen, verdichtet sich zur Wahrscheinlichkeit. Die italienischen Truppenverschiebungen gegen die Südwestgrenze der Schweiz und die französischen Truppenverschiebungen gegen die Nordwestgrenze bestätigen sich. Es wird über Genf gemeldet, daß es sich bei diesen Verschiebungen selbstverständlich" nicht um Angriffsobsichten auf die Schweiz handle, die Schweiz soll nur von dem ihr ver­tragsmäßig im Kriegsfall der benachbarten Staaten zustehenden Besetzungsrecht Savoyens abgehalten wer­den. Das würde natürlich dem Plan der Franzosen und Italiener, den Raum südwestlich von Belfort als Auf­marschraum zu benützen, gewisse Schwierigkeiten bezüg­lich des Truppentransports bereiten. Es fragt sich nun, ob die Schweiz, die bisher stets ihr Recht als Neutraler mit allen Mitteln verteidigt hat, sich das Recht der Be­setzung Savoyens, die für ihre Verteidigung im Süd­westen unbedingt nötig ist, wird entreißen lasten. Der Plan der französisch-italienischen Armee dürfte wohl dahin gehen, aus dem bekanntenLoch" von Belfort, zwischen Basel und Belfort vorzudringen und nach Süd­deutschland einzufallen, da hier die deutsche Grenze weniger befestigt ist. Die Tatsache, daß wir über der­artige Pläne unterrichtet sind, genügt uns, denn wir dürfen beruhigt sein, daß unsere Heeresleitung auch diesenFall" vorgesehen hat.

Die deutschen amtlichen Meldungen.

(WTB.) Großes Hauptquartier, 11. Sept. (Amt­lich.) Westlicher Kriegsschauplatz.) Am Hart­mannsweilerkopf wurden die am 9. September gestürm­ten Gräben gegen zwei französische Angriffe behauptet.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Generalfeldmarschall ».Hindenburg: In den Gefechten südöstlich vo« Friedrichstadt und östlich von Wilkonrierz find weitere 1050 Gefangene gemacht und 4 Maschinengewehre erbentet worden. Auf der Front zwischen Zefiory und Zelwa (an der Zelwiauka) leisten die Rüsten noch hartnäckigen Widerstand. Sie versuch­

ten durch Gegenstöße starker Kräfte unsere Angriff« aufzuhalten. Skidel und das nordwestlich davon gele­gene Niekrasze konnten erst nach hin und herwogendei» Kämpfen von uns in der Nacht endgültig erobert wer. den. Auch Lawna (an der Straße SkidelLunno Wola) ist erstürmt. Der Angriff gegen die feindlichen Stellungen an der Zelwiauka geht vorwärts. 2700 Ge­fangene und 2 Maschinengewehre fielen in unsere Hand. Die Eisenbahnknotenpunkte Wilejka (östlich von Wilna) und Lida wurden durch unsere Luftschiffe ausgiebig be­worfen.

Heeresgruppe des Eeneralseldmarschalls Prinz Leopold von Bayern: Auch auf der Front der Heeres­gruppe dauerte der Kampf zwischen den Straßen Wol- cowiczSlonim und CobrynMilowidy mit gleiche» Heftigkeit an. Der Uebergang über die Zelwianka ist an einzelnen Stellen erzwungen. Oesterreichisch-unga- rische Truppen nahmen das Dorf Alba (westlich von Kossow). Um den Bahnhof Kostow wird gekämpft.

Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. M a k« kensen: Die Lage ist im allgemeinen unverändert.

Südöstlicher Kriegsschauplatz. Die deut­schen Truppen der Armee des Generals Graf Bothner wiesen heftige Gegenangriffe unter starken Verlusten des Feindes ab. Sie machten über 300 Gefangene.

(WTB.) Großes Hauptquartier, 12^ Sept. (Amt­lich.) WestlicherKriegsschauplatz. Auf einem großen Teil der Front rege Artillerietätigkeit. Erfolg­reiche Sprengungen in der Champagne und in den Ar- gonnen verursachten starke Beschädigungen der franzö­sischen Gräben. Feindliche Flieger warfen gestern früh Bomben auf Ostende. Schaden ist nicht entstanden. Per­sonen sind nicht verletzt. Während der Nacht wurden die Docks von London und deren Umgebung mit sichtbarem Erfolg beworfen.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Genevalfeldmarschalls v. Hindenburg: Auf de» Front zwischen Düna und Merecz (am Njemen) haben die Kämpfe an einzelnen Stellen einen größeren Um­fang angenommen. Es sind erneut 1800 Gefangene ge­macht und fünf Maschinengewehre erbeutet worden. Zwischen Zeziory und dem Njemen dauerten die hart­näckigen Kämpfe den ganzen Tag über an. Erst heute früh gab der Feind weiteren Widerstand auf. Er wird verfolgt. An der Zelwianka sind die feindlichen Linien an mehreren Stellen durchbrochen. Der Gegner verlor 17 Offiziere und 1946 Mann an Gefangenen und 7 Ma­schinengewehre. Der russische Bericht vom 10. Septem­ber spricht von den Gefechten der russischen Garde im Norden von Aboti (42 Kilometer westlich von Düna- burg). Deutsche Truppen waren hieran nicht beteiligt. Hingegen wurde die russische Garde gestern nordwestlich von Wilna festgcstellt, angegriffen und geworfen. Ueber den in demselben russischen Bericht erwähnten Sieg von zwei russischen Soldaten über 8 Deutsche an der Zelwi- anka-MLndung ist der deutschen Heeresleitung koin Be­richt zugcgangen.

Heeresgruppe des Goneralfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern: In engem Zusammenwirken mit dem rechten Flügel der Heeresgruppe des Eeneral- feldmarschalls v. Hindenburg wurden die feindlichen Stellungen östlich von Zelwa genommen. Auch bei Kos- zele ist die Zelwianka überschritten. Beiderseits der Straße BerezaKavtuskaKossowSlonin ist der Feind geworfen. Die Heeresgruppe machte 2759 Ge­fangene und nahm 11 Maschinengewehre.

Heeresgruppe des Eeneralseldmarschalls v.. Mak- kensen: Unsere Truppen find im Angriff beiderseits der Bahn nach Pinsk. Einige Vorstellungen wurden heute nacht durch Ueberfall genommen.