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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

Nr. 178.

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Der Jahrestag im Lichte der Entente.

Wir haben gestern darauf hingewiesen. dich un­sere Feinde alles aufwenden werden, um die ihnen drohende Niederlage letzten Endes doch noch abzu­wenden, der Verlauf der gestrigen Dumatagung, die neuerlichen Neben der englischen Staatsmänner im Unterhaus und die inspirierten Aeußerungen der französischen Presse am Jahrestag des Kriegsbeginns haben unsere Anschauung bestätigt, daß die zur Zeit am Staatsruder befindlichen Führer der Entente entschlossen sind, weiter das Blut ihrer Völker zu op­fern. Der Jahrestag war von der russischen Regie­rung dazu ausersehen worden, der Welt und dem russischen Volk nochmals vor Torschluß den größten Schwindel vorzumachen, der bisher dort ausgeübt worden ist. Während die russische Hauptmacht nach den Aeußerungen der leitenden Männer selbst ge­zwungen ist, hinter die 2. russische Verteidigungs­linie, den Bug zurückzugehen, und damit ganz Polen und große Strecken Nordwestrußlands im Stich zu lassen, werden bluttriefende Reden über die völlige Vernichtung Deutschlands gehalten, die nur eine Frage der Zeit fei. Natürlich konnte sich Ssassanow auch nicht versagen, zum soundsovielten Male darauf hinzuweisen, daß Rußland und seine Verbündeten natürlich keine Verantwortung für diesen Krieg tragen, um im nächsten Augenblick schon wieder an das Kriegsziel der Russen, Konstantinopel zu erin­nern, dessen Erreichung allerdings wohl nicht zum Krieg geführt hätte, wenn die Türken so selbstlos gewesen wären, es den Russen kampflos zu über­lassen. Einen ebenso deutlichen Beweis für die feit Jahren bekundete Friedensliebe der Entente und ihrer Mitverschworenen hat Herr Ssassanow in einem Anflug von Wahrheitsliebe, was aller­dings den Herren Briganten über den Alpen nicht sonderlich wohl in den Ohren klingen wird mit dem Hinweis darauf geliefert, daß er meinte, die Familie" der Verbündeten und Freunde Rußlands habe sich noch um einen weiteren Teilnehmer ver­größert, nämlich um Italien, dessen Volk seit langer Zeit danach strebte, seine Mitbürger von fremdem Joch zu befreien. Das Ministerium Salandra habe im Laufe der ersten Kriegsmonate sorgfältig seinen Eingriff in die Aktion vorbereitet zur Verwirklich­ung seiner Ideale. Herr Ssassanow machte Uber die­sen verräterischen Schurkenstreich noch die recht resig­nierte Bemerkung, wenn das Beispiel Italiens von andern Staaten (gemeint sind natürlich die Balkan- staaien) befolgt worden wäre, so hätte das zum ra­schen Ende des Krieges geführt. Und nun sank der Minister des Aeußern desungeheuren heiligen" rus­sischen Reiches auf die Kniee vor den Neutralen, um sie um ihre Freundschaft und eventuelle Mithilfe zu bitten. Diejenigen Neutralen, welche ihre nationalen Probleme nicht auf andere Weise lösen können, möch­ten sich doch die Gelegenheit zu Nutzen machen. Recht bekümmert ist Ssassanow um das Verhalten Schwe­dens, um dessen Freundschaft es den Russen jetzt sehr zu tun ist. Geradezu Ungeheuerliches in Bezug auf Heuchelei und Verleumdung leistet sich aber der Mi­nister desjenigen Staates, in dem die Regierung nur durch organisierten Mord aufrechterhalten wird, und der durch seine bisherige Kriegsühung gezeigt hat, daß er nicht den geringsten Anspruch darauf hat, zur europäischen Zivilisation gerechnet zu werden, indem er sich herausninnnt, der deutschen Kriegfüh­rung die Greueltaten und Unmenschlichkeit zu unter­schieben, die in Wirklichkeit die russischen Räuber- und Mörderhorden vollbracht haben. Ssassanow spielt

auch auf einen Konflikt zwischen Amerika und Deutschland an, indem er meint, es sei schwer zu sagen, ob auf die strenge Antwort Wilsons in der Lusitania"-Angelegenheit noch energischere Maß­nahmen folgen werden,, denn die öffentliche Meinung Amerikas sei über die unsinnige deutsche Grausam­keit empört. Recht interessant sind die Aeußerungen die Ssassanow über die Kämpfe an den Dardanellen machte, die unter schweren Verlusten und beinahe unüberwindlichen Hindernissen stattfänden. Und dann werden wieder jene Märchen angewendet, die man immer den Türken gegenüber gebrauchte, näm­lich die Grausamkeit gegenüber der christlichen Be­völkerung. Die Armenier, (die durch russische Agen­ten nachgewiesenermaßen aufgewiegelt werden) sol­len furchtbar zu leiden haben, ebenfalls auch die griechische Bevölkerung in Kleinasien. Die Frage entstehe, ob man nicht den leidenden Glaubensbrü­dern zu Hilfe kommen wolle. Der Plan ist von der Entente nicht übel ausgeheckt. Erstens wird bei die­ser Gelegenheit die von Italien projektierte Land­ung in Kleinasien motiviert und dann will man auch zugleich einen Köder für das griechische Volk aus­werfen. Rumänien spielt anscheinend dieselbe zwei­felhafte Rolle, wie unser vergangener Bundesge­nosse, denn Ssassanow sprach von der rumänischen Regierung in einem Ton. der auf vorzügliche Orien­tierung schließen läßt. Rumänien habe der Ver­suchung (seine Bündnispflicht zu erfüllen) trotz des Druckes der deutschen und österreichischen Agenten widerstanden, und die freundschaftlichen Bezieh­ungen, deren Befestigung Gegenstand dauernder gegenseitiger Bemühungen sei, beständen ungetrübt weiter. Während man einerseits die nationalen Grundsätze hochhält, wird auf der andern Seite ruhig in die Hoheitsrechte der andern Staaten einge­griffen. So bereitet jetzt Ssassanow die Öffentlich­keit schon auf eine eventuelle Besetzung Persiens vor. Die Deutschen sollen dort Treibereien inszenieren, um Persien in Gegensatz zu den Alliierten zu bringen. Wenn die Bemühungen Englands und Rußlands, so fügte Herr Ssassanow hinzu, erfolglos bleiben sollten, so werde man zuandern Mitteln greifen" müssen. Bekanntlich gehört Mittelasien auch zu den Gebieten, die vor dem Krieg schon unter der Entente verteilt worden sind. Man weiß also, was diese Andeutungen zu besagen haben.

Einen Vorschuß auf die Zukunft erhielt das rus­sische Volk in der Erörterung der Frage eines russisch- japanischen Bündnisses; man sei auf beiden Seiten zu der Ansicht gekommen, daß eine friedliche Nach­barschaft zwischen Rußland und Japan durchaus möglich und für beide Teile vorteilhaft sei. Man er­fährt jetzt auch, wodurch diese Einigung so schnell ge­fördert worden ist, nämlich infolge des russischen und japanischen Kuhhandels in Bezug auf die gegensei­tigen Ansprüche in China und der Mongolei. Ein javanisch-chinesisches Abkommen sichert Japandie besonderen Rechte an den chinesischen Gebieten, in denen die japanischen Interessen vorwiegend liegen", und Rußland hat mit China ein endgültiges Ueber- einkommen über die äußere Mongolei geschlossen. Auf Grund dieses Abkommens wird die äußere Mon­golei in inneren Angelegenheiten als ein selbstän­diger Vasallenstaat Chinas anerkannt. Die äußere Mongolei erhält das Recht, über diese Angelegen­heiten internationale Abkommen abzuschließen. Ein­zig und allein auf dem Gebiet der auswärtigen Po­litik wird die Unabhängigkeit der Mongolei durch das Recht Rußlands und Chinas zur Intervention beschränkt.

Was das russische Volk von der Zukunft zu er- worten hat, das hat der Ministerpräsident Goremykin in dürren Worten gesagt. Es sei jetzt nicht der Augenblick für Programmreden, über die Verbesse­rung der inneren russischen Zustände in Friedens­zeiten, diese Verbesserung werde mit Hilfe der Duma verwirklicht werden. Goremykin legte aus begreif­lichen Gründen aber Wert darauf, über die polnische Frage zu sprechen, die allerdings erst in vollem Um­fange nach dem Kriege gelöst werden könne. Es ist köstlich, was die russische Regierung jetzt dem polni­schen Volk bietet, wo in nächster Zeit kein Russe mehr auf polnischem Boden etwas zu sagen haben dürste. Es sollen auf Befehl des Kaisers Gesetzentwürfe aus­gearbeitet werden, die dem ritterlichen, edlen, treuen und tapferen polnischen Volk nach dein Kriege das Recht gewähren, frei sein nationales, soziales und wirtschaftliches Leben auf der Grundlage der Auto­nomie unter dem Zepter des Zaren auszugestalten. Dem ganzen Dumaschwindel setzte der Kriegsminister Poliwanow die Krone auf, als er die bevorstehende Räumung Warschaus mit der Räumung Moskaus im Jahre 1812 verglich. Der Feind habe ungewöhn­lich große Streitkräste zusammengezogen, die Schritt für Schritt das Gebiet des Militärbezirks von War­schau umkreisen, dessen strategische Grenzlinien im­mer den schwachen (?) Punkt der westlichen Grenze gebildet hätten. Unter diesen Umständen werde man dem Feind vielleicht einen Teil dieser Gegend über­lassen müssen, und sich auf Stellungen zurückziehen, wo das russische Heer die Wiederaufnahme seiner Offensive vorbeveiten könne. Man werde vielleicht Warschau dem Feinde überlassen, wie man seinerzeit Moskau räumte, um den schließlichen Sieg zu sichern. Es fragt sich nur, ob die russische Armee aus Polen so ungeschwächt herauskommt, und was die Armee Below dazu beiträgt, den Russen den Aufenthalt hinter dem Bug auch nicht als durchaus sicher er­scheinen zu lassen.

Aber wie gesagt, sonst geht es der Entente ganz vorzüglich. Auch die französischen Zeitungen sind voll Siegesbewußtsein. Die militärische Lage bleibe für die Alliierten nach wie vor gut. Deutschland habe guten Grund, so bald wie möglich Frieden zu schlie­ßen. meint General Berthaut imPetit Journal" denn es besitze in Polen, Belgien und Frankreich wertvolle Pfänder. Aber trotzdem sei die Lage der Zentralmächte und der Türkei schlecht, da ihre Hilfs­quellen bald erschöpft sein müßten. Auf seiten der Alliierten aber fehle es weder an Mannschaften noch an Material, noch an Geld, so daß der endliche Sieg nur eine Frage der Zeit sei. Auch wir sind der Ansicht, daß die ganze Sache nur eine Frage der Zeit ist. Wenn Rußland niedergeworfen ist, kommt Frank­reich dran, und dann wollen wir sehen, ob die Alliier­ten nicht doch gesonnen sind, den Zeiger der Uhr die den Frieden anzeigen wird, etwas weiter vorzu- stellen.

O. 8.

Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.

Die deutsche amtliche Meldung.

(WTB.) Großes Hauptquartier. 2. Aug. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Im Westteile der Argonnen setzten wir uns durch einen überraschenden Bajonettangriff in den Besitz mehrerer feindlicher Gräben, nahmen dabei 4 Offi­ziere, 142 Mann gefangen und erbeuteten ein Ma­schinengewehr. Am Abend griffen die Franzosen in den Vogesen abermals die Linie SchratzmänneBar-