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Schwarzwälder Tageszeitung

Nr. 120

wegen geübteerfolgreiche Einschiffung" in Richtung auf die heimischen Häfen.

Der Schauplatz der Kämpfe und die vertrauten Ortsnamen legen Vergleiche nahe mit den Operationen des Sommers 1911 «nd dem Schliefsenplan. Und doch ist dieser geniale Fcldzugsplan -heute nichts anderes als eine historische Reminiszenz, einfach schon deshalb, weil heute der Hauptgegner England heißt, vor Lessen Tore der Kampf nun unmittelbar getragen worden ist. So wenig sich also die ersten Wochen des Weltkrieges mit den Kämpfen der hinter uns liegenden beiden Wochen vergleichen lassen, so wenig haben die heutigen Kämpfe im Somme-Abschnitt gemeinsam mit dem blutigen Ringen, das sich im Weltkrieg in dieser Gegend abspielte. Waren es damals ebenso zähe wie ver­lustreiche Materialschlachten, so spielt sich heute im gleichen Raum ein fast möchte man sagen: grandioser Bewegungs­krieg ab, der innerhalb weniger Stunden Räume meistert, die damals in tage-, ja wochenlangen Kämpfen heiß umstritten waren.

In den beiden benachbarten Provinzen, in dem französischen Artois und dem belgischen Flandern, zieht sich nun der Ring um die abgeschuittene Nordarmee allmählich enger. Die Stärke der eingeschlossenen Verbände, bei denen es sich meist »m besondere kampfstarke Divisionen handelt, läßt keinen Zweifel an der Schwere der Kämpfe, die der Nordflügel unsere Armeen hier noch zu bestehen haben wird. Aus dem nach Abbeville und Montreuil sur Mer führenden Korridor heraus sind unsere Trup­pen in nordwestlicher Richtung zum Angriff angetreten. Ihr Vormarsch bewegt sich in Richtung auf den Kanalhafen Ca­lais, dessen englisches Pendant Dover erstmalig Ziel wirksamer deutscher Bombenangriffe war. Dem Engländer wird im Falle eines plötzlichen Heimtransportes seines Expeditonskorps die gemeldete laufende Versenkung großer Transportschiffe ebenso hinderlich sein, wie die Zerstörung der Kanalhäfen. Die erst­malige Erwähnung der beiden Häfen Dover und Calais lim Wehrmachtsbericht des 14. Tages der Operationen mag im übrigen als symbolisch angesehen werden für das Tempo, mit dem sich der Krieg dem Lande seines Urhebers nähert.

Neben rer schnellen und kampfstarken Panzerwaffe hat die Luftwaffe an den beispiellosen Erfolgen unseres Heeres hervor­ragenden Anteil. Unsere Flieger sind die unbestrittenen Herren des Luftraumes. An Hand der Ergebnisse ihrer unermüdlichen Aufklärungsarbeit unterrichten sie die Führung fortlaufend über jede Absicht des Gegners. Jeder feindliche Versuch einer Be­drohung unserer Flanke wurde durch diese Aufklärungsarbeit, verbunden mit dem Kampfeinsatz gegen Marsch- und Trans­portkolonnen wie der Zerstörung von Brücken und Verkehrs­anlagen im Keime erstickt. An der Niederkämpfung der feind­lichen Luftwaffe hat wie das nachträglich bekannt gewordene Abschußergebnis von 342 Abschüssen in fünf Tagen zeigt auch «nsere Flakartillerie hervorragenden Anteil gehabt.

Die Ruhe und Entschlossenheit, mit der das deutsche Volk im festen Vertrauen auf seine Führung den Fortgang der Opera­tionen verfolgt, sieht in krassem Gegensatz zu der nervösen Ge­schäftigkeit der anderen Seite. Der Wechsel im französischen Oberbefehl ist in diesem kritischen Moment ein ebenso sichtbares Zeichen der Schwäche wie die Erteilung diktatorischer Vollmach­ten an die englische Regierung. Immer hat man mit dem Fecker gespielt, nun die Flammen aus dem Hause schlagen, klammert man seine Hoffnung an eine Umorganisation der Feuerwehr.

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Me größte Angriffsoperalion aller Zeiten

Mit diesen Worten der Ueberschrift beginnt der Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht am 21. Mai, um dann die Lage und die Ereignisse an der Westfront darzulegen, wie sie sich am Montag abspielten. Die Sensation dieses Be­richtes lag nicht nur in der Mitteilung der Zerschlagung der französischen 9. Armee zwischen Namur und Sedan und in der Gefangennahme des Oberbefehlshabers General Gi- raud, vielmehr in der Feststellung, daß nach der Eroberung von Arras, Amiens und Abbeville der Vormarsch gegen die Kanalküste eingeleitet wurde. Tags darauf meldete das Oberkommando der Wehrmacht den Durchbruch der deut­schen Truppen zur Kanalküste auf St. Pol und Montreuil sur Mer und am 23. Mai den Vormarsch auf Calais. Nun sieben unsere Truppen vor den Kanalhäfen Boulogne und Calais. Sie verlängern damit den linken Schenkel der Zange. Von dort sieht man bei gutem Wetter jenseits der nur 30 Kiloemter breiten Meeresstraße Englands festland­nächsten Hafen Dover, der am Donnerstag zum erstenmal im Feuer der deutschen Kampfgeschwader lag. Im Osten, am anderen Ende der Zange, wurde der belgisch-französische Widerstand am Scheldeabschnitt Schritt für Schrit in hartem Ringen gebrochen und die Umklammerungsaktion in Flan­dern weitergeführt. Unsere Truppen stehen westlich der Lys, in Gent wird gekämpft.

Der Wehrmachtsbericht meldet auch die Eroberung der Lorettohöhe im Artois, die im Weltkrieg schon oft genannt wurde. Sie gehört zu dem Höhenzug, der bei Bou­logne und Calais sich bis zu 180 Meter erbebt, die Loretto­höhe selbst ist 165 Meter hoch.

Der Ring um die französisch-belgischen Heere wird enger und enger. In dem großen Einkesselungsraum, der fast 150 Kilometer von Osten nach Westen und 100 Kilometer von Norden nach Süden mißt, stehen nicht nur feindliche Ar­meen, sondern auch Engländer übelster Sorte! Es mehren sich die Nachrichten, daß britische Sabotageabteilungen ein systematisches Zerstörungswerk nicht nur an den Lagern und Vorräten, sondern auch an den Fabriken und Berg­werken des großen Industriegebietes beiderseits der franzö­sischen Nordgrenze begonnen haben. Die Engländer kehren also offenbar zu der Art von Kriegführung zurück, die ihrem Charakter am besten liegt: Zum Krieg der Brand­fackel und der Dynamitpatrone gegen die Wirtschaftskraft des feindlichen oder vom Feinde bedrohten Landes, der echt englischen Ergänzung zur Hungerblockade. Die Zerstörung belgischen und französischen Eigentums durch die Briten ist fn diesem Falle doppelt verwerflich, da die Befehlsstellen in London ganz genau wissen, daß die deutsche wirtschaftlich« Kampfkraft keine zusätzlich zu erobernden Produktionsmittel inötig hat.

Unsere Flieger haben Aufgaben von ganz erhebliche« Musmaße erfüllt. Sie haben die Erdtruppen im Raum der Amkreisungsschlacht unterstützt. Sie haben bei Lille unb Gent den feindlichen Aufmarsch gestört und verhindert, st« haben seine Truppenansammlungen und seine Panzerve«^ «Lode wiederum erfolgreich angegriffen, sie haben überdies

nördlich der Linie ParisRouen in sehr weitem Bereich Eisenbahnknotenpunkte zerstört und damit'in direktem An­griff Transporten und Zusammenziehungen feindlicher Truppen schwersten Schaden zugefügt. An der KanalkustSl hat die Luftwaffe dem Feind einen besonders schwerem Schlag zugefügt. Neben erfolgreichen Bombenwürfen auf seine Seestreitkräfte ist es gelungen, sechs vollbelaoene Transporter zu versenken. Auch dieser große Erfolg be­deutet eine fühlbare Unterstützung der Entscheidungskamps« auf dem Lande. In der gleichen Weise hat sich dre unermud-' liche Unterstützung durch die Luftwaffe auch für dis rm hohen Norden bei Narvik unverzagt ausharrenden und kämpfenden deutschen Truppen ausgewirkt. So reiht sich auch in dieser Woche Erfolg an Erfolg. Mit Bewunderung und Dankbarkeit blickt das deutsche Volk auf ferne unver­gleichlichen Soldaten, die zum Siege marschieren.

Die letzten Tage von Middelburg

Von Kriegsberichter A. Zell.

Den Haag, 24. Mai. (PK.) Wir sind auf einer Erkundungs- fahrt in Zeeland. Mühsam erkämpfen sich unsere Kraftwagen, die alle das KennzeichenW M" (Wehrmacht Marine) tragen, den Weg durch das Schlachtfeld von gestern. Ein schmaler Deich, mitten im Ueberschwemmungsgebiet, ist unsere Straße. Sie ist zerrissen von eingeschlagenen Granaten und mit den Trümmern harter Kämpfe übersät. Zwischen zerstörten Fahrzeugen und Ge­räten liegen noch die Toten, meistens junge Holländer, die, wie sich später zeigen wird, einer Lüge zum Opfer gefallen sind. Vor u»s steht eine dunkle Rauchfahne am Horizont. Es ist Middel- burg, die letzte Stadt vor Vlissingen, seit Stunden in deut­scher Hand.

Ein Bürgermeister erzählt

Die ganze Stadt ist ein Trümmerhaufen. Langsam fahren wir drrrch Straßen, die von Mauerresten fast verschüttet sind. Die Bevölkerung bemüht sich, die immer wieder aufflammenden Brände zu löschen. Das Rathaus, eines der ältesten und schön­sten in Holland, ist ausgebrannt. Wenige Häuser sind unbeschä­digt. Eines davon ist die Marinestation von Zeeland, der Sitz des holländischen Admirals van der Stad. Der Bürgermeister von Middelburg empfängt uns in den Räumen, die noch die Verwirrung der letzten Stunden zeigen. Er trägt eine silberne Kette um den Hals, das Zeichen seiner Würde. Ein Korvetten­kapitän der deutschen Kriegsmarine hat die Station übernom­men. Er befragt den Bürgermeister, warum in dem Gebiet Zes- l»nd trotz der Kapitulation des holländischen Generals Winkel- man« der Widerstand fortgesetzt wurde. Der Bürgermeister Dr^ »an Walrs de Bordes antwortet, das könne er am Vesten er- !lären, wenn er die Geschichte seiner Stadt erzähle. Hören wir z«:

Line amtliche Lüge

Die Nachricht von der Kapitulation der holländischen Armee mrch General Winkelmann erfuhren wir durch Radio. Konter- idmiral van der Stad, der gleichzeitig Kommandeur von Zee­land und Stadtkommandant war, ließ sofort eine Bekannt­machung anschlagen, diese Radionachricht sei ein deutscher Schwin­del; der Widerstand in Zeeland sei fortzusetzen! Da der Ad­miral in telegraphischer Verbindung mit der Regierung stand, glaubten wir, er hätte entsprechende Informationen bekommen. Ich war bemüht, die Stadt nicht zum Kampfplatz werden zu lassen, und Lat den französischen General Durant, der mit sei­nem Stab und einer Kompanie vor der Stadt stand, Quartiere außerhalb zu nehmen. Ich richtete den Franzosen zwei Land­häuser, die sie auch bezogen. Der General gab mir den Rat, die Bevölkerung zu evakuieren. Zusammen mit dem Gouverneur und dem Admiral wurde vereinbart, die Bevölkerung zum frei­willigen Räumen der Stadt aufzufordern. Die Proklamation wurde am IS. Mai ausgegeben und hatte zur Folge, daß Frauen und Kinder die Stadt verließen. Nur die Männer blieben zurück und diejenigen Familien, die über gute Keller verfügten.

Am 16. abends kam die Nachricht, daß die Deutschen den un­weit der Stadt verlaufenden Kanal überschritten hätten. Die Nachrichten überstürzten sich. Aber an die Kapitulation wurde immer noch nicht geglaubt. Warum das so war, kann nur der Admiral van der Stad beantworten."

Die Stadt wird bombardiert

Am 17. Früh eilte ich zu dem französischen Stab", berichtete der Bürgermeister weiter,konnte aber nur einen Bataillons­kommandeur sprechen. Er versprach mir, auf jeden Fall die Stadt zu schonen. Am selben Tage 13 Uhr schlugen die ersten Granaten in die Stadt. Woher sie kamen, wußten wir noch nicht. Um 13.30 Uhr rief ich eine Gemeinderatssitzung ein. Wir richteten telephonisch ein Telegramm an die Königin mit der Bitte um Hilfe. Während wir fiebernd am Telephon warteten, schlug Granate um Granate in unsere Stadt. Endlich kam der Bescheid, die Königin sei schon in England. Ich eilte hinaus. Die Stadt brannte schon lichterloh. Ich wollte zu Admiral van der Stad. Er war plötzlich mit unbekanntem Ziel abgereist. Ein junger Oberleutnant war noch im Quartier, der behauptete, das Kom­mando zu haben. Er war nicht imstande, irgendwie zu helfen. Die Verwirrung unter unseren Offizieren war so groß, daß ich wußte, jetzt ist es aus! Wir fühlten alle, daß die Nachricht von der Kapitulation wahr war. Warüm man uns belogen hatte, dafür fanden wir keine Erklärung.

Aber für diese Fragen hatten wir auch gar keine Zeit. Unsere Stadt brannte an allen Ecken und Enden. Wir mußten löschen. In stundenlanger Arbeit versuchten alle Männer, das Feuer niederzuhalten. Es ist uns nicht gelungen. Gegen 14.00 Uhr versuchte ich den höchsten französischen Offizier telephonisch zu erreichen. Admiral La Font, der in Vlissingen stand, kam aber nicht an den Apparat. Ich eilte vzieder zu den Löschtrupps und mußte die schreckliche Ueberzeugung mitnehmen, daß meine schöne Stadt verloren war. Immer wieder flammten neue Brände aus, denen Haus um Haus zum Omer fiel.

Kapitulieren aber wie?

Um 17.00 Uhr dauerte die Beschießung noch immer an. Jetzt wußten wir, daß es sich um französische Granaten handelte. Aus der Schußrichtung konnten wir es feststellen. Um 17.30 Ahr wurde ich dringend zur Marinestation gerufen. Die holländischen Offiziere wollten die Stadt an die Deutschen übergeben. Man wußte nur nicht wie. Wenn wir eine weiße Flagge auf einem Turm hißten, bestand die Gefahr, daß die Franzosen erst recht die Beschießung fortsetzen und zerstören würden. Wieder setzte ich mich mit dem französischen Admiral La Font in Vlissingen telephonisch in Verbindung. Diesmal kam er selbst an den Appa­rat. Ich fragte ihn, ob die Franzosen das Hissen der weiße« Flagge mißverstehen oder ob sie das Feuer einstellen würde«. Äch erhielt den Bescheid, auf diese Frage habe er keine Ant­wort zu geben! Er zeigte sich sehr verbittert, daß wir an lleher-

gabe dachten. Nun richtete ich die dringende Bitte an Admiral La Font, der Stadt größere Leiden zu ersparen. Er antwortete wörtlich:Ich werde in kürzester Zeit meine Truppen auf der Insel bis auf ein Minimum reduzieren!" Damit beendete er das Gespräch.

Ich eilte zu den Löschtruppen, die ungeachtet der Gefahr sich bis zum Letzten einsetzten. Wir kämpften einen aussichtslosen Kampf. Ich hatte die große Genugtuung, daß wenigstens nicht viele Menschen der Katastrophe zum Opfer fielen, denn durch unsere rechtzeitigen Maßnahmen waren die in Sicherheit."

Ein Unteroffizier reitet eine Stadt

,Die Offiziere unserer Marinestation hatten völlig den Kopf verloren", so erzählte der Bürgermeister weiter.Eine Granate war in den Hof des Gebäudes geschlagen und hatte die Ver­wirrung noch gesteigert. Kein Mensch war da, der einen Ent­schluß fasten konnte. Wieder rief ich den französischen Admiral La Font an und fragte, wie wir mit den Deutschen Kontakt nehmen sollten. Er antwortete:Sie gehen aufs Rathaus und erwarten den feindlichen Kommandanten!" Das konnte ich aller­dings nicht tun, denn unser Rathaus stand nicht mehr. Um 18.00 Uhr hörte die Beschießung auf. Kurz darauf kamen die Deutschen. Was war geschehen? Wir hatten einen unbekannten Helden unter uns gehabt, einen Korporalielegrafisten namens Mink. Dieser Unteroffizier hatte ohne Befehl unter Einsatz sei­nes Lebens das Richtige getan. Ohne lange zu fragen, hatte er sich auf ein Motorrad gesetzt, eine weiße Flagge am Beiwagen befestigt und war durch die deutsche Feuersperre bis in die deutschen Linien gefahren. Dort hat er dem Kommandanten der deutschen Truppen die Kapitulation der Stadt angeboten Für uns blieb nur das Löschen der Brände und der Versuch, das Un­glück zu lindern zu helfen, das ohne unsere Schuld über unsere Stadt gekommen ist." '

Soweit der Bericht des Bürgermeisters von Middelburg. Er hat als Holländer zu Deutschen gesprochen und sicherlich das ganze Maß seiner Enttäuschung zum Ausdruck gebracht. Aber eines ist gewiß, dieser Mann hat aus eigenem Erleben die Ueberzeugung gewonnen, daß sein Volk der demokratischen Kriegssührung der Westmächte zum Opfer gebracht worden ist.

Betrogen und verraten

Die Folgen -er Verhetzung Was die Zivilbevölkerung und Gefangene sagen Wachsende Erbitterung über die Westmächte

PK.-Sonderbericht von K. G v. Stackelberg

NSK. Sind es vier Tage oder fünf, seitdem wir durch Belgien marschieren? Man weiß es nicht mehr. Man weih nur, daß es vorwärts gehen muß, ohne Pause. Es ist kaum mehr ein Mar­schieren, es ist ein Vorwärtsstürmen Die Marschleistungen sind noch größer als in Polen.

Sonne, warme, fast sommerliche Sonne, hellblauer Himmel Staub und wieder Staub, kleine Dörfer, saftige grüne Wiesen, auf denen Vieh weidet, frühlingsgrüne Wälder und immer wie­der Umleitungen, weil Straßensprengungen und Baumsperren dazu zwingen so vergehen die Tage. Marschieren mar­schieren!

Die Nächte bringen manchmal ein paar Stunden Schlaf in irgend einem fremden Dorf, einem Gutshaus oder auch im Wald. Wir kommen zumeist in gänzlich menschenleere Ortschaften. Die Bewohner sind geflohen. Auf den Weiden schreien die Kühe, weil sie nicht gemolken werden Auf den Höfen laufen quietschend kleine, herrenlose Ferkel herum. Wir kommen an Schlössern vor­bei, die verlassen und vergessen in Parks liegen. Die Dörfer, die- Häuser, das Vieh, dieses ganze Land wirkt nach außen hm ganz friedlich, satt und wohlhabend Leer aber, von den Menschen geräumt, ist das alles, und die Spuren deuten darauf hin, daß man Hals über Kopf geflohen ist.

Wie erschütternd wirkt dieses Bild der Verhetzung. Hier wirkt sich nun die feindliche Propagnda, die in Belgien seit Jahren gegen alles Deutsche betrieben wurde, gegen das eigene Land aus; denn alle die, die vor den deutschenBarbaren" flohen, könnten jetzt hier friedlich Weiterarbeiten, hätten nichts zu verlieren, nichts im Stich zu lassen brauchen, denn wer von den deutschen Soldaten würde ihnen etwas tun?! Statt dessen mästen sie in wilder Panik Hals über Kopf mit dem Nötigsten geflohen sein, statt besten verkommt ihr Vieh, sind ihre Häuser herrenlos.

Sie selbst, diese unglücklichen Menschen, sind das Opfer der Verhetzung geworden. Ihre Staatsführung hat ihnen nicht nur den Krieg ins Land gebracht, sondern hat sie auch unnötig von Haus und Hof vertrieben! Wenn sich jetzt nicht deutsche Soldaten erbarmten, die Kühe melkten und die Pferde fütterten, wenn sie auf kurzer Rast dazu in der Lage sind, dann verkäme da« alles.

^ben sprach ich mit der alten Frau, bei der ich für ein paar Stunden im Quartier liege. Der greifen Bäuerin rollten die Tränen die Wangen herunter. Sie ist hier geblieben, weil sie die Deutschen noch vom Großen Krieg her kennt und weiß, daß sie sich nicht vor ihnen zu fürchten braucht. Sie weint, weil man ihr alle vier Söhne weggeholt hat, so wie man alle jungen Männer einzog, um sie zu Soldaten zu machen. Jetzt ist die alte Frau allein zurückgeblieben Sie versteht nichts von Politik, sie weiß ^ «icht, warum es nun hier Krieg ist. Sie begreift von irgend welchen Zusammenhängen nichts sie weiß nur, daß ihre Söhne weg sind, sie weiß um die Nutzlosigkeit des Widerstandes, und sie weint. Wie diese alte Frau, so klagen viele, viele hier in Belgien England an und ihre eigene Führung, die sich, wie schon vorher die in Polen und Norwegen, von den Briten miß­brauchen lich.

Gestern sprachen wir mit einigen belgischen Gefangenen. Sie hatten sich gleich am ersten Tag ergeben. Sie sahen nicht ge­rade schmuck aus. Ihre Ausrüstung war im Vergleich zu der un­serer Soldaten recht mangelhaft. Die meisten der Gefangenen waren Reservisten, die bereits seit Ende August eingezogen waren und sich danach sehnten, wieder ihren Berufen nachgehen zu können.Ich will nichts anderes, als wieder friedlich arbeite» können!" sagte einer.

Wie oft hörten wir geringschätzige und erbitterte Urteile über die Engländer, wie oft tauchte der Gedanke auf, daß Belgien nicht zum Kriegsschauplatz hätte zu werden brauchen. Die Belgier fühlen jetzt, wie man sie betrogen hat, aber diese Erkenntnis ist bitter, weil sie zu spät kommt.

Unter der Diktatur der Plutokratie. Das englische Innen­ministerium gab bekannt, daß die führenden Mitglieder der Britischen Faschistischen Partei auf Befehl des Innenmini­sters verhaftet worden seien. Außer Oswald Mosley und Cavtain Ramla» wurden zehn Personen verhaftet. -