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Tchwarzwälder Tageszeitung
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wird Für die Mieter in zentralbeheizten Häusern usw., die kein Gas- oder Elektrogerät mit mehr als einer Vrennstelle haben oder die ihre Wäsche selbst waschen, bestellt der Hauswirt oder Hausverwalter die dasür vorgesehene Vrennstosfmenge. Den Bezug regelt der Mieter mit dem Händler selbst.
Während hier also die Regelung verhältnismäßig einfach ist, sind bei der ersten Gruppe, Haushaltungen mit Einzelofen- heizung, die Bestimmungen naturgemäß vielfältiger. Für die Haushaltungen mit Einzelofenheizungen, deren Zahl gegenüber den zentral beheizten Häusern usw. weitaus überwiegt, gelte« u a. solgende Richtlinien:
Die Höhe der Mengen der Kohlen, die der einzelne erhalten soll, richtet sich nach Zimmer- und Personenzahl. Eine einfache und übersichtliche Tabelle gibt darüber Auskunft. Diese Tabelle befindet sich auf der Rückseite des Formulars, m't dem der Volksgenosse sür das Kohlenwirtschaftsjahr 1940/41 den Antrag zur Aufnahme in die Kundenliste seines Kohlenhändlers stellt.
Nun haben die verschiedenen Brennstoffe aber verschieden große Heizwerte. Um hier eine Benachteiligung jener Volksgenossen, die z.B. Braunkohlenbriketts verbrennen, gegenüber den Steinkohle- und Koksverbrauchern zu verhindern, wird die jedem Volksgenossen zustehende Kohlenmenge nach Punkten bestimmt: ein Punkt gleich ein Zentner Steinkohle oder ein Zent- nrr Koks. Das Verhältnis von Steinkohle zu Braunkohlenbriketts beträgt 1:1)4, d. h. also, daß der Verbraucher für einen Punkt statt ein Zentner Steinkohle 1)4 Zentner Braunkohlenbriketts erhalten kann. Für Brennstoffe von lokaler Bedeutung swie bayer. Pechkohle, ostmärkische Trockenkohle usw.) wird die je Punkt beziehbare Menge vom zuständigen Bezirkswirtschafts- >mt festgesetzt.
Ein Beispiel: Hat ein Verbraucher 20 Punkte, so kann er da- ii- entweder 20 Zentner Steinkohle- " ^ Zentner Braun
kohlenbriketts bestellen. Will er beide Brennstoffarten haben, so nimmt er z. B. für 4 Punkte 4 Zentner Steinkohlen und für die restlichen 16 Punkte 20 Zentner Braunkohlenbriketts.
Nicht immer wird es natürlich möglich sein, daß der Händler die Brennstoffe nach Art und Sorte so erhält, wie der Verbraucher sie bestellt hat, infolgedessen steht die Anordnung vor, daß der Verbraucher art- und sortenähnliche Brennstoffe abzunehmen hat.
Oberster Grundsatz: Gerechte Zuteilung
Jeder Volksgenosse wird es aus den verschiedentlich angeführten Gründen als selbstverständliche Pflicht betrachten, mit dem ihm zugeteilten Kohlenvorrat sparsam umzugehen, zumal heute noch nicht gesagt werden kann, ob und in welchem Umfang zusätzliche Mengen nachträglich zugeteilt werden können. Der einzelne wird um so lieber seinen Brennstoffvorrat vorsorglich hüten und für die kalte Jahreszeit ausbewahren, wenn er das Gefühl hat, daß die Zuteilung gerecht erfolgt. Die neue Anordnung gibt ihm die Gewißheit: Je größer die Familie, desto mehr Kohle!
Aber auch jene, die keinen Gas- oder Elektroherd besitzen, sollen nicht benachteiligt sein; sie erhalten für Kochzwecke eine Lxtrazuteilung, ebenso wie jene, bei denen besondere Gründe einen höheren Brennstoffverbrauch bedingen, sei es Ausübung eines Gewerbes in der Wohnung, seien es Krankheitsfälle usw. Auch Haushalte, die einen Untermieter haben, «halten Zusatzkontingeut, wenn der vermietete Raum heizbar ist.
So berücksichtigt die neue Anordnung eine Reihe von Möglichkeiten, um eine gerechte Vorratszuteilung zu gewährleisten. Es sei vielleicht nur noch erwähnt, daß auch ein Ausgleich zwischen kalten und warmen Gegenden geschaffen ist, und zwar dadurch, daß die Anordnung drei Klimazonen Vorsicht, die entweder höher oder niedriger bei der Zuteilung gewertet werden. Da jeder Bezirk eines Wirtschaftsamtes in eine solche Klimazone eingereiht ist, wird eine evtl, höhere Bevorratung ftr die dem einzelnen Wirtschaftsamt zugehörigen Haushaltungen automatisch garantiert.
Durch Kreditaktion erleichtert
Wenn einerseits die Sicherste" -g des Hausbrand-Vorrates vor Eintritt des Winters gewähr.eistet, andererseits aber eine volle Abnutzung der vorhandenen Transportmittel und eine
gleichmäßige Weiterproduktion garantiert werden soll, ist es notwendig, daß die Kohlen beim Eintreffen am Bestimmungsort sofort vom Kohlenhändler und durch diesen vom Verbraucher abgenommen werden. Daher führt die neue Anordnung den Abnahmezwang durch den Verbraucher im Rahmen seiner Lagermöglichkeiten ein. Eine Kreditaktion wird jenen Verbrauchern, die aus eigener finanzieller Kraft dazu nicht in der Lage sind, die frühzeitige Einlagerung und Bezahlung der Kohle ermöglichen. Hierfür sind die entsprechenden Vorbereitungen mit den Behörden, Organisationen der Industrie und des Handwerks sowie mit der DAF. getroffen. Jeder Verbraucher hat also künftig die Möglichkeit, sich seinen Kohlenvorrat rechtzeitig zu sichern. Notwendig ist dabei, daß er ihn auch innerhalb seines Haushaltes einlagert, damit nicht die Kohlenhandelsplätze überfüllt sind.
Abwarten und nicht ungeduldig werden!
Wenn auch die Hausbrand-Bevorratungs-Aktion für den Winter 1940/41 sofort zu Beginn dieses Frühjahrs ihren Anfang nehmen wird, so ist damit nicht gesagt, daß nun alle Volksgenossen gleich in den ersten Wochen beliefert werden. Die ungeheuren Mengen, die für den Hausbrand notwendig ünd, erfordern, wie bereits erwähnt, eine gut durchdachte Transportlenkung. Es ist daher denkbar, daß Volksgenossen in einem Teile des Reiches schon im Frühjahr, in anderen Teilen des Reiches erst im Verlauf des Sommers ihren Vorrat beisammen haben. Es ist also oberste Pflicht für jeden, nicht ungeduldig zu werden und abzuwarten, bis die für sein Gebiet bestimmten Kohlenzüge eintreffe n. Hier wird nach einem exakt ausgearbeiteten Plan vorgegangen, der alle Voraussetzungen für ein volles Gelingen der Aktion in sich trägt.
Volksausgabe der Polen-Dokumente
Berlin, 4. April. Die vom Auswärtigen Amt veröffentlichten Polen-Dokumente über die Vorgeschichte dieses Krieges haben in Deutschland und in aller Welt einen sensationellen Eindruck gemacht. Eindeutig und unwiderlegbar wird an Hand dieser Dokumente aus den polnischen Archiven in dem neuen deutschen Weißbuch die Kriegsschuld der Westmächte und das Wirken der amerikanischen Botschafter in den Feindstaaten aufgedeckt. Jeder Deutsche, der heute an der Front oder in der Heimat seine Pflicht erfüllt, muß die Hintergründe des gegen uns entfesselten Krieges kennen. Deshalb bringt der Zentralverlag der NSDAP, eine Volksausgabe des neuen Weißbuches heraus, die, wie die NSK. meldet, in Kürze in allen Buchhandlungen zum Preis von 1 RM. zu beziehen sein wird. Diese Ausgabe, die in handlichem Format erscheint, wird für alle Zeiten die Schuldigen an diesem Kriege durch die geschichtlichen Tatsachen anprangern und sollte daher in die Hände eines jeden Volksgenossen gelangen. Aehnlich wie die große Ausgabe des neuen Weißbuch» s, die ebenfalls im Zentralverlag der NSDAP, herausgegeben ist, gibt es fasimi- lierte Original-Dokumente dieser und daneben die deutschen Aebersetzungen der politisch einzigartigen Briefe.
Hinrichtung zweier Dolksschadlinge
Berlin, 4. April. Am 4. April 1940 ist der 1899 in Dortmund geborene Ernst Barwig hingerichtet worden, den das Sondergericht in Köln als Volksschädling zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt hat. Barwig, ein berüchtigter Wohnungs- und Eeschäftseinbrecher, war insgesamt zehnmal, darunter dreimal mit Zuchthaus, vorbestraft Die Hälfte seines Lebens hat er in Gefängnissen und Zuchthäusern gesessen. Immer beging er kurz nach der Entlassung aus der Strafanstalt neue Verbrechen. Ein Weihnachten 1939 unter Ausnutzung der Verdunkelung unternommener Einbruch in ein Textilwarenlager in Köln führte jetzt zu seiner Verurteilung als Volksschädling zum Tode und damit zur endgültigen Ausmerzung dieses unverbesserlichen Gewohnheitsverbrechers.
Ferner ist am 4. April 1940 der 1892 in Königshütte geborene Wilhelm Janik hingerichtet worden, den das Sondergericht in Essen als Volksschädling zum Tode und dauernden Ehrverlust verurteilt hat. Janik, der in den letzten 20 Jahren 12 Jahre in Strafanstalten wegen verschiedenartiger Verbrechen zugebracht hat, hat sich durch einen raffinierten Betrug und Einbruchsdiebstahl von neuem als gemeingefährlicher, unver- bellerliiber Verbrecher erwiesen und daher sein Leben verwirkt.
Das gute Vollkornbrot
B. A. „Was willst Du denn in dieser Straße besorgen, Gertrud, das ist doch nicht Dein üblicher Besorgungsweg?" Damit begrüßt Frau Anna ihre Freundin, als sie sich morgens bei de» Einkäufen treffen. „Schau mal, ich will dahinten am Ende der Straße in einen Laden, um ein Brot zu kaufen." — „Warum denn gerade da?" — „Ja, da hängt ein Plakat aus: Hier wird das vom Hauptamt für Volksgesundheit geprüfte und empfohlene Vollkornbrot verkauft! — und Du weißt ja, daß ich immer nach einem wirklich guten Vollkornbrot aus bin." — „Ja, dar weiß ich, verstehe es aber nicht recht. Ich finde, daß Vrötche» und ein schönes Helles Brot doch entschieden besser schmecken." — .Zugegeben, Anna, ein frisches Brötchen ist schon lecker — wir essen auch Brötchen, aber vor allem richtiges dunkles Brot. Das ist viel gesünder, und auf eine gesunde Ernährung kommt es für uns alle, besonders aber für unsere Kinder, ausschlaggebend an. Es ist nämlich so, daß unter der Schale des Getreidekorns die wertvollsten Nährstoffe sitzen, Vitamine, Eiweiße Fett und Mineralbeftandteile. Die Schale und diese mit de« wertvollen Nährstoffen versehene Schicht, sowie der Keim, werden aber beim Mahlen des Kornes zu ganz feinem Mehl als Kleie abgesondert. Je weißer also das Mehl und je Heller da» Brot ist, desto weniger Nährstoffe haben sie. Das Brot, das aus voll durchgemahlenem Mehl gebacken wird, ist daher für unsere Ernährung am wertvollsten. Denke nur mal da-an. wie gut solch ein Vollkornbrot allein sür die Zähne ist!. Bei Hellem Brot haben die Zähne dagegen gar nichts zu arbeiten. Ich könnte Dir noch allerlei von den Vorzügen des Vollkornbrote» erzählen, aber nun will ich erst einmal in den Laden, um dar vielgepriesene Brot zu kaufen. Willst Du es nicht auch einmal probieren, Anna?"
Berbrauchsregelung für Schuhe uud Sohlemnalerial
Unter gleichzeitiger Aufhebung der entsprechenden bisherige» Vorschriften hat der Reichswirtschaftsminister durch Verordnung die erforderlichen Anweisungen über die Verbrauchsregelung für Schuhe und Sohlenmaterial neu zusammengestellt. Die Verordnung tritt am 9. April in Kraft. Sie bestimmt, daß Schuhe aller Art sowie Leder und Austauschstoffe für Leder zur Besohlung von Schuhen nur gegen Bezugschein an Verbraucher abgegeben und von ihnen bezogen werden dürfen. Nicht bezugscheinpflichtig ist gebrauchtes Schuhwerk mit Ausnahme von solchem, das von Gewerbetreibenden im llmherziehen verkauft wird. Als Schuhe gelten auch Ueberschuhe, als Austauschstoffe auch ganz oder zum Teil aus natürlichem oder künstlichem Kautschuk hergestellte Sohlen und Platten. Schuhmacher- und andere Werkstätten, die Schuhe ausbessern, gelten nicht als Verbraucher im Sinne dieser Verordnung. Das Besohlen von Schuhen durch Schuhmacher- oder andere Werkstätten, die Schuhe ausbessern, ist bezugscheinsrei.
Im übrigen verliert der Bezugschein zwei Monate nach Ausstellung seine Gültigkeit. Ein handelsüblicher Umtausch der auf Bezugschein bezogenen Waren gegen M ren gleicher Art ist zulässig. Die Reichsstelle sür Lederwirtschaft, die die erforderliche« Ergänzungsbestimmungen erläßt, kann mir Zustimmung des Reichswirtschafrsministers insbesondere anordnen, daß bestimmte Schuhe und bestimmtes Sohlenmaterial von der Bezugschein- Pflicht ausgenommen sind.
Kohlenarbeiterstreik in Australien. Wie aus Sydney gemeldet wird, ist in Neu-Südwciles ein Kohlenarbeiterstreik ausgebrochen. Der Eisenbahn-, Straßenbahn- und Schiffsverkehr mußte bereits eingeschränkt werden. Mehr als 20 Frachtschiffe wurden bisher ausgehalten. Auch in den Broken-Hill-Stahlwerken in Newcastle wird gestreikt. Nach plutokratischer Methode wurden am Mittwoch von insgesamt 6500 Arbeitern 4500 entlassen.
. trryr. von t^rirsly. AN der Stelle, an bei
wenige Tage vor der Uebergabe von Warschau im Sep> tember vorigen Jahres Generaloberst Freiherr von Fritsck rm Angesicht der polnischen Hauptstadt den Heldentod fand -st ein ubermannshoher schlichter Eranitstein errichtet wor- ^n. der die Worte enthält: „Hier fiel am 22. September 1939 Generaloberst Freiherr von Fritsch."
llnseres Herrgotts 6Iück§M
Roman von Kurt Riemaun
4. Fortsetzung
Nun, Heinrich P. Woltersdorf ist kein Mann, der viel nach Stil und Geschmack fragt, er ist ein Mann der Gegenwart, dessen liebster Umgang Zahlen sind. Er pflegt alles in Prozenten auszudrücken, den Benzinverbrauch seines Autos, die Sonnenscheindauer, den Aufschwung der Wirtschaft und vor allem die Steigerung seines Einkommens. Er hatte berechnet, daß er das Haus fast fünfzig Prozent unter seinem Wert erstehen konnte, also hat er zugegriffen. Gertrud Häberlein wäre es lieber Awesen, sich für diese fünfzig Prozent ein Heim nach ihrem Geschmack einzurichten, aber man hat sie nicht einmal danach gefragt. Was soll eine Frau auch tun, wenn der Mann eines Tages kommt und erklärt: „Morgen früh kommen die Packer! Ich habe ein Haus gekauft! Willst du dir's einmal ansehen? Ich habe gerade eine Stunde
So wohnt die junge Frau Woltersdorf in ihrem neuen Hause, das sie eigentlich nicht leiden mag, und freut sich tagtäglich, wenigstens die Möbel vom Vater um sich zu haben. Ach, sie hat sich das alles ganz anders gedacht! Da war eines Tages ein junger Mann gekommen, ein wahres Bild von einem Mann. Er wohnte in Holzhausen im „Grünen "aum" und bearbeitete Vater Häberlein drei Tage lang, "m für dessen Möbel eine Betriebsorganisation über das ganze Reich auszubauen. Er hat es nicht geschafft.
„Ich bin kein Möbelfabrikant, sondern ein Tischlermeister!" Damit hat ihn der Meister ablaufen lassen, und wer es hören wollte, der konnte zur Kenntnis nehmen, daß er dem Manne mit den großen Rosinen und der fixen Zunge Vicht über den Weg traute.
. Desto mehr aber vertraute ihm Gertrud Häberlein. Sie schenkte ihm ihr Herz, verlor es ganz und gar an den seinen Herrn aus der großen Stadt, und trotz Vaters Ahreden wurde sie eines Tages Frau Woltersdorf.
„Wer kann etwas gegen sein Herz? Die Liebe ist ein Ding, das sich nicht kommandieren läßt!" zuckte Wilhelm
Häberlein die Achseln. „Sie ist ja alt genug, die Gertrud, soll sie tun, was sie nicht lassen kann. Wenn es jedoch schief geht — im Haus am Markt ist immer Platz für meine Mädels."
Damit war dann das ganze Kapitel abgeschlossen. Wenigstens in Holzhausen. Aber in Frankfurt fing ein neues an.
Die Flitterwochen vergingen wie alle Flitterwochen seit Adam und Eva. Gertrud war jung und bildschön, ihr Mann wußte, wie man eine Frau glücklich macht, und erst der Alltag brachte ihnen zum Bewußtsein, daß zum Glück ein klein wenig mehr gehört als Jugend und Liebe. So machte jeder der beiden Ehegatten Entdeckungen beim andern. Kurzum, sie taten als verheiratete Leute das, was sie als Brautleute hätten tun sollen. Heinrich bemerkte beispielsweise eines Tages, daß seine kleine Frau gescheit war. Daran hatte er bisher mit keinem Gedanken gedacht. Für ihn war sie das kleine Mädchen aus dem verschlafenen Rest, das sich glücklich schätzen mußte, einen Mann wie ihn eingefangen zu haben. Sah er nicht tadellos aus? Hatte er nicht Erfolge, tatsächliche, zahlenmäßig zu belegende und erfreulich in Prozenten ausdrückbare? War er nicht ein Mann, der in die Welt paßte, dem man mit gebührender Achtung begegnete, weil er fich's leisten konnte, auch andere mal eine Mark verdienen zu lassen? Sahen ihm nicht alle kleinen Mädchen nach, wenn er seinen Wagen vor den besten Gaststätten parkte, um, wie seit Jahren, dort seinen Kaffee zu trinken oder erstklassig zu Abend zu essen?
Und nun merkte er auf einmal, daß seine Frau, die stille Pflanze aus dem Verborgenen, Dinge weiß und liebt, die er nur vom Hörensagen kennt. Sie lieft Bücher, bei denen er auf der dritten Seite einschläft. Er beschränkt seine Lektüre auf die Zeitung und guckt höchstens mal in so einen Band vom fliegenden Bahnhofshändler, damit man auf der Bahn etwas gegen die Langeweile hat. Seine Frau findet diese entsetzliche Dudelei im Radio schön, die ihn wahnsinnig macht — Sinfonie . . . Opus . . . Andante ... wenn er das schon hört! Kunst ist für ihn das Kino und die Operette. Außerdem hat er für so etwas meistens gar
E°^Aär'am allertollsten ist, daß Gertrud allen Ernstes behauptet, solch Zeug könnte manchmal wichtiger sem, als
irgendwo eine Ladung Bauholz an den Mann zu bringen! Die sollte nur eine Ahnung haben! Aber so lächerlich das ist ... er kommt dabei gegen seine Frau nicht auf. Sie ist ihm über. Nicht bloß, daß sie alle Kreuzworträtsel mit erstaunlicher Sachkenntnis löst, sie weiß bei den Wirren im Fernen Osten sogar Bescheid, wo diese verrückten Orte mit den blödsinnigen Namen liegen. Sie kann mit Geschäftsfreunden über Sinn und Wert skandinavischer Literatur reden und er, Heinrich P. Woltersdorf, sitzt wie ein Klotz mit Taille daneben und hat keine Ahnung. Ja, er hat eine kluge, viel zu kluge Frau. Er kommt nicht auf den Gedanken, sich darüber zu freuen, nein, wie hunderttausend Männer mag er es einfach nicht ausstehen, daß die Frau auch etwas weiß und kann. Mann ist Mann und die Frau hat zu gehorchen, zu bewundern und still zu sein. Fertig. Das ist sein Standpunkt. Gertrud dagegen entdeckt etwas viel Schlimmeres. Sie merkt eines Tages, daß ihr Mann — ei« ihr Fremder ist. Ein fremder, fast unbekannter Mann. Diese Erkenntnis kommt, wie viele wichtige Erkenntnisse im Leben, bei einem ganz unsinnigen äußeren Anlaß. Sie steht, wie er im Spiegel seine Krawatte zurechtrückt, sich von allen Seiten betrachtet, einen Schritt zurückgeht und dann nochmals Sitz und Form des grünen Knotens prüft, um endlich mit einem Schein wohlgefälligen Lächelns sich von seinem Spiegelgegenüber zu verabschieden.
Dies Spiel erscheint ihr über die Maßen lächerlich, bis ihr plötzlich einfällt, daß ja das äußere Erscheinungsbild ihres Mannes, seine Wirkung auf die andern hauptsächlich ein Ergebnis solcher Spiegelstücklein ist. In dem Augenblick erkennt sie, wie sich in Heinrichs Wesen eigentlich alles aus solchen eitlen Kleinigkeiten zusammensetzt. In der Tat, sein Aeußeres ist das Ergebnis sorgfältiger Kleinarbeit, denkt sie und fragt sich erschreckt: Und sein innerer Mensch?
Sie weiß sich keine Antwort. Sie spürt nur, daß sie soeben ihren Mann mit den prüfenden Augen eines kühlen, kritischen Betrachters sah.
Die große Verzauberung der ersten Monate begann seit jenem Tage zu weichen. Sie erkennt langsam den wahren Heinrich P. Woltersdorf, der wenig Eigenes besitzt, aber viele „Kommissionen" und „Agenturen" für Fremde.
(Fortsetzung folgt.)