Nr. 150. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.
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Donnerstag, de« 1. Juli 1915
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Auch ein Sieg Deutschlands.
Die Erfolge der verbündeten Zentralmächte in Galizien haben auf unsere Feinde eine eigentümliche Wirkung gehabt. Man ist im Ententelager der Anschauung, daß der Hauptsaktor dieses glänzenden Eiegeszuges die artilleristische Ueberlegenheit unserer Heere und die verschwenderische Anwendung von Munition gewesen sei. Nun ist über diese Staaten ein direktes Munitionsfieber hereingebrochen, und man klammert sich, da die neuen Verbündeten anscheinend nicht in der Lage sind, die Kriegslage ausschlaggebend zu beeinflussen, die neutralen Balkanstaaten sich auch immer weniger geneigt zeigen, ihre Haut für andere zu Markt zu tragen, an das Phantom, dag eine ungeheure Munitionsproduktion dem augenblicklich recht schlechten Stand der Dinge doch noch eine andere Wendung zu geben vermöchte. Die Munitionslieferungen aus Amerika genügen also nicht; man befürchtet wohl auch im Ententelager, daß diese Quelle in absehbarer Zeit infolge der durch Bryan nachdrücklich unterstützten Agitation der Deutschamerikaner verstopft werden könnte, und so haben die Regierungen des Dreiverbands ihre ganze Kraft daran gesetzt, eine gewaltige Munitionsproduktion zu organisieren. England hat auch auf diesem neuen Wege die Initiative ergriffen, indem die englische Regierung geradezu revolutionäre Umwälzungen in sozialistischem Sinne einzuführen plant. Es wurde ein Gesetzentwurf eingebvacht, der die Verpflichtung der Eintragung aller Männer und Frauen von 15 bis 65 Jahren in die nationalen Register vorsieht, und zwar zwecks Aufrechterhaltung der industriellen und finanziellen Stellung Englands. Die eingetragenen Arbeitskräfte sollen dann durch Gesetz dazu verpflichtet werden können, in den von der Regierung ebenfalls in Beschlag genommenen industriellen Unternehmungen in der Munitionsfabrikation auf irgend eine Weise tätig zu sein. Das bedeutet natürlich nichts mehr und nichts weniger. als die Anwendung des Hauptprinzips des sozialistischen Programms, wonach der Staat der alleinige Arbeitgeber ist. Man braucht natürlich nun nicht daran denken, daß diese zwangsweise wirtschaftliche Rekrutierung der Bevölkerung eventuell symptomatische Bedeutung für die Zukunft haben werde, auch wir in Deutschland haben auf gewissen Gebieten, durch die Lage gezwungen, Matzregeln treffen müssen, die mit sozialistischer Auffassung vollständig übereinstimmen. Wir erinnern nur an die Beschlagnahme und die dadurch ermöglichte gleichmäßige Verteilung der wichtigsten Volksnahrungsmittel. Durch den Gesetzentwurf der englischen Regierung gesteht man aber in England nicht nur ein, daß die Beschränkung der persönlichen Freiheit auch in diesem Land höchster individueller Ungebundenheit im nationalen Interesse zu gewissen Zeiten geboten ist (wir haben hier eine wirtschaftliche Mobilmachung in weitestgehender Form, die den deutschen „Militarismus" in letzter Konsequenz weit hinter sich läßt), der englische Industriestaat giebt durch derartige Matznichmen auch indirekt zu. datz sein Organismus nicht in der Lage ist, dem deutschen Konkurrenten, der ihn seit Jahrzehnten fast auf allen Gebieten im friedlichen Wettbewerb aus dem Felde geworfen hat, in diesem höchsten Kampf sowohl um nationale als in besonderem Grade auch internationale Geltung Schach zu bieten. England, der größte Industriestaat der Welt» hat versagt. Während die deutsche Industrie auf allen Gebieten mit einer ge
radezu fabelhaften Schnelligkeit sich auf der Grundlage einer meisterhaft arbeitenden Wissenschaft den Bedürfnissen des Krieges anpatzte, durch geeignete technische Umwandlung der Betriebe die neuen Ansprüche befriedigen konnte, während unsere chemische Industrie und Wissenschaft mit Erfolg bemüht war, die bisher vom Ausland bezogenen Roh- und Hilfsstoffe der Fabrikation durch gleichwertige neue zu ersetzen, deren Herstellung innerhalb unserer Beschaffungsmöglichkeiten lag, erlitt die englische Regierung mit allen ihren Kriegsansprüchen an die heimische Industrie ein vollständiges Fiasko. Wir erinnern nur an den Zusammenbruch der Anilin E. m. b. H.» die gegründet wurde zur „Erfindung" der für die Tuchfabrikation so notwendigen deutschen Anilinfarben.
Dieselbe Unfähigkeit, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen, hat sich nun eben auch bei der englischen Munitionsfabrikation gezeigt. Was die deutsche Industrie ohne irgend welches Eingreifen des Staates in kürzester Zeit zuwege gebracht hat, mit einem Minimum gelernter Arbeitskräfte und unter dem Mitzstande des Mangels vieler Rohstoffe und Halbfabrikate, das hat die englische Industrie nicht nachmachen können, die die meisten ihrer Arbeitskräfte behalten hat und die außerdem über eine unerschöpfliche Zufuhr aller Hilfsmittel vom Ausland verfügt.
Öb es jetzt unfern Feinden, und namentlich also England gelingen wird, das ihnen notwendig erscheinende Matz von Munition zu beschaffen, ist für uns eine Frage von untergeordneter Bedeutung. Wir sind der Ansicht, datz nicht die Ueberlegenheit der Munition den Sieg davon tragen wird, sondern der Geist des Menschenmaterials, den die Gegner noch besitzen. Und auch in Bezug auf diese „Munition" sind wir unfern Feinden über. Hier wie dort aber ist es der deutsche „Militarismus", der unserm Siege seinen Stempel aufgedrückt hat, und der auch wirklich das ganze deutsche Volk beherrscht, nicht wie unsere Feinde meinen, nur das Hohenzollernhaus. Allerdings ist seine Grundlage eine andere als die von den Feinden erdichtete und von vielen geglaubte: Der deutsche „Militarismus", der bisher dem Ansturm der halben Welt siegreich widerstanden hat, er ist nicht als Selbstzweck zu rücksichtsloser Machtentfaltung zu betrachten, wie das beim englischen Marinismus der Fall ist, dazu ist das deutsche Volk in seiner Gesamtheit viel zu friedlich und rechtlich gesinnt, er ist aber der Ausdruck deutschen Charakters, der Unterordnung des Einzelwillens unter den Gesamtwillen, treuester Pflichterfüllung auf jedem Platze, und der aus diesen beiden Eigenschaften resultierenden planmäßigen Organisationsfähigkeit auf allen Gebieten staatlichen und kulturellen Lebens. Und auf diesen deutschen „Militarismus" sind wir stolz, denn er ist der Ausdruck hoher sittlicher Bolkskraft, die sich sowohl in der Disziplin des Geistes wie des Körpers äußert. O. 8.
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die deutsche amtliche Meldung.
(WTB.) Großes Hauptquartier. 30. Juni. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Bei Arras fanden größere feindliche Unternehmungen auch gestern nicht statt. Hingegen machten wir in der Vertreibung des Gegners aus den Grabenstücken. die er im Laufe seiner wochenlangen Anstrengungen uns zu entreißen vermochte, weitere
Fortschritte. Ein feindlicher Vorstoß im Labyrinth nördlich Ecurie wurde abgewiesen. Durch fast ununterbrochene Angriffe aus den Maashöhen, westlich von Les Eparges versuchte der Gegner seit dem 26. Juni abends vergeblich, die von uns eroberten Stellungen wieder zu gewinnen. Auch gestern unternahm er vier heftige Vorstöße, die sämtliche unter großen Verlusten scheiterten.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Keine Ereignisse.
Südöstlicher Kriegsschauplatz. Unser Angriff an der Gnila-Lipa macht Fortschritte. Oest- lich und nordöstlich von Lemberg ist die Lage unverändert. Zwischen dem Bug und der Weichsel erreichten deutsche und österreichisch-ungarische Truppen die Gegend von Belz. Komarow. Zamocz und den Nordrand der Waldniederung des Tanewabschnittes. Auch auf dem linken Weichselufer in der Gegend Zawichost und Ozarow hat der Feind den Rückzug angetreten. Ein feindliches Flugzeug wurde hinter unserer Linie zum Landen gezwungen. Die Insassen wurden gefangen genommen.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.
(WTB.) Wien, 30. Juni. Amtlich wird mitgeteilt vom 30. Juni mittags: Russischer Kriegsschauplatz. In Ostgalizien sind an der Gnila-Lipa und am Bug abwärts Kamionka-Spru- milowa Kämpfe im Gange, die für uns erfolgreich verlaufen. Zwischen Bug und Weichsel weicht der Gegner weiter zurück. Die seinen Rückzug deckenden Nachhuten wurden gestern überall angegriffen und geworfen. Unsere Truppen haben die Tanewniede- rung durchzogen und den Höhenrand bei Frampol und Zaklikow genommen. Durch die Erfolge der verbündeten Armeen östlich der Weichsel gezwungen, räumen die Russen auch westlich des Fluss« Stellung nach Stellung. So sind sie seit heute nacht aus ihrer starken Gefechtsfront Zawichost-Ozarow-Sienno im Rückzüge gegen die Weichsel. Zawichost wurde von unseren Truppen besetzt.
JtalienischerKriegsschauplatz. Nach mehrtägiger Pause entfalten die Italiener wieder eine lebhafte Tätigkeit an der Jsonzosront. Vorgestern abend wiesen unsere Truppen einen Angriff bei Plaoa ab. Im Abschnitt Sagrado-Monfalcone erfolgten mehrere kleine vergebliche Vorstöße des Feindes, in der vergangenen Nacht ein allgemeiner Angriff. Auch dieser wurde überall zurückgeschlagen. Ebenso erfolglos für den Gegner blieben heute morgen neuerliche Angriffsversuche bei Selz und Mon- falcone. Die Geschützkämpfe dauern an der ganzen Südwestfront fort und sind namentlich am Jsonzo sehr heftig.
Südöstlicher Kriegsschauplatz. Als Antwort auf einen von den Serben durchgeführten Ueberfall bei Sabas bombardierte eines unserer Flugzeuggeschwader gestern früh die Werft Belgrad und das Truppenlager Orasac südwestlich Obreno- vac mit sehr gutem Erfolge.
Aus Galizien und vom Jsonzo.
(WTB.) Wien, 30. Juni. (Wien. Korr.-Vur.) An der Gnila-Lipa und bei Kamionka-Sprumilowa bereiteten die Nutzen der Verfolgung einigen Aufenthalt. Nordwärts machte das Vordringen der Verbündeten große Fortschritte. Die Armee Joseph Ferdinands hat bereits den Höhenrand nördlich der