Ilr- 279
LchwarzwälLcr Tageszeitung
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Lust imd machtlos zur See trotz der ungeheure« Hochseeflotte, sie Heute nicht nur aus der Nordsee vertrieben sei, sondern sogar bis i« di« Lefestigte« Schlupfwinkel verfolgt werde, die für unzugSnglich gehalten hatte, llm seine Wut abzu- fthle«, habe England beschlossen, nicht nur die deutsche Einehe, sondern auch die Ausfuhr zu unterbinden mit der genau gestimmten Absicht, die ganze Bevölkerung des Reiches aus- z«hungern. Dies sei der Krieg für die Freiheit! So sehe der Krieg der HumanitStsapostel aus? Das nenne man >>en Krieg für das „Recht"! England verweigere das Menschenrecht jenen, gie es als seine Feinde erklärte, und wolle ganze Völker zum xode durch Aushungerung verurteilen. Der britische Entschluß steLe die offensichtlichste und schamloseste Verletzung der Bestim- ,,»ge« des internationalen Rechtes dar und schädige brutal tzlr Interessen der Neutralen, die ein Recht darauf hätten, shrm Geschäften nachzugehen: aber England gestatte dies nicht das von ihm mitgerissene Frankreich folge Enaland auf diesem Wege der Gesetzwidrigkeit und der Gewalt. Mit derartigen Method-n brutalsten Seeräubertums sei Enaland zu- «eit gegangen. Der Faden des Traabaren und der Duldsamkeit sei schon zu sehr gespannt und könnte nur zu leicht reisten.
Iran protestiert in London
Teheran, 27. Nov. Die iranische Regierung erhob in England Vorstellungen wegen des englischen Beschlusses, die deutschen Exportwaren zu beschlagnahmen.
Die beiden großen Blätter Teherans „Ettslaat" und „Iran" veröffentlichen an hervorragender Stelle lange Zuschriften aus Mrtschaftskreisen, die sich über die englischen Maßnahmen gegen deutsche Ausfuhren nach neutralen Ländern außerordentlich beunruhigt zeigen. Es sei unverständlich, so heißt es, warum strikt neutrale Staaten, wie der Iran, die sich in keiner Weis« « Feindseligkeiten beteiligten, durch Kriegführende, welche aus „Acht und Gerechtigkeit" pochen, in so ungerechter Weise mit Bankerott und Zerstörung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes hcdroht werden. Der größte Teil der iranischen Kaufleute stehen mit Deutschland in Handelsbeziehungen und habe für bestellt« Euter vorausbezahlt. Wenn England nunmehr diese Waren beschlagnahme, so habe Iran o'' , den Schaden und Deutschland sogar Vorteile davon. Es sei eine bizarre Logik, für den Iran bestimmte Güter zu beschlagnahmen, um Deutschlands Deviseneingänge zu schmälern, da jedermann wisse, daß zwischen Deutschland und dem Iran keine Devisenzahlung, sondern Elearing-Verkehr bestehe. Die Beschlagnahme von den Iran gehörenden Waren deutscher Herkunft sei kein feindseliger Akt gegen Deutschland, sondern vielmehr ein Eingriff in unbestreitbare iranische Rechte.
Schwere Verluste einer chinesischen Division
Tokio, 27. Nov. Die 188. chinesische Division, die von den japanischen Truppen aus Nanning zurückgeworfen wurde, ließ 2200 Tote zurück. Unter der Beute, die von den Japanern gemacht wurde, befanden sich u. a. sieben Geschütze, sechs schwere und 48 leMe Maschinengewehre sowie 45 Lastwagen.
Schiffsfriedhof um England
Selbst Frankreich bezweifelt die Wirksamkeit -er Block«-«
Rom, 27. Nov. Der deutsche Minen- und U-Boot-Krieg macht, wie die Londoner Korrespondenten der römischen Zeitungen übereinstimmend melden, auf die englrsche Oefsentlichkeit fraglos tiefsten Eindruck. „Eiornale d'Jtalia" stellt in diesem Zusammen- Hang fest, daß die vernichtenden Folgen der Tätigkeit der U-Boot« und des deutschen Minenkricges sogar noch lebhaftere Besorgnis und Unruhe hervorgerufen hätten, als die Torpedierung de« „Belfast", und schreibt: „Die englischen Hoheitsgewässer beginne« sich in der Tat in einen regelrechten Friedhof vo« Handels- und Kriegsschiffen zu verwandeln, und « vergeht kein Tag mehr, an dem nicht in der Nähe der englische« Lüfte neue Schisse auf den Meeresgrund verschwinden."
Gleichzeitig wird dem „Eiornale d'Jtalia" aus Paris berichtet daß man in Frankreich an der Wirksamkeit des Blockadekrieges überhaupt zu zweifeln beginnt. Die Ansichten darüber werde«, wie der Korrespondent des Blattes meldet, allmählich einer Revision unterzogen. Während man zunächst die Blockade für ei«< Art Zauberstab hielt, mit dessen Hilfe man die deutsche Niederlage schnellstens und unvermeidlich zu erreichen hoffte, habe ma« jetzt in Frankreich das Gefühl, daß man sich über die Widerstandskraft Deutschlands keinen trügerischen Hoffnungen mehl hingeben dürfe und daß das Ende des Krieges nur durch eine« entscheidenden militärischen Sieg herbeigeführt werden könne.
Die Humbermiindung voll von Wracks
Berlin, 27. Nov. Wie erst jetzt bekannt wird, hat der englisch» Dampfer „Llayton" am 12. November zusammen mit den Dampfern „Bordfield" und „Dryburgh" den schottischen Hafen Leits bei Edinburgh verlassen, um nach Antwerpen zu fahren. Tin« Stunde nach Abfahrt lief die „Bordfield" auf eine Mine und sank; eine Stunde später lief auch die „Dryburgh" auf ein« Mine und wurde von zwei englischen Torpedobooten in sinkendem Zustande bei North Berwick auf Strand gesetzt. Das Schiss ist verloren.
Diese Nachricht ist eine Bestätigung dafür, daß England sich bemüht, die zahlreichen Schiffsverluste durch Minenrreffer s« lange wie möglich geheimzuhalten. Die tatsächlichen Verluste sind weit höher als bisher gemeldet. Auch über die zahlreichen Schiffsverluste in der Humber-Mündung waren von England zunächst keine Nachrichten ausgegeben worden. Erst durch die Aussag« des Kapitäns des dänischen Dampfers „Canada" sind die Einzelheiten bekannt geworden. Vor dem Seegericht in Kopenhagen berichtete der Kapitän dieses gesunkenen dänischen Dampfers, daß die Humber-Mündung voll von Wracks war. Nach schwedische« Meldungen habe« Dampferkapitäne in diesem Gebiet «icht weniger als 28 Wracks uutergegangener Schiffe gezählt.
Das Fronldorf Dpfilon
(PK.) Der Posten am' Südausgang von T... warnt uns vor den Minenfeldern. Wir lassen uns kurz die Lage der gefährlichen Sperren erklären. „Danke schön, Kamerad!" Dann sind wir an der letzten Wagensperre. Vor einer Woche erst war hier der vorderste Punkt unserer Front. Inzwischen hat sich der Franzose auf seine Maginot-Linie zurückgezogen und diese Gegend freigegeben. Wir winden uns durch die Sperre aus umgestürzten Fahrzeugen, Ackergerät und Leitern, das Ganze verdrahtet und verbunden. Darunter, kaum sichtbar, liegen die gefährlichen Teller-Minen. Wehe dem Panzerwagen, der es wagen würde, hier durchzubrechen! Unsere Pioniere haben eine schmale Gasse in das Hindernis geschnitten. Genügt schon, danke! Geradeaus etwa 2500 Meter weit, liegt Ppsilon, das Frontnest.
Wir schreiten auf schlechter Straße. War früher schon keine Paradeverbindung, dieser Weg, und heute ist er noch schlechter geworden: die endlosen Regenfäell der letzten Wochen, dann der Beschuß, der aus leichten und mittleren Kalibern oft genug diese Strecke zum Ziel hatte. Frische Trichter rechte und links vom Wege. Hart am Rain ein ausgedehntes Minenfeld. „Minen!" meldet ein Holzschildchen, das unsere Pioniere an einen Baum geschlagen haben. Wir lesen es, nur die paar herumirrenden Schweine, die letzten der zahlreichen Fettspender aus Ppsilon, hatten leider noch nicht lesen gelernt. Ergebnis? in den fetten Rübenfeldern und Gemüsegärten dicht hinter dem Warnungsschild sind sie auf Minen geraten und liegen nun zerfetzt und erledigt.
Jetzt das Dorf Ppsilon selbst. Gleich ins erste Haus hat der Franzmann einen Ratscher gesetzt. Kein großes Loch, aber viel Splitter. Die Mauern sind ordentlich verschrammt. Vor dem Haus steht ein Kinderwagen mit einer Puppe drin. Die Puppe ist vom Regen aufgeweicht und streckt uns ihre Zelluloid-Aerm- chen entgegen. Sie ist naß, aber sie lächelt. Im Garten, dicht hinterm Haus liegt ein französischer Einschlag — 15 Zentimeter
ein ordentlicher Brocken. Alle Fenster find geborsten, der Wind weht die Gardinen aus den Oeffnungen. Ueberall Glas, Scher- ben, Hausrat. Hier hausten vor wenigen Tagen nach französische Vorposten. Und wie hausten sie!
Kein Haus ohne Spuren des Besuchs von „Drüben". Hinek« in die Häuser. Hinein, von Haus zu Haus. So haben sie in unserem Land gehaust! Keine Schublade mehr unangetastet. Briefe liegen umhergestreut, Wäsche, zu Knäueln geballt, zeigt die Spuren von genagelten Soldatenschuhen. Fast alle Bilder von den Wänden geschlagen. Auf einer Spiegelfläche hat ei« Poilu seine Zeichenkünste erprobt. Aber nicht mit Kreide oder Tinte oder Stift, nein, mit Johannisbeermus. Der Topf mit Eingemachtem steht neben dem Spiegel am Boden, angebrochen, zum Teil schon mit weißem Schimmel bedsckt. In der Küche duftet es nach eingemachten Gurken. Die Franzosen haben zehn große Töpfe einfach zerschlagen, lleberall Unrat, Vernichkung, Trostlosigkeit. Nicht die Granaten haben hier die größte Vernichtung bewirkt, nein, die Menschen, die Franzosen. Soldatenbilder au den Wänden sind zertrümmret worden, Mtten ausgeschlitzt, Matratzen durchwühlt. Dort, in einem Schlafzimmer, neben de« Resten einer französischen Soldatenmahlzeit, die aus Brot und Sardinen und Rotwein bestanden hat, liegen einige Millione» Mark in Papiergeld verstreut umher — Inflationsgeld. Wie viel von diesen bunten Scheinen mögen die Poilus als Souvenir mitgenommen haben! Oder vielleicht kam ihnen der Rückzug so schnell, daß sie nicht mehr dazu kamen! diese bunten Papierche« einzupacken. Eine französische Granate hat eine Hauswand aufgerissen und ist bis in das Schlafzrmmer gedrungen, dort geplatzt. Auf den von Schutt übersäten Betten liegt ein kleiner, molliger Teddybär, der ein Handtuch als Kleidchen umgehäugt hat, letzte Spur eines friedlichen Kinderspiels.
Die Dorfkirche hat mehrere leichte Treffer bekommen. Durch die Wölbung sickert unaufhörlich der Regen, weicht die Wände auf. In der Gosse des Dorfplatzes liegen tote Ferkel, ganz grün und blau gedunsen. Halbwilde Katzen streichen vorüber. Und dann eine Inschrift, die uns stutzen macht: „Vive a Paix, L bas la guerre!" heißt es da in ungelenker Kreideschrift. Ein französischer Soldat hat seinen Unmut kundgetan, den Krieg, diesen ihm und seinen Kameraden aufgezwungenen Krieg verflucht und den Frieden hochleben lassen. Und inmitten oieser Zerstörung ringsum, inmitten dieses Kriegsbildes, das uns alten Frontsoldaten des Großen Krieges nur zu gut bekannt ist, gewinnt dieser Ausruf eines Poilus einen besonderen und starken Wert.
Und man möchte ihnen allen die Verwüstungen und Plünderungen des Dorfes Ppsilon verzeihen. Sie haben aus Wut, aus Verzweiflung gehandelt, vielleicht auch nur, weil man sie sinnlos aufgehetzt hat. Aber dieser Ruf nach Frieden, der ist echt. Unsere Schritte klingen hohl in den toten Gassen des Dorfes Pps-.lon. Der Regen rinnt hartnäckig, durchweicht unsere Mäntel und Uniformen. Unsere Stiefel sind nur noch Erdklumpen. Das halbverweste Vieh bringt einen Brodem des Todes, lieber die zerstörten Dächer von Ppsilon hinweg singen und knirschen die Granaten das Lied des Krieges.
Heldentod deutscher Fliegersoldaten. Am vergangene» Mittwoch starben drei deutsche Fliegersoldaten östlich vo» Calais unweit der belgischen Grenze den Heldentod. Sie wurden im Luftkampf mit einem zahlenmäßig weit überlegenen Gegner tödlich getroffen und stürzten mit ihr« Maschine auf belgisches Gebiet ab. Der vierte Insasse, der im Gefecht völlig unverletzt geblieben war, konnte sich im Fallschirm retten. Die Gefallenen wurden unter militärischen Ehrenerweisungen durch die belgische Wehrmacht auf» gebahrt.
Acht Arbeiter in Italien verschüttet. In der Nähe vo» Eallicano bei Lucca stürzte ein Stollen für die Wasserversorgung des großen Elektrizitätswerkes in Pian della Rocca, in dem noch gearbeitet wurde, in einer Länge von 200s Meter ein. Hierbei wurden acht Arbeiter verschüttet. Nach! stundenlangen Rettungsversuchen konnten die verunglück»' ten Arbeiter nur noch als Leichen geborgen werden.
fterende Duff Cooper hat anscheinend seinen glanzvolle Zltatenschatz völlig erschöpft und wiederholt deshalb in d« „Herald Tribüne" zur Erbauung der Amerikaner noch eir M-I-^ a"ussante Behauptung, es habe in der ganzen Weh geschichte me ernen „gerechteren und faireren" Vertra gegeben als den Vertrag von Versailles
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14. Fortsetzung
In die Stille fiel das Klingen der Schloßturmuhr, leise, spielend, dreimal. Es ging stark in den Nachmittag hinein.
„Es wird Zeit!" Gustav von Plessow erhob sich. „Ich muß noch ein paar Worte mit dem Inspektor reden." Er stand schon aus der Schwelle. „Sie können auf dem Waldweg Vorangehen. Ich komme nach."
Lite gehorchte. Sie stand unter dem Bann einer ihr dis txchin völlig unbekannten Macht.
Eine kurze sachliche Uebernahme erfolgte aus Heidkuhnen in der Zeit, wo sie langsam dahinschritt, so kurz, wie Mm st« hier noch nie erlebt. Fast einen militärischen Schwur nahm der Rittmeister seinen Leuten ab. Man mußte, er kannte kein Pathos, war stets schlicht. Aber viele «hüten, daß er darunter gelitten, daß er nur der zweite Sohn war. So erwartete man ein paar bewegte Worte, öi« noch unter dem Zeichen des gefallenen Bruders stauen. Etwas enttäuscht ging man nach den wenigen knappen Sätzen wieder an die Arbeit. Es wurde still. Nur me Fahne mit dem Trauerflor knatterte leise im Sommer- vind.
Gustav von Plessow warf sich auf seinen Rappen. Wolf holte in wenigen Minuten den Weg ans, den Lite mit langsamen Schritten gegangen. Keiner von den beiden sprach ein Wort ans dem weiten Weg nach Markehnen. mer als der Rittmeister kurz vor dem Schloß Lite die Hand gab, stieg eine seine Röte in des Mädchens Gesicht. Waldi war unzufrieden mit seiner Herrin . Die hatte nur "ngen für den abreitenden Rittmeister. Und als sie sich «Mich zu ihm hinabneigte, wühlte sie das Gesicht in sein mdiges Fell. Eine Träne fühlte der Dackel, genau wie am «kargen. Und dabei war niemand gefallen. Es war eine mltsanie Welt.
» *
Am Spätnachmittag erhielt die Handvoll Leute des Rittmeisters von Plessow Verstärkung durch die Gruppe des Leutnants Hellmut von Dacherode. Lite hatte kaum ihren Augen getraut. Wenn nicht die grauen Uniformen gewesen wären, man hätte denken können, es sei Frieden. Drunten in den Küchenräumen wich die Angst sogar von den ängstlichen Seelen. Der junge Herr hatte nichts von seiner frohen Art verloren, selbst wenn er jetzt meist ein ernsteres Gesicht zeigte als früher. Auf jeden Fall lohnte sich jetzt wieder das Kochen. Mirko brauchte die Schüsseln nicht mehr fast voll abzutragen, wie vor Tagen, als Lite allein essen mußte.
Im Arbeitszimmer des alten Grafen gaben jetzt die feldgrauen Uniformen den Ausschlag. Kaum war man ab- gesessen, schickte der Rittmeister den größten Teil seiner Leute, die fast alle aus der Gegend stammten, zu weiterer Erkundung fort. Sie waren eine weit vorgestoßene, mit Vollmachten ausgestattete Spähtrupps, die in den nächsten Tagen die Gegend von Schloß Markehnen als den günstigsten Punkt beobachten sollte. Man wollte nicht von ausschwärmenden Kosaken unangenehm überrascht werden. Die zur Verfügung stützenden Regimenter waren äußerst gering. Man brauchte alle Kräfte, um im Westen zu einem schnellen Entscheid zu kommen. Er war eine durch die Umstände bedingte harte Strategie.
Vor der Türe des Arbeitszimmers stand Tag und Nacht ein Posten. Gerade hier an der Grenze lag die Spionage- gesahr außerordentlich nahe. Es gab Versippte mit denen jenseits der Grenze. Rittmeister von Plessow wollte sich gegen alles versichern. Die für die Vorgesetzte Stelle notwendigen Zeichnungen lagen stets sorgsam verwahrt. Den größten Teil trug er im Kopf, da er die Gegend bis zum letzten Schlupf kannte. Man hatte bis jetzt — zwei ganze Tage nach der Ankunft — nichts Verdächtiges seststellen können.
„Langsam, langsam sind sie!" Hellmut spöttelte. Er dachte an Woffil Petrowitschs Schwerfälligkeit in seiner Liebe zu Lite, die der Bruder durchschaut hatte. Wenn die Russen genau so langsam vorrückten, würden sie nur den längst Unterzeichneten Frieden hier an der Grenze vorfinden. Der Rittmeister war nicht ganz so siegesgewiß. Aber er fand es immerhin nicht bedenklich, wenn Lite allein,
nur von Waldi begleitet, in den Wäldern um'herstreiste. Das Mädchen wußte: Der Vater hätte es nicht erlaubt. Doch die glücklich gegebene Freiheit war zu schön, als daß sie darauf verzichtet hätte.
Prächtig, voll von schwerem Ruch und Träumen war der Wald jetzt im August. Ties drinnen duftete es wegen des dichten Unterholzes immer ein wenig 'feucht und seltsam modrig. In unübersehbarer Menge gab es hier Pilze. Das Mädchen hatte sich einen Korb mitgenommen. Der Bruder aß gerne einmal am Abend ein Pilzgericht. Das Gebüsch knackte. Lite schob sich immer weiter vor.
Neben ihr schnüffelte Waldis feuchte Nase, wühlte im weichen Boden. Bis er auf einmal wie besessen eine Fährte zu verfolgen schien. Man war ungefähr in der Höhe der Hütte vom alten Heinrich Barnow. Ob der Förster die Sumpfgegend durchstreifte? Lite versuchte Wald: zu beruhigen, der keinen Gefallen mehr am Pilzsuchen fand. Winselnd und jaulend spürte er weiter, blieb endlich vor dem Gestrüpp stehen, das bis dicht an das Moor heranreichte. Dem Mädchen wurde es ein wenig unheimlich. So aufgeregt benahm Waldi sich nur, wenn er einen Bekannten ausgestöbert hatte. Und hier mitten im Wald, wo es gegen die gefährlichen Sümpfe zuging? - Sie schaute sich nach Barnows Hütte um. Man konnte sie von dieser Stelle nicht erkennen.
Da sprang Waldi mit einem wilden Satz an ihrem Rock empor, zerrte sie noch ein kleines Stück weiter. Lite hätte vor Schrecken fast aufgeschrien. Durch das Gebüsch schimmerte glänzend blondes Haar. Einen Schritt tat sie vor, bog die Zweige auseinander. Das Herz stand ihr beinahe still.
„Ruhig, Ielisaweta!" Woffil Petrowitsch drückte der Erschrockenen seine kühlen Hände aus den Mund.
Waldi beruhigte sich. Seine Nase hatte ihn also nicht getäuscht. Er kannte den Russen noch recht gut.
„Woffil Petrowitsch!" Lite fand ihre Stimme wieder. „Wossil Petrowitsch, was tun Sie hier?" Es klang so richterlich, daß der Mann trotz des Ernstes der Stunde lächeln maßte. „Ich gche spazieren!" Er versuchte einen Scherz.
(Fortsetzung folgt.)