Nr. 133

AmtK- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

^sjüitnunglweis«: -mal wlchrntllch. Lnzetzenpret»: Im Obnamt«- Vovk» lalw für dt, enispaltta, Sorgt»,«tl« 10 Pfg., -ußrrhalb deif.Iben ILPsg., s)Ämn,n SS Pf». Gchlutz für Jnseratannahme 10 Uhr vormittag». Leiefon S.

Freitag, de« 11. Juni 1915.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Po bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortüverkehr Mk. 1.20. im Fernverkc Mk. I.M. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42

MWe VerMmM Meder eia englischer Kreuzer vernichtet

Die militärische und politische Lage.

Die Russen haben ihre letzten Reserven her­angezogen, und sowohl im Norden als im Süden nochmals eine Gewaltanstrengung gemacht, die aber sicherlich nicht mehr irgend etwas an der endgültigen Erschlaffung der russischen Hauptstreitkräfte wird ändern können. Man kann es begreifen, daß die Russen schon aus politischen Gründen Lemberg hal­ten möchten, sie haben deshalb südlich und südöstlich von Lemberg, in der Gegend Rohatyn, nochmals ge­waltige Truppenmassen angesetzt, die wohl ebenso den Vormarsch der Verbündeten von Westen als von Süden aufhalten und vielleicht auch zur Flanken­bedrohung der zwischen Pruth und Dnjestr operie­renden verbündeten Truppen gelten sollen. Wir glauben heute nicht mehr an eine anhaltende Wider­standskraft der neuen Truppen; der frische Zuzug hat augenblicklich eine Stockung des Vormarsches der Verbündeten auf Lemberg zur Folge gehabt, er hat aber nicht vermocht, die im Fluß befindlichen An- griffsbewegungon unserer Truppen im Gebiet Pruth Dnjestr irgendwie zu beeinflussen. Zudem haben die Oesterreicher nun den Pruth von der Bukowina aus überschritten, sodaß auch hier der Feind zwischen zwei Feuer kommt, eine Taktik, die seit dem Durch­bruch am Dunajec fortwährend mit bestem Erfolg in den gesamten galizischen Kämpfen angewendet worden ist.

Auch in Kurland konnten die Russen infolge der Heranziehung von Verstärkungen sowohl an der Dubissa als auch bei Szwale das Vorwärtsschreiten der deutschen Offensive vorübergehend zum Stillstand bringen. Daß man aber selbst in russischen Militär­kreisen diesen Verzweiflungsmaßnahmen keinerlei erfolgversprechende Bedeutung mehr beimitzt, ersieht man sowohl aus offiziösen Auslassungen wie auch aus den kleinmütigen Erörterungen der Presse. Die russische Armee braucht eine grundlegende Re­organisation, deshalb muß ganz Galizien geräumt werden," sagt der russische Generalstab,jetzt soll die italienische Armee den Puls des Krieges bilden", sagt die russische Presse und verlangt eine Zeit lang Ruhe für die'russischen Truppen. Nach den letzten Tagesberichten ist aber derPuls" des italienischen Heeres nicht in dem Maße aufgeregt, wie ihn der Fieberzustand der italienischen Kriegstreiber harm­lose Seelen vermuten ließ. Unsere Verbündeten verstanden es sehr gut, die richtigenEisbeutel" aufzulegen, sodaß die von der Entente erhoffte ita­lienische Fieberhitze sich schon jetzt gehörig verflüch­tigt haben dürfte. Auch in Frankreich wird dem Volk so nach und nach, allerdings vorerst nur in Kaffeelöffeln die bittere Medizin der Wahrheit vor­gesetzt. Heros, der bekehrte Antimilitarist, hat es gewagt, sich darüber zu beklagen, daß man das fran­zösische Volk völlig in Unkenntnis der tatsächlichen militärischen Lage lasse. Während man immer von Siegen zu melden wisse, habe sich die Katastrophe der russischen Hauptmacht vollzogen und die seit De­zember andauernde Offensive der Franzosen und Engländer habe Erfolge erzielt, die überhaupt nicht im Verhältnis zu den ungeheuren Aufwendungen an Opfern stehen. Der französische Generalstab möge doch eingestehen, daß er nicht mehr in der Lage sei, eine Offensive zu ergreifen, und die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis ziehen. Seinen Freimut hat Herr Gustave allerdings mit der Beschlagnahme seines Organs bezahlen müssen, was wir auch sehr verständlich finden, denn Generalissimus Joffre hat solange zusiegen", wie Delcasss es für nützlich hält,

und für diesen Herrn würde eben ein Eingeständnis oben bezeichneter Art unverzüglich eine Vergnüg­ungsreise nach andern Himmelsstrichen nach sich ziehen, worauf Herr Delcasss vorerst noch nicht vor­bereitet zu sein scheint. Auch in England ist die Kriegsbegeisterung nach den Aeußerungen von Herrn Asquith nicht auf dem Niveau, wie man sie gern haben möchte. Abgesehen von innerpolitischen Strei­tigkeiten. die bei dem englischen Volk, das genau weiß, was auf dem Spiele steht, wenig zu bedeuten haben, haben sich in der letzten Zeit bei unfern lie­benswürdigen Vettern die schon auf unfern Tod warteten, um uns beerben zu können. Dinge ab­gespielt, die einen sehr unzweideutigen Fingerzeig geben, daß das englische Geschäft von vielen Bürgern als lang nicht so aussichtsreich gehalten wird, als Grey und Churchill es im Voranschlag eingeschätzt hatten. Nicht nur daß die Engländer am Kanal ver­geblich große Opfer bringen, daß unsere II-Boote in keiner Werse das englische Völkerrecht beherrschen, und daß man für das Dardanellenabenteuer, für das die Engländer doch gar keinerlei Interesse haben, soundsoviel Truppen und wertvolle Schiffe geopfert hat, jetzt müssen auch noch die Russen versagen, und damit die Chancen verringern, daß eventuell auch noch Rumänien und Bulgarien für die Gerechtigkeit der englischen Sache hätten gewonnen werden kön­nen. Herr Asquith hatte in der letzten Unterhaus­sitzung einen sehr schweren Stand und wir können mit ihm empfinden, wenn er sehr indigniert war über die Aeußerung eines Parlamentsmitglieds, das dem Ministertisch zurief:Ich sage Ihnen, wir wer­den den Krieg nicht gewinnen." Wir wollen diesem Engländer seine Ueberzeugung nicht nehmen, denn sie stimmt diesmal völlig mit der unsrigen überein. Es wird noch einen schweren Kampf kosten, aber wenn nicht neue Komplikationen entstehen, die mit jedem weiteren Erfolg gegen die Russen weniger zu befürchten sind, so können wir heute schon sagen, Italien allein wird das militärische Uebergewicht der Zentralmächte heute nicht mehr zu parälysiren

vermögen. O. 8.

*

Die deutsche amtliche Meldung.

(WTV.) Großes Hauptquartier, 10. Juni. (Amt­lich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Die Kämpfe bei Souchez und Nieuville dauern an. Nord­westlich von Souchez wurden alle Angriffsversuche der Franzosen im Keime erstickt. Westlich von Son- chez in der Gegend der Zuckerfabrik erlangten die Franzosen kleine Vorteile. Feindliche Angriffe gegen unsere Stellungen nördlich von Nieuville brachen zu­sammen. Im Gegenangriff südlich von Nieuville behielten wir die Oberhand. Ein feindlicher Vorstoß südöstlich von Hebuterne scheiterte. Im Verlauf der letzten Kämpfe wurden dort etwa 200 Franzosen von uns gefangen. In der Champagne setzten wir uns nach erfolgreichen Sprengungen in Gegend Souain und nördlich von Hurlus in Besitz mehrerer feind­licher Gräben. Gleichzeitig wurden nördlich von Le Mesnil die französischen Stellungen in Breite von etwa 200 Metern erstürmt und gegen nächtliche Ge­genangriffe behauptet. Ein Maschinengewehr und 4 Minenwerser sielen dabei in unsere Hand. Im Westteile des Priesterwaldes blieb ein Grabenstück unserer vordersten Stellung im Besitz des Gegners.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Südwest­lich Szawle setzten die Russen gestern unserm Vor­gehen lebhaften Widerstand entgegen. Es wurden nur kleinere Fortschritte gemacht. Die Beute der

beiden letzten Tage betrug hier 2250 Gefangene und 2 Maschinengewehre. Gegen unsere Umfassungsbe­wegung östlich der Dubissa setzte der Gegner aus nord­östlicher Richtung Verstärkungen ein. Vor dieser Be­drohung wurde unser Flügel vom Feind unbelästigt in die Linie VetqpolaZoginie zurückgenommen. Südlich des Njemen nahmen wir bei den Kämpfen und der Verfolgung seit dem 6. Juni 3020 Russen ge­fangen. Ferner erbeuteten wir 2 Fahnen. 12 Ma­schinengewehre und viele Feldküchen und Fahrzeuge.

Südöstlicher Kriegsschauplatz. Oest- Przemysl ist die Lage unverändert. Aus der Gegend von MikolajowRohatyn (südlich und südöstlich von Lemberg) sind neue russische Kräfte nach Süden vor­gegangen. Ihr Angriff wurde von Teilen der Armee des Generals von Linsingen in Linie Litynia (nord­östlich Drohobycz)Dnjestrabschnitt bei Zurawno abgewehrt. Oestlich von Stanislau bei Halicz sind die Berfolgungskämpfe noch im Gange.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.

(WTV.) Wien, 10. Juni. Amtliche Mitteilung vom 10. Juni mittags: Russischer Kriegs­schauplatz. Die Kämpfe am oberen Dnjestr und Pruth dauern fort. Die Armee Pflanzer-Baltin ge­winnt weiter Raum nach Norden. Ihre Angriffs­kolonnen sind unter fortdauernden Kämpfen bis Obertyn und bis auf die Höhen südlich Horodenka vorgedrungen. Dem erfolgreichen Vorgehen der auf galizischem Boden kämpfenden Teile der Armee hat sich nun auch eine Gruppe in der Bukowina ange­schlossen. die gestern den Pruth überschritt und starke russische Kräfte südwestlich Kotzmann zurückwarf. Die sonstige Lage im Norden ist unverändert.

Italienischer Kriegsschauplatz. An der Jsonzofront wurden neuerliche Uebergangsoer- suche des Feindes bei Plava, Gradisca und Sagrado abgewiesen. In der Gegend von Flitsch und am Kar- nischen Kamm östlich des Plöckenpasfes wird weiter gekämpft. Auch die Artilleriegefechte im Raume der Tiroler Ostgrenze dauern fort. Ein feindlicher An­griff im Tonalegebiet scheiterte am Widerstand un­serer tapferen Sicherungstruppen.

Balkan-Kriegsschauplatz. Eines un­serer Fliegergeschwader belegte gestern früh das Ar­senal und die pyrotechnische Anstalt von Kragujevacs erfolgreich mit Bomben. Zwei Brände wurden kon­statiert. Unsere Flieger sind wohlbehalten zuriickge- kehrt. Der Stellvertreter des Chefs des General­stabs: von Höfer, Feldmarfchalleutnant.

Eine empfindliche italienische Schlappe am Isonzo.

Köln, 10. Juni. Unter der Ueberschrift:Eine empfindliche Schlappe der Italiener" meldet, nach einer Depesche an dieD. T." dieKöln. Zeitung" aus dem k. k. Kriegspressequartier: Italienische Truppen in Stärke von mehr als einer Division sind an der Jsonzofront gestern und und heute nach dem Vorgehen auf unsere Stellungen bei Goerz, Era- diska und Monsalcone schwer geschlagen worden. Damit ist der erste große Kampf im Kriege gegen Italien zu unfern Gunsten entschieden. Der Angriff der italienischen Infanterie mar durch Artillerie­feuer aus allen den Italienern zur Verfügung steh­enden Kalibern eingeleitet worden, aber durch un­sere flankierende Artillerie wurden die vorgehenden Truppen nicht nur aufgehalten, sondern es wurde auch eine Batterie der Italiener zerstört. Die ita­lienischen Verluste betragen mehr als 4000 Mann.