Nr. 111.

Amts- und Anzeiqeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

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Samstag, den 15. Mai 1815.

Bezugspreis: An der Stadt mit LrLgerlohn Mk. 1.25 vierleljührltch, Pi

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Me verNudeten Armee» marslhiere» aus Przemysl. VomW i» Södpolen.

Die Lage aus den Kriegsschauplätzen. ^

Die deutsche amtliche Meldung. !

(WTB.) Großes Hauptquartier, 11. Mai. (Amt- ^ lich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Starke englische An­griffe gegen unsere vor Ppern neu gewonnene Front scheiterten unter schweren Berlusten für den Feind. An der Straße MeniePpern gewannen wir in der Rich­tung Hooge weiter Gelände. Zn der Gegend südlich Lille griff der Feind nach starker Artillerievorbereitung nur an einzelnen Stellen an. Alle Angriffe wurden abgewiesen. An der Lorettohöhe und nördlich Arras verlief der Tag verhältnismäßig ruhig. Größere An­griffe des Feindes fanden nicht statt. Unsere Berluste bei der Wegnahme von Earencq durch den Feind be­tragen Kvv7VK Mann. Ein weiterer Angriffsoersuch des Feindes, uns das nordwestlich Berry au Bac genom­mene Grabenstück wieder zu entreißen, scheiterte aber­mals. Zwischen Maas und Mosel brach ein feindlicher Vorstoß im Priesterwald vor «nsern Stellungen in un­serem Feuer zusammen. Die Insassen eines bei Hagenau zum Landen gezwungenen französischen Doppeldeckers wurden gefangen genommen.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Bei Szawle sind die Kämpfe auch gestern noch nicht abgeschlossen worden. Nördlich des Njemen, an der unteren Dublissa, machten wir bei einem nächtlichen Vorstoß 80 Gefangene. West­lich Prasnic gelangten Teile des ersten turkestanischen Armeekorps nach viermaligem vergeblichen Ansturm bis in unsere vordersten Gräben. Am abend war der Feind aber wieder hinausgeworfen. Er hat schwere Verluste erlitten. 120 Gefangene blieben in unserer Hand.

Südöstlicher Kriegsschauplatz. Die Vortruppen der Armeen des Generalobersten v. Mackensen stehen vor Przemysl und am linken Ufer der unteren San. Rechts und links anschließend setzen die verbündeten Truppen die Verfolgung in der Richtung DolimaDobromil einerseits und über Polsnica (an der Weichsel)Kielce andererseits fort. Auch von Kielce bis zur Piliza bei Juowlodz haben die Russen ihre Stellungen nicht zu halten vermocht und sind im schleunigsten Abzug nach Osten. Oberste Heeresleitung.

Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.

(WTB.) Wien. 14. Mai. Amtliche Mitteilung voni 14. Mai mittags :Der Rückzug des Feindes in Russisch- Polen dauert fort. Er greift auch auf die Abschnitte der bisherigen Pilicafront über. Bon östlich Petrikau bis zur oberen Weichsel verfolgen die verbündeten Ar­meen Woyrsch und Dankt den zurückgehenden Gegner. Zhre Truppen haben im Bergland nordöstlich Kielce Fuß gefaßt. Vor der Armee Erzherzog Josef Ferdinand ziehen sich die Russen in Mittelgalizien über den San zurück und weichen aus dem Raume Dobromil-Stary Sambor vor den Teten der Armeen Boroevic und Boehm-Ermolli in nordöstlicher Richtung. Unsere Trup­pen haben die Höhen südwestlich Dobromil und Stary Sambor unter Rachhutkämpfen erreicht. Dem allgemei­nen Vorgehen haben sich nun auch die verbündeten Truppen der Armee Linsingen angeschlosse«, die über Turka und Skole Vordringen.

Die Schlacht in Südostgalizien dauert noch an. Starke russische Kräfte sind bis über Obertyn bis nörd­lich Sniatyn und bis Mahala vorgedriurgen.

Deutschlands Stern im/Steigen".

(WTB.) London, 15. Mai. DieDaily Mail" schreibt: Einige Wenige von uns beginnen einzusehen, daß unsere gegenwärtige ungeheure Aufgabe nicht ist, die Deutschen zurückzudrängen, sondern uns zu behaup­ten, wo wir sind. Augenblicklich ist Deutschlands Stern im Steigen. Das Blatt sagt weiter: Tatsächlich sind die Berichte des deutschen Hauptquartiers in der Regel wahrheisgemäß, außerdem werden sie mit großer Pünkt­lichkeit ausgegeben. Die deutschen Angriffe beginnen gewöhnlich bei Tagesanbruch und abends werden die Berichte durch die Welt telegraphiert.

Bon den Dardanellen.

(WTB.) Konstantinopel, 13. Mai. (Verspätet ein­getroffen.) Das Große Hauptquartier giebt bekannt: An der Dardanellenfront hat sich zu Lande nichts Wich­tiges ereignet. Am Vormittag griff ein Teil unserer Flotte ein englisches Panzerschiff am, das sich in der Nähe des Hafens vom Morto bei dem Eingang der Darda­nellen befand. Das Panzerschiff wurde an drei Stellen getroffen, an der Brücke des Kommandanten, in der Mitte und achtern und sank sofort. Auf den übrigen Kriegsschauplätzen hat sich nichts Wichtiges ereignet.

Italien.

" Die Interventionisten und die Dreiverbandsagen­ten haben in den letzten Stunden noch einmal alles da­ran gesetzt, um bei den maßgebenden Staatsmännern Italiens den Eindruck zu bestärken, daß das italienische Volk den' Krieg um jeden Preis will, lieberall wurden die wüstesten Demonstrationen veranstaltet. Angesichts solcher Vorgänge muhte man sich fragen, ist es denn für das italienische Volk nur eine Gefühlsfrage, wenn Hun- derttwusende seiner Zugend aufs Spiel gesetzt werden, in deni Augenblick, in dem Oesterreich in edelmütigster Weise Anerbietungen an Italien stellt, die wirklich nicht weitgehender sein können? Es scheint aber heute doch, als hätten die nüchternen Erwägungen nach und nach die Oberhand bekommen. Die parlamentarische Mehr­heit, die hinter Giolitti steht, und die für eine Verstän­digung mit Oesterreich-Ungarn auf der von dorther vor­geschlagenen Basis zu haben ist, wird wohl auch auf die Entschlüße des Königs einwirken. Daß man jetzt im an­dern Lager die letzten Mittel hervorholt, die anscheinend nicht einmal den Bürgerkrieg scheuen, das beweisen die geradezu schimpflichen Znsultierungen, denen die An­hänger der Neutralität ausgesetzt sind. Wir aber hoffen noch in letzter Stunde, daß die Mehrheit des italieni­schen Volkes sich nicht von einer Clique von Kriegs­hetzern, die sich bei Gelegenheit der Verantwortung ent­ziehen würden, zu Handlungen hinreißen läßt, die nie­mals zum Guten ausgehen können, und die die Zukunft Italiens in schwersten Konflikten erscheinen ließen.

Die Aufnahme der italienischen Kabinetts- Krisis in Paris.

Berlin, 14. Mai. Aus Genf wird demLokalanz." gemeldet: Ein durch die italienische Kabinettskrisis ver- anlaßter französischer Ministerrat nahm einen so be­wegten Verlauf, daß abends die Redaktionen der Pariser Blätter sehr zahlreiche Anfragen erhielten, ob eine Um­gestaltung des Kabinetts Vioiani bevorstehe. Soweit sind indes die Dinge noch nicht gediehen. Richtig ist, daß Kriegsminister Millerand auf die Nötigung zu um­fassenden Maßnahmen auch an gewisse vom Krieg unbe­rührte Teile Frankreichs hinwies und daß Delcassö fünf­mal das Wort nehmen mußte, um seine von den itali­enischen Vorgängen völlig überraschten Kollegen zu be- schwichtiegn. Delcasse verließ völlig erschöpft vor feinen Kollegen den Beratungssaal und eilte an den Journa­listen vorüber, denen später der Rat erteilt wurde, den gegen Giolitti angeschlagenen scharfen Ton zu ändern.

Ruhigere Beurteilung der Lage.

Berlin, 14. Mai. In Depeschen aus Lugano und Zürich teilt dieKöln. Zeitung" über die Haltung Ita­liens mit, Sonnino habe am 7. Mai im Ministerrat die Entscheidung über den endgültigen Abbruch der Verhand­lungen mit Oesterreich und den förmlichen Abschluß mit dem Dreiverband gefordert, sei aber nach einer Mittei­lung desAvanti" in der Minderheit geblieben. Die Folge davon war der Beschluß, das Parlament zu ver­tagen und Giolitti nach Rom zu berufen. Das Blatt meint, die Diktatur der kriegslustigen Minderheit räume das Feld vor dem Recht und den Befugnissen der Mehr­heit des Parlaments. Die letzten italienischen Mel­dungen befestigen die Meinung, die Neutralität Ita­liens könne erhalten bleibell. Man scheint damit zu rechnen, daß die Mehrheit des Parlaments für die An­

nahme der weitgehenden österreichischen Zugeständ­nisse sei.

Zürich, 14. Mai. DerNeuen Züricher Zeitung" wird aus Mailand berichtet: Nach den letzten Mittei­lungen aus Italien ist die Aussicht einer friedlichen Lösung der politischen Probleme ungemein gefestigt wor­den. Man rechnet damit, daß sich im Parlament eine große Mehrheit finden werde, die, gestützt auf das weit­gehende Entgegenkommen Oesterreichs, für die Erhal­tung des Friedens eintritt. Tatsächlich ist das Angebot Oesterreichs so generös, wie man es im Ernst wohl kaum erhoffte. Oesterreich wird sich jedenfalls dazu verstehen, auch die im letzten Passus der Offerte in Aussicht ge­stellte Abtretung von Eörz und einigen dalmatischen Inseln zu präzisieren, so bald es sich mit Italien über die Gegenleistungen verständigt hat. Ob es klug war, ein so bedeutendes Diskussionsthema offen zu lassen, wird die Zukunft beweisen.

Lugano, 14. Mai. Die Eiolitti-OrganeTribuna" undStampa" melden. Ueber 300 Abgeordnete und Senatoren hatten Giolitti ihre Zustimmung zur Frie­denspolitik erklärt. Da die Kammer 508 Mitglieder zählt, stehe also bereits weit über die Hälfte auf der Seite der Neutralität. DieStampa" rechnet sogar, daß Al der Kammer für Giolitti sei. Mittlerweile be­ratschlagen die Sozialisten die Absicht, beim König eine Audienz zu erbitten, um den König persönlich über das Friedensbegehren des Volkes aufzuklären. Der Sozialist Ferro war bereits beim König in Rom. Bisher sind 350 Deputierte in Rom eingetroffen. Geheime Kräfte, deren Identität für den Kenner der Verhältnisse aber nchts weniger als ein Geheimnis ist, waren inzwischen im ganzen Lande in fieberhafter Bewegung, um eine Volksstimmung zu schaffen, die der Regierung eine scheinbare Basis für extreme Entschlüsse im Kriegssinne bieten soll. Der englische Botschafter brachte den ganzen Tag auf der Consulta zu. Er hielt Sonnino förmlich unter Sequestur, während die bekannten Entente-Agen­ten die Presse mit verzweifelter Energie bearbeiten. Die Entente-Leute und ihre Freunde wissen, daß es, nachdem gegen alles Erwarten im letzten Augenblick eine starke neutralistische Bewegung erwacht ist, von den allernächsten Tagen abhängt, ob Italien gegen uns mar­schieren wird oder nicht. Um Italien mitzureißen und die neutralistische Bewegung zu übcrrennen, bedarf es aber eines förmlichen Bürgerkrieges. Allerdings wür­den die Interventionisten keinen Augenblick davor zu­rückschrecken, des äußeren Krieges wegen den Bürger­krieg zu entfesseln, vorausgesetzt, daß ihnen Giolitti keinen Strich durch die Rechnung macht.

Ein offener Brief Giolittis.

Berlin, 14. Mai. Giolitti wundert sich in einem offenen Brief an den Chefredakteur derTribuna", daß er als Vaterlandsseind bezeichnet und unerlaubter Ein­mischung auf die Negierung beschuldigt werde,und dies alles", schreibt Giolitti, weil ich nicht etwa aus eigener Initiative, sondern a»s höheren Ruf eine Meinung auseinandcrsetzte, die meiner Ueberzeugung entspricht und mit meiner in Wort und Schrift bereits geäußerten Meinung übereinstimmt. Es ist unerklärlich, daß an­geblich freiheitliche Parteien für die Meinung anderer Leute so wenig Achtung haben."

Maßlose Kriegsdemonstrationen.

(WTB.) Berlin, 15. Mai. DemBerl. Tagebl." wird aus Chiasso gemeldet: Gestern morgen waren An­zeichen bemerkbar, daß die Hetze der Kriegspartei gegen Giolitti und den Rücktritt des Kabinetts- ihre Früchte trägt. In Mailand wurde die Agitation oon den tech­nischen Hochschülern begonnen. Diese setzten beim Rektor durch, daß die Vorlesungen eingestellt (!)^YHtch.ir Fahne auf dem Polytechnikum halbmast gehißt wurde. Dann veranlaßten die Polytechniker die anderen Hochschüler, die Gymnasiasten und Realschüler zum Verlassen des Unterrichts. Alle Schüler und Studenten bildeten eine starke Kolonne, die in das Zentrum zog und fortwährend Pereatrufe aus Giolitti ausstieß. Vor dem Rathaus machten sie Halt und zwangen den Bürgermeister, auf