Sk. 101.
Autts' und Anzeiaehlatt für den Oberamtsbezirk Calw
90. Jahrgang.
Hitnungsrvetser -mal wöchentlich. SnzeigenpretS: r^oeramrs-
Sälw für die einspaltige Vorgis,eile 12 Psg.. L^erdald sr»l«lben iS Pfz., ^-Sernren 2b Pfg. Tchlvtz für Jrijeratannahme 12 vormittos?. Lrlefon S.
Montag, den 3. Mai 1915.
II B eq uflSpre^L . In der Stadt mit LrLgerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, P-.
II de^uaSpcel- für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.22, im Fernverk II Mt. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 S
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Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
* Die beiden Hauptmomente kriegerischer Ereignisse aus den e'^vvätichen Kriegsschauplätzen sind gegenwärtig der deutsche Vorstoß bei Ppern, der die weitesten militärischen Aussichten eröffnet, und der Vormarsch de? deutschen linken Flügels in Nordwest- rußland, dessen Vorhut nun schon bis Mitau gelangt ist, das nur etwa 50 Kilometer von Riga entfernt liegt.
Das undurchdringliche Dunkel, mir dem unsere Heeresleitung ihre Aouchten bei diesen beiden großzügigen Operationen umhüllt, giebt dem Ausland und besonders unfern Feinden, — da eben nichts zu „iehen" ist — um so mehr zu bedenken. Die Engländer und Franzosen empfinden den Druck bei Ppern als sehr ungemütlich, und machen die größten Anstrengungen, die deutschen Truppen wieder über den Pserkanal zurückzudrängen, aber bis jetzt haben sie sich bei ihren Bemühungen nur blutige Köpfe geholt. Geradezu eine Sensation bedeutete aber die Beschießung von Dünlirchen durch deutsche Artillerie, die anscheinend schweren Schaden angerichtet hat. Mit Wohlbehagen wird man wohl im Großen Hauptquartier gelesen haben, welches Kopfzerbrechen sich die ganze Welt darüber macht, wie es nur möglich sein konnte, diese Festung zu beschießen. Wäre Dünkirchen von der Seeseite aus von deutschen Großkampfschiffen bombardiert worden, wie von mancher Seite angenommen wird, so würde das natürlich eine heillose Blamage für die „meerbeherrschende" englische Flotte bedeuten, und die kürzeste Entfernung der Kampfeslinie von Dünkirchen beträgt immerhin auch noch 30 Kilometer. Also hat man es hier wieder einmal mit einer technischen Ueberraschung seitens der deutschen Artillerie zu tun. Der französische Marineminister Augageur hat sich denn auch herbeigelassen, des Rätsels Lösung nach dieser Richtung hin zu bestätigen. Er hat sich einem Journalisten gegenüber geäußert, daß die Festung durch deutsche schwere Artillerie zu Lande vom nächsten Frontpunkt aus beschossen wurde. Wir hätten es also hier mit einer neugeborenen Schwester der „dicken Berta" zu tun, die sich trotz ihrer „Jugend" schon ganz vorzüglich anläßt. Wenn nun unsere Truppen über kurz oder lang nach Dünkirchen gelangen sollten, dann können sich die Kriegsschiffe der Alliierten auf ein interessantes Duell gefaßt machen.
Einer ganz besonderen Beachtung wird das Borgehen des deutschen linken Flügels im nordwestlichen Rußland unterzogen. Wenn man sich allerdings darüber klar wird, ein wie großes und wirtschaftlich bedeutungsvolles Gelände die deutschen Truppen bei ihrem Vormarsch besetzt haben, wenn man bedenkt, daß durch eine eventuelle Einnahme von Riga Rußland von der Ostsee so ziemlich abgeschlossen würde, dann kann man die Verblüffung im feindlichen Lager und bei den Neutralen darüber ersehen, daß die Russen bis jetzt diese Gefahr noch nicht auszuhalten sich angeschickt haben. Die englische Presse weist darauf hin, daß man es hier mit einem Ereignis von allergrößter Bedeutung und vielleicht unberechenbar schweren Folgen zu tun habe. Die beiden wichtigsten Bahnlinien Rußlands, Riga—Dünaburg—Wilna und Petersburg—Warschau, seien schwer bedroht. Die neutrale Presse aber — wir nicht — ist darüber erstaunt, daß die amtlichen russischen Berichte diesen über 100 Kilometer in das russische Reich hineinführenden Vorstoß einer deutschen Armeeabteilung gar nicht erwähnen. Die nächsten Wochen werden uns wohl darüber Aufklärung bringen, welcher strategische Wert für die Gesamtoperationen im Osten die
sem kühnen Vormarsch zulcmmr. Die Russen werden doch wohl Verstärkungen nach diesem sehr gefährdeten Punkt der Front senden müssen, was nach unserem Ermessen nur durch Schwächung anderer Frontteile geschehen kann und darin dürfte das Problem für die Weiterentwicklung der Kämpfe ans der Ostfront zn suchen sein.
Die letzte Aktion de: Florte und des Lanvungs- korvs der Engländer nnd Franzosen vor den Dardanellen stellt sich immer mehr als eine Riesenschlappe der Verbündeten heraus, die natürlich in den feindlichen Berichten schlankweg abgeleugnet wird, die aber selbst die englische Dialektik nicht ganz in einen Sieg zu verwandeln vermochte. Wir erfahren aus dem englischen amtlichen Bericht, daß die Ausschiffung des Landungskorps auf der Halbinsel Gallipoli an 6 verschiedenen Punkten unter dem Schutz der Geschütze der feindlichen Großkampfschifse vorgenommen wurde. Es waren Engländer, Australier. Neuseeländer nnd Franzosen, die zum Angriff angesetzt wurden. Natürlich konnten sich die Landungsstreitkräfte „endgültig" festsetzen, nachdem die Engländer einen Frontalangriff „mitten durch die noch nicht vernichteten Stacheldrahthindernisse (!)" siegreich ausgeführt hatten. Aber — die Verluste des Heeres und der Flotte waren, der Natur der Sache entsprechend, schwer. Nebenbei gesagt, wird der Verlust des Landungskorps nach den Berichten allerdings „nur" türkischer Augenzeugen allein an Toten auf 10 OVO geschätzt, während die Türken nur verhältnismäßig geringe Verluste gehabt haben. Die türkischen Berichte, denen nach langer Erfahrung wohl mehr Glauben geschenkt werden darf, stellen den Verlauf der Landungsschlacht etwas anders dar, Darnach ist der größte Teil der Landungstruppen, zum Teil in erbitterten Bajonettkämpfen ins Meer geworfen und verschiedene fliehende Transportschiffe zum Sinken gebracht worden. Im übrigen wird die Glaubwürdigkeit der amtlichen englischen Berichte durch eine Feststellung des holländischen Allgemeenen Handelsblad grell beleuchtet, wonach die anfänglich 8000 Mann, die angeblich bei dem Dardanellenangriff gefangen genommen worden sein sollen, auf ganze 500 zusammengeschmolzen sind. Der türkische Bericht aber sagt, daß die Engländer auf Gallipoli überhaupt keine Gefangenen gemacht hätten. Ob die Verbündeten wohl glauben, daß sie durch ihre Siege und Heldentaten mit dem M—und-e irgend einen Neutralen für ihre Zwecke angeln können?! 0.8.
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Die deutschen amtlichen Meldungen.
(W.T.B.) Großes Hauptquartier, 1. Mai. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Die gestern gemeldeten Kämpfe auf dem westlichen Kanalufer nordwestlich von Ppern endigten mit einem sehr verlustreichen Mißerfolg des Feindes. Oestlich des Kanals nördlich von Ppern stieß der Feind mehreremals vergeblich vor. Die Festung Dünkirchen wurde weiter unter Artilleriefeuer gehalten.
Zwischen Maos und Mosel kam es zu Jnfan- teriekämpsen nur in der Gegend zwischen Ailly und Apremont. Die französischen Angriffe scheiterten gänzlich unter harten Verlusten. Am 29. April wurde Reims in Erwiderung auf die Beschießung unserer rückwärtigen Ruheorte mit einigen Granaten beworfen. Da der Feind die Bedeutung dieses unseres Borgehens sehr gut kennt, würde es ihm leicht sein. Reims vor einer Beschießung zu bewahren.
Der Feind verlor gestern wieder drei Flugzeuge. Ein englisches Flugzeug wurde südwestlich von Thielt heruntergeschossen. Ein anderes Flugzeug wurde bei
Wieltie nordöstlich von Ppern zum Absturz gebracht und zusammengeschossen. Das dritte Flugzeug wurde aus einem feindlichen Geschwader heraus bei Nieder- aspach i. Elf. zur Landung gezwungen.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Das Gefecht bei Szawle iit günstig für uns verlaufen Nach starken Verlusten flüchteten vre Russen, nachdem sie Szawle an allen 4 Ecken angesteckt hatten, in Richtung aus Mitau weiter. Die Verfolgung wird fortgesetzt. An Gefangenen sind bisher etwa 1000 gemacht. Daneben fielen 1V Maschinengewehre, große Mengen von Bagage. Munitionswagen und besonders viel Munition in unsere Hand.
Feindliche Angriffe bei Kalwarija und südwestlich wurden verlustreich abgeschlagen, wobei über 350 Russen gefangen genommen wurden. Dagegen gelang es den Russen südwestlich von Augustow eine deutsche Vorpostenkompagnie nächtlicherweise zu überfallen und schwer zu schädigen. Oestlich von Plock und auf dem südlichen User der Piliza wurden schwache russische Vorstöße abgewiesen.
(W.T.B.) Großes Hauptquartier, 2. Mai. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz.) In Flandern versuchte der Gegner nach sehr starker Artillerievorbereitung wiederum gegen unsere neue Stellung nordwestlich von Ppern anzurennen, und zwar griffen die Franzosen zwischen dem Kanal und der Straße von Ppern nach St. Julien energisch, die Engländer östlich davon matt an. Die Bemühungen waren namentlich infolge unseres sehr wirksamen Flanken- und Rückenfeuers aus der Gegend von Vroodseinde und Veldhoek gänzlich erfolglos. 3 Maschinengewehre blieben in unserer Hand.
In den Argonnen machten unsere Angriffe nördlich von Le Four-de-Paris gute Fortschritte. Trotz heftigster Gegenwehr verloren die Franzosen mehrere Gräben und 156 Gefangene.
Zwischen Maas und Mosel kam es nur im Priesterwalde zu heftigen Kämpfen, wo die Franzosen mehreremale in großen Massen angriffen. Wir schlugen diese Angriffe, die stellenweise bis in unsere Gräben gelangten, unter starken Verlusten für den Feind ab und machten 90 Gefangene.
Gestern wurden wieder zwei feindliche Flugzeuge außer Gefecht gesetzt. Eines wurde bei Reims zusammengeschossen, das andere nordwestlich von Verdun aus einem Geschwader heraus zu eiligster Landung gezwungen.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Unsere Operationen im nordwestlichen Rußland machten gute Fortschritte. Bei Szawle wurden weitere 400 Russen gefangen genommen. In der Verfolgung der flüchtenden Russen erreichten deutsche Spitzen die Gegend südwestlich von Mitau. Russische Angriffe in der Gegend von Kalwarija wurden unter starken Verlusten für den Feind abgeschlagen. 300 Gefangene blieben in unserer Hand.
Oberste Heeresleitung.
Die österreichisch-ungarischen Tagesberichte.
(WW.T.B.) Wien. 1 . Mai. Amtliche Mitteilung vom 1. Mai, mittags: In Russisch-Polen lebhafter Geschützkamps, der stellenweise auch nachts andauerte. Russische Sicherungstruppen wurden aus mehreren Stellungen vertrieben. An der Front in Westgalizien und in den Karpathen keine Veränderung. Gegen die von uns eroberten Höhen zwischen Orawa- und Oportal richtete der Feind auch gestern wiederholte heftige Angriffe, die abermals unter schweren Verlusten für die Russen abgewiesen wurden. Hierbei machten wir 500 Gefangene. In Süd-