Rr. 90
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.
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Dienstag, den 20. April ISIS.
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Japans Mselspiel ln Mexllro.
Japan.
- Als Japan sich der Koalition gegen Deutschland anschloß, war man bei uns in Deutschland verblüfft nicht nur wegen der japanischen Undankbarkeit gegen seinen Lehrherrn, was dem rechtlich denkenden Deutschen gegen sein ausgeprägtes Anstandsgefühl ging, sondern vor allem auch, weil man sich sagte, Japan handelt ja direkt gegen seine eigenen Interessen, wenn es dazu beiträgt, daß. seine stärksten Konkurrenten in Asien nach einer Niederlage Deutschlands sich frei machen könnten, um die japanischen Ansprüche in die ihnen genehmen Schranken zurückzuweisen. Der gerade politische Sinn des Deutschen hat auch hier ein Fiasko erlebt wie bei andern Kombinationen. Japan ist nicht nur auf militärischem Gebiet in die beste Schule gegangen, es hat sich auch in der Diplomatie den besten Lehrer herausgesucht, und der war bislang immer noch England. Den englischen Grundsatz für auswärtige Politik, der auch in diesem Kriege seinen Triumph gefeiert hat, Schwächung des Konkurrenten durch andere Mächte, haben sich die Japaner in seiner schönsten Vollendung zu Nutzen gemacht. Die japanische Rechnung war folgende: Aus einem Kriege mit Deutschland geht Rußland, selbst wenn die Alliierten siegen sollten, so geschwächt hervor, daß es in absehbarer Zeit nicht in der Lage ist, die Pläne Japans in China zu stören, die englische Flotte ist gegen Deutschland festgehalten, und Tsingtau giebt einen idealen Stützpunkt für das japanische Heer. Von Amerika haben die Japaner anscheinend nicht allzuviel gehalten, und ihr Gefühl für die militärische Ohnmacht der Vereinigten Staaten hat ihnen nach den Ereignissen der letzten Tage ja auch Recht gegeben. Mit der Aufmachung dieser Rechnung der auswärtigen Politik haben die Japaner selbst ihren Lehrmeister llbertroffen. Daher auch die Verschnupfung über dem Kanal, denn daß England einmal der Hereingelegte sein soll, das kann man drüben nicht vertragen. Für die Engländer steht in Asien, wenn die Japaner ihre Aspirationen zu verwirklichen vermögen, viel mehr auf dem Spiel als für Rußland. Rußland kann nach gewisser Zeit doch wieder eine reale Macht in die Wagschale werfen, Englands Flotte aber wird kaum in der Lage sein, den Japanern die Spitze zu bieten, wenn man dabei nicht riskieren will, die Autorität in Europa zu verlieren. Man wird sich in London wohl keiner Täuschung darüber hingeben, daß die japanische Politik in diesem. Kriegs ziemlich großzügig angelegt ist. Man will nicht mehr und nicht weniger, als den Einfluß der fremden Staaten in China, und da steht England mit an erster Stelle, völlig unterbinden, man will versuchen, dem chinesischen Koloß für Japans Ziele Leben zu geben und ihn militärisch brauchbar zu machen. Ist das erreicht, dann sind die herrlichen Tage der englischen Herrschaft in Indien vorüber. Dann wird das indische Volk in seinem „Befreiungskriege" gegen England unterstützt, nachdem man die Sache vorher durch wirtschaftliche Konkurrenz eingeleitet hat. „Asien den Asiaten", heißt der japanische Wahlspruch, dem die beiden Riesenreiche China und Indien bald zugänglich gemacht werden dürsten. Man weiß, welche suggestive Wirkung solche Schlagwörter auf das Volksempfinden auszuüben vermögen. Solcher Art sind die Geister, die England durch seine Teilnahme am europäischen Kriege heraufbeschworen hat, und die es nun nicht los wird. Daher auch der japanische Alpdruck, der auf der öffentlichen Meinung Englands lastet.
Und Amerika? Den Vereinigten Staaten fehlt heute, und hat in den letzten Jahren ein Präsident
von den Eigenschaften des 5. amerikanischen Präsidenten, Monroe, gefehlt, der seinen Landsleuten klar gemacht hätte, daß im jetzigen Stadium der Entwicklung der Menschheit das vom Staat geförderte Geschäftemachen um jeden Preis nicht als erster Faktor der Staatskunst angesehen werden darf. Monroe hatte seiner Zeit den für die auswärtige Politik der Vereinigten Staaten bisher maßgebenden Grundsatz aufgestellt, daß man keine Intervention eines fremden Staates in Amerika dulden dürfe. Die Vereinigten Staaten hatten sich deshalb immer als Protektor auch des südamerikanischen Staatengebiets betrachtet, und in Europa war diese stillschweigende Vorherrschaft auch ebenso stillschweigend im Prinzip anerkannt worden. Japan hat den Vorzug und auch die Freiheit gehabt, sich über diese Traditionen wegzusetzen, indem es jetzt unter einem nichtigen Vorwand Truppen an der mexikanischen Küste gelandet hat, und damit auch indirekt den Amerikanern klar gemacht hat, daß es sich um ihre traditionellen Anschauungen nicht kümmert, solange man es ihnen nicht deutlicher zu verstehen gibt. Zu einem deutlichen Schritt, mit dem auch die Konsequenzen ausgenommen würden, sind aber die Vereinigten Staaten nicht imstande. Immerhin, gespannt wird man doch sein dürfen, wie die öffentliche Meinung Amerikas diese offensichtliche Brüskierung von Seiten Japans aufnehmen wird. Wenn Japan in Mexiko einen Stützpunkt errichtet, dann wird es mit Amerika auch andere Fragen, wie die der Philippinen und der amerikanischen Einwanderungsbill, leichter verhandeln können.
Die japanische Rechnung stimmt bis jetzt.
O. 8.
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Zur japanischen Landung in Mexiko.
(W.T.B.) Frankfurt, 19. April. Der „Franks. Zeitung" wird aus Newyork gemeldet: Der Kreuzer „New-Orleans" wurde nach der Turtlebai entsandt, um festzustellen, was die Japaner dort treiben. (!) Es laufen Gerüchte um. wonach die Japaner den Kreuzer „Asama" absichtlich auf weichen, schlammigen Grund hätten auflaufen lassen, um einen Vorwand für die Entsendung eines Geschwaders zu haben. Man fürchtet (!) in Washington, daß die mexikanischen Behörden die Errichtung einer Flottenbasis billigen werden.
Rotterdam. 19. April. Die Londoner „Morning Post" meldet laut Bericht an die „National-Zeitung": Im Hafen von Veracruz find die japanischen Panzerkreuzer „Iwate" und der japanische Kreuzer „Kasagi" mit zwei Kanonenbooten eingelaufen.
England und Rußland gegen die japanischen Forderungen an China.
Kopenhagen, 19. April, lieber die Stellungnahme Englands und Rußlands zu den japanischen Forderungen an China wird unter Umgehung der englischen Zensur aus Newyork folgendes bekannt: Der englische und russische Botschafter in Tokio sind gemeinsam beim Minister des Auswärtigen Kalo vorstellig geworden und haben mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß es für Japans Verbündete unmöglich sei, sich in diplomatische Verhandlungen über die chinesischen Fragen einzulassen, falls nicht Japan einen beträchtlichen Teil seiner Forderungen China gegenüber fallen lasse. Auch die Vereinigten Staaten haben unabhängig von dem Schritt der beiden Dreiverbandsmächte die japanische Regierung in Kenntnis gesetzt, daß ein Teil ihrer Ansprüche die »erträglichen Vereinbarungen zwischen der Union
und China verletzen. In China selbst ist die Erregung über die drohende Haltung Japans sehr groß. Der japanische Botschafter Hioki wurde in den Straßen von Peking von der Menge tätlich angegriffen und vom Pferde gerissen. Er trug erhebliche Verletzungen davon und war mehrere Tage außerstand, an den diplomatischen Verhandlungen teilzunehmen.
Australien und Japan.
Brüssel, 19. April. In London wird der überraschende Rücktritt Australiens vom Kriege sehr lebhaft besprochen, zumal, laut „Deutscher Tageszeitg.", bekannt geworden ist, daß das Parlament des dortigen Commonwealth den schon bewilligten Kriegskredit von 263 Millionen Franken vermutlich mit Rücksicht auf die Australien von den japanischen Verbündeten Englands drohende Gefahr zurückgezogen hat.
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die deutsche amtliche Meldung.
(W.T.B.) Großes Hauptquartier, 18. April. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Südöstlich von Ppern wurden die Engländer aus den noch gehaltenen kleinen Teilen unserer Stellung vertrieben. Mit starkem Angriff längs der Bahn Ppern-Comines versuchten sie gestern Abend sich erneut in den Besitz der Höhenstellung zu setzen. Der Angriff brach unter schwersten Verlusten zusammen. Bei Jngelmunster ist der französische Fliegerleutnant Garros (einer der besten französischen Flieger. Die Schriftl.) zur Landung gezwungen und gefangen genommen worden. Zwischen Maas und Mosel verlief der Tag unter Artilleriekämpfen. Ein schwacher französischer Angriffsversuch gegen die Combresstellung wurde durch unser Feuer im Keim erstickt. In den Vogesen mißglückten zwei französische Angriffe. Von der von uns genommenen Stellung westlich des Reichsackerkopfes wurde ein Angriff gegen die Höhen nördlich von Steinabrück abgewiesen. Nach starken Verlusten zogen sich die Franzosen zurück
Oestlicher Kriegsschauplatz. Die Lage ist unverändert.
Das Ausland wird von Frankreich und England aus. scheinbar sogar von amtlichen Stellen, mit Siegesnachrichten über Erfolge unserer Gegner auf dem westlichen Kriegsschauplatz überschwemmt. Alle diese Behauptungen sind einfach erfunden. Ihre Widerlegung im Einzelnen lohnt sich nicht. Es wird vielmehr lediglich auf ihre Nachprüfung an der Hand der günstigen deutschen Kriegsberichte verwiesen.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.
(W.T.B.) Wien, 19. April. Amtliche Mitteilung vom 19. April: In Russisch-Polen und West- Galizien keine besonderen Ereignisse. An der Karpathenfront herrscht, abgesehen von unbedeutenden Kämpfen im Waldgebirge, in deren Verlauf 1907 Mann gefangen wurden. Ruhe. In Siidostgalizien und in der Bukowina vereinzelte Artilleriekämpfe.
Stillstand der Karpathenkämpse.
Kopenhagen, 19. April. Englische Meldungen aus Petersburg besagen, wie wir im „Lokalanzeiger" lesen, der russische Generalstab erwarte, daß die Kämpfe in den Karpathen in den nächsten Tagen vollständig zum Stillstände kommen werden. Der Schnee hat angefangen zu schmelzen, alle Flüsse und