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Nummer 158

A

ltensteig, Freitag, den S. Juli 1937

6 0. Jahrga«,

Ser kritische Freitag

England und Frankreich komplizieren die spanische Lösung

Mit der Note, die der Stabschef der spanischen Nation-l- regierung, General Franco, an die Mächte gerichtet hat, ist das Thema für die heutige Freitag-Sitzung des Lon­doner Nichteinmischungsausschusses klipp und klar gestellt worden: Franco fordert für das nationale Spanien die Anerkennung als kriegführende Pa rtei.

Mit diesem Anspruch, der sich auf der Linie der deutsch­italienischen Vorschläge bewegt, wird sich der Ausschuß nun also beschäftigen müssen. Es gibt kein Ausweichen. Die diplomatischen Verhandlungen, in denen zur Zeit wohl der Schwerpunkt zu suchen ist, bewegen sich auch, wenigstens so­weit sie von England ausgehen, durchaus auf dieser Linie. Man wird am Freitag zwar sowohl den englisch-französi­schen Vorschlag der Ilebernahme der gesamten Ceekontrolle durch England und Frankreich wie den deutsch-italienischen Vorschlag der völligen Aufhebung der Seekontrolle unter Zubilligung der Eigenschaft kriegführender Mächte an beide spanische Parteien zur Erörterung stellen. Aber es ist noch ungewiß, ob eine Entscheidung in der Freitagsitzung fallen wird. Es sieht nicht so aus, als ob die zwischen den Kabi­netten laufenden Verhandlungen bis dahin schon zu einem Ergebnis geführt haben werden. Sicher ist nur eins, daß über keinen der beiden Vorschläge eine Uebereinstimmung zwischen den beteiligten 27 Mächten zu erzielen sein wird.

Englands Bemühungen gehen im Augenblick ganz un­verkennbar auf ein Kompromiß. Man ist in London seit den Franco-Erfolgen im Baskenlande nicht mehr so ganz ablehnend gegen die Francoschen Forderungen. Ganz gewiß nicht etwa deshalb, weil Herr Eden plötzlich von der mora­lischen Berechtigung des nationalspanischen Kampfes gegen die roten Bolschewisten von Valencia überzeugt wäre. Aber nachdem Bilbao in die Hand Francos gefallen ist, verfügt er nicht nur über die Kupfererze von Rio Tinto, sondern auch über die baskischen Eisenerzgruben und beide Produk­tionsstätten sind für die britische Aufrüstung von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Es sieht nach dem Fortgang der Kriegshandlungen in Spanien ja auch wirklich nicht so aus, als ob die Roten jemals wieder in den Besitz dieser Erzla­gerstätten kommen würden, und wenn England diese begeh­renswerten Rohmaterialen beziehen will, dann muß es sich wohl oder übel mit General Franco darüber verständigen. Erze, für die mit soviel Nachdruck betriehene britische Auf­rüstung, sind aber nicht nur eine Messe wert, sondern sogar die Nachsuchung zur Zulassung eines britischen Konsuls in Bilbao bei der doch offiziell von London noch gar nicht staatsrechtlich anerkannten spanischen Nationalregierung und vielleicht die Zubilligung der Eigenschaft als kriegführende Macht an sie.

Mit diesem Gedanken beschäftigt man sich jedenfalls im Foreign Office zur Zeit ganz ernsthaft. Man hat Hemmun­gen, denn man will die roten Freunde in Valencia nicht gar zu heftig vor den Kopf stoßen. Man möchte also den Pelz waschen, ohne ihn naß zu machen, und denkt etwa daran, die Befugnisse, die völkerrechtlich kriegführenden Mächten zustehen, im spanischen Fall einzuengen, etwa das Blockade­recht auf die Territorialgewässer zu beschränken. Dann würde man gegenüber General Franco eine entgegenkom­mende Geste machen können, für die er so nimmt man in London an mit einem Lieferungsvertragüber diebaskifchen Erze quittieren würde, und man hätte «ach wie vor die Möglichkeit, britische Blockadebrecher bis an die Grenze der Territorialgewässer durch britische Kriegs­schiffe eskortieren zu lasten, in der sicheren Erwartung, daß die knappe dann noch zu durchlaufende Strecke im Schutze der roten Küstengeschütze und Minen verhältnismäßig ge­fahrlos für die geschäftstüchtigen englischen Reeder und Lie­feranten wäre.

Die NoteEeneralFrancos läßt allerdings keinen Zweifel darüber, daß der Stabschef der spanischen Natio­nalregierung nicht gesonnen ist, sich durch England und Frankreich bluffen zu lasten Er richtet gerade an diese bei­den Mächte eine ernste Warnu n g, weiter durch Taten oder durch Unterlassungen zu Gunsten der Valencia-Bolsche­wisten das Prinzip der Nichteinmischung zu durchbrechen, und er weist mit klaren dürren Worten darauf hin, daß er nicht zögern würde, in der Außenpolitik und in den wirt­schaftlichen Auslandsbeziehungen die Haltung jener Länder, die dem nationalen Spanien ihre Feindschaft beweisen, mit m Rechnung zu ziehen.

Die Einigung zwischen den Mächten über ein Kompro­miß in der spanischen Frage muß aber auch noch andere Kuppen umschiffen. England und Frankreich haben offen­bar die Absicht, mit einer irgendwie gearteten Zuerkennung Ar Eigenschaft als kriegführende Mächte an die spanischen Parteien die Forderung der Zurückziehung der Frei willigen zu verkoppeln. Es ist von italienischer «eite schon darauf hingewiesen worden, daß diese Forde- rvng nur von den Führern der beiden spanischen Parteien « , erfüllt werden könne. Es sei kein Zweifel, daß Ge­

neral Franco ohne weiteres in der Lage wäre, aus seiner

straff disziplinierten Armee die angeworbenen Freiwilligen auszusondern und heimzuschicken. Das Gleiche sei aber von Seiten der roten Valenciahüuptlinge nicht zu erwarten, zu­mal es technisch kaum lösbar wäre, all diespanischen Pässe", die an die Mitglieder derInternationalen Bri­gade" ausgegeben wurden, zurückzuziehen. Praktisch würde also die Forderung nach der Entfernung der Freiwilligen wieder auf eine Benachteiligung Francos und eine Fort­setzung der Begünstigung Valencias hinauslaufen.

Von französischer Seite wird das Problem noch weiter dadurch kompliziert, daß man die Ansicht vertritt, die mau­rischen Regimenter General Francos stellten Freiwilligen- Truppen dar, die auch zurückgeschickt werden müßten. Das ist ein Unsinn, denn diese Marokkaner sind spanische Unter­tanen. Aber die Absicht, General Franco seiner Kerntruppe zu berauben, spricht Bände.

Ueberhaupt macht Frankreich der Kompromißlösung zur Zeit, offenbar unter innerpolitischem kommunistischem Druck, erhebliche Schwierigkeiten. Es wird ganz offen die Drohung ausgesprochen, falls keine Einigung im Nichtein­mischungsausschuß zustande käme, die Sperre an der Pyre­näengrenze aufzuheben und für Frankreich die Handlungs­freiheit, d. h. die Versorgung Sowjetspaniens mit Waffen und Munition, zurückzunehmen.

Das alles geht unter der FirmaNichteinmischung". Wie klar ist demgegenüber der deutsch-italienische Vorschlag, der eine ganz eindeutige Neutralität der Mächte verlangt und es tm übrigen den beiden >panl>chen Parteien, in ihrer Handlungsfreiheit durch die Anerkennung als kriegführende Mächte unbeengt, selbst überlasten will, die Entscheidung über das Spanien von morgen aus eigener Kraft herbei­zuführen.

Deutliche Worte tm englischen Oberhaus

Wenn Frankreich nicht am spanischen Bürgerkrieg teil­genommen hätte, wäre der Krieg bereits zu Ende"

London, 9. Juli. Im Oberhaus forderte am Donnerstag der konservative Lord Newton den baldigen Rücktrans­port der in England befindlichen 'spanischen Flüchtlinge. Er erklärte, die Mehrzahl der Flüchtlinge sympathisiere mit den Nationalen. Die Unterstützung der Flüktlinge in England sei von vornherein nicht mit einer strikten Neutralität ver­einbar gewesen, sondern habe zur Unterstützung der spani­schen Bolschewisten und zur Verlängerung des Bürgerkrie­ges beigetragen. Die Machthaber in Valencia hätten die Taktik verfolgt, hinter Frauen und Kindern zu kämpfen, um diese dann im Stich zu lasten. Frankreich und Sowjetruß­land hätten die größte aktive Rolle im spanischen Bürger­krieg gespielt. Diese beiden Mächte sollten daher auch die Flüchtlinge aufnehmen. Höchst zweifelhaft sei es, ob irgend jemand von den Flüchtlingen Lust haben werde, nach Sow- jetrußland zu gehen. Lord Newton betonte dann nochmals, weuu Frankreich nicht seit einem Jahr am spanischen Bür­gerkrieg teilgenommeu hätte, dann wäre der Krieg bereits zu Ende.

Unterstaatssekretär Lord Plymouth teilte in seiner Antwort mit, der internationale spanische Unterstützungs­ausschuß habe sich verpflichtet, die Rückbeförderung der Flüchtlinge vorzunehmen, sobald die Umstände es erlaub­

ten. Der britische Botschafter in Hendaye fei aufgefordert worden, einen Bericht über die Angelegenheit zu geben. Auf Grund dieses Berichtes werde der Außenminister die Mög­lichkeit haben, an den Flüchtlingsausschutz hgranzutreten. Die englische Regierung lege der Rückkehr der Flüchtlings nach Spanien keine Hindernisse in den Weg.

Koalition vom Graser Stil

Eine Glosse desPopolo d'Jtalia

Mailand, 8. Juli. Der MailänderPopolo d'Jtalia" glossiert die Haltung der englischen Regierung, die dem na­tionalen Spanien zwar die Rechte eines kriegführenden Staa­tes verweigere, trotzdem aber einen Konsul nach Bilbao gesandt habe, weil nämlich das Gebiet von Bilbao reich an Eisenerzen sei. Großbritannien werde nun gewahr, daß es auf eine verlie­rende Karte gesetzt habe, wie schon einmal auf die Karte des Negus, und deshalb melde das Londoner Barometer unbestän­diges und veränderliches Wetter. Während der Belagerung von Bilbao seien aus Humanitären Gründen Waffen englischer Her­kunft ausgeladen worden, aber auch diese Maßnahme habe den viel geprieseneneisernen Gürtel" der Bolschewisten nicht vor der Erstürmung durch die nationalen Streitkräfte bewahren kön­nen.

Di« sog.Minister" der Valencia-Bolschewisten, die aus den Flugplätzen von Paris abstiegen und geheime Sitzungen mit französischen Staatsmännern abhielten, seien die Vertreter je­nes sowjetisierten Spaniens, das in Bilbao geschlagen worden sei und das in Madrid, Valencia und Barcelona den Terror aufgerichtet habe, der für die Ermordungen, Naubüberfälle und Plündereien verantwortlich sei. Diese geheimen Zusam­menkünfte in Paris seien ein Skandal und die Banditen von Valencia hätten nicht das mindeste Recht, über ausländische Einmischung" zu sprechen. Nun würde ein Druck dahin ausgeübt, daß im Londoner Ausschuß eine neue Koa­lition vom Genfer Stil entstehe, die durch parlamenta­rischen Mehrheitsbeschluß die Grundlagen für die Herrschaft der französischen und englischen Kriegsschiffe in den spanischen Ge­wässern, für die Besuche der Valencia-Häuptlinge in Paris und für die nicht zu verleugnenden britischen Bergbauinteressen in Spanien schaffen sollten. Der Rattenschwanz von Staaten, die man besonders von Frankreich aus mobil zu machen suche, habe keinen andern als solchen Funktionen zu dienen.

London. 8. Juli. Preß Association meldet, daß auf der Sitzung des Nichteinmikchungsausschusses am Freitag möglicherweise keine endgültigen Beschlüsse über die Zukunft der Nichteinmischung oder der Küstenpatrouille zustande kommen würden. Es werde als wahrscheinlicher betrachtet, daß man den Unterausschuß de» Vorsitzenden auffordern werde, irgendwelche Anregungen >m Zu­sammenhang mit den englisch-französischen und mit den deutsch- italienischen Vorschlägen zunächst zu erwägen. Reuter meldet noch ergänzend, daß in der Sitzung des Nichteinmischungsaus­schusses am Freitag voraussichtlich auch Frankreich keine neue« Vorschläge unterbreiten werde. Es sei sehr unwahrscheinlich, daß in ihrer Opposition gegen die Anerkennung Valencias und Salamancas als kriegführende Mächte eine Aenderung eintre- ten werde, falls nicht eine neue Lage durch die Zurückziehung der Freiwilligen geschaffen werde.

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Selmgesecht mit Kanonen und

Tokio, 8. Juli. Die japanische Telegraphenagentur Domei mel­det einen ernsten Zusammenstoß zwischen japanischen und chine­sischen Truppe«, der sich in der Nacht zum Donnerstag in den nördlichen Vororten Peipings ereignete. Danach stießen Teile der japanischen Garnison bei einer Nachtübung in Lugouchian mit chinesischen Truppen der 29. Armee Sungchequans zusammen. Das in Lugouchiau stationierte 209. Regiment der 29. Armee eröfsnete unvermittelt Feuer auf die japanischen Truppen. So­fort herbeieilende Verstärkungen, bestehend aus Teilen der nord­chinesischen Garnisonen, würde« erneut von den chinesischen Ab­teilungen beschossen. In de» Morgenstunden des Donnerstags »ahm das Gefecht derartigen Umfang an, daß in den Stadt­bezirken Peipings lebhaftes Maschinengewehrfeuer zu hören war. Die Eesechtshandlnngen dehnte« sich auch auf benachbarte Orte und die dort stationierte« japanischen und chinesischen Truppen­teile aus. In Lungwangmiau wurden bereits Feldgeschütze ein­gesetzt. ,

Die Agentur Domei bezeichnet die Zusammenstöße als die weitaus ernstesten der letzten Zeit. In politischen Kreisen wird die Lage mit Rücksicht auf die zunehmende antijapanische Stimmung in Nordchina und die kärglichen Maßnahmen der Nanking-Regierung, die selbständige Verwaltung Peipings iu stärkere Abhängigkeit von der Zentralregierung zu bringen, äußerst ernst beurteilt. >

Maschinengewehren, 200 Tote

Die Kommission für militärische Angelegenheiten in Nanking, deren Vorsitzender Marschall T s ch i a n g k a i s ch e k ist, hat von den chinesischen Militärbehörden einen Bericht über die blutigen Zusammenstöße zwischen chinesischen und japanischen Truppen in den nördlichen Vororten Peipings erhalten. Nach dieser Dar­stellung haben die japanischen Truppen am Mittwoch abend auf chinesische Posten das Feuer eröffnet, das von chinesischer Seite erwidert wurde. Die Kommission hat nach Entgegennahme des Berichtes den General Tschangtschingtschung, den Kommandeur der in die Vorgänge verwickelten Divisionen, angewiesen, alles zu tun, um die Zwischenfälle nach Möglichkeit zu begrenzen.

Rach weiteren hier vorliegenden Meldungen aus Peiping hielt der Kanonendonner, der auf den Wällen der alten Kaiser­stadt deutlich zu hören war, bis 9 Uhr morgens (Ostzeit) an. Das japanische Hauptquartier in Peiping meldet, daß ein japa­nischer Offiziers gefallen und mehrere japanische Soldaten ver­wundet sind. Der erste Zusammenstoß am Mittwoch abend sei durch Vermittlung chinesischer und japanischer Offiziere zunächst bergelegt worden. Die Japaner hätten dann aber mehrere hun­dert Mann ihrer Gesandtschaftswache zur Verstärkung heran- gczögen, und am Donnerstag morgen gegen 4 Uhr sei es zu einem neuen Zwischenfall gekommen, aus dem sich das