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MaLjorraLes NachrichLm- rmd Anzeigenblatt für dis OberamLsbeZirks Nagold, Calw, Freudenstadt und Neuenbür^
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Nummer 221 ^ Altensteig, Samstag, den 21. September 1935 ! 5 8. I»hr>«»>
SaS KMeverMniS im Mtelmrer
Von Oberstleutnant a. D. Benary.
Es gab eine Zeit, da war Las Mittelmeer eine englische See, da hielt Großbritannien seine Tore Gibraltar und den Suez-Kanal fest in der Hand, da war seine Mittelmeerflotte allen Anliegerstaaten turmhoch überlegen. Seitdem die Herrschaft über die Straßen der Welt nicht mehr allein zu Lande und zu Wasser, sondern auch in der Luft erkämpft werden muß, hat sich Las Bild geändert. Die Anliegerstaaten, die ein Wasserbecken von der Größe des Mittelmeeres in allen seinen Ecken und Winkeln mit ihren Flugzeugen im Hin- und Rückflug beherrschen, die durch ein paar glückliche Bombenabwürfe Schlachtschiffe versenken, Flotten- und Luftstützpunkte zerstören können, beginnen der Vormachtstellung des lusttechnisch abseits liegenden englischen Insel- reiches gefährlich zu werden. Schon schlägt man unter dem Eindruck des drohenden abessinischen Konfliktes in London Alarm, fordert dringende Schutzmaßnahmen für die so wichtige Etappenstraße zum indischen Kolonialreich und zu den Oelguellen Mesopotamiens.
Freilich, ganz so hoffnungslos, wie sie englische Pressestimmen hinstellen, ist die Lage nicht. Der Vorschlag des Abgeordneten Commander Kenworty, das westliche Mittelmeer mit seinen Stützpunkten Gibraltar und Malta zu räumen und sich auf die Verteidigung des östlichen Mittelmeeres, den Schutz des Hafens von Haifa, des Endpunktes der englischen vorderasiatischen Oelleitung, und des Suez-Kanals zu beschränken und die Etappenstraße nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung zu führen, ist zweifellos verfrüht. Der lateinische Block — Italien, Frankreich, Spanien —, den der Commander schon Wirklichkeit geworden sieht, ist ein Nachtgespenst, und die Wehrlosigkeit Gibraltars und Maltas gegen umfassende Angriffe zu Lande und aus der Luft durch jene drei Schwesternstaaten eine Wahnidee. Gewiß schon -die italienischen Flugstreitkräfte allein könnten ihnen beträchtlichen Schaden zufügen. Sie haben nur wenige Flugstunden bis zu dem Felsennest an den Säulen des Herkules und umklammern gleichsam Malta, den englischen Inselstützpunkt an der Grenzscheide des westlichen und östlichen Mittelmeeres, von den Flughäfen auf Sizilien und in Tripolis. Aber einmal ist es schwer denkbar, daß der Luftschutz der beiden englischen Stützpunkte nicht auf der Höhe der Zeit steht, daß ihre Kampfflugzeuge und Flaks nicht die angreifenden italienischen Bombengeschwader bei Anflug vernichten oder wenigstens in Höhen zwingen werden, aus denen ihr Bombenabwurf mehr als unsicher wird. Dann dürften auch ihre Verteidigungswerke, ihre Docks und Lagerhäuser nicht so ungeschickt angelegt, verteilt und getarnt sein, daß sie schon nach den ersten Treffern jeden militärischen Wert verlieren. Schließlich ist noch immer die englische Mittelmeerflotte da, die zur Zeit der italienischen Flotte weit überlegen ist und selbst eine Verstärkung der Italiens durch die französische Flotte nicht zu befürchten braucht.
Die englische Seemacht im Mittelmeer umfaßt gegenwärtig die neuesten Einheiten der englischen Flotte: Das erste Linienschiffgeschwader mit 5 der größten und schnellsten Schlachtschiffe, 1 Flugzeugträger, 1 Zerstörer,' das 'I. und 3. Kreuzergeschwader mit 4 schweren und 4 leichten Kreuzern: die 1., 3. und 4. Zerstörerflottille mit einem Kreuzer und 24 Zerstörern; die 1. ll-Vootsflottille mit 6 Booten, dazu 8 Minensucher, Mutterschiffe, Werkstatt- und Lazarettschiffe, zusammen fast ISO Einheiten. Hinter ähr steht die dreimal so starke Heimatflotte, die nach wenigen Tagen zur Unterstützung herangeführt werden kann.
Die italienischeFlotte zählt dagegen alles in allem nur 182 Schiffseinheiten mit 384 734 Tonnen, von denen aber nur zwei Drittel als neuzeitlich anzusprechen sind und unter denen sich vor allem nur 1 neuzeitliches Großkampsschiff befindet, während 2 ältere Eroßkampfschiffe im Umbau begriffen sind. Es ist kaum zu erwarten, daß die italienischen Schiffe in der Lage wären, den britischen Schiffen ein siegreiches Paroli zu bieten, wenn sie herandampften, um Italiens Küstenplätze und Einschiffhäfen: Neapel, Livorno, Brindisi oder wie sie sonst noch heißen mögen, unter Feuer zu nehmen.
In der Luft freilich spricht das llebergewicht der Kräfte mit 31 Flugbootstaffeln und 27 Vordstaffeln gegenüber 8 Bomben- (Land- und Flugboot-)Staffeln auf Malta, in Aegypten und Palästina und 5 Vordstaffeln gewaltig iür Italien, wenn sich auch das Verhältnis durch Perschieben weiterer englischer Flugstaffeln aus dem Mutterlands und Irak an die Küste des Mittelmeeres rasch ändern kann. Mit vielem Geschick hat Italien sich auch im nördlichen Mittelmeer eine Lustbasis mit dem nördlichen Stützpunkt aus den Inseln Dodekanes, auf Leros und Rhodos und mit dem südlichen Stützpunkt Tobruk in der Cyrenaika geschaffen, die ihr Gesicht offenbar gegen Port Said und Haifa richtet. Als Gegengewicht haben die Engländer erhebliche Geldmittel in den militärischen Ausbau von Cypern gesteckt, vor allein den Haupthafen Famagusta erweitert, die Verteidigungswerke auf der ganzen Insel verstärkt und für
Verbindungsstraßen unter ihnen gesorgt, sowie sich an den Bau einer Anzahl großer bombensicherer Oeltanks gemacht Auch die Befestigung von Haifa, der freilich durch ein, )fon- Leres Völkerbundsstatut Schranken auferlegt sind, soll ins Auge gefaßt sein. Die Verteidigung des Suez-Kanals, seine Sperrung sür die unerwünschte Durchfahrt von Schiffen kriegführender Mächte dürfte nach den Erfahrungen des Weltkrieges nicht allzu schwer sein. In den letzten Wochen ist selbstverständlich alles von Seiten Englands getan, um seine Wehrstsllung im Mittelmeerbecken nach jeder Richtung zu verstärken. Flugabwehrgerät ist nach Malta ver
frachtet, Fluggeschwader sind nach Aegypten in Marsch ge. setzt, die Bewachung des Suez-Kanals verstärkt und der Luftschutz von Malta einer Generalprobe unterworfen worden.
Der Krieg ist und bleibt das Gebiet der Ueberraschungen. Man soll sich hüten, seinen Verlauf Voraussagen zu wollen. Begnügen wir uns daher auch in der Frage um das Gleichgewicht im Mittelmeer mit der einfachen Feststellung der militärischen Zurüstungen und hoffen wir, um des Weltfriedens willen, daß sie nicht ihre Stärke zu erproben brauchen.
Wird Mira d»K noch Menke» .'
Londoner Messe sieht einen Hoffnungsschimmer - Bedingte Annahme durch Abessinien
Rom, 20. Scpr. Wenngleich die Vorschläge des Fünfer-Ausschusses in hiesigen politischen Kreisen auch weiterhin mit größter Skepsis beurteilt werden, so unterläßt man es doch jetzt allgemein, dis Vorschläge rundweg abzulehnen. In ihrer gegenwärtigen Form seien sie allerdings, wie an zuständiger Stelle erklärt wird, für Italien nicht annehmbar, falls nicht noch einschneidende Aenderungen vorgenommen werden sollten. In dieser Absicht werden, wie man hinzusetzt, die Vorschläge des Fünfer-Ausschusses in Rom von der italienischen Regierung zur Zeit einer Prüfung unterzogen. Wie rasch diese Prüfung durchgeführt werden kann und wie weit -er auf Samstag einberufene Ministerrat bereits endgültig zu diesen Vorschlägen Stellung nehmen kann, läßt sich noch nicht übersehen.
! Der italienisch-abessinische Streitfall gewinnt auch in der italienischen Presse immer mehr den Charakter eines fast ausschließlich italienisch-englischen Konflikts im Mittelmeer. Das halbamtliche „Eiornale d'Jtalia schreibt: „Angesichts des Treibens gewisser englischer Kreise, die Italien getroffen und zusammenbrechen sehen und diese edle Aufgabe den englischen im Mittelmeer zusammengezogenen Kriegsschiffen übertragen sehen möchten", stellt das Blatt in Form eines dringlichen Appells die Frage: Was wäre geschehen, wenn Italien seinerzeit nicht an der Seite Englands in den Weltkrieg eingetreten wäre, sondern mit seinem Heer und seiner Flotte sich auf die Seite der großen, gefürchteten und bereits sieghaften Streitkräfte Deutschlands und Oesterreich-Ungarns gestellt hätte? Welches Schicksal wäre England und seiner stolzen Flotte zuteil geworden, die heute, weil sie von einer gewaltigen Katastrophe verschont blieb, in voller Stärke gegen die Küsten Italiens in Bewegung gesetzt werden soll und Frauen und Kinder, darunter auch viele Waisen, zu bedrohen, deren Väter an der Seite englischer Soldaten gefallen seien? Das sei heute die entscheidende Frage, denn England könne an diese Bedrohung Italiens nur deshalb denken, weil Italien mit seinem Opfermut die Machtstellung Englands erhalten und vermehrt hätte.
Trotz der Sanktionswut, die heute die englischen Gemüter errege und zu Len tollsten Drohungen veranlasse, wollen wir,, so schließt der Direktor des halbamtlichen Blattes feine Ausführungen, noch nicht daran glauben, daß England nach kaum 20 Jahren seit Ser Intervention Italiens sich gegen die italienische Nation ein st eilen und gegen sie Vorgehen könne.
Bor ber Antwort Ztaliens
auf die Vorschläge des Fünferausschusses
Rom, 20. September. Nach einer ersten Ueberprüfung der Vorschläge des Fünferausschusses hat Mussolini am Freitagnachmittag den französischen Botschafter Cham- brun und Staatssekretär Suvich den englischen Botschafter Sir Eric Drummond empfangen. Obwohl über diese Unterredungen nichts verlautet, ist man doch in politischen Kreisen geneigt, ihnen im Hinblick auf eins mögliche Weiterbehandlung des italienisch-abesfinischen Konflikts eine gewisse Bedeutung beizulegen. Der Ernst der Lage wird freilich nach wie vor allenthalben und besonders auch auf. französischer Seite mit besorgter Skepsis beurteilt.
Die Antwort des auf Samstagvormittag angesetzten Ministerrates dürfte nach Ansicht italienischer unterrichteter Kreise mit Bemerkungen verknüpft sein, die ihrerseits den Gegenstand weiterer Beratungen des Fünferausschusses bilden könnten. Im Hinblick auf diese Möglichkeit wird in hiesigen autorisierten Kreisen der größte Wert auf die Feststellung gelegt, daß die militärische Aktion Ztaliens in l Lstafrila, die als Vorbeugungsmaßnahme gedacht sei, nicht ! über den Charakter ähnlicher kolonialer Maßnahmen hinausgehen soll, wie sie wiederholt in anderen Kolonial- abfchnitten durchgeführt worden seien, und wie man sie unter Einsetzung von Tanks und anderen modernen Kriegswaffen zur Zeit an der nordindischen Grenze erlebe.
Auf keinen Fall werde Italien eine Initiative ergreifen, die den italienisch-abesfinischen Konflikt auf Europa ausdehnen und den europäischen Kontinent in kriegerische Verwicklungen ziehen könnte.
Londoner Presse sieht einen „Hoffnungsschimmer-
London, 20. Sept. Nachdem die englische Morgenprcsse die Aussichten im italienisch-abessinischen Streit in Schwarz gemalt hatte, ist in den Abendblättern eine gewisse Wendung zu verzeichnen. Sie glauben. Laß „ein Stück Blau am Wolkenhimmel aufgetancht sei, und daß plötzlich ein „Hoffnungsschimmer" sichtbar geworden sei. Reuter meint, es seien Anzeichen vorhanden, daß Mussolini „endlich", nachdem er die Pariser Vorschläge verworfen habe, die Genfer Friedensvorschläge studiere. Der römische Korrespondent von Reuter berichtet, man sei in Rom zu der Auffassung gelangt, daß die Vorschläge des Fünfer-Ausschusses von Italien als Verhandlungsgrundlage angenommen werden konnten, „wenn sie zufriedenstellend abgeändert würden".
Abessinien mb die Senfer DorMöge
Bedingte Annahme — Kein Verzicht auf Unabhängigkeit —
Der Kaiser vor Vertretern der Weltpresse
Addis Abeba, 20. Sept. Die Vorschläge des Fünfer-Ausschusses werden weiter eingehend geprüft. Im großen und ganzen betrachtet man sie hier als annehmbar. Allerdings steht die Regierung aus dem Standpunkt, daß sie gemäß ihren früheren Zusagen über wirtschaftliche Zugeständnisse, oie allen Ländern gleiche Rechte einräumen, nicht in der Lage sein wird, Italien Sonderzugeständnisie einzuräumen, da diese unter Umständen Streitigkeiten mit den anderen interessierten Großmächten bringen könnten.
Im übrigen hat der Kaiser die Schaffung einer besonderen Polizei, die für die Sicherheit der in Abessinien lebenden Europäer sorgen soll, bereits vorbereiter. Was die Kontrolle des Sklavenschmuggels anbelangt, so ist man hier der Ansicht, daß dies die Aufgabe der anliegenden Länder sei, durch die der Schmuggel erfolgt. In der Frage der Aafnahmeaus- ländischer Berater in die abessinische Regierung ist man nach wie vor zu Zugeständnissen bereit. Der Völkerbund solle seine Kandidaten — Europäer oder Amerikaner — vorschlagen, der Kaiser behalte sich jedoch seine Einwilligung vor.
Das große Festessen, das der Kaiser von Abessinien, wie angekündigt, am Donnerstag abend für die in Addis Abeba weilenden Vertreter der Weltpresse veranstaltet hat, nahm in Anwesenheit von 85 Pressevertretern einen glänzenden Verlaus Im Verlauf des Abends nahm der Kaiser das Wort zu einer Ansprache, in der er nochmals wiederholte, daß er niemals ein Mandat, welcher Form es auch sei, annehmen werde, das die Unabhängigkeit seines Landes verletzen würde. Er sagte wörtlich: „Ueber 2000 Jahre unserer Freiheit haben wir unsere Fähigkeit gezeigt, ohne Protektorat selbst zu regieren. Als Führer des Kaiserreiches und Beschützer meines Volkes werde ich im Kriegsfälle selbst das Heer gegen den Feind führen, aber Gott wird es zu verhindern wissen, daß unser Streit mit Italien einen blutigen Ausgang nimmt.- Wir können Italien kein« wirtschaftlichen und Gebietszugeständnisse gewähren, ohne eine Gegenleistung zu erhalten, oder Italien dadurch von einem Angriff abzuhalten. Als unabhängiger Staat wachen w-r über unsere Freiheit."
Manöver der ägyptischen Luftflotte
Kairo, 20. Sept. Die fünftägigen Manöver der ägyptischen Luftflotte, die unter Führung englischer Offiziere abgehalten wurden, wurden am Freitag beendet. Sie bestanden hauptsächlich :m Bombenabwurf auf Ziele in der Wüste. Die Verbindung zwischen dem englischen Hauptquartier und der neu eingerichteten Flugbasis an der Ostküste des Suczkanals wurde durch Flugzeug« sichergestellt. Die in Hclmieh bei Kairo stehenden motorisierten Truppen erhielten die' Weisung, sich für Wüstenexpeüitionen bereitzuhalten. Aus Bassorab wird gemeldet, daß eine Verstärkung der englischen Flugstützpunkte am Persischen Golf im Gange sei.