Nr. 20.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

Arfchrinunalweis«: Smal wüihrritltch. Anzetgenprel«: Im Oberaint«- «alw für die einspaltig- Borgte,eile 10 Psg.. -utzerh-lb derselben 12 Psg., N»8«men LS Psg. «chlus, für Jnseratannahme 10 Uhr vormittag«. Lelefon S.

Dienstag, den 26 Januar 1815.

BezugSprei«: In der Stadt mit Lriigerlohn Mk. l.W viertelfährlich, Post­bezugs,irei« sür den Ort»- und NachbarortSvertekr Mk. I.2U, im Fernverkehr Mk. 1.S0. Bestellgeld in Württemberg S0 Psg., in Bayern und Reich «3 Pf,.

A«ur«y» ser»»«e«M«y««s«».

Bekanntmachung

des Stellvertreters des Reichskanzlers über die Bereitung von Backwaren »om 5. Januar ISIS. (Reichs -Ges.-Bl. S. 8.)

§ i.

Als Roggenbrot im Sinne dieser Verordnung gilt jede Bückware, mit Ausnahme des Kuchens, zu deren Bereitung mehr als dreißig Eewichtsteile Roggenmehl auf siebzig Ee­wichtsteile an anderen Mehlen oder mehlartigen Stoffen verwendet werden.

Als Weizenbrot im Sinne dieser Verordnung gilt, ab­gesehen von dem Falle des 8 5 Abs. 4 Satz 2, jede Backware, mit Ausnahme des Kuchens, zu deren Bereitung Weizen­mehl verwendet wird.

Als Kuchen im Sinn dieser Verordnung gilt jede Backware, zu deren Bereitung mehr als zehn Eewichtsteile Zucker auf neunzig Eewichtsteile Mehl oder mehlartiger Stoffe verwendet werden.

8 2 .

Bei der Bereitung von Brot dürfen ungemischtes Wei­zenmehl, Weizen- und Roggenauszugsmehl nicht verwendet werden.

8 3.

Bei der Bereitung von Weizenbrot muß Weizenmehl in einer Mischung verwendet werden, die dreißig Eewichts- tctle Roggenmehl unter hundert Teilen des Gesamtgewichts enthält; der Weizengehalt kann bis zu zwanzig Eewichts- teilen durch Kartoffelstärkcmehl oder andere mehlartige Stoffe ersetzt werden.

8 4.

Weizenbrot darf nur in Stücken von höchstens hundert Gramm Gewicht bereitet werden, soweit nicht die Landes­zentralbehörde aus besonderen Gründen zur weiteren Ein­schränkung des Verbrauchs von Weizenbrot etwas anderes bestimmt. Die Landeszentralbehörden können bestimmte Formen und Gewichte vorschreiben.

8 5 .

Bei der Bereitung von Roggenbrot muß auch Kar­toffel verwendet werden.

Der Kartofselgehalt muß bei Verwendung von Kar­toffelflocken, Kartoffelwalzmehl oder Kartoffclstärkemehl mindestens zehn Eewichtsteile auf neunzig Eewichtsteile Roggenmehl betragen. Werden gequetschte oder geriebene Kartoffeln verwendet, so muß der Kartoffelgehalt minde­stens dreißig Eewichtsteile auf neunzig Eewichtsteile Rog­genmehl betragen.

Roggenbrot, zu dessen Bereitung mehr Eewichtsteile Kartoffel verwendet find, muß mit dem BuchstabenK" bezeichnet werden. Werden mehr als zwanzig Eewichtsteile Kartoffelflocken, Kartoffelwalzmehl oder Kartoffelstärke­mehl, oder werden mehr als vierzig Eewichtsteile gequetschte oder geriebene Kartoffeln verwendet, so muß das Brot mit Len BuchstabenKX" bezeichnet werden.

Zur Bereitung von Roggenbrot darf Weizenmehl nicht verwendet werden. Die Landeszentralbehörden können aus besonderen Gründen zulassen, daß das Roggenmehl bis zu dreißig Eewichtsteilen durch Weizenmehl ersetzt wird.

Statt Kartoffel kann Eerstenmehl, Hafermehl, Reis­mehl oder Eerstenschrot in derselben Menge wie Kartoffel­flocken verwendet werden.

8 6 .

Die Bestimmungen des 8 5 gelten nicht für reines Roggenbrot, das aus Roggenmehl bereitet ist, zu dessen Her­stellung der Roggen bis zu mehr als dreiundneunzig vom Hundert durchgemahlen ist.

8 7.

Die Landeszentralbehörden können bestimmen, daß Roggenbrot nur in Stücken von bestimmten Formen und Gewichten bereitet wird.

8 8 .

Bei der Bereitung von Kuchen darf nicht mehr als die Hälfte des Gewichts der verwendeten Mehle oder mehl­artigen Stoffe aus Weizen bestehen.

8 S.

Alle Arbeiten, die zur Bereitung von Backware dienen, sind in Bäckereien »nd Konditoreien, auch wenn diese nur einen Nebenbetrieb darstellen, in der Zeit von sieben Uhr abends bis sieben Uhr morgens verboten.

Die höheren Verwaltungsbehörden können Beginn und

Ende der zwölf Stunden, auf die sich dieses Verbot erstreckt, für ihren Bezirk oder für einzelne Orte mit der Maßgabe anders festsetzen, daß die Arbeit nicht vor sechs Uhr mor­gens beginnen darf.

Die Landeszentralbehörden können das Bereiten von Kuchen auf bestimmte Wochentage beschränken.

8 10 .

Roggenbrot von mehr als fünfzig Gramm Gewicht darf erst vierundzwanzig Stunden nach Beendigung des Backens aus den Bäckereien und Konditoreien, auch wenn diese nur einen Nebcnbetrieb darstellen, abgegeben werden.

8 11 .

Die Verwendung von backfähigem Mehl als Streumehl zur Isolierung des Teiges ist in Bäckereien und Kondito­reien, auch wenn diese nur einen Nebenbetrieb darstellen, verbeten.

8 12 .

Diese Vorschriften gelten auch, wenn der Teig von einem anderen als dem Hersteller ausgebacken wird, sowie wenn Backware von Konsumentenvercinigungen für ihre Mitglieder bereitet wird.

8 13.

Die Beamten der Polizei und die von der Polizei be­auftragten Sachverständigen sind befugt, in die Räume, in denen Backware bereitet, ausbewahrt, feilgehalten oder ver­packt wird, jederzeit einzutreten, daselbst Besichtigungen vor­zunehmen, Geschäftsaufzeichnungen einzusehen, auch nach ihrer Auswahl Proben zum Zwecke der Untersuchung gegen Empfangsbestätigung zu entnehmen.

8 14.

Die Unternehmer von Betrieben, in denen Backware hergestellt oder gelagert wird, sowie die von ihnen bestellten Betriebsleiter und Aufsichtspersonen sind verpflichtet, den Beamten der Polizei und den Sachverständigen Auskunft über das Verfahren bei Herstellung der Erzeugnisse, über den Umfang des Betriebs und über die zur Verarbeitung gelangenden Stoffe, insbesondere auch über deren Menge »nd Herkunst, zu erteilen.

8 15.

Die Sachverständigen sind, vorbehaltlich der dienst­lichen Berichterstattung und der Anzeige von Gesetzwidrig­keiten, verpflichtet, über die Einrichtungen und Geschäfts- Verhältnisse, welche durch die Aufsicht zu ihrer Kenntnis kommen, Verschwiegenheit zu beobachten und sich der Mit­teilung und Verwertung der Geschäfts- und Betriebsgeheim­nisse zu enthalten. Sie find hierauf zu vereidigen.

8 16.

Bäcker, Konditoren und Verkäufer von Backware haben einen Abdruck dieser Verordnung in ihren Verkaufs- und Betriebsräumen auszuhängen.

8 17.

Die Landeszentralbehörden erlassen die Bestimmungen zur Ausführung dieser Verordnung.

8 18.

Mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten wird bestraft:

1. wer den Vorschriften der 88 2, 3. 4, 5, 8, g, 10, 11, 16 oder den auf Grund der 88 4, 7 erlassenen Bestim­mungen der Landeszentralbehörde zuwiderhandelt;

2. wer wissentlich Backware, die den Vorschriften der 88 2, 3, 4. 5, 8 oder den auf Grund der 88 4, 7 erlassenen Bestimmungen der Landeszentralbehörde zuwider be­reitet ist, verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt;

3. wer den Vorschriften des 8 15 zuwider Verschwiegen­heit nicht beobachtet oder Mitteilung oder Verwertung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen sich nicht enthält;

4. wer den nach 8 17 erlassenen Ausführungsbestimmun­gen zuwiderhandelt.

In dem Falle der Nr. 3 tritt die Verfolgung nur auf Antrag des Unternehmers ein.

8 19.

Mit Geldstrafe dis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Hast wird bestraft'

1. wer den Vorschriften des 8 13 zuwider den Eintritt ,in die Räume, die Besichtigung, die Einsicht in die Eeschäftsaufzeichnungen oder die Entnahme einer Probe verweigert;

2. wer die in Gemäßheit des 8 14 von ihm erforderte Auskunft nicht erteilt oder bei der Aushinstserteilung wisientlich unwahre Angaben macht.

8 20 .

Diese Verordnung gilt nicht für Backware, die aus dem Ausland eingeführt wird, und nicht für Zwieback, der für Rechnung der Heeres- und Militärverwaltung hergestellt wird.

Sic gilt ferner nicht für Erzeugnisse, die bei religiösen Handlungen verwendet werden.

8 21 .

Diese Verordnung tritt mit dem 15. Januar 1915 in Kraft. Der Reichskanzler bestimmt den Zeitpunkt des Außer­krafttretens.

Die Bekanntmachung über den Verkehr mit Brot vom 28. Oktober 1914 (Reichs-Gesetzblatt 2. 459) wird auf­gehoben.

Berlin, den 15. Januar 1915.

Bekanntmachung de» Ministeriums des Innern betr. die Bereitung von Backwaren.

Zu der Bekanntmachung des Stellvertreters des Reichs­kanzlers über die Bereitung von Backwaren vom 5. Januar d. I. (Reichs-Ees.-Bl. S. 8, abgedruckt in Beil, zu Nr. S des Staats-Anzeigers), werden folgende Ausführungsbestim­mungen getroffen:

1. Auf Grund von 8 5 Abs. 4 der Bekanntmachung wird bis auf weiteres zugelassen, daß bei der Bereitung von Rog­genbrot das Roggenmehl bis zu 30 Eewichtsteilen durch Weizenmehl ersetzt wird, daß unter 100 Teilen des Gesamt­gewichts 30 Gewichtsteile Roggenmehl enthält (s. 8 3 der Bekanntmachung.)

2. Höhere Verwaltungsbehörde im Sinne des tz 9 Abs. 2 der Bekanntmachung sind die Stadtdirektion Stuttgart und die Oberämter. Der Beginn der 12stündigen Arbeits­zeit darf von ihnen nicht nach 8 Uhr morgens festgesetzt wer­den. Auf die Bekanntmachung des Ministeriums des In nern, betreffend die Sonntagsarbeit in Bäckereien vom 15. Januar ds. Js. (Staats-Anzeiger Nr. 12) wird Bezug ge­nommen. Während der in 8 9 vorgeschriebenen 12stün- digen Ruhezeit sind alle Arbeiten, die zur Bereitung von Backware dienen, insbesondere auch die Herstellung des Vor­teigs (Hefestücks, Sauerteigs) verboten.

3. Kuchen dürfen nur an den ersten 5 Wochentagen der Woche bereitet werden.

4. Alles Roggenbrot von mehr als 50 Gramm Gewicht muß mit einer Ziffer bezeichnet werden, die dem Monats­tage seiner Herstellung entspricht. Die Anbringung der Ziffer hat auf der Oberfläche des gebackenen Brotes selbst zu er­folgen; sie darf also nicht nur aufgeklebt werden. Noch nicht verkäufliche Ware ist von der verkäuflichen getrennt aufzubewahren.

5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Vorschriften über Bereitung von Backware mit Ausnahme der in den 88 911, 16 der Bekanntmachung gegebenen, nicht nur für die Herstellung solcher in Bäckereien, sondern auch für die in der Land- und Hauswirtschaft Geltung haben.

6. Die Polizeibehörden haben die Einhaltung der in der Bekanntmachung und in Vorstehendem getroffenen Vor­schriften aufs strengste zu überwachen, von den ihnen durch 8 13 der Bekanntmachung eingeräumten Befugnissen wei­testgehenden Gebrauch zu machen und die Einhaltung der Vorschriften nötigenfalls unter Anwendung von Zwang sicherzustellen.

Wenn irgend möglich, find zur Unterstützung der Poli­zeiorgane besondere Sachverständige aufzustellen, die nach 8 15 der Bekanntmachung auf ihre Obliegenheiten zu ver­eidigen sind. Die K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel ist bereit, die Polizeibehörden bei der Aufstellung von Sach­verständigen zu unterstützen.

Die zu entnehmenden Proben können den in Frage kommenden Nahrungsmitteluntersuchungsämtern, dem hy­gienischen Laboratorium des K. Medizinalkollegiums oder der chemischen Anstalt der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel eingesandt werden.

Stuttgart, den 21. Januar 1915.

Fleischhauer.

Vorstehendes wird auftragsgemäß hiemit zu allge­meinen Kenntnis gebracht.

Die Ortspolizeibehörde« haben für die Durchführung der getroffenen Anordnungen nachdrücklichst Sorge zu tragen

Calw, den 23. Januar 1915.

K. Oberamt: Binder.

Obige Bekanntmachung gilt auch für die Stadt Ealw

Stadtschultheitzenemt.