kette 2

Anfang Januar sogar 'wißen, im Rahmen der französisch­italienischen Verhandlungen von Rom sei auch ein geheimes Abkommen abgeschlossen oder vorbereitet morden, das Ita­lien das Protektorat über Abessinien sichere. Diese Mög­lichkeit hat sogar in England Unruhe hervorgerufen Wenn dort an den Quellen des Blauen Nils politische Verschie­bungen vor sich gehen sollten, so würden auch die britischen Interessen im Sudan berührt werden.

Abessinien hat seinerzeit den Streitfall dem Völkerbund unterbreitet. In Afrika lebt man offenbar noch des from­men Glaubens. daß Gens sich solcher Dinge mit der Objek­tivität des neutralen Rechtsfinders und mit der Macht­vollkommenheit des internationalen Schlichters annehme. Diese Illusion wird inzwischen zerplatzt sein. Der Völker­bundsrat hat sich, wie immer in so heiklen Angelegenhei­ten. dadurch aus der Affäre gezogen, datz er eine Entschei­dung vertagte und einstweilen den beiden unmittelbar Be­teiligten es überlietz, die unklaren Erenzverhältnisse zu regeln.

Nun ist ein neuer Zwischenfall passiert. Nach ita­lienischer Darstellung haben bewaffnete Abessinier einen italienischen Posten südlich von Ualual überfallen. In dem Gefecht sind fünf Italiener getötet und sechs verwundet worden. Das wäre noch nicht welterschütternd. Aber das offizielle italienische Communique weist ganz offen aus die Gefahr eines Bruches zwischen Italien und Abessinien hin Don verantwortlicher Stelle wird bekannt gegeben, wenn das äthiopische Kaiserreich nicht volle Genugtuung gäbe, werde Italien ein Ultimatum stellen. Gleichzeitig wird of­fiziell bekannt gegeben, datz zwei italienische Divisionen mobilisiert und in kriegsbereiten Zustand versetzt worden find. Wenn noch ein Zweifel an dem Ernst o-r Auffassung, die in Rom herrscht, bestehen könnte, wird er durch die Aeutzerung des italienischen Kriegsrmnisters beseitigt, der wörtlich erklärte:Die Situation kann nicht übertrieben werden."

Wird es also Krieg geben zwischen Italien und Abessi­nien? Wenn solche Pläne auf italienischer Seite bestehen, wird man fragen müssen, welche letzten Ziele im äthiopischen Kaiserreich verfolgt werden Abessinien ist schon früher wiederholt Gegenstand des Interesses der europäischen Erotzmächte gewesen. Das Land, das im allgemeinen bis­her. abgesehen von den japanischen Konzessionen, die es im vergangenen Jahre bewilligte, eine fremdenseindliche Hal­tung einnahm und Ausländern keine Möglichkeit gab, ohne Regierungskonsens Grund und Boden zu erwerben und sich anzufiedeln, ist eines der fruchtbarsten der Erde: Es ist mehr als zweimal so grotz wie das Deutsche Reich und übrigens so dicht besiedelt, datz die Einzelhöfe oft nur wenige 100 Schritt voneinander entfernt liegen. Bei einer planmätzigen Erschließung des Landes, dessen Verkehrsverhältnisse heute, abgesehen von der in französischen und italienischen Hän- ? den befindlichen Eisenbahn vonDschibuti nach Addis-Abbeba, sich noch in denkbar primitivstem Zustande befinden, und bei einer systematischen Ausnutzung der natürlichen Frucht­barkeit, wäre es unter den gegebenen klimatischen Bedingun­gen, die durch die Abstufung der verschiedenen Höhenlagen außerordentlich variationenreich sind, möglich, nahezu sämt­liche Nutzpflanzen der Welt hier anzubauen. Außer den üblichen Getreidearten und Kaffee können Kautschuk, Vaumwclle, Sisalhanf gewonnen und Viehzucht in größ­tem Umfange betrieben werden. Alles das aber ist davon abhängig, datz die technischen Möglichkeiten für den Ab­transport der Produkte geschaffen werden Heute bleibt die landwirtschaftliche Erzeugung fast ganz in dem Rahmen, den der Bedarf der einzelnen Wirtschaft zieht. Abessinien lebt io gut wie vollkommen außerhalb der Weltwirtschaft.

Man kann verstehen, daß die Aufmerksamkeit Italiens, das durch seine angrenzenden Kolonien Ery'hräa und So­maliland unmittelbaren Kontakt mit Abessinien unter­hält, hier ein Ziel für seinen Expansionsdrang und seine wirtschaftliche Betätigung steht. Vielleicht spielen außer den Möglichkeiten der Erschließung der agrarischen Pioduk- tionskraft des Landes noch andere Erwägungen mit. Ein amerikanischer Gelehrter polnischer Abkunft, der Archäo­loge Gras de Prorok. der kürzlich von einer acht Monate währenden Expedition nach Abessinien zvrllckgekehrt ist, be- zeichnete den westlichen Teil des Landes als ein zweites Klondyke. Er ist sicher, daß er in einer Entfernung von etwa 18 Meilen vom Blauen Nil an der abessinischen Grenze gegen Britisch-Suda» das sagenhafte Land Ophir und die Goldgruben Salomons entdeckt hat.

..WMm ich an Silier olmbe"

Das Bekenntnis eines englischen Pfarrers

London, 12. Febr. Dr. A. I. Macdonald, der Oberpfarrer der Kirche St. Dunstan in the West in der Fleet Street am Eingang des Londoner Zeitungsvlertets. veröffentlicht in der Daily Mail" unter der Ueberschrift:Warum ich an Hitler glaube", einen Aufsatz, in dem es «. a. heißt:

Hitler übernahm die Macht im Jahre 1933 zu einer Zeit, wo ein schlimmerer Feind, als jemals den Rhein bedroht hat, be­reits über die Weichsel vorgedrungen war. Als Hitler los­schlug. gab es sechs Millionen Kommunisten in Deutschland, von Lenen eine Million organisiert und bewaffnet war. Ich glaube an Hitler, weil er nicht nur Deutschland vor dem Schicksal Ruß­lands bewahrte, sondern auch Europa gerettet hat, nicht nur durch sein Beispiel, sondern auch durch sein Eingreifen. Aber die Größe Hitlers wird enthüllt nicht nur durch den Erfolg seiner Gegenrevolution, sonder» auch durch ihre Milde. Keine Revo­lution mit solchen Ergebnissen ist jemals mit s» wenig Blut­vergießen vurchgeführt worden. Zwei Gründe gibt es für diele erstaunliche Neuerscheinung in einer Revolution: erstens hatte Hitler die Mehrheit des deutschen Volke» hinter sich, und zweitens war lein« Revolution, auch wen» sie den Kommunis­mus unterdrückte, nicht radikaler Art. Er mag Tüchtigkeit, Schnelligkeit und unerschütterliche Treue verlangen: aber wenn diese Eigenschaften vorhanden sind, wird er nichts in Deutsch­land verbrechen, was dazu beitragen kann, bei Deutschlands Er­neuerung mitzuhelfen. Die Religion ist «in Beispiel hier­für. Hitler ist der erste große revolutionäre Führer, der die christliche Religion als Hilfe für seine Politik unterstützt. Er kennt das deutlich, wie ein erfahrener Pastor, Laß es ohne Re­ligion keine soziale Moral, keinen erhabenen politischen Idealis­mus und kerne wirkliche Reform geben kann. Somit schloß er

Lck»»r,«»ltze, T»,eareit»u,-

j ein Konkordat mit dem Vatikan und er versuchte, sich di« Mit« , ! arbeit einer geeinigten evangelüchen Kirche in Deutschland zu s i sichern Die beste Gewähr für die Stabilität des Regimes st - j vielleicht in dem eindringlichen sittlichen Eiker und dem enthalt- j : samen moralischen Leben dieses Mannes zu finden. j

i Zeichen der sittlichen Erneuerung Deutschlands ! s sind überall zu sehen. Das Hitler-Regime hat den unreinen ! ! Filmen ein Ende nemacht, die nächtlichen Straßen gesäubert und - die Nachtklubs ge:. .. en. Es stellt durch keine Propaganda die j j untaüelhasten alte» deutschen Ideale wieder her. Bisher hat die Hitler-Regierung als einzige europäische Regierung das Problem der Nachkriegsjugend in Angriff genommen. Anstatt es zuzulassen, daß die Generation, die die Schule verlassen hat, aber noch nicht von der Industrie ausgenommen worden ist, bei!» Bezug einer Arbeitslosenunterstützung verkommt oder ohne A.. .tslosenunterstützung verhungert, hat Hitler die üeurick>e Ju d in Organisationen eingereiht, die den Geist mit gesun­der itik und moralischem Unterricht beschäftigt, den Körper dur.:. , - ide Hebungen ermüdet und die den jungen Menschen gleichzeitig Nahrung. Kleidung und Wohnung gibt.

Einer der stärksten Eindrücke, den der Besucher des neuen Deutschlands emoiängt. ist die fröhliche Stimm« und das ge­sunde Gesicht des jungen Mannes, der in den Arbeits­dienst eingereiht ist. Dasselbe gilt von den Kindern. Im letzten Sommer wurden 1 209 99V Kinder nach den von Ser Regierung organisierten Lagern entsandt, um ihnen ein« Som­merferienzeit zu geben. Ueberall iah man gesunde braune Ge­sichter, glückliche, klare Augen, starke, geschmeidige Gliedmaßen, I weil der Führer sagt, die Jugend sei der kostbarste Besitz einer z Nation und weil er sie zu Führern großzieht, die sein Werk nach ihm fortsetzen werden.

Schließlich glaube ich an Hitler, weil er für internationalen Frieden eintritt und nicht für den Krieg. Er mag den deutschen Delegierten besohlen haben, den Völkerbund zu ver­lassen. aber nur deshalb, weil dies der einzige Weg war. um Deutschland gerechte Behandlung zu sichern Er mag das Recht zum Ausrüstcn in Anspruch nehmen, aber nur deshalb, weil die Alliierten den Versailler Vertrag hinsichtlich ihrer eigenen Ab­rüstung nicht erfüllt haben.

Der Aufsatz schließt: Tatsächlich sind die Handlungen die>es bemerkenswerten Mannes io folgerichtig, gewesen, daß die Zeit gekommen ist wo die britische Nation, die für ihre saire Be­handlung anderer berühmt ist. um ihre uneingeschränkte Billi­gung und ihr uneingeschränktes Vertrauen schenken sollte.

Milse zusonilimMe in Wik«

Ein Toter, zwei Schwerverletzte

Wien, 12. Februar. In Wien kam es am Dienstag­abend zu blutigen Zusammenstößen, bei denen ein Toter und zwei Schwerverletzte zu beklagen waren. Man erhält darüber folgende Darstellungen vo-n den maß­gebenden Stellen:Im Gemeindebezirk Otakring auf dem Repomukberger-Platz versuchten 200 Personen marxistischer Parteizugehörigkeit eine Versammlung unter freiem Him­mel abzuhalten. Es kam zu einem heftigen Zusammenstoß mit rasch herbeigeeilten Polizeimannschaften. Ein junger Kommunist, der eine rote Fahne trug, sollte verhaftet wer­den. Er widersetzte sich seiner Festnahme und gab mit sei­nem Revolver Feuer, wobei er einen Machtmann und einen Kriminalbeamten schwer verletzte. Als er sah, was er an­gerichtet hatte, stürzte er sich in einen Hausflur und erschoß sich selbst. In seinem Besitz wurde eine Pistole und zwei­hundert Schuß Munition gefunden."

Wie man jetzt hört, kam es auch an der Wiener Handels- Akademie zu größeren Kundgebungen marxistischer Studen- len. Diese warfen auch Flugzettel in größeren Massen aus den Fenstern des Schulgebäudes aus die Straße. Polizei drang in Las Gebäude ein und verhaftete zahlreiche Stu­denten.

Nach der amtlichen Mitteilung über den Zusammenstoß zwischen Marxisten und der Polizei im Gemeindebezirk Ota­kring wurde außer den beiden Beamten auch ein unbetei­ligter Fußgänger durch Schüsse verletzt. 7 Personen, die an der Demonstration beteiligt waren, konnten bisher ver­haftet werden.

In einigen Wiener Arbeiterbezirken wurden anläßlich des Jahrestages der Februarrevolte Sowjetsterne abge­brannt. Man konnte ferner die Tätigkeit eines geheimen Senders feststellen, der vermutlich im Gemeindebezirk Flo- risdorf arbeitet und der marxistische Propagandareden ver­breitet. In der großen Florisdorser Maschinenfabrik drohte, wie jetzt bekannt wird, am Dienstagmittag der Ausbruch eines Streiks. Die Arbeiter konn­ten jedoch von ihrem Vorhaben abgebracht werden. Aus der Provinz liegen nur spärliche Meldungen vor. In Salz­burg waren zahlreiche Drei-Pfeil-Abzeichen gestreut wor­den; auf dem Mönchsberg hatte man ein Sowjetsternfeuer angezündet.

DereiiryeMMiing res Eefurrryettswesevs

Berlin, 12. Febr. Am 6. Februar 1935 hat der Neichsminister k des Innern die erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Eeiundheit-wesens i im Einvernehmen mit dem Neichsminister der Finanzen erlas­sen.

Sie befaßt sich mit der Einrichtung und dem Aufgabenkreis der im Gesetz vorgesehenen Gesundheitsämter. Für die im Gesetz getroffene Regelung, datz die Bezirke der Gesundheits­ämter sich im allgemeinen mit den Bezirken der Kreise und un­teren Verwaltungsbehörden decken sollen, werden, insbesondere mit Rücksicht aus die autzerpreußischen Länder. Ausnahmen zu­gelassen. Um jedoch einer zu weitgehenden Zentralisierung vor- i zubeugen und die Inanspruchnahme durch die Bevölkerung zu ! erleichtern, wird die Bildung von Bezirks- und Nebenstellen ' i des Gesundheitsamtes zugelaßen Aus allen Gebieten der Ge- ' j sundheitspolizei, der Erb- und Rassenpslege, einschließlich der s ! Eheberatung, der Volksbelehrung der Sckiulgesundheitspslege, : ! wie der Gesundheitsfürsorge haben die im Gesundheitsamt ta- ! : tigen Aerzte die ärztlichen Feststellungen zu treffen und den zu- ? ; ständigen Stellen die erforderlichen Vorschläge zu machen. Die : wirtschaftliche Fürsorge und die Heilmaßnabmen bleiben Aus- - gäbe der bisherigen Träger, z. V. bei versicherten Personen ! ! der gesetzlichen Versicherungsträger. bei Fürsorgebedürsligen der >

Nr. 37

kommunalen Behörden. Es ist daher in der Verordnung ein« enge Zusammenarbeit mit diesen Stellen vorgesehen, ferner die ärztliche Mitwirkung bei Maßnahmen zur Förderung der Kör­perpflege und Leibesübung und die Amtsgerichts- und Ver­trauen-ärztliche Tätigkeit.

Das ärztliche Personal der Gesundheitsämter gliedert sich I» beamtete Aerzte. von denen der leitende Arzt die Bezeichnung Amtsarzt führt, und in Hilfsärzte. Bei den Hilssarztei. wird das Schwergewicht aus die E e s u n d h e i t s p s l e g e r l n al, berusene Mittlerin zwischen Amt und Kranken oder hilfsbe- dür'tigen Familien gelegt. Daneben erfolgt die Einstellung vo« sonstigen Hilfskräften (technischen Assistentinnen. Schwestern, Eesundbeitsaussehern und Bürokräften- nach Bedarf.

Aus Grund dieser Durchführungsverordnung werden die Län­der die Gesundheitsämter bis zum 1. April 1935 emrichten Bi» dahin wird auch die Dienstordnung sür den Dienstbetrieb der Aemter erlaßen sein, jodaß die Gesundheitsämter dann auch in der Lage sein werden, praktische Erb- und Rassenpslege zu trei­ben.

Die zweite Köliewelle in CvEen

Madrid» 12. Febr. Die zweite Kältewelle, die seit einigen Ta«, gen über Spanien hereingebrochea ist, hinterläßt m dem auf' sc-lch ungewöhnliche Temperaturen nicht vorbereiteten Sonnen« land traurige Spuren. Bei El Ferrol wurde aus der Landstraße ein alter Bettler erfroren aufgesunden. In San Fernando ver­mißte man ein Fischerboot Man fand es schließlich sührungslor auf. Der Fischer war ebenfalls der Kälte zum Opfer gefalle». In Teruel sank das Thermometer auf 14 G«ad rnter Null Die Frucht- und Eemüiepflanzungen in vielen Provinzen sind aus» schwerste in Mitleidenschaft gezogen. In den Apselsinenplanta- gen bei Valencia wurden zeitweise 45 Grad Kälte gemessen. Zum größten Teil sind die Bewässerungsanlagen eingefroren und der Hasenverkehr stillgelegt.

AvfskrvkwShstliche WMrrviiorvnWiilMe in dev Dkiir

Moskau. 12. Febr. Nachrichten der sowsetruisischen Arktischea- Wetterstalionen zujolge herrschen in der Arktis außergewühn-j liche Witterungsverhältnisse. So ist beispielsweise auf Franz-^ Josephs-Laud was bisher nicht beobachtet wurde, Tauwerrer: «ingetreten Auch von anderen Gegenden, jo den Inseln Wni« gatsch und Matotschkin-Scharr. werden Temperaturen von etwa, über 9 Grad gemeldet. Die sowjetrussischen Wetterstationen drücken die Ansichl aus. daß in allerkürzester Zeit in Europa eins Witterungsumschwung eintreten werde.

Errichiuilll neun amer SaaMr FlugftW'Mie

Washington. 12. Febr. Im Heeresausschuß des Unterhaus«» begann die Beratung über die Vorlage der Errichtung vo» sechs neuen Flugzeugstützpuuktea. Das demokratische Mitglied des Ausschußes, Wilcox, betonte, daß die Vereinigten Staate» in einem Krieg mit einer östlichen Macht die Besetzung Ala»- kas befürchten müßten. Denn Alaska sei ein wahres Mineral­kager, während Japan keinerlei mineralische Bodenschätze be­sitze.

Im Patentausschußes des Unterhauses erklärte der frühere stellvertretende Kommandeur der Luftflotte, Mitchell, bei der Erörterung von Flugzeugpatentsraqen, daß das Problem Ame­rikas der Stille Ozean Ir». Sollte Japan Alaska erreichen, fuhr er fort, kann es auch Neuyork erreichen. Japan wird sicki nicht durch Hawai ablenken laßen, sondern unmittelbar nach Neu» yort fliegen, was ungefähr 29 Stunden beanspruchen dürste.

Der Sauvlmolin.Prozrß

Staatsanwalt und Verteidiger im Hauptmann-Prozeß

Im Haupimann-Prozeß in Flemington begann die Verhand­lung am Montag mir der Anklagerede des Staair- anwalrs. der zunächst den Geschworenen iür das Interesse dankte, mit dem sie sechs Wochen lang den Zeugenaussagen ooa insgesamt eineinhalb Millionen Worten zugehört hätten. An­schließend gab er eine eingehende Uebersichi über die Zeugen­aussagen und erklärte, es sei überzeugend nachgewiesen, daß Aauptmann des Mordes schuldig iei.

Im Anschluß an die Rede des Staatsanwalts ergriff der Ver­teidiger des Angeklagten. R e i l l y. das Wort zu einer vier­stündigen Rede.Richtet nicht, aui daß ihr nicht gerichtet wer­det!" Hauptmann iei unschuldig. Trotz der gesellichaftlick^a Stellung der betroffenen Familie könne der Fall nur nach dem Veweismaterial entschieden werden. Der Verteidiger luchte van» zu beweisen, daß niemand in das Haus Lindbergh hätte ge­langen können ohne Hilfe von Personen, die dem Haushalt an- gehören, und es sei deshalb für ihn klar, daß die Hausangestellte Betty Gow und der verstorbene Diener Whateley a« der Entführung mitschuldig leien. Die Person, die Vas Lind« bergh-Kind entführte, sei dem Kind gut bekannt gewesen, da es sonst geschneit hätte. Auch der Hund habe nicht gebellt. Die angeblich zur Entführung verwendete Leitersei überhaupt nicht benutzt worden, da man sonst Spuren auf der Eroe unter Sen Fenstern gesunden hätte. Vielmehr sei das Kind di« Treppe hinuntergetragen worden.

Reilly warf dem Polizeiches Schwarz köpf vor. den Sind» bergh-Fall völlig verwirrt zu habe». Die Polizei habe Photo­graphien und Beweisstücke künstlich zurechtgemacht, um de» schwackjen Indizien nachzuhelsen. Daß Hauptmann die Ent» führuiigsnacht in der Vronxer Bäckerei und die Nacht, in der da« Lösegeld ausgeliesen wurde, in seiner eigenen Wohnung ver­bracht Hab« könne als erwiesen gelten Im weiteren Verlaufe seiner Ausführung wars der Verteidiger der Neuyorker Volizet vor, die Adresse und die Trlephonnummer Londons selbst auf Hauptmanns Schrankbrett geschrieben zu haben. Dieses Vor­gehen sei dasübelste Beispiel von Gemeinheit, dag er seit vielen Jahren bei der Polizei gesehen habe". Die bisher noch nicht gefundenen 35 999 Dollar Lösegelü befänden sich wahr­scheinlich noch dort, wo Isidor Fisch sie seinerzeit verborgen Hab«.

Am Schluß seiner Rede dankte Reilly dem Vorsitzenden de« Gerichts für seine unparteiliche Verhandlungsleitung, drückte Lindbergh sein ausrichtiges Beileid aus und forderte die Ge­schworene«! aus. den Angeklagten im Sinn« der Gerechtigkeit freizusprechen. Die Verhandlung wurde dann vertagt.