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Vereidigung der neuen österreichischen Regierung

Wien, 30. Juli. Der neuernannte Bundeskanzler Dr. Schusch­nigg erschien in den Nachtstunden mit den Mitgliedern des Ka­binetts beim Bundespräsidenten. Bundespräsident Miklas be­grüßte die Herren in einer längeren Ansprache, in der er u. a. ausführte:

Sie übernehmen ein großes Erbe, das politische Erbe des ver­ewigten Bundeskanzlers Dr. Dollfuß. Führen Sie es in Ehren weiter, in seinem Sinn und seinem Geiste. Mit anerkennenden Worte gedachte der Bundespräsident der bisherigen Leistungen des Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg, die eine volle Garantie dafür böten, daß der neubestellte Regierungschef die in lim ge­fetzten Erwartungen voll und ganz erfüllen werde. Desgleichen dankte der Bundespräsident dem Vizekanzler Starhemberg für die zielbewutzte und energische Führung der Regierungsge­schäfte seit dem Tode des verewigten Bundeskanzlers Hierauf legten der Bundeskanzler und die neuernannten Bundesmini­ster und Staatssekretäre den Eid auf die Verfassung ab. Nach der Vereidigung gelobte Dr. Schuschnigg die Führung der Regierungsgeschäfte im Sinne des unvergeßlichen Bundeskanz­lers Dr. Dollfuß zum Wähle des Vaterlandes zu führen.

Ae Kampfe in Kärnten

Eine uneinnehmbare Feljenstellung der Aufständischen

Wien, 3V. Juli Ein sehr interessanter Bericht traf am Mon­tag aus Kärnten ein. Während im allgemeinen die Ruhe im ganzen Bundesgebiet wieder hergestellt ist, haben sich 300 Auf­ständische unter Führung des gräflich Thnrn'schen Försters Jo­sef Wölz aus dem Rabenstein an einer steilen Felskuppe an der südslawischen Grenze festgesetzt. Sie weigern sich, sich zu ergeben und haben die fast uneinnehmbare Felsstellung schwer ver­schanzt. Von südslawischer Seite aber, wo der Zugang leichter ist. werden sie von den Bewohnern mit Nahrung versorgt. Die Heeresgruppen haben Parlamentäre zu Wölz geschickt mit der Aufforderung, er möge sich ergeben. Wölz wies dieses Ansinnen ab und erklärte, daß er bestimmt wisse, die Sache der Aufstän­dischen stände knapp vor dem Siege. Augenblicklich laufen Ver­handlungen zwischen der österreichischen und der südslawischen Regierung, um die Einsetzung von Artillerie aus österreichischer Seite zu ermöglichen. Es besteht nämlich die Gefahr, daß abir­rende Geschosse auf südslawischen Boden niedergehen. Bis jetzt scheint die Genehmigung von der südslawischen Regierung noch nicht erteilt worden zu sein. Der Sicherheitsdirektor von Kärn­ten, Oberst Barger, hat sich mit dem Stabe der ganzen Kärntner

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Erklärung der GesaMchafl in Berlm

Berlin, 30. Juli Die südslawische Gesandtschaft in Berlin teilt mit: Gegenüber den Ereignissen in Oesterreich ist der Stand­punkt der 'iidslawischen Behörden vollständig korrekt. Es wird «in« strenge Kontrolle an der Grenze vorgenommen und von irgend welchen Zwischenfällen oder Provokationen kann kein« Rede sein. Bisher sind 700 österreichische Flüchtlinge auf der Li­nie MariborDravograd (MarburgDrauburg) mit 200 Ge­wehren. einem Maschinengewehr und einigen Revolvern fest- genommen, sofort entwaffnet uns interniert worden. Die Be­wegungen an der Grenze werden init offenen Augen beobachtet und es wird allen Stellen zur Pflicht gemacht, die Ruhe zu bewahre». Es wurde alles Notwendige veranlagt, um die Sicherheit der Grenze zu gewährleisten und die korrekten Beziehungen zu Oesterreich aufrechtzuerhalten. Die südslawische Regierung ist der Ansicht, daß im Falle besonderer Verwicklun­gen einzig und allein der Völkerbund zuständig ist, um über die österreichische Frage als internationales Problem zu entscheiden. Jede andere einseitige Maßnahme bezw. eine Intervention wäre eine Verletzung der Friedensverträge und könnte weitere Folgen Hervorrufen.

Prager Unbehagen über die EvinnLluug

der ilaliemschen Politik

Prag, 30 Juli. Auch in der tschechoslowakischen Regierungs- presse beginnt sich die Besorgnis gegenüber einem wachsenden Einfluß Italiens in Oesterreich abzuzeichnen. So gibt der be­kannte Leitartikler der dem Prager Außenministerium nahe­stehendenLidove Doviny". Hubert Ripka, einen großen Teil der Schuld an der Entwicklung in Oesterreich der Tatsache, daß sich durch italienischen Einfluß das Regime Dollfuß dem Austro- Fafchismus in die Arme geworfen habe. Der europäische Friede werde nicht durch Diktaturen, sondern einzig und allein durch die Kraft der Demokratie aufrecht erhalten.

DasAzet Pondelnik". das Montagsblatt der tschechisch-natio­nalen Sozialen, der Partei des Außenministers, äußert sich: Eine Regierung, die sich nur aus die Heimwehren stützen wollte, hätte hinter sich eine Minderheit und zwar noch dazu eine solche, die sich schwer zur Tat entschließen könne. Weiter schreibt das Blatt, Starhemberg müsse abgelehnt werden, da er kein Staatsmann sei and außerdem ständig mit den Habsburger» kokettiere. Eine Rückkehr Ottos aus den österreichischen Thron sei unmöglich und würde unbedingt internationale Komplikationen Hervorrufen.

Mimische llnausrichiigkeite«

Mailand, 30. Juli. Die italienische Presse setzt ihren anti­deutschen Feldzug mit unverminderter Heftigkeit fort und über- jchlägt sich vor Zorn über die kräftige Zurechtweisung ihres Tones durch deutsche Zeitungen. In allen Zeitungen erscheint überdies der Artikel desEiornale d'Jtalia". der die Ver- anwortung Deutschlands am Tode Dollfuß' auf Grund vonBeweismaterial" dartun soll.Die internationale Situation", so schreibt das Blatt,nähert sich einer Klärung. Die Hauptgesichrspunkte sind di« folgenden: Die Unabhängigkeit Oesterreichs sei gesichert vor allem durch den Willen des Vol­kes (?). Heer. Heimwehr und Vaterländische Front ständen hinter der Regierung. Bei den Aufständen in Tirol. Steiermark «nd Kärnten handle es sich um vereinzelte Versuche. Italien werde keine diplomatischen Schritte unterneh­men und sich auch nicht an einem etwaigen Kollektio- fchritt beteiligen. Das sei nicht faschistischer Stil. Italien ziehe die konkreten, direkten Aktionen vor, di« den Horizont ge-

Heeresgruppe zum Kampfplatz begeben. Die Möglichkeit einer Gefangennahme besteht überhaupt nicht, da eine Umzingelung der Aufständischen nicht durchgefuhrt werden kann. Man will die Aufständischen nur auf südslawisches Gebiet drängen.

35v AMiindische überschreiten die südslawische Grenze

Belgrad, 30. Juli. DasDeutsche Volksblatt" in Neusatz be­rühret aus Marburg an der Drau, daß SSO Aufständische aus Kärnten die südslawische Grenze überschritten hätten. Sie Här­ten den südslawischen Behörden 200 Jnfanteriegewehre. ein Ma­schinengewehr und eine große Anzahl von Revolvern ausgelie- sert Die Massen seien österreichische Militärgewehre, die in italienischen Fabriken umgearbeitet worden seien. DiePrawda" berichtet, daß die Flüchtlinge nach Warasdin in Kroatien ge­bracht worden seien. Unter ihnen befänden sich Professoren. Lehrer. Aerzte und Rechtsanwälte. Mehr als die Hälfte seien ledoch junge Leute unter 20 Jahren. Viele von ihnen hätten keinen Pfennig bei sich und trügen die Kleider ihrer Arbeits­stätten. die sie bei Ausbruch der Revolte plötzlich verlassen hätten.

Lager für österreichische Aufständische in Kroatien

Belgrad, 30. Juli. Die Blätter berichten aus Warasdin in Kroatien, daß dort ein großes Lager für die österreichische« Aufständischen, die die südslawische Grenze überschritten haben, errichtet wird. Man rechnet damit, daß 800 bis 1000 Mann un- tergebracht werden sollen. Bisher sind, wie bereits gemeldet, etwa 800 Mann eingetroffen. Sie wohnen vorläufig in einer Schule.

Sämtliche Blätter haben Berichterstatter nach Warasdin ent­sandt und veröffentlichen jetzt Unterredungen mit einzelne« Aufständischen. Aus den Berichten geht übereinstimmend her­vor, daß die Revolte in Oesterreich nicht vorberei­tet war. sondern bei den Aufständischen selbst die größte Ueberraschung auslöste. Die Flüchtlinge stammen aus dem La- oantale in Kärnten und haben an den Kämpfen um Wolfberg teilgenommen. Sie erzählen, daß sie durch ern Manöver des Bundesheeres zum Rückzug gezwungen worden seien Eime Gruppe von SOO Mann sei aus Versehen ans südslawisches Ge­biet geraten und habe die Waffen ablegen müssen Eine andere Gruppe habe knapp an der Grenze Stellungen beziehen können und setzte den Kampf fort. Berichte aus Sen Grenzgebieten be­stätigen, daß in Kärnten tatsächlich noch gekämpft werde

tkmWsckr zeuge

klärt Hütten. Oesterreichs Unabhängigkeit sei eine der Be­dingungen des Friedens in Europa. Deutschland könne zurück- erwerden. was es für gut und plausibel erachte, im Okzident, cm Orient, im Norden und in den Kolonien, aber es könne keine Rechte, weder aus dem Kriege noch aus dem Frieden «ui Oesterreick herleiten. Das sei ein unabhängiger und souverä­ner Staat gewesen und werde es bleiben."

Es iolgen dann neue schulmeisterliche Zurechtweisungen der deutschen Presse. I

Simon gegen eine Aktion wegen Oesterreich

London, 30. Juli. Auf Unterhausanfragen über Oesterreich teilte Simon mit, daß Montag früh eine neue österreichische Regierung gebildet worden sei. Die letzten Berichte deuteten an, daß vereinzelte Kämpfe weiterhin in entfernteren Bezirken im Gange sind. Auf die Frage eines Mitgliedes des Parlamentes, welche Schritte die britische Regierung unternehme und zu un­ternehmen beabsichtige, um die Unabhängigkeit Oesterreichs zu wahren, erklärte Simon:Die Regierung verfolgt weiterhin sorgfältig die Lage. Es ist aber von Seiten der Regierung keine Aktion erforderlich oder in Erwägung. Letzten Februar und wieder vor kurzem erhielt ich von der österreichischen Regie­rung eine Sammlung »o« Material, das einen beträchtlichen deutschen Einflntz r» der Propaganda gegen die österreichische Regierung ru«d einer Reihe von auf österreichischem Gebiet begangenen Verbrechen andeutet. Dieses Material wurde von der österreichischen Regierung auch der italienischen und der französischen Regierung übermittelt. Bei der Bestätigung des Empfanges dieser Mitteilungen unterrichtete ich den öster­reichischen Gesandten dahingehend, daß die britische Regierung nicht die Absicht habe, in die Angelegenheiten irgend eines an­deren Landes einzugreise« und daß sie voll das Recht Oester­reichs anerkenne, zu fordern, daß keine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten non irgend einer andere« Seite er­folgt."

Mobilmachung -er Minen Entente bei Wiedereinsetzung der Habsburger

Paris, 30. Juli. Zu den aus englischer Quelle stammen­den Gerüchten, daß man in gewissen österreichischen Kreisen ernstlich an die Wiederherstellung der Monarchie denke, be­merkt dasEcho de Paris": Die französische Regierung hat sich mit der Kleinen Entente vor einigen Wochen dahin verständigt, daß die Wiedereinsetzung der Habsburger Monarchie ausgeschlossen sei. Sie würde ihre Ansicht hier­über nicht ändern können, ohne ihre Beziehungen zur Tschechoslowakei, Sudslavien und Rumänien zu gefährden, die nicht zögern würde», mobil zu machen, wenn die Lösung der Frage durch Wiedereinsetzung der Habsburger Gestalt annehmen sollte.

Französische Summen zu Wien

Paris, 30. Juli.Paris Midi" äußert sich als erstes Pariser Blatt über das neue österreichische Kabinett. Im Kamvfe um Lu Macht habe Schuschnigg über Starhemberg den Sieg daoon- getragen. Doch sei die Zusammensetzung der Wiener Regierung uneinheitlich Die Hauptpersönlichkeiten des Kabinetts bekämpf­ten sich schon jetzt aufs allerschärfste. Bisher habe die Persönlich­keit Dollfuß' doch eine Homogenität der Regierung ermöglicht. Nachdem er verschwunden sei, beständen nur noch lleberreste eines Ministeriums. Schuschnigg vertrete die Christlich-Sozialen and betreibe die Politik des Vatikans. FLm aeaenüber ständen

Feq und Starhemberg, beide Männer üer'Tat.'aber keine großen Politiker, die, um zur Macht zu gelangen, sich auf gefährlichste Verhandlungen einlictzen. Von einer 300 000 Mann starken Heim- wshrarmee unterstützt, beanspruchten sie die Nachfolge Dollfuß' für sich und wollten eine Politik führen, die eindeutig gegen die Sozialisten und sogar gegen die Arbeiterklasse gerichtet fei. Sie würden also Unterstützung bei den Nationalsozialisten suchen müssen. Schuschnigg müsse aber mit dem linken Flügel der Christ­lich-Sozialen rechnen. Er könne also nicht umhin, den Bruch mit den Nationalsozialisten aufrechtzuerhalten. So ständen sich beide Richtungen in heftigem Gegensatz gegenüber.

lieber die internationale Lage äußert sich derExcelsior". Die italienische Regierung sei immer mehr gegen einen gemeinsamen Schritt der Mächte in Berlin, und zwar nicht aus Gefälligkeit gegenüber Deutschland, sondern im Gegenteil, weil Mussolini immer mehr entschlossen fei, zu han­deln, aber nicht zu sprechen. In Paris sei man, so fährt das Blatt fort, ebenso entschlossen und argwöhnisch wie schon in den letzten Tagen. Die französische Regierung, die in vollem Einver­nehmen mit London und Rom handeln wolle, wolle jeden An­schein vermeiden, als ob sie etwa ungeduldig darauf warte, di­rekt einzugreifen.

DasPetit Journal" weist auf die Gefahren einer einseitigen Intervention hin, eine Gefahr, über die man sich vor allem in Prag, Bukarest und Belgrad klar sei. Italien habe sich in Keil­richtung oorgewagt, während Großbritannien noch zögere. Frankreichs Rolle bestehe darin, die verschiedenen Auffassun­gen praktisch miteinander in Einklang zu bringen, um der ge­meinsamen Aktion die erforderliche Wirksamkeit zu verleihen, ohne daß man deshalb in Belgrad, Bukarest oder Prag noch länger beunruhigende Gespenster herausbeschwöre.

Aire Nouvelle" drückt den Wunsch aus. daß niemand sie Initiative ergreifen möge, das Pulverfaß anzuzünden.

Papenö euroMche Mission

In dem dunklen Gewölk, das sich erneut über Oester­reich ausgedreitet hat, zeigt sich ein Lichtblick, der uns hoffen läßt, daß sich das wärmende Licht freundlicher Be­ziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich allmählich dvrchkämpfen wird. Wir denken hier an den Auftrag, den der Führer in seinem Schreiben dem Vizekanzler von Papern erteilt hat. Seine Entsendung aus den jäh verwaisten Ge- sandtenposten in Wien wird in ihrer Bedeutung zunächst durch zwei mehr äußerliche Umstände ins rechte Licht ge­rückt. Papen wird von seinen Aufgaben im Reichskabinett entlastet und erhält einen Sonderauftrag für eine befristete Zeit. Das zweite ist, daß Papens Stellung in Wien nicht als ein Stein in dem normalen diplomatischen Gebäude des Reiches anzusehen ist, daß er also nicht wie jeder an­dere Diplomat dem Auswärtigen Amt, sondern dem Reichs­kanzler unmittelbar untersteht. Seine Berichte gehen nicht, wie die eines etatsmäßigen Gesandten oder Botschafters an das Auswärtige Amt. und von dort erst zur Reichskanzlei, sondern ohne Umwege an den Reichskanzler persönlich. Mit ihm pflegt er unmittelbaren Gedankenaustausch, und von ihm erhält er die allgemeinen Richtlinien für fein Gesamt­wirken und die leweiligen Anweisungen in besonderen Fällen. Daraus ergibt sich weiter, daß der bisherige Vize­kanzler das besondere Vertrauen des Führers genießt und dag der Führer ihm eine besondere Eignung für die Auf­gaben zuspricht, die seiner in Wien harren werden.

Papens Aufgabe besteht darin, den Wunsch des Führers zu verwirklichen,

wenn möglich zu einer Entspannung der Eesamtlage bel-

zutragen und insbesondere das seit langem getrübte Ver­hältnis zu dem deutsch-österreichischen Staate wieder in

normale und freundschaftliche Bahnen geleitet zu sehen". Der Führer gibt in diesen Worten, in denen er sich mit dem deutschen Volke eins weiß, zu verstehen, daß er bereit ist, alles das, was früher zwischen Deutschland und Oesterreich gestanden hat, im Schoße der Vergangenheit ruhen z» lassen und einen Weg zu juchen, auf dem sich die Bruder­völker wieder mit Verständnis und Vertrauen begegnen kön­nen. Denn des sind wir gewiß, daß über allem, was uns in der Vergangenheit trennte, auf beiden Seiten Schmerz und Trauer darüber walteten, daß zwei Völker, die von Natur durch die Band« des Blutes eins sind, getrennte Wege wandeln und zeitweilig in Formen miteinander ver­kehren mußten, die sonst nur aus der Geschichte sprichwört­licher Erbfeinde bekannt sind. Wenn man diesen beklagens­werten Zustand auf seine geschichtlichen Wurzeln hin ver­folgt, dann findet man diese Wurzeln in den verhängnis­vollen Zersplitterungstendenzen der sogenannten Friedens­verträge, die nicht den Frieden und die europäische Ge­meinschaft, sondern nur Zwietracht und Gegensätze geboren haben. Und die Väter dieser Bestimmungen haben in den vergangenen vierzehn Jahren keine Gelegenheit versäumt, zwischen Oesterreich und Deutschland immer neue Zwietracht zu säen. Lange Jahre hindurch blieben diese dunklen Mächte auf Augenblickserfolge beschränkt, und es gelang ihnen nicht, einen haltbaren Keil in die deutsch-österreichischen Beziehungen zu treiben, bis sie in dem Bundeskanzler Dollfuß ein willfähriges Werkzeug fanden. Seitdem trennten sich die Wege der beiden Brudervölker, und auf österreichischem Boden schlugen fremde Einflüsse feste Wur­zel; denn das Regiment des Bundeskanzlers Dollfuß gab allzu willig den gleisnerischen Stimmen Gehör, die zu ihm aus dem Ausland« herüberhallten, und er vergaß darüber ganz die nüchterne Ueberlegung, ob diese Stimmen, wie sie versicherten, einem ehrlichen Freundschaftsgefühl ent­sprangen oder ob sie vielleicht nur dazu dienen sollten, das deutsche Gewissen Oesterreichs zu beschwichtigen und Volk und Regierung eigensüchtig fremden Mächten dienstbar z* machen.

Dem bisherigen Vizekanzler ist also die doppelte Aufgabe gestellt, die natürliche Freundschaft zwischen Deutschland «nd Oesterreich wieder herzustellen und zugleich durch dieses Werk der Versöhnung dem europäischen Frieden zu dienen. Papens Entsendung durch den Führer ist demnach nicht n«r eine freundschaftliche Geste zum Nachbarn hin, sondern um­schließt zugleich einen programmatischen Inhalt von euro^ päischem Gewicht. Sie ist, wie dieLeipz. N Nachrichten schreiben, eine Tat der Verständigungsbereitschaft und oes Friedenswillens und muß so schließlich auch von denjenigen verstanden und gewürdigt werden, die im Augenblick leider mehr einer verblendeten Leidenschaft als dem einzigen «nd wirklichen Ziel« Europas dienen: Dem Frieden?