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Altensteig, Freitag, den 27. Zuli 1934

Rundschau

Vergleicht man diese Julitage mit denen vor 2 0 Ia h- ren, mutz man wahrhaft erschrecken über die verblüffenden Parallelen in Reden und Handlungen. Damals wie heute reden Minister und Militärs von den Schrecknissen eines kommenden Krieges, den jeder natürlich vermeiden möchte, wenn nur nicht der böse Andere durch seine kriegerischen Matznahmen, im besonderen durch seine unerhörten Aufrü­stungen, ihn dazu nötigte. Man möchte schier verzweifeln, datz der Weltkrieg mit seinen grausigen Erfahrungen im­mer noch nicht die Menschheit zur Einsicht und Vernunft gebracht hat. Aber so genügt bereits ein Blick über die Welt­presse, um eine erschreckende Uebereinstimmung festzustellen Im englischen Oberhaus fand eine ausgiebige Luftrüstungs­debatte statt, zu der die Flugzeuge einer auf sechs Tage be­rechneten Luftschutzübung die Begleitmusik stellen. Mar­schall Petain spricht vor den Reserveoffizieren über den nächsten Krieg, wobei er für eine Verlängerung der Dienst­zeit eintritt. Kriegskommissar Woroschilow erklärt vor Arbeitern Moskauer Industriewerke, datz die Kriegsgefahr sehr nahe sei. Der schweizerische Außenminister, Vundesrat Motta, betont bei einem Schützenfest in Freiburg, datz die Schweiz unter keinen Umständen die Landesverteidigung vernachlässigen dürfe. Denn die Völker, die sich nicht um ihre militärische Verteidigung kümmerten, stellten eine aus­erkorene Beute von Invasionen dar. Und nun zu den Re­den die Taten: England will seine Luftflotte von 900 auf 1500 Flugzeuge erhöhen. Amerika verlangt als Mindest­friedensstärke 2320 Flugzeuge, Japan baut 1000 neue Flug­zeuge, ja. selbst Aegypten will seine Luftflotte vermehren und neue militärische Flugplätze anlegen. Und das alles an­gesichts der Tatsache, datz die Genfer Abrüstungskonferenz immer noch nicht zu Ende ist. Henderson studiert sogar den Kalender, um den rechten Tag für den Wiederzusammen­tritt der Konferenz ausfindig zu machen. Welch ein Schau­spiel !

In diesem Zusammenhang ein Wort über den Ostpakt, der als Instrument der französischen Politik mit Hilfe Ruß­lands und Englands zur Einkreisung und Isolierung Deutschlands geschaffen werden soll. Im englischen Unter­haus fragte der Sprecher der Arbeiterpartei anläßlich des Besuches des französischen Außenministers in London, ob nicht wieder geheime Verpflichtungen eingegangen wur­den, die England eines Tages in den Kriegsstrudel Hinein­reitzen müßten. Die englische Regierung hat darauf geschwie­gen, wenn sie auch erklärte, datz England durch den Ostpakt keine Bindungen auf dem Festland übernehme. Aber sie hat sich als Vermittler Frankreichs betätigt, als sie die Ostver­träge in Berlin, Rom und Warschau überreichen ließ. Po­len hat unterdessen durch den Besuch des Außenministers Beck in Reval die Zusammenarbeit mit Estland in Pakt­politik vereinbart, und hofft auch die anderen baltischen Staaten an seine Seite zu bringen aus Bedenken gegen

den Ostpakt. Aber England? Wer sich die geschichtliche Entwicklung des Jahres 1914 heute vergegenwärtigt, dem drängt sich, ebenso wie den Lords von 1934, der Verdacht auf, datz sich hinter den politischen Kulissen Europas Dinge abspielen und Entwicklungen anbahnen, in denen England eine ähnlich geheimnisvolle, um nicht zu sagen, verdächtige Rolle spielt wie im Jahre 1914.Ist das warnende Bei­spiel, das in jenen verhängnisvollen Jahren menschliche Schwäche und Unzulänglichkeit, gepaart mit bösem Willen, gab, so schnell vergessen, daß eine englische Regierung heute wieder geheime Verpflichtungen eingeht, die nur zum Un­heil für die Welt ausschlagen könnten? Trotz der Verdacht erregenden Reden im Unterhaus möchten wir doch die Hoff­nung noch nicht aufgeben, datz die Männer, die heute Eng­lands Entschlüsse bestimmen und die das Jahr 1914 bereits als denkende Menschen miterlebt haben, noch beizeiten ihre Lehren aus der geschichtlichen Erinnerung ziehen werden" so schreiben die Leipz. N. Nachrichten.

In Oesterreich kam es zu einer Revolte, deren Fol­gen zur Stunde noch nicht abzusehen sind. Sie begann mit einem Anschlag gegen das Wiener Rundfunkhaus der Ra- vag und wurde gegen das Bundeskanzleramt in Wien und gegen einzelne Regierungsstellen fortgefllhrt. Bundeskanz­ler Dollfuß kam dabei ums Leben, kurz vor dem Besuch bei Mussolini in Riccione. Die Aufständischen in Wien haben der Sache des Deutschtums einen schlechten Dienst geleistet. Die Revolte ist zusammengebrochen, der innere Unruheherd im Donaustaat ist aber nicht beseitigt. Das System Dollfuß lebt, wie es augenblicklich scheint, weiter. Datz Deutschland an diesem Husarenstreich einiger Unentwegter unbeteiligt ist, beweist die sofortige Sperrung der Grenze und das Ver­sagen des Asylrechts in Deutschland für die Aufrührer. Doll­fuß war ein kluger, von staatsmännischem Willen beseelter Politiker, der Oesterreicher sein wollte, ohne sich zum Deutschtum zu bekennen. Er erstrebte die staatliche Selbstän­digkeit auf Kosten des Deutschtums zu erhalten, wurde ein Fanatiker durch die Verteidigung der sogenannten österrei­chischen Politik, die das Frchhensdiktat als Tatsache hin­nimmt ohne dagegen anzukämpfen. Daher war er Liebkind in Paris und London. Sein Tod wird die Leidenschaften in Oesterreich noch mehr entfesseln und das arme unglück­liche Land in neue Wirren stürzen.

Der französische Ministerpräsident Doumergue hat sich nicht lange seines Ferienaufenthalts in Tournefeuille erfreuen können. Nach knapp viertägigem Genuß seiner ländlichen Freiheit ist er wieder nach Paris zurückgekehrt, um die durch Tardieus Vorstoß in Stavisky-Ausschutz her­vorgerufene Kabinettskrise wieder zu beseitigen. Allzu schwer gemacht wurde es ihm von keiner Seite. Abge­sehen von rein persönlichen Gründen, die Tardieu oder Her- riot oder Chautemps bewegen mögen, Ruhe zu geben, ist es vor allem der allgemeine Wunsch, jetzt mitten im Som­mer sich nicht mit dem Risiko einer neuen Kammerwahl aus­setzen zu wollen. In Frankreich huldigt man eben auch in dieser Hinsicht einem gewissen Konservativismus: Wahlen

das ganze Jahr hindurch, aber nicht im Sommer, wenn man auf Urlaub geht. Mit dieser Gepflogenheit hat offensichtlich Tardieu nicht so stark gerechnet, wie er es als politischer Taktiker hätte tun müssen. Seine Spekulation ging uno geht auf die Frontkämpferverbände, die unlängst in Paris ge­tagt haben, wobei eine Stimmung zutage trat, die nicht als unbedingt gefolgschaftstreu für Doumergue ausgelegt wer­den konnte. Man wird sich vielleicht dessen noch erinnern, datz der Frontkämpferkongretz es vermied, Doumergue ein offenes Vertrauensvotum auszujprechen. Ja, man umging sogar die Zustimmung zum Eintritt des Generalsekretärs Rivollet als Minister für die Pensionen in das Kabinett, indem man in geradezu salomonischer Art dem Generalsek­retär das Vertrauen votierte. Tardieu hätte Erfolg mit sei­ner Taktik der Kabinettssprengung gehabt, wenn er sich vorher genau versichert hätte, daß ihm die Frontkämpfer Gefolgschaft leisten werden. Das ist aber nicht der Fall. Nicht etwa, weil die Frontkämpfer inzwischen anderen Sin­nes geworden wären, sondern auch für sie gilt der gleiche Beweggrund wie für die Politiker: sie wollen im Sommer ihre Ruhe haben und wünschen deshalb die Verlängerung des politischen Waffenstillstands bis zum Herbst. Angesichts dieser Lage war es für Doumergue nicht allzu schwierig, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Die französische Krise im Kabinett ist vertagt, wenn auch Tardieu noch nicht zu­frieden sein will.

Nach bangen Tagen der Ungewißheit hat es sich nunmehr bestätigt, datz der Führer der deutschen Himalaja- Expedition. Willy Merkl, sein Stellvertreter Dr. Willy Welzenbach und der wissenschaftliche Mitarbei­ter Ulrich Wieland den Bergtod gestorben sind Nachdem erst vor wenigen Wochen Reichsbahnrat Drexel den Strapa­zen des Aufstiegs erlegen war, hat nun die deutsche Expedi­tion den Tod von vier Teilnehmern zu beklagen. Und nicht nur dieses. Sie ist auch ihres Führers und seines Stellver­treters beraubt worden. Damit hat die deutsche Himalaja- Expedition ihr vorzeitiges Ende gefunden. Denn die Zahl der noch am Leben befindlichen deutschen Teilnehmer reicht nicht aus, das Werk zu Ende zu führen Der Angriff auf den Nanga Parbat, der mit seinen 8114 Meter zu den drei­zehn Achttausendern der Erde gehört, die noch keines Berg­steigers Futz bezwungen hat, ist mißglückt. Abermals hat derBerg des Schreckens", wie er in der Sprache der Ein­geborenen heißt, den Sieg davongetragen. Das tragische Ende der deutschen Expedition ist ein schwerer Schlag für den deutschen Alpinismus. Die vier Verstorbenen gehörten zu den Ersten ihres Faches. Ob der Berg jemals seine Opfer wieder herausgeben wird, erscheint ungewiß. Auch von Mal- lory und Jrvin, die am 8. Juni 1924 auf dem Mount Eve­rest vom Schneesturm verschlungen wurden, hat man nie wieder etwas gesehen. 2n den gleichen Tagen, in denen die Deutschen ihr Leben verloren, ist auch der englische Flie­ger W i l s on bei seinem Versuch, allein den Mount Everest zu besteigen, ums Leben gekommen.

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Copyright: Prisma-Korrespondenz, Berlin-Schöneberg, il. Fortsetzung. (Nachdruck verboten

Wenn Fräulein Grete vorzieht," nahm Bielefeld das Gespräch wieder auf,sich aus der feinen Welt ins Publi­kum zu begeben, und eine ehrsame Bäckersfrau zu werden, dann ist das sehr nett und sehr ehrenwert von ihr. Aber auf die Art nicht. Da sehen Sie sich mal dieses Kaliber von Schrippe an." Er holte aus dem Korb ein extra großes Stück Gebäck.Sehen Sic sich mal dieses Monstrum an." Er hielt es ihr unter die Nase.Backt Herr Lehmann heute so groß (er zeigte die Größe in der Luft), dann sind am andern Tage die Dinger bei uns so! (Er zeigte ein noch größeres Format.) Dabei muß ja ein Krösus kaputt gehen."

Den Mann kenne ich nicht. Aber das soll er eben... das wollen wir ja gerade," erwiderte Lotte giftig.

, Mit Bielefelds Fassung war es zu Ende.

Und da sagen die Dichter immer, daß die Weibsleute sanft sind, wie die Turteltauben!... Drachen sind sie!"

,^lnd Ihr seid Deibels!" trumpfte Lotte auf.

Doch«.. Sie pah!" grunzte Bielefeld, sie mit durch­bohrenden Blicken messend.

Lotte kümmerte sich garnicht um ihn, ordnete den Laden­tisch und tat, als ob ihr ehemaliger Vertreter garnicht an­wesend war.

Der aber wollte den letzten Versuch wagen und näherte sich der emsig Beschäftigten wieder.

Lotte... Lotteken..." begann er wieder,seit sechs Monaten leben wir beide wie Hund und Katze. Soll das noch lange dauern?"

So lange, bis Sie sich von Ihrer sogenannten Wissen­schaft ganz zurückgezogen haben," kam die schnippische Ant­wort.

i Bielefeld kraute sich hinter dem Ohr.

».Seit einem Vierteljahr Hab« ich nichts mehr entdeckt,

wie eine alte englische Messingmünze mit vier Löchern und der Inschrift: Birmingham." Er zeigte ihr das Stück.

Lotte besah sich das Stück und kreischte laut auf: Sehr nett. Da ließe ich mir doch 'ne Weste dran machen."

Warum denn?" klang seine erstaunte Frage.

Weil es ein Knopf ist," lautete die Antwort.

Bielefeld riß ihr den Fund aus den Händen und stürzte aus der Tür.

Doch... Sie..." ries er fast draußen,was rede ich mit Ihnen überhaupt über solche Sachen."

Die Angelegenheit mit dem Knopf ging ihm mächtig durch den Sinn.

Ach Unsinn! Was verstand denn so eine dumme Pute schließlich von Numismatik!

Als er am nächsten Vormittag zu einem Münzenhändler in der Leipziger Straße ging und dort den Fund vorlegte, erfuhr er zu seinem Schrecken, daß es wirklich ein Knopf sei.

Das ging ihm nahe.

Er gelobte sich, nie wieder in seinem Leben auf For­sch«, .^'reisen zu gehen... oder zum mindestens alte Messing­knöpfe nicht zu beachten.

*

Der Kampf der beiden Konkurrenzfirmen war immer heftiger geworden.

Sie überboten sich gegenseitig in Größe und Güte der Backwaren.

Die Bewohner der Krausenstraße, eigentlich die ganze Gegend, nahmen lebhaften Anteil an diesem Konkurrenz­kampf.

Bald neigte sich die Sympathie der Firma Lehmann zu, bald zeigte man der Firma Brösicke sein Interesse.

Prangte heute im Laden der einen Firma ein Plakat mit der Inschrift:Hier wird das größte Brot abgegeben!", so erschien am selben Tage drüben ein Plakat mit großen Buchstaben:Noch größeres Brot als jede Konkurrenz!".

Die Zeitungen bemächtigten sich der Angelegenheit und schlugen so eine mächtige Reklame für die beiden todfeindlichen Firmen.

Wer würde Sieger blewen?

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Dkeister Flögel lief mit düsterer Mie ne her um«

So ging das nicht mehr weiter!

Das Geschäft arbeitet bei der Größe der Semmeln, der Billigkeit des Brotes und der anderen Backarbeiten glatt mit Verlust.

Er machte Max Vorhaltungen, aber immer wenn er davon anfing, da wurde Max wild wie ein Puter.

Ich will sie kleinkriegen!" sagte er fest.Und dabei bleibt es! Unter allen Umständen!"

Es war nichts zu machen!

Flögel war ratlos!

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Auch in der Villa Brösicke war die Stimmung alles andere wie angenehm.

Herr von Deeringen hatte nicht gekündigt, trotz aller Vorstellungen, die ihm Eveline machte.

Mit ihrem Gatten hatte sie nicht gewagt, drüber zu sprechen.

Sie scheute sich davor.

Ihrer Mutter hatte sic sich anvertraut, aber sie fand keine Unterstützung. Die gab wohl zu, daß Deeringen unge­hörig gehandelt habe, aber sonst Hab« er doch recht, Eveline habe sich tatsächlich an einen undankbaren Plebejer weg­gegeben.

Eine Villa hatten sie noch nicht gekauft.

Brvpcke hatte sich mit einem Male dagegengestemmt.

Aber dauernd lief Frau Lydia und sah sich Objekt« an. Wenn sie das Richtige gefunden hatte, dann würde sie es schon durchsetzen.

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August Brösicke kannte jetzt nur noch eine einzige Er­holung.

Das war der Skat mit den alten Freunden, dem pen­sionierten Wachtmeister Dcgcnkolb, einer alten ehrlichen Haut, immer noch unbeweibt, dem Glasermeister Seiler, und dem pensionierten Hofbeamten Rübis.

Alle drei waren über die 60 und alle drei waren äußerst fidele Kerle, die mit einem Humor und einer Lebenskraft ohnegleichen - segnet waren.

Sie merkten, daß es mit ihrem Freunde August Brösicke nicht mehr stimmte, seitdem seine Tochter die Backwaren­fabrik aufgemacht hatte.

Fortsetzung folgt! _