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Rationales Nachrichten- und Anzeigenblatt für die Oberamtsbezirke Nagold, Calw, Freudenstadt und Neuenbürg
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mmer 171
Altensteig, Donnerstag, den 26. Juli 1834
5 7. Zahr,«n,
Rkvololim i» Sestmet»
Wiener Bevölkerung und Telle des Vundesheeres gegen die Regierung — Bundeskanzler Sollfuß tot
Ga Erlaß des Mms
SS. zur selbständigen Organisation erhoben
München, 25. Zum. Die Reichspressestelle der NSDAP gibt durch die RSK. folgende Verfügung des Führers bekannt:
Z» Hinblick auf die grasten Verdienste der SS., besonders i» Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni 1934, erheb« »ch dieselbe zu einer selbständige» Organisation im Rahmen de« NSDAP. Der Reichsführer der SS. untersteht daher gleich dem Ehef des Stabes dem obersten SA.-Führer direkt. Der Chef des Stabes und der Reichssührer SS. bekleiden beide den partei- mastigen Rang eines Reichsleiters.
München, den 2V. Znli 1934.
Uez. Adolf Hitler.
v. Zagow an die Berliner SA.
Berlin, 25. Juli. Der Führer der SA.-Eruppe Berlin- Brandenburg har — wie die NSK. meldet — folgenden Grup- pen-Sonderbesehl erlassen:
Ich habe mit dem heutigen Tage den Befehl über die SA.» Gruppe Berlm-Vrandenburg übernommen. Ich erwarte von jedem SA.-Mann, der in den alten Tugenden der nationalsozialistischen Partei mitzumarschieren gewillt ist, daß er alles daran setzt, das Ansehen der SA. zu fördern und bedingungslos feine Pflicht zu erfüllen. Diese Tugenden sind: Treue zum Führer, Opferwilligkeit und Bescheidenheit!
Im Geiste eines Horst Wessel geht mein Ruf au Ench:
„Die Reihen fest geschlossen!
, Vorwärts für Führer und Volk!"
Stuttgart, 25. Juli. Der mit der Führung der Gruppe Berlin- Brandenburg beauftragte Obergruppenführer von Jagow stand in fernem bisherigen Wirkungskreis der württembergischen SA. besonders nahe, denn lange Jahre führte er sie. 1931 wurde er Führer der Gruppe Südwest. Während der nationalen Erhebung war er Reichskommissar für Württemberg: seit Mai 1932 ist er Reichstagsabgeordneter für den Wahlkreis Württemberg. Er gehört übrigens auch dem Preußischen Staatsrat an. Am 1. April 1933 wurde er zum Obergruppenführer ernannt «nd mit der Führung der SA.-Obergruppe 5 in Frankfurt a. M beauftragt. Obergruppenführer von Jagow steht im 42. Lebensjahr; er ist am 29. Februar 1892 in Frankfurt a. O. geboren, von 1912 bis 1920 war er aktiver Seeoffizier. Er zeichnete sich im llnterfeebootskrieg als Wachtoffizier auf „llB 77" aus und erhielt das Eiserne Kreuz beider Klassen urtt» das ll-Boots« kriegsabzeichen. 1920 schied er aus eigenem Entschluß als Oberleutnant zur See aus dem Dienst und wurde, da er nur acht Jahre gedient hatte, ohne Pension verabschiedet. Nach dem Kriege erlebte er die Kämpfe der 2. Marine-Brigade und 1921 die des Oberschlefischen Selbstschutzes mit. Er gehörte der OE. «ud dem Bund Wiking an.
zum 2. August
Friedensappell an die Frontsoldaten der Welt
Der Reichsleiter der NS. - Kriegsopfer - Versorgung, Reichstagsabgeordneter Oberlindober, schildert laut Ndz. in einer Betrachtung „Vor 20 Jahren" unter anderem die Einsatzbereitschaft aller Volksschichten bei uns und bei den anderen Nationen zur Verteidigung der Heimat. Das heutige Deutschland sei am besten gekennzeichnet durch seinen Führer Adolf Hitler, der, selbst ein Frontsoldat, alle jenen Eigenschaften, die er in der großen feldgrauen Kameradschaft achten und lieben gelernt habe, gern auf sein ganzes deutsches Volk übertragen sehe. Die Wunden, die die Frontkämpfer der ganzen Welt auf ihren Leibern tragen, seien noch nicht verheilt; die Tränen, die die Frauen und Kinder der zehn Millionen Gefallenen vergossen haben, seien noch nicht versiegt. Und dennoch spielten überall in der Welt Menschen mit dem Gedanken neuer Kriege. Wer so den Krieg kennen gelernt hat wie die Frontsoldatengeneration, werde niemals wünschen, daß ein neuer Krieg seinem Volke neue Wunden schlägt. Deshalb sei es notwendig, daß das Frontsoldatentum der ganzen Welt peinlich alle jene Kräfte beachte, die versuchten, in neue Konflikte M treiben und die im Falle eines neuen Zusammenstoßes der Völker nicht an das Dienen, sondern an das Verdienen denken. An diesem 2. August werde von Frontsoldat zu Frontsoldat, von Nation zu Nation das gemeinsame Gedenken an 10 Millionen Tote gehen. Aus der daraus kommenden gegenseitigen Achtung werde das gegenseitige Vertrauen entstehen. Aus diesem gegenseitigen Vertrauen, so schließt Oberl in d o der, wollen wir deutsche Frontsoldaten der Welt den wahrsten und ernsthaftesten Appell zum Frieden geben. Das soll der Sinn des Gedenkens an den Opfertod dieser 10 Millionen Soldaten am 2. August W34 sein.
Eine neueste Zusammenstellung der bisher aus Oesterreich gemeldeten amtlichen und privaten Meldungen ergibt folgendes Bild der Lage:
Kurz nach 13 Uhr fuhr vor dem Gebäude der Ravag, ver Oesterreichischen Sendegesellschaft in der Johannisgasse in Wien, ein Trupp Bewasfaeter i» Buudesheer-Uoiform vor und besetzte das Gebäude. Einer der Teilnehmer an dieser Unternehmung gab eine Rundfunkmeldung des Inhalts durch, daß die Regierung Dollfuß zurückgetreten sei. Unmittelbar danach wurden die Sendungen unterbrochen. Zur gleiche« Zeit besetzte eine mit Bundesheer stark untermischte Truppe das Bundeskanzleramt, schloß die Tore und sicherte das Gebäude durch Aussteller, vo» Maschinengewehren. Zu de« Gebäude selbst befanden sich zur Zeit des lleberfalls nach sichere» Meldungen Bundeskanzler Dr. Dollfutz, Bundesminister Fey, der Staatssekretär für das Sicherheitswese», Hofrat Karwiusky, die von de» Aufständischen gefangen genommen wurde». U« das Gebäude der Ravag ent- spau« sich ein Kampf, der nach dreistündiger Dauer mit der Kapitulation der Aufständische« endigte.
Das Bundeskanzleramt selbst, ebenso der Bundeskanzler und die beiden genannten Minister, befinden sich nach wie vor >n de» Händen der Aufständischen, lleber das Schicksal der üvrigen Regierungsmitglieder ist zur Stunde noch nichts zu erfahren. Zn den Vororten Wiens, ebenso wie in verschiedenen Teilen der Provinz, sollen sich starke Ansammlungen regierungsfeindlicher Masten zusammenziehen, lleber die Hintergründe des Aufstands verlautet bis jetzt, daß iu der Bevölkerung eine unerhörte Erregung darüber entstanden sei, Laß die vor Las Standgericht gebrachten Nationalsozialisten in geradezu mittelalterlicher Weise gefoltert würden, um aus ihnen Geständnisse oder Sclbstbcschul- drgungen herauszupresseen. Die Erregung im Bundesheer und dessen Beteiligung an dem Aufstand soll in letzter Linie aus- gelöst worden sein durch die am Montag in Niederösterreich stattgefundene Erschießung eines Offizieranwärters durch einen Schutzkorpsverteidiger.
Der österreichische Großsender durch Dynamit zerstört
Wien, 25. Juli. Im Laufe des Nachmittags wurde der Wiener Großsender Bisamberg besetzt und mit Dynamit gesprengt. Radio Wien sendet zurzeit über den kleineren, bisher stillgelegten Rosenhügel-Sender.
Dollfutz schwer verletzt
Wie«, 28. Juli. Auf dem Balkon des Bundeskanzleramts erschien im Laufe des Nachmittags mehrmals Minister Fey, bewacht von einem Mann in Kaiserjägeruniform und anderen Soldaten. Er forderte den Höchstkommandierenden, der auf dem Platze stehenden Sicherheitsformationen auf, hinaufzukommen. Dan« zog er diesen Auftrag wieder zurück und erteilte später wieder denselben Befehl iu das Bundeskanzleramt zu kommen. Darauf begaben sich der Stabschef der Heimwehr Badenstedt, Sicherheitsiuspektor Eibl und ein Heimwehrmann namens Pri- aer in das Bundeskanzleramt.
Nach Meldungen von Personen, die ei« Telesongespriich des Sicherheitsinspektors Eibl mitangehört habe« wollen, soll Minister Fey mitgeteitt habe», Bundeskanzler Dr. Dollfuß sei sehr schwer verletzt. Er sei zurückgetreten. Gleichzeitig bat der bisherige Minister Fey um einen Priester, der Dr. Dollfuß die Sterbesakramente geben soll.
Die Haltung der um das Regeirnngsoiertel znsammengeball- te« Bolksmasse« wird immer drohender gegen die Heimewhr. Man befurchtet bei eintreteuder Dunkelheit schwere Zusammenstöße.
Die Lage im Bnadeskanzleramt
Wie«, 25. Juki. Der militärische Leiter der Wiener Heimwehr, Major Baar, teilt mit, daß die umliegenden Häuser des Bnudeskanzleramts von Heimwehrlenteu besetzt und in Verteidigungszustand gebracht worden find. Im Hof des Bundeskanzleramts sind etwa ISO vom Bolk verhaftete Beamte versammelt und befinden sich in strengem Gewahrsam. Wie soeben bekannt wird, find im Bundeskanzleramt neben dem schwerverletzte« Dr. Dollfuß, dem Sicherheitsminister Fey, Staatssekretär Karwinsky, auch eine Anzahl höherer Heimwehrfnnktionäre festgehalten, die beim Bolk im Ruse besonderer Brutalität stehen.
Rintelen verhandelt über Nenbildnng des Kabinetts
Wien, 25. Juli. Der in der ersten Sendung des Radio um 13 Uhr als neuer Bundeskanzler genannte österreichische Gesandte in Rom, Dr. Riuteleu, ist bereits in Wien eingetros- fe«. Er hat sich sofort in das Heeresministerium begeben, wo er mit dem bisherigen Uuterrichtsminister Schnschuigg und den Vertretern des Bundesheeres, sowie Abgesandten des Volkes über die Neubildung der österreichischen Ne- ! Lie r.u u a verhandelt.
Es steht »och nicht fest» ob Dr. Dollfutz nur für seine Person, oder für das Gesamtkabiuett den Rücktritt erklärt hat.
Ein Aufruf des österreichischen Justizministers
Wien, 25. Juli, llm 17L0 llhr sandte Ravag Wien einen Aufruf des Justizministers Verger-Waldenegg, aus dem hervorzugehen scheint, daß er der einzige noch in Freibeit befindliche Minister des ehemaligen Kabinetts Dollfuß ist. Eine zentrale Regierungsgewalt scheint in Oesterreich zur Zeit nicht mehr zu exstieren. Bisher ist noch kein Anzeichen erkennbar, daß irgend ein Teil des Vundesheeres den von der Volksmenge ergriffenen Ministern zu Hilfe eilt. Der Ausruf des Justizmini- fters Berger-Waldenegg nimmt bemerkenswerterweise nur auf die Besetzung des Ravaggebäudes Bezug, unterschlägt jedoch die Tatsache der Besetzung des Bundeskanzleramtes durch das Bolk und unterschlägt ebenso die Verhaftung der bisherigen österreichischen Regierung.
Stau-recht in Wie«
Wien, 28. Znli. Der Polizeipräsident hat für Wie» das außerordentliche Standrecht verhängt. Ab 20 Uhr abends mußten alle Haustore und Gasthäuser geschlossen sein. Ansammlungen und Gruppenbildungen find verboten.
Aoüfllß tot
Wien, 2S. Juki. Der Wiener Rundfunk gibt amtlich bekannt, daß der österreichische BundeskanzkerDoll- fuß seinen Verletzungen erlegen ist.
Der Letter der staatlichen Polizei in Innsbruck erschossen
Innsbruck, 25. Juli. Der Leiter der staatlichen Polizei in Innsbruck, Polizeistabshauptmann Hickl, der gegen verhaftete Nationalsozialisten mittelalterliche Folter in Anwendung brachte, vurde heute kurz vor 3 Uhr von einer erbitterten Volksmenge ms dem Statthaltergebäude gezerrt und erschossen. Aus privaten Quellen kommen aus anderen Städten ähnliche Meldungen, die »arauf schließen lassen, daß die Volksbewegung gegen Dollfnß ich ans das ganze Land Oesterreich ausdehnt.
Ser Kersmg der Ereignisse in Sesterreich
Wien, 26. Juli. Der gestrige Tag hat für das österreichische Volk Ereignisse von größter politischer Bedeutung gebracht, die in ihren Folgen noch durchaus unübersehbar sind. Der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, der tragende Pfeiler des Systems, ist das Opfer eines Volksaufstandes geworden. Er ist nach Mitteilungen, die der österreichische Minister Schuschnigg über das Wiener Radio gab, den Verletzungen erlegen, die er am Nachmittag im Bundeskanzleramt erlitten hatte.
Soweit sich bisher aus den vorliegenden Meldungen ersehen läßt, lassen sich die Ereignisse, die zum Tode des Bundeskanzlers Dollfuß führten, in folgender Form übermitteln:
Gestern nachmittag wurde in der österreichischen Bevölkerung bekannt, daß das erste Todesurteil des neuen österreichischen Standgerichtes durch den Strang vollzogen, und daß in den Untersuchungsgefängnissen die Gefangenen mittelalterlichen Folterungen unterworfen werden. Der österreichischen Bevölkerung bemächtigte sich eine außerordentliche Empörung und Erregung, die zu derartigen Ansammlungen in den Straßen Wiens führte, daß der um 11 Uhr tagende Ministerrat unterbrochen werden mußte. Gegen 1 Uhr mittags tauchten an mehreren Stellen bewaffnete Formationen auf, die in Uniformen des österreichischen Bundesheeres gekleidet waren. Von Liesen Formationen wurde das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz in Wien besetzt, wobei es zu den ersten blutigen Zusammenstößen kam. Die im Bundeskanzleramt befindlichen Regierungsmitglieder, vor allem Bundeskanzler Dr. Dollfuß, der frühere Vizekanzler Minister Emil Fey und der Staatssekretär für die Sicherheit Dr. Kar- winski, sowie eine Reihe anderer österreichischer Minister waren damit in der Gewalt der Bewaffneten, die das Bundeskanzleramt besetzt hatten. Schon die ersten Meldungen über die Besetzung des Bundeskanzleramtes besagten, daß Dr. Dollfuß verwundet worden war.
Zur selben Zeit drangen Bewaffnete in die Räume des Wiener Rundfunks, der Ravag, in der Johannisgasse. Nach der Besetzung des Rundfunkgebäudes wurde die Meldung von der Demission des Kabinetts Dollfuß und die Betrauung des derzeitigen österreichischen Gesandten in Rom, Dr. Rintelen, mit der Regierungsbildung angesagt. Daraufhin wurden die lleber- tragungen des Wiener Rundfunks unterbrochen, um von einer anderen Stelle fortgesetzt zu werden.
Die Meldungen über Akttonen in der österreichischen Provinz liefen in widersprechenden Formen ein, ließen aber erkennen, daß es sich bei den Vorgängen in Wien nicht um eine lediglich lokaH. Ausstandsdewegung gehandelt hat.