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Alten steig, Montag, den 23. Zuli 1834
Rom und dir sranzWche Wilder
Die europäische Politik wird nach wie vor durch die Drs- kussion der Fragen bestimmt, die durch das Projekt des Nordo st Paktes aufgeworfen worden sind. Sie sind jetzt allmählich hinter die verschlossenen Türen der Diplomatenbüros gerückt, aber sie werden dadurch wahrscheinlich nur umso eindringlicher werden und sich konkretisieren.
Das, was bisher vor der Weltöffentlichkeit zum Nordostpaktplan erklärt wurde, ist keineswegs absolut eindeutig. Es gibt da sehr erhebliche Abschattierungen in der Auffassung, für die man schon das Wort „Mißverständnisse" gefunden hat. Das gilt namentlich für die englische Auffassung, die nach einer Erklärung Sir John Simons im Unterhaus auch die der italienischen Regierung sein soll und nach der der Nordostpaktoorschlag neue Möglichkeiten auf dem Felde einer Begrenzung oder Verminderung der Rüstungen eröffne und die implicite Anerkennung der Gleichberechtigung bedeute Herr Barthou ist keineswegs dieser Meinung. Er läßt es vorläufig noch dahingestellt, wie weit nach einem etwaigen Zustandekommen des Nordostpaktes die Frage einer Rüstungsbeschränkung erneut aufgegriffen werden könne, und er will das von ihm in London Vereinbarte auf keinen Fall so aufgefaßl'wissen, saß im Augenblick der Unterzeichnung des Paktes nun auch die tatsächliche Gleichberechtigung Deutschlands gegeben sei. Er und die französische Presse drücken sich über die Folgerungen, die nach dieser Richtung hin gezogen werden sollen, nicht präzis aus, aber namentlich die Worte Barthous lassen erkennen, daß man in Frankreich das mit den vorgesehenen drei Pakten aufzubauende Sicherheitssystem erst effektiv werden lassen und erproben will, ehe man an einen Schritt in der Richtung auf die von Deutschland geforderte Gleichberechtigung denkt, wobei es sogar noch offen bleibt, ob das, was man in Paris darunter versteht, dasselbe ist wie das in Berlin Gemeinte.
Vorläufig wird man jedenfalls eine gewisse Ausdeu- t u n g s o e r s ch i e d e n h e i t zwischen England
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seits feststellen müssen, die sich bei den ersten Mächten sicherlich auch daraus erklärt, daß ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem Paktsystem in offenbarem Widerspruch zu ihrer bisherigen politischen Haltung steht. Der Stellungswechsel ist bei Italien vielleicht noch auffälliger als bei England. Die Idee der umfassenden Regionalpakte läuft so augenfällig dem entgegen, was die italienische Regierung bisher vertrat, daß es sogar der italienischen Presse in den ersten Tagen nicht ganz leicht wurde, sich in die neue Front hmeinzufinden. Die Turiner „Stampa", die sich bemüht, die italienische Empfehlung des Nordostpaktes zu verteidigen, weiß schließlich doch nur das Argument vorzubringen, daß er als ein Mittel betrachtet werden müsse, mit dem man aus der Sackgasse herauskommen könne, in welche die Beziehungen der hauptsächlichsten Staaten Europas heute gelangt sind. Eigentlich ist es aber eine Negierung des Paktgedankens, wenn die „Stampa" dann sortfährt: „Es beklebt keine Notwendigkeit für neue Garantien, die den Deut-
Der deutsche Meistersahrer Toni Mertens hat im Zehnmeilen-Pokalrennen vo« Manchester den Sieg davongetragen, nachdem er vorher bereits die englische Fliegermeisterschaft über 1000 ParÄs auf der gleichen Bahn gewann.
schen wie den Polen verdächtig sind. Man muß nur von einem tatsächlichen Zustand Kenntnis nehmen, um ein fiktives Gebäude von Gefahren und Drohungen abzubauen". Das ist zunächst einmal das Gegenteil von dem, was Frankreich zur Rechtfertigung seiner Paktpolitik anführt, denn in Paris erklärt man ja immer wieder, neue Garantien zu brauchen. Und es ist außerdem ein schweres Argument gegen diese Pakte, denn die „Stampa" definiert sie gewissermaßen als erneute Registrierung des tatsächlichen Zustandes.
Damit wird der Nordostpakt und werden auch die beiden anderen Pakte, der Wittelmeer-Pakt und der französisch- russische Vertrag, die ihm zur Seite treten sollen, eingegliedert in jenes völkerrechtliche System, das die letzten 15 Jahre europäischer Geschichte beherrschte und das keinen anderen Zweck hatte, als mit den Mitteln immer neuer juristischer Formeln einen Zustand in starrer Unbeweglichkeit festzuhalten, der in einem Moment geschaffen wurde, in dem der Kontinent sich in Fieberhitze befand und der seine Unvereinbarkeit mit den unveräußerlichen Lebensinteressen der Völker seitdem schon hundertfach erwiesen hat. Gerade daß Italien sich bereitfindet, diese Galvanisierung der Welt von 1919 mitzumachen, ist so unbegreiflich. Als Mussolini vor reichlich Jahresfrist Europa mit dem Vorschlag seines Viererpaktes,überraschte, tat er das in der deutlichen
Absicht, den dynamischen Kräften der Entwicklung unter der Kontrolle der vier Großmächte Spielraum zu geben. Damals fand er damit den Widerstand derjenigen Macht, die in ihrer ganzen Nachkriegspolitik konsequent das statische Prinzip vertreten hat und festzuhalten bemüht war. Dieses Frankreich, dos heute mit seinen Regionalpakten seiner politischen Idee Geltung zu verschaffen sucht, findet nun aber dabei die Unterstützung desselben Italiens, das seinerzeit eine so heftige Attacke dagegen ritt.
Man wird sich fragen müssen: warum diese völlige Umkehrung der Haltung? Es scheint, daß man in Rom tatsächlich glaubt, auf diesem Wege aus der „Sackgasse" herauszukommen. Vor allem aus der Sackgasse, in die die Abrüstungsverhandlungen geraten sind. Der Gedanke, bei einem neuen Wettrüsten der Mächte mittun zu müssen, ist der italienischen Regierung nicht sonderlich sympathisch, zumal der Wettlauf nicht nur für die Landheere zu starten droht, sondern bei den völlig ungewissen Aussichten für das Zustandekommen der Londoner Flottenkonferenz auch für die maritimen Streitkräfte Hier besteht aber eine unmittelbare Rivalität zwischen Italien und Frankreich, die in Rom unter Umständen zu besonderen Anstrengungen zwingen würde. Außerdem aber ist die italienische Außenpolitik immer stark an der Englands orientiert worden, und nachdem man in London den Paktgedanken gebildet hatte, sah man in Rom wohl keine Möglichkeit mehr, sich gegen ihn zu sträuben. Wie weit die Nachricht, daß Frankreich aus kolonialem Gebiet (Grenzberichtigungen zwischen Tripolis und Tunis, Aufenthaltsverlängerung für die in Tunis eingewanderten Italiener usw.) sich Rom erkenntlich zeigen will, zutreffen wird, wird sich bei dem für den Herbst vorgesehenen Besuch Barthous in der italienischen Hauptstadt zeigen.
Sie neue Selreideordnung
Orrlin, 22. Juli. Um ein unbedingt zuverlässiges Arbeiten der neuen, im Aufbau begriffenen Eetreidewirtschaftsorganisation zur Sicherung von Getreideabsatz und Vrotversorgung von vornherein zu gewährleisten, wurden die in Berlin zusammenberujenen Landesbauernsührer einerseits und die Gauleiter der Partei bzw. ihre Vertreter andererseits eingehend über Sinn und Zweck der von der Reichsregierung zur Neuordnung der Getreidewirtschaft getroffenen Maßnahmen unterrichtet. Maßgebende Vertreter der Behörden und des Nährstandes gaben in ausführlichen Vorträgen einen Ueberblick über die zu lösenden Ausgaben und die zu ihrer Bewältigung vorgesehenen Wege. Roch verbliebene Unklarheiten wurden in gemeinsamer Aussprache geklärt. Es ergab sich, daß nicht nur die Landesbauernführer, sondern insbesondere die so wichtige Leitung der Gaue beseelt sind von dem Wunsche, in gemeinsamer Arbeit die größtmögliche Vollkommenheit der neuen Eetreidewirtschastsordnung sicherzustellen. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß das Hand in Hand-Arbeiten von Reichsernährungsministerium, Reichsnährstand und der politischen Leitung in den Gauen den vollen Erfolg der neuen Eetreideordnung verbürgt.
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Copyright: Prisma-Korrespondenz, Berlin-Schöneberg.
47. Fortsetzung. (Nachdruck verboten)
„Schaffen... schaffen... schaffen!" ging es ihr durch den Sinn.
Sie fuhr zu Lotte herum.
Ein plötzlicher Gedanke schoß ihr durchs Hirn.
„Lotte, ich muß einmal Herrn Bielefeld sprechen," sagte sie plötzlich zu der verdutzt dreinschauenden Begleiterin.
„Nanu, Fräulein Gretchen, was wollen Sie denn von dem?" fragte Lotte erstaunt.
„Ich möchte arbeiten... schaffen," antwortete Grete mit leuchtenden Augen.
„Und da soll Ihnen Bielefeld dazu verhelfen?"
Lotte schüttelte ungläubig den Kopf.
Grete nickte.
„Ja... er soll mir dazu verhelfen. Kommen Sie, Lotte, Wir fahren sofort zu ihm. Wo ist er in Stellung?"
„Er ist Meister in der Brotfabrik von Majohn in Charlottenburg in der Berlinerstraße 177?"
„Dann also los l"
^ ' "w winkte einer Droschke und gab dem Kutscher das
Rach einer halben Stunde hielten sie vor der Fabrik.
Grete bezahlte den Kutscher und begab sich ins Büro.
Lotte wandelte inzwischen vor dem Hause auf und ab.
Grete hatte ihr den Plan entwickelt, und obgleich sie zunächst immer wieder den Kopf geschüttelt hatte, kam sie doch langsam zu der Überzeugung, daß ihre Herrin wirklich eme ganz kuragierte Person war.
Grete fragte nach Herrn Bielefeld und nach fünf Minuten stand der erstaunte jetzige Meister vor ihr.
„Nanu, Fräulein Grete?" sagte er, nachdem er sich von seinem Erstaunen einigermaßen erholt hatte. „Sie hier? Was verschafft mir denn die Ehre dieses nie geahnten Besuches?"
Sein Herz klopfte höher. Sollte Lotte am Ende doch
einlenken wollen und schickte das Fräulein Grete als Vermittlerin?
„Ich komme in einer persönlichen Angelegenheit, Herr Bielefeld!" begann Grete. „Doch... das kann ich Ihnen hier ! nicht so schnell auseinandersetzen. Wie wär's denn, wenn wir j uns heute Abend gegen 8 Uhr in der Konditorei Josty am Potsdamer Platz treffen würden?"
„Abgemacbv Fräulein Grete, ich bin Punkt achte da!"
Er druckste noch.
„Kommt Lotte... auch?" fragte er beklommen.
„Ja... das kann ich nicht sagen... es betrifft eigentlich auch sie. Na... wollen mal sehen."
Bielefeld frohlockte. Also doch so etwas, wie er vermutet hatte.
„Also, Herr Bielefeld... Punkt 8 Uhr bei Josty!"
Damit verabschiedete sich Grete.
Mit gehobenen Gefühlen ging Bielefeld an die Arbeit.
„Donnerwetter, Meester," sagte der Obergeselle Lahdorf, „Sie haben aber noble Bekanntschaften! Die Dame, mit der Sie eben sprachen... alle Achtung... pikkobello!"
Herablassend erwiderte Bielefeld:
„Jawohl, mein lieber Lahdorf... man hat so seine Verbindungen."
Der Tag wurde ihm entsetzlich lang, die Stunden schlichen nur so. Aber als es sieben Uhr geschlagen hatte, litt es ihn nicht mehr zuhause.
Er warf sich in Wichs und bestieg die Straßenbahn, die I ihn schon zwanzig Minuten vor acht Uhr an sein Ziel brachte.
Grete hatte versucht, Lotte zu bestimmen, mitzukommen. Aber Lotte blieb standhaft.
„Nicht zehn Pferde bringen mich mit ihm zusammen," beharrte sie hartnäckig. „Erst soll er seinen Vogel verlieren ... eher nicht!"
Und Grete mußte ihr eigentlich recht geben.
So ging sie allein zum Potsdamer Platz.
Bielefeld hatte schon mit Ungeduld gewartet.
Als Grete erschien, Punkt acht Uhr, wie sie versprochen hatte, da hatte er schon verschiedene Spirituosen zu sich genommen, um seine Erregung zu meistern. Sein Gesicht war schon etwas gerötet.
Aber was war denn das? Fräulein Grete erschien ja allein! Also war es nichts mit seinen Hoffnungen!
„Kellner, bringen Sie mir noch einen Kognak," bestellte^ er mit trauriger Miene.
Grete steuerte auf seinen Tisch zu.
„Guten Abend, Herr Bielefeld I"
„Guten Abend, Fräulein Grete!"
„Es tut mir leid, aber Lotte kommt nicht. Solange Sie Ihren Forscherdrang nicht begraben hätten, solange will sie nichts von Ihnen wissen."
Bielefeld seufzte tief auf.
„Denn wird's wohl noch eine Weile dauern. Ra... denn nicht!" meinte er gedrückt und stürzte den bestellten Kognak herunter.
Grete forderte Tee und Gebäck und entwickelte dann ihren Plan.
„Also, Herr Bielefeld, passen Sie einmal auf, was ich vorhabe. Ich will gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ich sehne mich nach intensiver Arbeit, nach vollkommener Selbständigkeit. Gewiß... ich habe es jetzt sehr gut bei Herrn von Feldern, der mir wie ein wirklicher Vater zugetan ist. Aber mein jetziges Leben gibt mir keine volle Befriedigung. Ich muß richtig schaffen können und deshalb will ich den Beruf ergreifen, der mir am meisten zusagt und in dem ich groß geworden bin... die Bäckerei!"
Bielefeld sperrte den Mund weit auf.
„Sie wollen Bäckerlehrling werden?" fragte er ungläubig.
Grete lachte.
„Ich will eigentlich gleich höher hinaus und Frau Bäckermeister werden. Aber das geht natürlich nur so, daß ich einen Meister finde, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht."
„So wollen Sie also einen Bäckermeister heiraten?" stieß Bielefeld hervor.
„Auch das nicht, Herr Bielefeld," versetzte Grete kopfschüttelnd. „Das Heiraten habe ich mir aus dem Sinn geschlagen, seitdem ich mit meiner ersten Liebe Schiffbruch erlitten habe."
„Und ich stelle mir das Heiraten so nett vor," sagte Bielefeld sehnsüchtig.
Seine Gedanken weilten bei dem kleinen niedlichen Geschöpf, das ihm neben seinen Forscherneigungen das Höchste war. .
Fortsetzung folgt!