Seile 2
Schwarz wälder Sonntagsblat«
Nr. 29/167
den Leuchter und schritt dann eilig, als cha^e er eine drückende Last abgeschiittelr, die Steinstufen der Hintertreppe hinab, die in einen Seitenhof führte, von dem er direkt ins Freie gelangte.
Tief aufatmend verfolgte er den stillen Weg über das Feld in den Wald hinein.
Die Nacht sang der schlafenden Natur ein feierliches Schlummerlied. Das Nachtgetier huschte durch Busch und Moor. Der Nebel war gefunken und verkroch sich in dünnen Schwaden tief am Boden. Wolken und Sterne stritten um die Herrschaft und kämpften, bis der Mond sein silbernes Licht sieghaft dazwischenwarf. Müllbrich hatte bald den-Platz, auf dem er sich zum Anstand aufstellen wollte, erreicht Ein dicker Eichenstamm nahm ihn in seinen Schalten.
Er überhörte, wie hinter ihm, aus der Vlätterfülle des Grabens, sich eine Gestalt langsam in die Höhe richtete. Drc bleierne Erschöpfung, die den Mann auf seiner Flucht wehrlos gemacht hatte, war einem grimmen Frösteln gewichen. das seine Glieder erschauern ließ. Er lauschte — kein Laut in weiter Runde!
So stieg er mühsam zum rückwärtigen Grabenrand hinauf und schlich eine Strecke seitwärts durchs Unterholz, als sei er in diesem Revier mit Weg und Steg wohlbekannt.
Die Mondsichel neigte sich zum Untergang. Schon lagert- hie und da ein Streifen helleren Lichtes über der Waldblöße, als der Flüchtling sich neben einem Ameisenhügel geräuschlos aus die Knie niederließ und leise Moos und Zweige fortzuräumen begann. Ein Gewehr kam zum Vorschein Er hob es sorgfältig aus dem Versteck und befreite es von der schützenden Hülle. Dann schlich er hinter Müllbrichs Rücken der Lichtung zu.
Der Rar, das Geräusch eines knackenden Astes auf- fangend, wandte sich zur Seite.
Am selben Augenblick fiel ein Schutz. Der Puloerblitz hellte das Dunkel zwischen den Stämmen flüchtig auf, und donnernd hallte der Knall, von allen Seiten ein Echo weckend, durch den stillen Wald.
Jetzt ein Schurren und Trappeln ringsum ausge- jcheucht huschte das Wild erschreckt davon. Ein Flügelflattern in der Höhe — dann alles still.
Die Turmuhr von Barnekow schlug die vierte- Morgenstunde an, da wurde der Gutsinspektor durch lautes Pochen gegen seine Tür aus dem Schlaf gerüttelt.
Ein reitender Gendarm hielt auf der Straße draußen und bearbeitete mit seinem Pallasch die Haustür.
„Was ist los?" fragte der unliebsam Gestörte durchs Kammerfenster. „Was gibt's denn?"
„Munter, munter, Herr Reichert!" rief der Gendarm hinauf. „Der Förster und die sämtlichen Tagelöhner müssen sofort aufgeboten werden. Riedel ist beim Transport aus dem Zuge gesprungen. Wir sind ihm auf der Spur. Er kann sich nur im Barnekower Wald versteckt halten."
„Das soll ihm übel bekommen", brummte -er Inspektor, verdrossen das Fenster zuschlagend.
Der Förster, der rasch auf den Füßen war, wußte sofort, wo der berüchtigte Wilddieb und Brandstifter zu finden sei, wenn er überhaupt im Forst war. „Wenn Riedel sich im Wald versteckt hat, ist er beim großen Graben zu finden."
Und dann begann die Suche.
Der Morgenwind blies frisch über die Felder hin bis ins Herz des Waldes hinein, und der letzte Nebelrest verwandelte sich in weißen Reif, in den das junge Saatengrün sich fröstelnd hüllte. Die Sterne blinkten blaß am Himmel. Ein ungewisses Dämmern spann sich wie ein grauer Flor um Busch und Baum, um Weg und Steg.
Mit möglichst wenig Geräusch vollzog sich die Umzinglung des Waldreviers, in dem sich der Gesuchte längst nicht mehr sicher wähnte, das zu verlassen er aber auch den Mut nicht gehabt hatte.
Er kniete, sorgsam Umschau haltend, am Boden, als ihm ein Brechen der Zweige das erste Zeichen der nahen Verfolger zutrug. Flink wie der Hirsch, alle Muskeln vom Selbsterhaltungstrieb gestrafft, fuhr er auf und stürzte nach dem Graben zurück.
Zu spät! Die Hunde des Försters, von der Leine gelassen, hatten ihn gewittert und folgten bellend seiner Spur.
„Da ist er — dort läuft er!"
Er hörte die Worte hinter sich herschallen und wechselte die Richtung im Fliehen.
,Halt!"'schrie der Förster. „Steh, oder ich schieße!"
Der Flüchtling wandte sich noch einmal, um den Hund, der ihn gefaßt hatte, mit einem Kolbenschlag niederzu- ftrecken. Doch im nächsten Augenblick schon war ihm das Gewehr entrissen, Fesseln klirrten an seinen Händen. Durch die scharfe Luft glitt ein unheimlich winselnder Laut.
„Merkt ihr was?" fragte der Gefangene höhnisch. „Das Vieh hat mehr Verstand als ihr."
Das Winseln ließ nicht nach. Es wurde zum langgezogenen Heulen.
„Was hat nur der Köter?" rief der Inspektor, Riedel den sicheren Händen des Gendarmen überlastend und dem Förster in der Richtung auf den großen Graben nachgehend. „Hierher! Kusch dich — kusch!"
Das Heulen nahm kein Ende.
„Du, Vieh!" schrie Reichert, nach einem Stein sich bückend. „Willst du wohl —"
Im selben Augenblick stieß der Förster einen lauten Ruf aus. „Hierher — hierher um Gottes willen!"
Sie standen, die Köpfe geneigt, fahl und sprachlos im erwachenden Frühlicht.
Da lag. neben einer starken Wurzelknolle, die ihm als hartes Kisten diente, der Amtsgerichtsrat — tot. Aus der Seite war ein schmaler roter Streifen geflossen, der erstarrt war. Die Zagdmiitze lag einige Schritte entfernt neben dem abgeschlossenen Gewehr, dessen Laufmündung der Herzwunde zugekehrt war, als sei es dem Verstorbenen aus der Hand geglitten.
„Erschossen von dem Kerl!" flüsterte der Inspektor, das traurige Bild mit gefalteten Händen betrachtend. „Was wird'der Herr sagen?"
„Verheiratet ist er auch", murmelte der Förster, den Goldreif an der erstarrten Hand bemerkend. „Wir müssen ihn hier liegen lassen."
Es war noch dunkel, als Herr v. Warnulf aus tiefem Schlaf durch seinen Diener geweckt wurde.
„Gnädiger Herr", sagte der Diener leise, indem er das Licht anzündete, „es ist ein furchtbares Unglück geschehen. — Warnulf fuhr im Bett in die Höhe. „Mensch, wie stehst du denn aus?"
„Der Herr Amtsgerichtsrat liegt tot im Walde."
Der Gutsherr sprang mit beiden Füßen zugleich auf den Boden.
„Der Förster hat mich soeben herausgeklopft. Der Gendarm ist die ganze Nacht hier gewesen auf der Suche nach dem entsprungenen Riedel. In unserem Forst, am großen Graben, haben sie ihn aufgespürt und gefangen. Dabei haben sie die Leiche vom Herrn Amtsgerichtsrat gefunden." Warnulf schoß das Blut ins Gehirn, daß er taumelte. „Pferde heraus! Angespannt!" rief er aus dem Zimmer stürzend. „Vorwärts! Zum Amtsoorsteher! Zum Arzt! Eine Tragbahre! — Meine Herren", rief er, den Gang zur Hintertür hinuntereilend, wo sich erstaunte Gesichter zwischen den halbgeöffneten Türen zeigten, „ich bin fassungslos. Mein guter, alter Freund Müllbrich liegt erschossen im Walde —"
Fort stürzte er, von dem männlichen Hauspersonal begleitet und gefolgt von seinen Gästen. Eilig glitten ihre Schatten im Frühlicht über das zerknisternde Weiß des Rauhreifs und verschwanden im düsteren Dickicht des Waldes.
(Fortsetzung folgt.)
Ae deutsche Seele
Durch Felsen mutz den Pfad sie suchend bahnen.
Gott weist ihr keinen Weg — Er zeigt das Ziel: Dumpfdrängenü in die deutsche Seele fiel Nicht helles Wissen, nur ein dunkles Ahnen.
Drum muß, wenn andre tatlos stille stehn Und tanzen ums Erreichte ihren Reigen,
Die deutsche Seele immer aufwärts steigen Und sehnend nach der ew'gen Sonne seh'n.
Zum Eipfelgrat mit vorgestreckten Händen Muß sie sich mühsam tasten durch die Nacht, Schlafwandelnd durch die großen Weltenwenden,
Vis sie am Ziel, von Gott erweckt, erwacht.
Ziska Luise Schember-Dresler.
Ausgeschlagene Zähne kaust . . .
AurioMlen aus der Großelterazeit
Als man noch Berstandes-Reftanrationsbrillen trug Eine Unterleibszigarre gefällig? — Ergötzliche alte Zeitungsinserate
Von l)r. Gottlieb Scheuffler
Auch unsere Großmütter badeten. Wenn sie ins Wasser gingen, zogen sie sich erst mal richtig an . . .
Die Wandlung der Anschauungen sorgt dafür, daß den Enkeln das Lachen nicht vergeht. Wenn es gar zu pietätlos erscheint dieses Lachen, dann schafft das Bewußtsein Ausgleich, daß die Enkel wieder Enkel haben, die auch einiges an ihren Großvätern auszujetzen haben werden. Besonders die Aufregung früherer Zeiten über Erfindungen, die für uns längst zu altgewohnten Selbstverständlichkeiten geworden sind, mutet uns auf den ersten Blick ein wenig seltsam an, bis uns mit immer steigender Achtung vor der Leistung unserer Ahnen klar wird, wie schwer von ihnen auch das uns Altgewohnte erkämpft werden mußte. Das Alltägliche wird zur geschichtlichen Sensation, und unter diesem Eindruck verliert unser Lachen immer meh'r an Schärfe; zu guter Letzt wird es zum Beifallslachen.
Der Würfelzucker war 1844 eine ganz große Erfindung. Wir staunen, wenn wir erfahren, daß die Würfelform des Zuckers patentiert war. Ein Kaufmann gab 1844 eine wirksam aufgemachte Anzeige auf, und darin stand: „Von dem patentierten Zucker in Würfelform empfing ich die erste Sendung."
Unsere Zahntechnik ist heute so leistungsfähig, daß die Stoffe für den Zahnersatz selbstverständlich ohne Appell an das Publikum herbeigeschafft werden. 1841 war das anders. Da blinzelten die Zahnärzte nach den Zähnen, die wohlmeinende Zeitgenossen anderen herausschlugen. Man lasse die ganze Musik der nachfolgenden Anzeige aus dem Jahr 1841 auf sich wirken: „Kauf-Gesuch: Es kommt öfters vor, daß gesunde vordere obere Menschen zähne ausfallen oder eingedrückt und unbenutzt bei Seite gelegt oder gar weggeworfen werden; dieselben sind aber zum Einsetzen gar wohl zu gebrauchen. Wer mir dergleichen überlassen will, erhält für jedes Stück je nach dessen Beschaffenheit einen angemessenen Preis."
Auch die Brille war Mitte des vorigen Jahrhunderts noch ein ungewöhnliches Hilfsmittel. Darum fühlte sich 1844 ein braver Schuhmachermeister bewogen, den für ihn geradezu revolutionären Dienst der Brille für sein Geschäft gebührend bekannt zu machen: „Meinen früheren Kunden und einem geehrten Publikum zeige ich ergebenst an, daß ich durch gute Augengläser in den Stand gesetzt bin, meine Profession wieder fortzusetzen."
Ein Optikus preist 1845 Brillen für den Verstand, sogenannte Verstandes-Restaurationsbrillen, an: „Die Brille, welche die Augen, je nachdem sie beschaffen, am angemessendsten ist, wird sogleich nach dem Regeln von mir bestimmt, sobald ich die Augen gesehen habe. Licht und deutliche Unterscheidung der Gegenstände wird unfehlbar einen Jeden über das Gefühl seiner hergestellten Sehkraft mit Freude erfüllen, und Niemand darf besorgen, daß die Augen angegriffen oder geschwächt werden. Diese Besorgnitz findet blos bei Vergrößerungsbrillen Statt; vielmehr zeigt sich, wie schon gesagt, gerade das Eegentheil, daher diese Brillen auch Verstandes-Restaurationsbrillen heißen sollten."
Eine Erfindung, die sich freilich nicht eingeführt hat, ist eine Zigarre, die gleichzeitig die Rolle des Rizinusöls übernimmt. 1867 werden zum Kauf angeboten: „Unterleibs-Cigarren. Einem hochgeehrten Publikum er
laube ich mir, diese, für mich allein eigends fabricirterr Cigarren ganz besonders zu empfehlen; dieselben sind vom feinsten Havanna-Taback gearbeitet, von betäubenden und narkotischen Stoffen befreit, und nach Angabe berühmter Aerzte und Chemiker so präparirt, daß sie eine milde, besänftigende und auflösende Wirkung auf den Unterleib ausüben. — Daher kann ich sie mit gutem Gewissen besonders denen empfehlen, welche an Magenschwäche, Magen- süure, Ausstößen, Leibesverstopfung und Hämorrhoiden leiden, in welcher Form diese letzteren auch austreten." Es soll zuweilen Sorten mit der gleichen Wirkung heute noch geben.
Eine Stadt in Mitteldeutschland verbot am 21. Juni 1841 das „Tabakrauchen in der Stadt, auf den Straßen, öffentlichen Plätzen und bei Spaziergängen in der Stadt". Von dieser „Erfindung" sind wir Nachgeborenen verschont geblieben.
Daß man sich noch 1876 beeilen mußte, wenn man photographiert, „abgenommen", werden wollte, uns daß hierzu günstiges Wetter notwendig war, das bezeugt eine Geschäftsreklame: „Unterzeichneter bittet seine hochgeehrten Kunden, welche noch vor Weihnachten photographiert sein wollen, sich baldigst anzumelden, damit die Arbeiten nicht zu überhäuft und die Bilder zur bestimmten Zeit fertig werden. Die Witterung ist gegenwärtig zur Aufnahme günstig." Ueberhaupt das Licht! Das Petroleum wird geradezu als Wunder gerühmt.
Auch der Fernsprecher ist noch 1890 etwas Unerhörtes. Eine Gasanstalt in einer großen Stadt Mitteldeutschlands macht in diesem Jahr in der Zeitung bekannt, daß sie über diöse Errungenschaft verfüge. Die Haltestellen der Straßenbahnen wurden erst nach 1880 „erfunden". Vis dahin tippten die Fahrgäste dem Kutscher der Pferdebahn auf die Schulter, wenn sie aussteigen wollten. Schließlich kam es so weit, daß der Wagen fast alle dreihundert Schritt halten mußte; eine furchtbare Anstrengung für»die armen Pferde, die bei dem ständigen Wiederanziehen der schweren Wagen arg litten und oft ins Knie knickten.
1847 überraschte die Thüringische Eisenbahngesellschaft das erstaunte Publikum mit der erschütternden Eröffnung, daß Fahrpläne gekauft werden könnten. Sie waren sehr teuer und dabei recht dünn; sie bestanden anfänglich aus einem oder mehreren Blättern. Die Sonntagsfahrkarte war schon im Jahre 1848 da.
Ein Unglücksfall auf der Bahn brachte die Direktion der Thüringischen Eisenbahngesellschaft im Jahre 1847 in große Aufregung; die Herren gaben öffentlich in der Zeitung bekannt, daß dieser Unglücksfall nicht auf ihrer Bahn passiert sei, und sie wollten alles tun, daß so etwas bei ihr nicht oorkomme. — In der Geschichte sind Jahre nichts; bei menschlichen Gebräuchen und Erfahrungen aber bedeuten sie nicht selten sehr viel.
Eine sonderbare Kochzeilsiabrl
Humoreske von Hans Trübst- Lhalandri
Mein FreUnd Anton, von Beruf Prioatdozeni, Naturforscher uns auch sonst ein komischer Kauz, war eines schönen Tages auf den vermessenen Gedanken gekommen, zu heiraten An sich gewiß nichts Außergewöhnliches, wenn man bedenkt, daß Anton 12 Jahre alt, wohlbegütert war und eine Weltfremdheit besaß, die selbst die freiheitlichst gesinnte Polizei als mit der Sicherheit uns dem Wohl des Staates unvereinbar erklärt haben würde. Die Braut, eine >unge Dame im besten Alter. Assistentin an irgendeinem Herbarium, besaß zwar wenig Geld, aber guten Charakter und häusliches Gemüt: die Interessengebiete waren die gleichen: also Liebe. Verlobung. Hochzeit, die an einem schönen Sonnabendnachmittag Punkt 3 Uhr feierlich begangen werden sollte.
Daß Anton diesen Termin vergessen würde, stand bei allen Eingeweihten — mit Ausnahme der Braut — bombenfest, braucht also gar nicht besonders erwähnt zu werden. Zumal cr am Freitag vor der Katastrovhe noch einmal mit der Bahn nach seinem Häuschen, zwei Stunden von der Stadt oben am ke- Lirge, gefahren war, um dort noch einige „äußerst wichtige Dinge" zu ordnen. Zwar hatten Mutter und Braut ihm bei der Abreise noch scherzend eingeschärft, auf jeden Fall rechtzeirig wieder zu erscheinen, aber trotz aller feierlichen Versprechungen hatte sich Anton draußen m seinem Eldorado so festgelesen und festgeschrieben, dag er erst am Sonnabend vormittags, bald nach elf Uhr, behaglich im Bett erwachte. Dies war der Augenblick, wo es ihm plötzlich siedendheitz einfiel: Meine Güte! Er sprang aus dem Bett. Die standesamtliche Trauung hatte er bereits verschlafen! Und die kirchliche beinahe auch! Um drei Uhr sollte er doch, wenn er sich recht erinnerte, ln Lack und Frack in der Kirche stehen. Jetzt hieß es retten, was noch zu retten war. Ein Blick auf die Uhr: Erbarmen! Auch den Zug erreichte er fa kaum noch! In rasender Eile kleidete er sich dennoch an, vergaß den Schlips und stürzte wort- und grußlos an seiner nicht weiter verwunderten Eurykleia zum Hause hinaus, Richtung Bahnhof.
Nochmaliger Blick auf die Uhr: Unmöglich, die zehn Kilometer zu schassen. Halt, ein genialer Einfall! Ein Gedanke, wie ihn nur die höchste Not, die Verzweiflung gebiert: wenige Schritte entfernt lag das Maschinenhalls einer kleinen Drahtseilbahn, welche die in der Nähe geförderten Erze einer Eisengrube hoch durch die Lust zur Bahn beförderte. Kamen d i e heil unten an, warum nicht auch einmal ein Mensch? Gedacht — getan! Anton eilte in das Förderhaus, erklärte dem dort gemächlich amtierenden Maschinisten — wenigstens hielt er ihn in seiner AufreguU dafür — in fliegender Hast die Lage, drückte ihm ein paar Groschen in die Hand und ließ sich dafür von Alois Kegelmeiei in einen gerade leer zu Tal gehenden Eisenkorb hineinhelfen. Genauer: hineinwerfen. Der Hut ging dabei zwar verloren, aber ehe Anton doch richtig zu Lenken vermochte und sich über du Tragweite seiner Handlung klar werden konnte, hatte er bereits in der kleinen eisernen Badewanne die Lustreise angetreten Glücklicherweise war er der Sachlage durchaus gewachsen. Er M zunächst seine Uhr heraus und stellte einige Geschwindigkeitsberechnungen an. — Wenn kein Zwischenfall eintrat, erreich» er gerade noch den Zug zur Stadt. Vorausgesetzt, daß das Aussteigen ebenso schnell ging wie das „Einladen". Etwas bänglich wurde ihm bei diesem Gedanken aber doch zu Mute. Schon einmal war er aus einer fahrenden Straßenbahn in Gedanke» herausgefallen: eine Drahtseilbahn hatte sicher auch ih^ Mucken... Surrend sauste das Kästchen zu Tal. Es war fum Minuten vor zwölf; um ein Uhr ging der Zug. Die Hälfte des Weges hatte Anton bereits ohne Zwischenfälle zurückgelegt
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