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Nummer 392

Altensteig, Samstag» den 29. Dezember 1934

5 7.

Jahrgang

Sie Einigung Paris-Rom vnMttt

Sie Kleine Mente schaltet sich in b!e Sarantlesrage für Oesterreich ein

Paris» 28. Dezember. Unter ständigem Auf und Ab des Stimmungsbarometers in Paris gehen die fran­zösisch-italienisch. Annäherungsverhand­lungen weiter. Vor zwölf Stunden noch wurde die end­gültige Einigung zwischen den beiden lateinischen Schwe­sternationen als unmittelbar greifbar bevorstehend bezeich­net. Heute abend berichtigt und bremst man schon wieder. Heute morgen wurde als sozusagen feststehend verkündet, Latz ein Kompromitz über den Abschluß des öster­reichischen Garantien ertrag es zustande gekom­men sei. Heute abend ist von einem Kompromitz nicht mehr die Rede. Jetzt handelt es sich nur noch um italienische Gegenvorschläge, die von der französischen Regierung natür­lich immer im Einverständnis mit der Kleinen Entente genau geprüft werden müßten. Es scheint also, daß die Kleine Entente sich wieder einmal be­schwerdeführend zwischen die Verhandlun­gen g e w o r f e n h a t. Man spricht neuerdings auch da­von, daß man nunmehr doch die englische Vermittlerhilfe bei Mussolini in Anspruch nehmen könnte. Einige schla­gen sogar die Einleitung sofortiger Verhandlun­gen auch mit Deutschland vor. Das ist aber nicht die Meinung des offiziösenTemps". In seinem heutigen Leitartikel sucht das Blatt zu beweisen, daß alle Annähe­rungsversuche Deutschlands bisher ?ur dem Zweck gegolten hätten, Frankreich zum Helfershel, ?r und zum Komplizen irgend welcher deutscher Eroberungspläne (!) auf anderen Fronten zu machen.

Alle Eröffnungen Deutschlands enthielten immer eine stillschweigend eingeschobene Gegenleistung. Der zwischen Deutschland und Frankreich gefestigte Friede soll nämlich immer Deutschland die Erlaubnis geben, für den Verzicht auf jeden Vorstoß an der Rheingrenze sich sonst irgendwie schadlos zu halten. Diesessonstwo" hat schon oft gewech­selt. Manchmal war es der Danziger Korridor, dann Oesterreich, dann die baltischen Staaten, dann die Ukraine."

Nach dieser lichtvollen Beweisführung für den Lösen Willen bei allen deutschen Friedensangeboten kommt der Temps" zwanglos zu der Schlußfolgerung:Die direkte Verständigung mit Deutschland mutz also für eine Pseudolösung (!) abge­lehnt werden." Natürlich verwahrt sich das Blatt dann auf das heftigste gegen den Vorwurf, daß die fran­zösischen Autzenpolitiker eine Einkreisung Deutschlands be­absichtigen. Nur das schlechte Gewissen Deutschlands wie­derum könne so etwas annehmen. Denn Frankreich wolle doch nur eineKollektivorganisation" der Friedenssicherung in Europa durchführen. Aber gerade diese Organisation würde alle deutschenHintergedanken" undurchführbar machen.

Es gäbe für Deutschland nur einen Weg, Rückkehr nach Gens. Das liege auch in der Linie der deutschen Forderung nach Gleichberechtigung. Denn nur in Genf

könne Deutschland auf dem Boden der Gleichheit mit alle« übrigen Nationen verhandeln. Dann müsse sich Deutsch­land auch der kollektiven Friedensorganisation anschlietze«

und den Ostpakt unterzeichnen.

*

Wir nehmen die Ausführungen desTemps" mit großem Bedauern zur Kenntnis. Sie stellen einen trauri­gen Rückfall in alte, aber leider nur zu bekannte Gepflogen­heiten der französischen Presse dar. Im Grunde besagen sie aber nichts weiter, als daß gewisse Kreise in Frankreich sich durch die Bemühungen um die deutsch- französische Verständigung sich in ihren politischen Geschäften gestört fühlen und sie daher einen Ausgleich von vorneherein zu verhindern suchen. Wir glauben indes nicht, daß derTemps" in diesem Falle für die französische Politik und noch weniger, daß er für das französische Volk spricht.

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Abfahrt Lavals nach Rom am 2. Januar?

Paris, 28. Dezember. DasPetit Journal" behauptet, Laval werde höchstwahrscheinlich am 2. Januar unmittelbar nach dem Ministerrat, der an diesem Tage stattfindet, nach Rom abreisen. Er werde drei Tage in Rom verbringen; davon seien zwei für die Verhandlungen mit Mussolini und einer für eine Begegnung mit dem Papst vorgesehen.

Zusammenkunft MussoliniSimon in einer nord­italienischen Stadt?

Paris, 28. Dezember. Obwohl die englische Botschaft in Rom erklärt, von einer Begegnung zwischen Sir John Simon und Mussolini nichts zu wissen, treffen aus London Nachrichten ein, wonach man in englischen politischen Krei­sen Sir John Simon die Absicht zuschreibt, sich in einer norditalienischen Stadt mit Mussolini zur Besprecht»«« der Abrüstungsfrage zu treffen. Diese englisch-italienische Aus­sprache könnte, so erkläre man, der Romreise Lavals vor­ausgehen und später zu einem französisch-englisch-italieni­schen Meinungsaustausch führen.

*

Oesterreich gegen Earantiepakt unter Teilnahme der Kleinen Entente?

Rom, 28. Dez. Der im allgemeinen gut unterrichtete Vertreter desLavoro Faszista" in Wien will aus bester Quelle erfahren haben, daß Oesterreich nicht geneigt sei, einen internationalen Earantiepakt für seine Unabhängig­keit anzunehmen, an dem außer den vier Großmächten Eng­land, Frankreich, Deutschland und Italien auch noch die Kleine Entente teilnehmen würde. Gründe der nationalen Würde verböten es Oesterreich, eine Unabhängigkeits­garantie von Staaten anzunehmen, die früher unter Oester­reichs Hoheit standen.

Eine Erklärung brr SruWrn Front

Saarbrücken, 28. Dezember. In der heutigen letzten Sitzung des Landesrats vor der Abstimmung lehnte die Deutsche Front durch den Abg. Martin die Verordnung der Regierungskommission über die Fort­setzung der Wohnungszwangswirtschaft ab. Dann kam er auf den Völkerbund zu sprechen, um ihn als einen anonymen Souverän abzulehnen. Abg. Martin hob dann hervor, daß, nachdem es den Separatisten gelun­gen sei, die fremden Truppen ins Saargebiet zu stellen, endlich die Emigranten aus der Polizei entfernt werden müßten. Er wies darauf hin, daß der Wortlaut des Saarstatuts eine zweite Abstim­mung grundsätzlich ausschließe. Es genüge eine Abstimmung. Das Ziel der Saarländer heiße Deutsch­land."

Lord Rolhernme über SeulWand

London. 28 Dez.Daily Mail" verösfentlicht einen aus Mün­chen übersandlen Weihnachrsaupatz ihres Besitzers Lord Ro- ihcrmere, in dem er den Eindruck, den er von dem neuen Deutschland und seinem Führer empfangen hat. in beredten Worten schildert. Er sagt u. a.:Die Deutschen haben einen neuen und starken Glauben gefunden. Dieser Glaube hat das Wunder zustande gebracht, die Berge von Schwierigkeiten zu ver­gessen, die ihren Weg zur nationalen Genesung versperrten. Aber «r hat noch mehr zustande gebracht, er hat Deutschland eine neue Seele gegeben. Ein solcher Wechsel in der We­sensart eines Volles, in seinen inneren Verhältnissen, in seiner internationalen Stellung und sogar in dem einfachen Austreten der Einzelnen ist niemals zuvor in der Geschichte in so kurzer Zeit vollbracht worden. Deutschland ist das neue Sparta. Der gleiche Geist nationaler Disziplin und Selbst­aufopferung. der ein paar tausend Einwohnern einer kleinen griechischen Stadt einen dauernden Platz in der Geschichte erwarb, wird hier von 67 Millionen Menschen von neuem bewährt, die rn mancher Beziehung Las intelligenteste, fleißigste, edelste und abgehärtetste Volk der Welt sind. Wenn eine ganze Generation unter dem nationalsozialistischen System groß geworden sein wird, wird Deutschland eine Nation von einer Art Ueber- menschen sein.

Welcher Zauber hat die deutschen Herzen wieder mit Hoff­nungen erfüllt, um einem Volk den Mut und Selbstvertrauen zu geben und diese mächtige Nation begeistert, so daß man sich selbst in ihrer Mitte wie in einem riesigen Kraftwerk fühlt?

Die Antwort lautet: Hitler! Ohne Hitler wäre nichts von alledem geschehen. Während der vergangenen Woche habe ich mehrfach Gelegenheit gehabt, mit diesem einzigartigen Führer seiner Landsleute zu sprechen und ihm zuzuhören. Es liegt etwas in Hitlers Persönlichkeit, was sich im Geist sofort und unaus­löschlich einvrägr. Seine Augen haben eine bemerkenswerte mag­netische Kraft. Seine tiefe Stimme ist eindrucksvoll und über­zeugend. Aber hinter dem äußeren Bild eines Mannes, der sich bereits in der modernen Geschichte Europas so entschiede» ein­gezeichnet hat. spürt man die Kraft seiner Ueberzeugung, daß er eine ihm vom Schicksal gestellte Aufgabe erfüllt: Deutsch­land wieder auf sei ne Füße zu ft eilen. Hitlers hef­tigster Kritiker wird schwerlich leugnen, daß er bei diesem Werk bereits ein sehr großes Maß an Erfolg erzielt hat. Das geeinte Deutschland vom Jahre 1935 läßt sich mit dem zerrütteten un­glücklichen Deutschland, das er bei der Machtübernahme im Ja­nuar 1933 oorfand, ebenso wenig vergleichen, wie ein aufsteigen- der Adler mit der zerbrochenen Eierschale, aus der er hervorging.

Begreifen wir Engländer, was diese Genesung bedeutet, oder ist unser Urteil noch immer getrübt von den Zerrbildern aus Vorurteil und Propaganda? Beinah« alle Nachrichten Lb?r Deutschland, die sogar in unseren verantwortlichsten Zeitungen veröffentlicht werden, find Unsinn. Sie haben zum Beispiel den Eindruck erweckt, als ob die Juden in Deutschland beinahe das Leben gehetzter Tiere führen. Aber in deutschen Hotels und Gast­stätten habe ich oft fröhliche und festlich gestimmte Gesellschaften von deutschen Juden gesehen, die kein Merkmal der Unsicherheit oder des Leidens zeigten. Ich halte das heutige Deutschland nicht »ur hinsichtlich seiner Möglichkeiten, sondern auch tatsächlich für die stärkste Macht des europäischen Festlandes. Denn was an materieller Ausrüstung mangeln mag, wird mehr als aus­geglichen Lurch den großartigen Geist der Nation und ihr un­gemeines Vertrauen zu ihrem Führer. Wir haben keinen Grund zum Streik mit diesem Volk. Wenn erst ein­mal einige der schlimmsten Ungerechtigkeiten der Friedensrege­lung beseitigt sein werden, wird es keinen Grund mehr geben, weshalb Europa nicht auf Jahre hinaus in vollem Frieden leben sollte. Wir und die Deutschen find blutsverwandt, wie Herr Hitler einmal zu mir sagte. Unsere Nationen haben ein­ander nur einmal bekämpft, während sie in vielen Feldzügen treue Verbündete waren. Wenn Deutschland und Großbritannien nach einer Enlsremdung von mehr als 20 Jahren wieder Zu­sammenkommen könnten, würde sick Heide «ine neue Aera der Wohlfahrt eröffnen.

Schalte» England um?

Größere Unabhängigkeit von der französischen Politik

Trotz des auffälligen Schweigens, das am Quai d'Orsay über die Besprechungen geübt wird, die Flandin und La­va! in den Tagen vor Weihnachten mit dem auf der Durch­reise nach Cannes in Paris weilenden englischen Außen­minister Sir John Simon hatten, lassen alle Begleitum­stände dieser Konferenz erkennen, daß sie für den Gang der gesamteuropäischen Politik nicht belanglos gewesen ist. Und sie war offenbar für die sich vorbereitenden Wandlungen nur ein Auftakt, denn Flandin und Laval sind bei dieser Gelegenheit für Ende Januar nach London eingeladen wor­den. Dort sollen, nachdem inzwischen die Soarfrage durch die Abstimmung endgültig bereinigt sein wird, die jetzigen Unterhaltungen fortgesetzt werden.

Das Bemerkenswerte an der gegebenen Situation ist, daß sich die Schwergewichte etwas verlagert haben. In den Zei­ten Doumergues und Barthous lagen sie auf der französi­schen Seite. Seitdem hat sich mancherlei geändert, auf eng­lischer Seite, aber auch auf Seiten Frankreichs. Jedenfalls zeigt England eine auffallende Aengstlichkeit, neue euro­päische Verpflichtungen zu übernehmen, und es hat nicht an Erklärungen verantwortlicher Minister gefehlt, die dir Grenze von Locarno als unüberschreitbar für die englische Politik hinstellten. Bei der Herbeiführung der Saarver­ständigung hat England mäßigend auf Frankreich einge­wirkt. Seine vermittelnde Tätigkeit kam noch stärker zum Ausdruck bei der Beilegung des Konfliktes zwischen Jugo­slawien und Ungarn. Die Dinge standen hier einen Augen­blick lang deshalb recht kritisch, weil die Kleine Entente sich den intransigenten jugoslawischen Standpunkt zu eigen ge­macht hatte und nicht nur eine Demütigung Ungarn» i»

dem Marieiller Fall herdeiführen, sondern bei dieser Gele­genheit gleichzeitig eine scharfe Ablehnung des Revistons- ; Prinzips manifestieren wollte. Auf ungarischer Seite war , Italien engagiert, aus Seiten der Kleinen Entente Frank- : reich. England hat über Frankreich verhindert, daß die An- : iprüche der Kleinen Entente aufrecht erhalten wurden, und es hat andererseits über Italien eine entgegenkommende i Haltung Ungarns zu erreichen gewußt. So ist es gelungen, ' die Flammen, die aufzuzüngeln drohten, noch im Keime zu ersticken.

j Aber auch in den großen europäischen Fragen, die Deutsch- c land unmittelbar angehen, ist die Umfchaltung der englt- i ichen Politik spürbar. Man ist in London entschlossen, das ! europäische Problem als Ganzes und mit allen seinen ge- i rade Deutschland interessierenden Einzelheiten anzugreiien. i Man muß sich erinnern, daß derselbe Baldwin, der vor Mo- i naten die Verteidigungsgrenze Englands an Sen Rhein i verlegen wollte, Anfang Dezember eine Rede hielt, die eine , stillschweigende Anerkennung der militärischen Ansprüche i Deutschlands auf Gleichberechtigung enthielt. Man wird i auch die entgegen früheren Erklärungen jetzt betätigte Be- i reitwilligkeit Englands, sich an der internationalen Saar- , Polizei zu beteiligen, weniger unter dem begreiflichen Ge- i stchtspunkt der Saarbevölkerung, die die Notwendigkeit die- ! fer internationalen Polizeikontingente ja mir guten Erün- - den überhaupt ablehnt, anfehen müssen, als vielmehr im ; Sinne einer Geste gegen Las früher von Frankreich bean- , spruchte militärische Jnterventionsrecht England merkt, daß ^ es in Gefahr war, mit seiner bisherigen Politik dem alten ; britischen Grundsatz untreu zu werden, der da gebietet, keine i Kontinentalmacht so stark werden zu lassen, daß sie die Un- : abhängigkeit der Entschließungen Downingstreets in Frage j stelle» könnte.