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Alte ns teig, Freitag, den 22. Juni 1934
Rundschau
Die europäische Politik ist noch immer in Bewegung. Die Zusammenkunft zwischen Hitler und Mussolini in Venedig hat ein starkes Weltech- gefunden. Die amtlichen Mitteilungen begnügten sich mit der Feststellung, daß alle Fragen „im Geiste Herzlicker Zusammenarbeit" besprochen worden sind. Aus der persönlichen Fühlungnahme heraus wird sich für beide Länder fruchtbare Zusammenarbeit ergeben. So bedeutet die Begegnung von stra nicht den Abschluß, sondern den Beginn eines neuen Zeitabschnittes in den Beziehungen der Völker Europas.
In der europäischen Gejamtpolltik gesehen, bedeutet die Feststellung, daß die Zusammenkunft der beiden Staatsmänner einer Absage an die Blockpolitik gleichkommt, einen Fortschritt. Kennzeichen der jüngsten Zeit war die Annäherung Frankreichs an Sowjetrußland, die zu irgendwelchen öffentlich noch nicht näher umrifsenen Abmachungen und Bindungen zwischen den beiden Staaten geführt hat, und die im Sinne eines Bündnisses auszubauen sicherlich das Bestreben Barthous ist. Er hat im übrigen vorher schon auf seiner Bejuchsreise nach Warschau und Prag zwei der östlichen und südöstlichen Außenposten der französischen Politik kontrolliert, um sich zu vergewissern, daß die Verbindungslinien zu ihnen noch intakt sind. Aus Prag wird er kaum Zweifel in dieser Beziehung mit nach Hause genommen haben. Auch als er aus Warschau abreiste. hat die Pariser Presse zunächst die völlige Wiederherstellung der Einigkeit mit Polen konstatieren zu können geglaubt. Sie ist heute nach Venedig merkwürdigerweise etwas nervös bezüglich der Festigkeit des französisch-polnischen Bündnisses. Sie verrät damit verspätet gewisse Erkenntnisse, die sich wahrscheinlich schon beim Warschauer Besuch Barthous herausgestellt haben. Polen zeigt seit einiger Zeit bemerkenswerte Ansätze zu einer Verselbständigung seiner Politik, die nicht ganz in das Pariser Konzept hinein- passen. Der von Litwinow in Eens vorgebrachte Vorschlag ^ eines Ost-Locarno-Paktes, in den Deutschland/' Sowjetrußland, Polen und die Tschechoslowakei einbezogen ^ werden sollten, war natürlich im Einvernehmen mit dem s Letter der französischen Außenpolitik gemacht. Er sollte den > Unstcherheitssaktor, den Polen in der östlichen Front der! französischen Europapolitik darstellt, binden. Bekanntlich hat Deutschland das Eingehen auf den Gedanken eines Ost- ( Locarno-Paktes abgelehnt, und bei der in Venedig oorge- s nommenen allgemeinen Revision der aktuellen europäischen - Probleme ist ja auch insofern Uebereinstimmung erzielt > worden, als die Idee solcher Regionalpakte, wie ein Ost- i Locarno einen dargestellt hätte, grundsätzlich verworfen ' wurde. !
Unterdessen hat der Kleinverband in Bukarest getagt und die drei Außenminister haben sich über gewisse Nicht- > linien zur europäischen Politik geeinigt. Der französische,
Für de« Deutschland-Flug
hat der Reichsminister für Luftfahrt Hermann Göring einen silbernen Wanderpreis (stehe oben) für die beste Mannschasts- leistung gestiftet.
Außenminister Barthou gab zum Schluffe «einen Segen da- ' zu. Die Pariser Blätter berichten davon, daß man in Bukarest ein Netz um Deutschland legen wolle durch eine Reihe von Verträgen mit Sicherheitsbürgjchaften. Rumänien bleibt eben der östliche Vorposten Frankreichs. Der Kleinverband will auch Ungarn in seine Interessen einbeziehen. Aber der ungarische Revisionsanspruch macht jegliche Ver- ftändigung unmöglich. Der ungarische Ministerpräsident Gömbös hat im Oberhaus in einer außenpolitischen Rede klar hervorgehoben, daß Ungarn seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit erhalten will und die Revision der Grenzen des Trianoner Friedensvertrages erstrebt.
' In den italienischen Kommentaren zur Zusammenkunft von Venedig ist die Rede davon, daß nach tatsächlicher A n- erkennung der deutschen Gleichberechtigung in der Rüstungsfrage mit der Rückkehr Deutschlands nach Genf zu rechnen sei. Das ist nichts Neues. Von deutscher Seite ist immer erklärt worden, das nur das Fehlen dieser praktischen Anerkennung und die Aufrechterhaltung der französischen Vorbehalte der Wiederherstellung an den Genfer Arbeiten im Wege stünde. Es wäre sicherlich aber irrig, anzunehmsn, daß Mussolini gewissermaßen den Werber für den Völkerbund gemacht habe. An seiner vernichtend kritischen Haltung zu den Genfer Methoden kann nach den zahl
reichen rücksichtslos ofenen Aeutzerungen, die er über sie getan hat, gar kein Zweifel sein. Und überhaupt: Diese Zusammenkunft von Venedig bedeutet, schon um der beiden Persönlichkeiten willen, zwischen denen sie sich abjpielte, und die zwei in straffster Staatlichkeit zusammengefaßte Völker von 110 Millionen Menschen repräsentieren, eine Absage an die Illusion der Genfer Völkerdemokratie. Fast überall in der Welt, auch da, wo man der Zusammenkunft von Venedig nicht freundlich gegenüberstand, verraten die Kommentare jetzt eine gewisse Entspannung. Was Gens nicht vermochte, einen Vertrauensfaktor einzuschalten, das hat Sie offene Aussprache in der Villa Stra zu Wege gebracht.
Die Wiederanknüpfung der Verbindung Paris - Ver- l i n nach dem brüsken Abbruch vom 17. April war schwieriger geworden als seinerzeit im Oktober 1933. Die deutsche Reichsregierung hat den Weg dazu, um den die anderen sich in übertriebener Spitzfindigkeit die Köpfe zerbrachen, gewissermaßen mit leichter Handbewegung gefunden. Der Sonderbeauftragte des Reichskanzlers für Abrüstungsfragen, Herr von Ribbentrop, der schon vor reichlich vierzehn Tagen Gelegenheit hatte, die Fühlung mit Herrn Barthou aufzunehmen, hat kürzlich sowohl mit ihm wie mit dem französischen Ministerpräsidenten Doumergue Unterredungen gehabt, die zwar auf beiden beteiligten Seiten nur informatorischen Charakter trugen, deren Bedeutung doch aber auch von der sicherlich nicht gerade besonders verständigungswilligen französischen Presse anerkannt wird. Es ist nirgends erkennbar, daß sich im Verlauf dieser Unterhaltungen bereits eine Annäherung der beiden Standpunkte vollzogen hätte. Der Wert der Aussprache ist im „Petit Parisien" ganz richtig als ein moralischer bezeichnet worden. Mindestens hat sie eine weitere Verhärtung der vorhandenen Spannungszustände verhütet. Sie hat die Dinge, die in Gefahr waren, dogmatistert zu werden, in Fluß gehalten. Und daß man selbst auf Seiten der französischen Staatsmänner den angebahnten unmittelbaren Meinungstaustausch für nicht unfruchtbar hält, geht daraus hervor, daß die Pariser Presse ankündigt, Herr von Ribbentrop werde nach der Rückkehr Barthous vom Balkan noch einmal nach der französischen Hauptstadt kommen, um die jetzt eingeleiteten Gespräche fortzusetzen. Man soll die Erwartungen nicht zu hoch spannen. Der grundsätzliche Gegensatz zwischen dem von Deutschland vertretenen Gedanken oer gesamteuropäischen Verantwortlichkeit und der Idee der Regionalpakte, der Barthou anhängt, besteht vorläufig noch.
Vom 1. Juli ab hat die Reichsregierung einen Zahlungsaufschub verfügt, der sich auf alle Auslandsschulden einschließlich der Reparationsanleihen erstreckt. Wir sind damit nicht zahlungsunfähig geworden, sondern nur in der Aufbringung fremder Zahlungsmittel beschränkt. Deshalb werden zu den fälligen Fristen alle Schulden bei der Reichsbank in Mark einbezahlt. Für die Ueber- tragung (Transferierung) gilt dann das Schema, das die Reichsbank den Gläubigern als Vorschlag unterbreitet hat.
GrMNostnm
u Copyright: Prisma-Korrespondenz, Berlin-Schöneberg.
Fortsetzung. (Nachdruck verboten)
Die Gelehrten würden nicht schlecht staunen, wenn er durch seinen Fund den Beweis erbringen konnte, daß Europa einmal mit Amerika verbunden war, wie ein berühmter Geograph in letzter Zeit in einem Aufsehen erregenden Werk behauptet hatte.
Das Fortschaffen der beiden für ihn so l.', :.:tsamen Funde machte ihm allerdings noch einige Schwierigkeiten. An einem, den wertvollen Fundplatz umschließenden, ebenfalls verwitterten Drahtzaun zerriß er beim Durchkriechen seinen Hosenboden.
Als er sich dann aber glücklich durch den Zaun geklemmt hatte, stolperte er auch noch über eine Baumwurzel, fiel glatt auf die Nase und verbrachte eine gute Viertelstunde mit dem Süllen des dadurch hervorgerufenen Nasenblutens.
Aber all diese kleinen, notwendigen Uebel ertrug er mit stoischer Ruhe.
Hatten nicht andere Forschungsreisende ihren Drang nach unerforschten Kulturstätten sogar mit dem Leben bezahlen müssen!
Was waren also diese daran gemessenen, kleinen Strapazen gegen das Bewußtsein, vielleicht der ganzen Welt einen ungeheuren Dienst erwiesen zu haben!
Der Weitertransport der Funde bereitete ihm noch einige Mühe.
Der Schaffner der Straßenbahn weigerte sich entschieden, den langen „Knüppel", wie er ironisch sagte, mitzunehmen, und so machte sich Bielefeld auf den Weg nach seiner anderthalb Stunden weit entfernten Wohnung.
, Der harte Pfahl drückte empfindlich auf seinen Schultern.
Seinen rechten Stiefel hatte er, um das Hinken zu vermeiden, ausgezogen und auf den Pfahl gehängt.
Manch derbes Scherzwort ertrug der einsame Wanderer durch das nächtliche Berlin.
Als er nach mühsamem Marsche in seiner Stube angelangt war, ließ er den kostbaren Fund nieder.
Ein lautes Klirren überzeugte ihn, daß der antike Fund für sein kleines Zimmer entschieden zu groß war.
Drei kaputt gestoßene Fensterscheiben waren das Ergebnis seiner näheren Untersuchung.
Auch der rechte Stiefel hatte sich vom Pfahl gelöst und war durch das Fenster auf die Straße geflogen.
Ein wütendes Schimpfen vor der Haustüre ließ Bielefeld weiteres Unheil ahnen.
Als er seinen Kopf durch das zerbrochene Fenster schob, der Mühe des OeffnenS Gar er ja jetzt enthoben, scholl ihm ein wütender Wortschwall seiner heimkehrendrn Wirtsleute entgegen.
„Also Sie sind der verrückte Stiebelschmeißer!" hörte er seinen biederen Logiswirt Pannemann erbost brüllen. „Mensch, sind Sie mondsüchtig jeworden, Sie selten dämlicher Hund?"
Als die Pannemannschen Eheleute nach einer kleinen Weile in das Zimmer ihres Untermieters stürmten, Herr Pannemann mit dem rechten Stiefel in der geschwungenen 'Hand, bot sich ihnen ein Bild jammervoller Vernichtung.
Bielefeld hatte inzwischen versucht, den Balken vom Fenster in die Stube zu dirigieren und war dabei mit dem Hinteren Ende des Holzes in den Mahagonispiegel geraten.
Die Splitter flogen nur so in der Stube herum.
Und zu allem Unglück war auch noch durch den heftigen Stoß der Haken, an dem Mutter Pannemanns ganzer Stolz, dieser Spiegel, hing, locker geworden und mit erheblichem Krach war das werwolle Erbstück zunächst auf Bielefelds Schädel gesaust, hatte den Waschtisch glatt rasiert und zuletzt noch die gußeiserne Hängelampe in Trümmer geschlagen.
Bielefeld saß im Rahmen des ehemaligen Spiegels und rieb sich die Beule an seinem Schädel. Ratlos sah er die für einen Augenblick sprachlosen Wirtsleute an.
„Mensch," brüllte der wutentbrannte Pannemann beim Anblick des Trümmerhaufens, „Sie mimen woll 'nen Klown aus'n Zirkus Renz?"
Und Mutter Pannemann blieb die Spucke weg.
Sie hatte sich halbohnmächtig auf einen zufällig noch heilgebliebenen Stuhl gesetzt und war in Tränen ausgebrochen.
Dann aber ertönte aus ihrem Munde ein Jammergeschrei, das einem Hunde Tränen in die Augen gelockt hätte.
„Mein juter, jeerbter Hochzeitsspiegel... mein bestet Stücke!" jammerte sie immer wieder.
Bielefeld wollte etwas zu seiner Entschuldigung anführen, aber da fuhr Pannemann ihn grob an:
,Zür so 'ne Verjewaltigung meiner Wohnung jibts überhaupt keene Entschuldigung. Det is ja 'ne Valetzung der bürgerlichen Ehrenrechte, wat Sie da anjestellt Ham... Men- schenskind... Sie sind ja reif vor Plötzensee oder vor Dalldorf. Lassense sich doch vors Panoptikum ausbilden. Da jehörnse hin un nich in eene möblierte Bürjerwohnung mit Jas un Badeeinrichtung... Sie Fandale... Sie Wüstling
Sie... blöder Hammel!"
Sein ganzes Sündenregister wurde dem zerknirschten Bielefeld vorgehalten.
Seine Einwendungen, daß er ja gern für den entstandenen Schaden aufkommen würde, nahm das Ehepaar zwar mit Genugtuung auf, aber das Endresultat der nun einsetzenden Verhandlungen war die sofortige Kündigung der Wohnung.
Am nächsten Morgen verließ er das ungastliche Haus mit Hilfe Knolles, der ein paar Häuser weiter wohnte.
Er konnte dort gleich Unterkommen, da Knolles Wirtin noch ein Zimmer frei hatte.
Aber gegen die Unterbringung seiner Sammlungen, namentlich des prähistorischen Pfahlbaus, sträubte sie sich nu: Händen und Füßen.
lo.
Der große Festtag für die Angestellten der Fabrik war nun angebrochen.
Heute, am Pfingstsonnabend, sollte die Kremserfahrt nach Tegel stattfinden.
In allen Betrieben war der Tag mit Ungeduld herbei- gesehnt worden. Bielefeld und Knolle hatten die Festleitung übernommen.
Zu 3 Uhr waren die Kremser bestellt, die den ganzen Betrieb mit Kind und Kegel in den Tegeler Forst bringen sollten.
Das Programm war aufs peinlichste ausgearbeitet und vorbereitet.
Um 4 Uhr Ankunft im Waldkater.
Fortsetzung folgt!