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Altensteig, Dienstag, den 8. Mai 1934
DaS Ende einer Mussten
Frankreich will Schluß der Abrüstungsverhandlungen
In London entfaltet das britische Kabinett eine geheimnisvolle Geschäftigkeit. Nicht weniger als drei Mal hat in letzter Woche der Abrüstungsausschuß der Regierung getagt, ohne daß offiziell irgendetwas über den besonderen Anlaß für die Sitzungen bekanntgegeben worden wäre. Aus privater Quelle aber verlautet, die englische Regierung fasse eine wesentliche Verstärkung ihrer militärischen Rüstungen, hauptsächlich derer zur Lust, in Erwägung, und darüber sei im Ausschuß verhandelt worden.
Das würde allerdings nicht ganz mit dem Namen und den besonderen Aufgaben dieses sogenannten Abrüstungsausschusses in Einklang stehen. Wenn man aber erfährt, daß in London Nachrichten vorliegen sollen, nach denen die französische Regierung die Absicht habe, die Abrüstungsverhandlungen aus der bevorstehenden Sitzung des Hauptausschuf- ses der Abrüstungskonferenz, die am 29. Mai in Genf stattfinden wird, endgültig abzuschließen und für beendet zu erklären, dann begreift man einigermaßen den in London vorgenommenen Themawechsel. Die englische Regierung war in der letzten Zeit geneigt, dem französischen Drängen nach der llebernahme gewisser Bürgschaften gegen eine Verletzung der abzuschließenden Abrüstungskonvention zu entsprechen, immer aber nur unter der Voraussetzung, daß diese Konvention tatsächlich eine gewisse Rüstungsverminderung auch für Frankreich festlege. Man scheint in London nach der inzwischen immer klarer gewordenen Haltung Frankreichs nunmehr aber die Hoffnung aufgegeben zu haben, daß Frankreich bereit wäre, auch nur ein einziges Gewehr zu zerstören. Dieser Sachlage gegenüber erblickt das englische Kabinett nicht nur keinerlei Veranlas- sungzur llebernahme von Bürgschaften, auf deren unter Umständen verhängnisvolle Auswirkungen soeben Lord Lothian in der „Times" hinweist, es fühlt auch deutlicher die militärische Unterlegenheit Englands gegenüber dem in Waffen starrenden Frankreich, und da Vorsicht die Mutter der Weisheit auch in der Politik ist, wird im Ausschuß des Kabinetts nicht mehr von Abrüstung, sondern von der eigenen Aufrüstung gesprochen.
Man kann nicht sagen, daß Frankreich sich gerade bemüht hätte, England solche Vergleiche zwischen dem Rüstungsstand diesseits und jenseits des Kanals fern zu halten. Die Nachrichten über eine vom französischen Kriegsministerium beabsichtigte Verlängerung der Militärdien st - zeit haben nur eine sehr unklare und keineswegs überzeugende Widerlegung erfahren. Das Kriegsministerium erklärt lediglich, daß die ergangenen Anweisungen sich nur auf die Aufstellung des Voranschlages für 1935 beziehen. Man kann nicht finden, daß damit die Absichten dementiert wären. Dazu kommen die Ankündigungen geplanter großer Marinemanöver im Atlantischen Ozean und im Kanal, die in erster Linie auf das Zusammenarbeiten zwischen See- und Luftstreitkräften abgestellt sein werden. Angeblich liegt ihnen die Annahme zugrunde, daß zwei deutsche Geschwader französische Truppentransporte von Afrika nach der Mittel- meerkllste Frankreich stören wollen, aber England ist begreiflicherweise in allen Fragen der See- und Luftkriegsrüstung besonders empfindlich.
Aus Rom verlautet, daß man in der Frage der Abrüstungskonvention im Augenblick keinerlei Initiative zu ergreifen gedenke. Das halbamtliche „Giornale d'Jtalia" bestätigt diese Auffassung und bringt zum Ausdruck, daß oLne Deutschland in Gens nichts geschehen
Denkt an das
tonne. Aus kernen Fall werde Italien ohne Deutschlands Teilnahme irgendein Abkommen unterzeichnen Hält man dazu, daß König Victor Emanuel der Dritte in der Thronrede, mit der er das neueingesetzte Parlament eröfsnete. die Erklärung abgab, daß Italien „für sich und für Europa eine möglichst lange Friedenszeit heiß erwünscht, und daß die beste Gewähr für einen solchen Frieden in der Schlagkraft unserer bewaffneten Macht liegt", dann darf man wohl seststellen, daß die Illusion der europäischen Abrüstung heute auch in Italien begraben ist.
Ein neuer englischer Abrüstungsplan?
London, 7. Mai. Ein Sonderkorrespondent des „Daily Telegraph" schreibt: Die Politik, die von England bei Wiederzusam- mentritt der Abrüstungskonferenz in Genf am 28. Mai befürwortet werden soll, wird in einer Sondersitzung des Kabinetts am Dienstag erörtert werden Der Kabinettsausschutz für die Abrüstungsfrage hat sich kürzlich mit dem Entwurf eines neuen Planes beschäftigt. Es verlautet aber, datz die Mehrheit des Kabinetts diesen Plan nicht annehmen wird. Sein leitender Gedanke ist, die schwerbewaffneten Staaten durch ein« Erweiterung der Sicherheitsgarantien in Europa unter riesiger Beteiligung zu einem Abkommen über eine Begrenzung der Rüstungen zu überreden. Es verlautet, daß Macdonald den Plan begünstigt hat, datz aber die Mehrheit der Minister dagegen ist. Macdonald ist darauf aufmerksam gemacht worden, datz das Unterhaus sich niemals mrt einem solchen Plan einverstanden erklären würde.
Inzwischen erfährt man. datz vom britischen Botschafter in Paris eine wichtig« Darstellung der französischen Haltung ein- zegaugen ist. Sie deutet auf eine wesentliche Aenderung des Pariser Standpunktes hin. die wahrscheinlich auf die Ratschläge surückzuführen ist, die Doumergue und seine Kollegen vom französischen Ceneralstab erhalten haben. Frankreich ist anscheinend licht bereit, sich auf ein Abkommen über die Begrenzung de> Rüstungen oder aus einen Nichtangriffspakt mit Deutschland zr
<«ta»en, iouoern zieht es vor, die Schritte zu tu», die es im Interesse seiner eigenen Sicherheit für notwendig hält. Unter diesen Umständen wird in Kabinettskreisen die lleberzeugung ausgedrückt, datz die britische Rolle in Genf jetzt passiver sein Müsse.
Erldte über die neuen Ausgaben des Stahlhelms
Magdeburg, 7. Mai. Der Nationalsozialistische Deutsche Front- lämpferbund (Stahlhelm) hielt am 5 und 6. Mai hier im Beisein des Gründers, des Reichsarbeitsministers Franz Seldte, seinen ersten Führertag ab. Minister Seldte hielt eine Rede, in der er u. a. sagte, er sei froh darüber, datz durch den Stahlhelm das Frontsoldatentum seinen bestimmten Platz in der großen nationalsozialistischen Bewegung erhalten habe. Mit aller Kraft halte dieser Bund im nationalsozialistischen Deutschland die Tradition des Frontsoldatentums hoch. Die Parole heiße Einigkeit. Die alten Ideale und die alten Symbole blieben bestehen; nunmehr werde aber vom Stahlhelm das siegreiche Symbol des Hakenkreuzes sowohl in Abzeichen als auch in der Fahne hinzugefügt. Der Stahlhelm wolle mit allen in bester Kameradschaft stehen. Er wolle keinen Zwang und keine Zwangszugehörigkeit zu seinem Bunde, sondern Mitkämpfer aus Freudigkeit. Zugunsten der Jüngeren hätten die alten Frontsoldaten bewußt auf die Aufgaben der körperlichen Betätigung und des Sports verzichtet. Geblieben seien die hohen geistigen Aufgaben der Frontsoldaten. Es scheine wichtig, neben dem Tag der Arbeit. dem Tag des Bauern, künftig auch einen Tag des Frontsoldaten einzurichten. Schließlich müsse der Bund sein Augenmerk darauf richten, in welcher Form das Reich den Frontsoldaten bester als im früheren System den Dank des Vaterlandes abstatten könne. Kein Land der Erde sei reich genug, seinen Söhnen, die für seinen Bestand geblutet hätten, die Opfer durch materielle Entschädigungen auszuwiegen: Deutschland aber sei arm, und es könne oft nicht einmal dort Mittel beschaffen, wo sie zur Behebung der bittersten Not gebraucht würden. Trotzdem müsse man immer wieder versuchen, Wege zu finden, um die Frontkameraden von Staatswegen bester zu versorgen. Neben der materiellen Frage entstehe aber noch die Aufgabe einer ideellen Anerkennung und Verehrung. Man werde also der Frage eines Reichsfrontkämpferabzeichens seine Aufmerksamkeit schenken.
Manischer Marinrbesuch in Berlin
Berlin, 7. Juni. Der Chef des zur Zeit im Mittelmeer weilenden japanischen Schulschiffgeschwaders, Vizeadmiral Matusita, traf zu einem offiziellen Besuch in Berlin ein. In seiner Be- gleitung befanden sich die Kommandanten der Schulkreuzer „Asama" und „Jwate", sowie mehrere Herren seines Stabes. Zu seiner Begrüßung hatten sich der japanische Marineattachee in Berlin, Pendo, der erste Botschaftssekretär Sugisait, sowie zahlreiche Mitglieder der japanischen Kolonie eingefunden.
Reichspräsident von Hindenburg empfing am Montag den Chef des auf einer Europarei,e befindlichen japanischen Geschwaders, Admiral Matusita, der von dem hiesigen japanischen Botschafter begleitet war.
Vizeadmiral Matusita empfing einen Vertreter des DRV. und äußerte sich ihm gegenüber, er sei herzlich erfreut über die herzliche Aufnahme in der Reichshauptstadt. Da die Mitteilung über den Inhalt des Programms für seinen Berliner Aufent-
!' (81. Fortsetzung.)
Der Freiherr begann nervös in seinen Anzugstaschen zu suchen. »
Schließlich zog er ein Schreiben hervor, Las er auf den Lisch legte.
„Diesen Brief schrieb Vera vor mehreren Wochen an ihre Mutter. Er kam durch einen Zufall in meine Hände. Durch einen anderen Zufall — heute möchte ich es Bestimmung nennen — wurde seine Beförderung vergessen. Jedesmal, wenn ich den Brief in Händen habe, überkommt Mich der verrückte Wunsch, ihn zu öffnen."
„Was wir jetzt tun werden," erklärte der Justizrat und schlitzte das Schreiben auf.
Er überflog den Inhalt und las ihn dann laut vor. Es war das schönste Eingeständnis des ganzen Betruges. Klein erhob sich.
.»Ich gehe jetzt, um den Schluß der Angelegenheit in Ordnung zu bringen," sagte er. „Dieser Brief wird meine Aufgabe bedeutend vereinfachem Ich bin pünktlich zur Bescherung zurück, und wir können Weihnachten feiern mit dem Bewußtsein, reinen Tisch gemacht zu habem"
„Und ich schlage vor, der Freiherr bleibt bis zur Bescherung gleich im Atelierhause und geht jeder Begegnung mit Vera Staniecki aus dem Wege," vollendete Senta Bratt. „Justizrat, ich habe Ihnen noch etwas zu sagen."
Senta Bratt hatte Klein gar nichts zu sagen, aber sie wollte Großvater und Enkelin taktvoll allem lassem
Anne saß neben ihrem Großvater. Mit leuchtenden Augen sah Falke in das junge, schöne Gesicht. Dann strich er über des Mädchens Blondkopf.
„Jetzt weiß ich, weshalb ich die andere nicht leiden konnte, warum sie mir von Tag zu Tag widerwärtiger würde. Es war die Stimme des Blutes, die in mir sprach. Zu dir aber neigt sich mein Herz, weil du von meiner Art bist. Wirst ou mich lieb haben, Anne?"
, Statt aller Antwort neigte sich das Mädchen über die Hand Falles und der Freiherr fühlte die warmen Tränen, die darüber rannem
» * *
Ein Gong dröhnte und rief die Bewohner des Atelierhauses zur Bescherung. Hand in Hand stiegen der Freiherr und Anne die Stiegen hinab. Senta Bratt folgte ihnen. -
Auf der Treppe trafen sie Fritzi und den Professor, die über und über mit Paketen beladen waren.
„Auf zum Weihnachtsmann!" jubelte Fritzi und versuchte bei Anne eine Umarmung, wobei sie ein halbes Dutzend Pakete verlor, die die Treppe mit Gepolter hinabrollten.
„Hoffentlich war nichts Zerbrechliches drin, Fritzi," neckte Anne.
„Nee, zerbrechliche Sachen schenke ich nicht mehr, nachdem ich rm vergangenen Jahr das Pech mit den Likör- gläsern hatte," erklärte sie. „Ich hatte einen kolossalen Lacherfolg, als ich der Gräfin die Glaswaren als Splittersammlung anbrachte." -
Wie auf ein Stichwort tönte jetzt von unten Gelächter herauf.
„Fritzi, ich glaube, Sie haben wieder Lacherfolg," sagte die Malerim
„Nanu, ist doch gar nichts kaputt gegangen!"
Herr von Grottkau, Hans und Prinz Meersburg waren gekommen. Hinter Ihnen zuckelte der Jufttzrat
herbei, der krebsrot im Gesicht und über und über mit Schneeklumpen bedeckt war.
»Fritzi," schrie Hans herauf, „guck mal her! Wir bringen den Justizrat als Weihnachtsmann an« geschleppt."
„Was ist denn los, Hans? Mach' doch nicht solchen Spektakel!"
„Wie sehen Sie denn aus, Justizrat?"
„Was ist passiert?" tönte es durcheinander.
„Ich bin vor dem Hause ausgeglitten und hin« gefallen," erklärte der Notar. „Da kommt dieser unwürdige junge Mann dazu. Anstatt einem grauen Haupte respektvoll auf die Beine zu helfen, rollt er mich im Schnee umher, um mich als Weihnachtsmann zu maskieren. Es ist eine Schande um die Jugend von heute!"
„Rache ist Blutwurscht, Justizrat!" rief Grottkau senior dröhnend. „Sie muß kalt genossen werden. Warten Sie's ab, bis Sie für den Bengel den Scheidungsprozeß führen, dann können Sie chm ordentlich eins auswischen. Hallo, Remus, bist Lu schon hier?"
Grottkau hatte den Freund entdeckt und winkte ihm zu. -
„Ich bin schon zwei Stunden hier," erklärte der Freiherr vergnügt.
„Du Schleicher, hast wohl schon deine Geschenke vorweg? Warum hast du mir nichts gesagt? Ich gondelte an deinem Hotel vorbei, um dich abzuholen, aber da war bloß oie Zofe. Die packte Koffer und heulte Blasen. Kraus wußte auch nicht, wo du steckst."
„Wo ist Kraus?" fragte Falke hastig.
„Den habe ich in ein zweites Auto verpackt und nach hier verfrachtet, damit er mit Guste und Ursel Weihnachten feiert. Ich kann doch die gute, alte Seele an so nem Tage nicht in dem dämlichen Hotel allein sitzen« lassen!"
„Du -ist ein Goldkerl, Grottkau!" ' '
.(Fortsetzung folgte .