Da jedoch alle Blätter den gleichen Wortlaut ver­öffentlichten, mußte man schon an die Zuverlässigkeit der Nachricht glauben, um so mehr, als auch das XXe. Sidcle, das große klerikale Blatt, das gerade in der Zeit der größten politischen Spannung, Ende Juli, einige Artikel von anerkennenswerter und uns Deutschen wohltuender Sachlichkeit über die diplomatischen Notenaustausche gebracht hatte, das Ultimatum in der gleichen Fassung in großen Le­iern, die halbe Titelseite umfassend, seinen Lesern bekanntgab. DiesesUltimatum" aber besagte in gekürzter Fassung, Deutschland verlangt von Belgien die Unterstellung seiner Streitkräfte unter ein deut­sches Oberkommando und gemeinsamen Kampf ge­gen Frankreich! Das war eine für das numerisch zur Hälfte, gefühlsmäßig dreiviertel und politisch ganz französische Belgien so ungeheuerliche Forde­rung, daß wir in Brüssel ansässige Deutsche auf alles gefaßt waren. Das in dieser Form dem Volke von der französischen und belgischen Presse dargereichte Ultimatum hat die besonnene Brüsseler und belgische Bevölkerung in eine wohl zu verstehende heiße Ver­bitterung gegen alles Deutsche gehetzt. Wer ist schuld an diesem verleumderischen Ultimatum? Wer hat diese unerhörte, jedem Völkerecht hohnsprechende Fälschung begangen? Hat die belgische Telegraphen­behörde dieses Verbrechen auf dem Gewissen und mit ihr die belgische Regierung?

Ein neues Zeugnis gegen die englische Regierung.

Berlin, 17. Sept. In einer uns vorliegenden Nummer derNew Port Evening Post" schildert deren Londoner Korrespondent in einem Briefe vom 15. August die Wirkung des Kriegsausbruchs in Lon­don. Dieser gewiß unverdächtige Zeuge leitet seine Darstellung mit dem bezeichnenden Satz ein: Die Regierung, die, wie nunmehr allgemein zugestanden wird, sich im geheimen seit drei Monaten auf diese Krisis vorbereitet hat.... Seit drei Monaten! Das genügt!

Gesunken.

London, 18. Sept. Die Admiralität gibt be­kannt, daß das SchulschiffFisgard II" im Kanal bei einem Sturm gesunken ist. Von der Besatzung von 64 Mann sind 21 ertrunken. Das Schulschiff Fisgard II" ist ein als Hulk für Maschinenpersonal benütztes altes Panzerschiff und hieß früherJn- vincible".

England und Schurkereien ohne Ende.

In den regierungsofiziösen Verlautbarungen des Dreiverbandes, sowohl in Reden, als in Zei­tungsartikeln, wird immer wieder dreist behauptet, Deutschland habe den gegenwärtigen Weltkrieg ver­ursacht und begonnen. Wie kurze Beine diese Lügen haben, zeigt folgende jetzt wohl bald in deutsch­freundlichen und deutschen Kreisen des Inlandes und Auslandes als erwiesen betrachtete Tatsache. Engländer waren lange vor der Kriegserklärung in großen Massen in Frankreich, anscheinend um an französischen Manövern teilzunehmen. Diese erhiel­ten dann in Frankreich nur noch scharfe Munition und waren für den Kriegsdienst fertig. Andere Gruppen von Engländern sind in großen Massen in Zivilkleidern über den Kanal befördert worden. Es war dann nötig, diese in Frankreich mit nachge- sendeter Uniform, Gewehr und scharfer Munition zu versehen, um sie gleichfalls rasch auf den Kriegs­schauplatz werfen zu können, immer lange vor der Mobilmachung. Auch in Belgien haben sich vor Aus­bruch des Krieges Engländer in großen Massen Her­umgetrieben. Hier sind Engländer sowohl in Zivil als auch in französischen Uniformen getroffen worden. Alle diese Massen sind doch gewiß nicht zum Schutze der belgischen Neutralität in Nordfrankreich und Belgien bereit gehalten worden. Denn niemand konnte damals wissen, daß Deutschland die belgische Neutralität werde verletzen müssen, weil Belgien den französischen Truppen bereits den Durchzug durch sein Gebiet gestattet hatte. Diese Briten käm­pfen heute auf niederträchtige Weise gegen uns. sie fechten gegen uns wie gegen die Eingeborenen ihrer Kolonien. Es knallt aus den Häusern und aus dem Hinterhalt. Noch als Gefangene benehmen sie sich frech und aufsässig. Es ist sogar vorgekommen, daß aus dem Hinterhalt auf die Begleiter von Gefan­genentransporten geschossen worden ist. Engländer sind auch in Löwen dabei betroffen worden, wie sie Hinterhalte und Straßenkampf organisierten. Man sollte meinen, daß man gegen diese Leute nicht scharf genug auftreten könnte. (Südd. Ztg.)

Englischer und deutscherMilitarismus".

Da die Meldungen für die neue englische Armee von 500 000 Mann, die Kitchener auf die Beine

bringen möchte, immer noch spärlich einlaufen nach amtlichen Angaben sollen sich bis zum 5. Sep­tember 250 000 Söldner gestellt haben, so haben die Minister und bekannte Parlamentsmitglieder beschlossen, dem Werbegeschaft durch Reden nachzu­helfen, in denen die öffentliche Meinung aufgestachelt wird. Für diese Versammlungen haben die Herren sich ein neues Leitmotiv erdacht: derpreußische Militarismu s", das große Kulturübel der Ge­genwart, muß ausgerottet werden. Wie dieses Mo­tiv jetzt abgewandelt wird, davon nur einige Proben. Herr Bonar Law, der Führer der Opposition, sagte unter anderem:Das Haupt der deutschen Ne­gierung brauchte nur das Wort Frieden zu lispeln, dann wäre der Krieg vermieden worden. Er hat das Wort nicht gesprochen, er hat das Schwert gezogen. So möge denn das verfluchte System, das er verkör­pert, auch durch das Schwert untergehen. Das deut­sche Volk hat geduldet, daß aus ihm eine militärische Maschine gemacht wurde, die kein Gesetz außer dem der Gewalt, anerkennt und nur das Recht des Stär­keren achtet. Dagegen kämpfen wir." Auch S i r Edward Grey, derMann mit dem leichten Herzen" dieses Krieges, hat sich in einer solchen Ver­sammlung hören lassen. Nachdem er sich wieder ein­mal zum Retter der belgischen Neutralität und zum Schützer der kleinen Staaten aufgeworfen, meinte er: Der Verlauf des Krieges hat gezeigt, welch ein furchtbares und unsittliches Ding der deutsche Militarismus ist. Gegen diesen deutschen Mi­litarismus müssen wir fechten. Ganz Westeuropa .würde ihm verfallen, wenn Deutschland in diesem Kriege siegen sollte. Wenn aber als der Erfolg dieses Krieges die Unabhängigkeit der kleineren europäischen Staaten gesichert und Westeuropa von der Bedrohung durch den deutschen Militarismus befreit werden könnte denn es ist nicht das deutsche Volk, sondern der preußische Militarismus, der Deutschland und Europa in diesen Krieg getrieben hat wenn dieser Militarismus niedergeworfen werden kann, dann wird ein hellerer und freierer Tag für Europa aufgehen, und er wird uns für die schrecklichen Opfer entschädigen, die dieser Krieg for­dert." Man sollte es nicht für möglich halten, daß England einem Mann, der solch öde und blöde Phrasen von sich gibt, gestattet hat, es in diesen Krieg zu stürzen. Es ist ja erklärlich, daß der preu­ßische Militarismus den Engländern und besonders Ehren-Erey und Konsorten auf die Nerven fällt, der Militarismus, der wie der Sturmwind über die verbündeten Armeen" hereingebrochen ist, so daß von dem englischen Expeditionskorps jetzt schon kaum die Hälfte mehr übrig ist, und von dem die Times sagt:Die Schnelligkeit, mit der die Deutschen vor- rllcken, ist für Leute, welche die Gegend und die Ent­fernungen kennen, ein Wunder." Aber was wissen die englischen Krämer, die sich Söldner kaufen, um ihre Pseffersäcke zu schützen, vom deutschen Milita­rismus, was haben die Insulaner, denen der ^oiäier das verachtetste Geschöpf auf dem Erdboden ist, für eine Ahnung von dem Opfermut eines Volkes, das, eingekeilt zwischen mächtigen, neidischen Nachbarn, im Kampfe ums Dasein gezwungen war, eine Nation von Soldaten zu werden. Mag man es da drüben immerhin Militarismus schelten, was sich bei uns in der hundertjährigen Probe der allgemeinen Wehr­pflicht als nationales Verteidigungssystem bewährt hat, für uns Deutsche ist sie ein nationales und ethisches Ideal, diese demokratischste aller Instituti­onen des Weltalls, durch die jeder. Edelmann und Bauer, arm oder reich gehalten ist, sein alles, sein Bestes, sein Herzblut für das Vaterland zu geben. Nichts als Verachtung haben wir für die englischen Schönredner und politischen Geschäftemacher, die sich erlauben, mit schmutzigen Fingern an dieses Ideal zu rühren. Sie mögen nur unsere Verlustlisten, die Todesanzeigen in unfern Zeitungen lesen: Fürsten und Arbeiter, Grafen und Bauern, Katholiken, Pro­testanten und Juden, Sozialdemokraten, Konserva­tive, Zentrumsmänner und Liberale, alle ohne Un­terschied sterben den Tod für das Vaterland. Der Einsatz ist gleich, ihr Herren Engländer, und erst, wenn auch ihr einmal die Blüte eures Volkes und nicht den Abschaum der Nation in das Schlachtfeld stellt, könnt ihr über diese Dinge mitreden. Als der Befehl erging, mobil zu machen, als dann dieser Mi­litarismus mit der Genauigkeit der Maschine arbei­tete, als die deutsche Nation sich wie selbstverständ­lich in ein Heer von feldgrauen Uniformen wandelte und unsere Jugend singend und blumengeschmllckt herauszog gegen den Feind, da hörten wir eine alte Frau sagen: ich will nun aber auch nie mehr über die Steuern klagen, da sieht man doch, wozu sie da sind! Das ist der Geist des preußischen, des deutschen Militarismus, der Geist, der bei uns das ganze Volk erfüllt vom Kaiser bis zum Bettelmann und der alles setzt an seine nationale Ehre. Machts uns nach, wenn ihr könnt, Engländer, dann wollen wir weiter sehen. _

Oesterreichische Aufklärung.

Wien, 18. Sept. Zu dem von dem russischen Generalissimus an die Bevölkerung Galiziens ge­richteten Manifest schreibt das ,',Fremdenblatt": Gegenüber der zweideutigen, unsäglich heuchlerischen Behauptung, daß Rußland um der kleinen Völker willen das Schwert gezogen habe, muß festgestellt werden, daß Rußland gegen die Monarchie deshalb Krieg führt, weil es die von ihr den kleinen Völkern gewährte Freiheit und Selbständigkeit nicht länger dulden wollte. Was Rußland will, ist nichts anderes, als die Entnationalisierung und die Russifizierung zuerst unserer Slaven und, wenn dieser Bissen ver­schluckt ist, jeder nicht slavischen Völkerschaften. Mit Hilfe der noch immer verblendeten Serben und der mittlerweile zur Einsicht gelangten Bulgaren sollte die Monarchie zertrümmert werden. WährendOester- reich-Ungarn in diesem Krieg die Idee der Lebens­berechtigung der kleinen Völker überhaupt vertei­digt, führt Rußland Krieg für die Idee des despo­tischen Altrussentums. Wie aber werden die Ge­schichtsschreiber kommender Zeiten sich erklären kön­nen, daß England und Frankreich an der Seite des russischen Völkerwllrgers kämpfen konnten. Daß Ruß­land in der Stunde, da es von seinen Unterdrückten Treue und Waffendienst verlangt, ihnen die bürger­liche Gleichberechtigung und Freiheit im Gebrauch der Muttersprache und im Bekennen des Väterglau­bens versprechen mußte, was es ihnen bisher ver­sagte, enthüllt die Wahrheit über Rußland und die große Schmach Englands und Frankreichs.

Rücktritt des ruffischen Kriegsministers.

Wien, 20. Sept. Das offiziöse ungarischeTel.- Korr.-Bureau" teilt den Rücktritt des russischen Kriegsministers, General Ssuchomlinow, mit. lieber die Gründe verlautet: Zwischen dem Kriegsminister und dem russischen Oberkommandierenden, Groß­fürsten Nikolai, ist es zu einem Zusammenstoß gekommen, da der Kriegsminister den Großfürsten für die russische Niederlage bei Tannenberg verant­wortlich machte und sich im Militärkasino dahin äußerte, daß der Großfürst der deutschen Armee im­mer ausweiche, wo er nur könne. Mit solch einem Feldherrn könne man nicht siegen. Diese Aeußerung wurde dem Großfürsten hinterbracht, der den Kriegs­minister in einer für einen Offizier ehrenrührigen Weise zur Rechenschaft zog.

Russische Gesandtschaften als Lügenfabriken.

Wien, 18. Sept. DieZeit" meldet aus B u- karest: Das russische Hauptquartier fährt fort, die rumänische Presse mit Lügennachrichten zu über­schwemmen. Am Montag telegraphierte angeblich Großfürst Nikolai Nikolajewitsch nach Bukarest, die russischen Kosaken wären vor Kronstadt, das geräumt sei, angekommen. Das BlattDimineata" veröffent­licht diese Nachricht in Extraausgabe. Aus dem Kron­stadt benachbarten Sinaia, wo sich der rumänische Hof aufhält, wurde nach Bukarest telegraphiert, daß man es mit einer russischen Lüge zu tun habe. Die Dimineata" erklärte darauf am nächsten Tage, sie sei das Opfer einer peinlichen Mystifikation gewor­den, nicht zum erstenmale, da es wiederholt geschehen sei, daß die russische Gesandtschaft lügenhafte Sieges­nachrichten in die Welt gesetzt habe.

Bulgarien kenEauch seine Engländer.

Sofia, 19. Sept. Die ArbeiterzeitungRabot- nitschewski Westnik" bespricht im Zusammenhang mit den Bemühungen des Balkankomites, Buxton, die Politik Englands und sagt, die Unabhängigkeit Bulgariens habe für England nur insoweit Inte­resse, als sich Bulgarien der Eroberung der Meer­engen durch Rußland widersetzen würde. Die sog. Hochherzigkeit Englands habe im vorigen Jahre nicht gehindert, daß Bulgarien erniedrigt und beraubt wurde. England würde auch heute Bulgarien opfern, wenn es einen guten Tausch machen könnte. Wenn England heute Bulgarien Freundlichkeiten erweise, sei dies bloß, um Bulgarien später um so teurer verkaufen zu können. Die Rettung Bulgariens von der sog. englischen Hochherzigkeit zu erwarten, wäre lächerlich. Diese Hochherzigkeit zeige sich in Indien durch eine beispiellos furchtbare Ausbeutung eines 300 Millionen-Volkes. In Aegypten in der Knech­tung und Beraubung eines anderen Volkes. Eng­land wirke auf der ganzen Welt mit Gewalt, Rechts­verletzung und Raub. Auch sei die servile Rolle des demokratischen England gegenüber dem russischen Zarismus bekannt, als daß jemand an edle Motive Englands glauben könnte.

Rumänien bleibt weiter neutral.

Berlin, 20. Sept. DerBerl. Lokalanz." mel­det aus Bukarest: In einem unter dem Vorsitz des Königs abgehaltenen Kronrat wurde neuerdings der Beschluß bekräftigt, daß Rumänien sämtlichen Mäch­ten gegenüber auch weiterhin die strengste Neutrali­tät bewahren werde.