Oesterreichische Siegeshoffnung unerschütterlich.

Wien, 15. Sept. Der frühere Kriegsminister Freiher v. Schönaich, schreibt in derN. Fr. Presse" zu der gegenwärtigen Kriegslage im Osten: Wir stehen in Galizien im Kampfe mit nahezu doppelter numerischer lieberlegenheit und sind in den harten Kämpfen nicht geschlagen worden, sondern haben uns, trotz der Ungunst der Lage, noch immer nach freiem Entschluß, vom Gegner unbelästigt, auf sehr kurze Strecken zurückgezogen, immer von neuem den Kampf aufnehmend. Innerhalb eines Monats hat die Armee, von der fast keine je einen ernsten Krieg erlebt, diesen Mangel an Kriegserfahrung behoben und mit einem Heldenmut und einer Zähigkeit ge­kämpft, wie sie schlachtgewohnte Truppen nicht glän­zender beweisen können. Die numerische Ueberlegen- heit können wir kaum ausgleichen, aber der Kampfes­mut unserer Truppen hat ihre Leistungen bedeutend erhöht und den unseres Gegners, ohne dessen Tüch­tigkeit in Zweifel zu ziehen, bedeutend gemindert. Das ist ein Ausgleich in den Chancen des Krieges, den wir Nichtkämpfer mit Genugtuung begrüßen müssen und diese Anerkennung muß ich im unerschüt­terlichen Vertrauen auf die Zukunft aussprechen, durch ein Vertrauen, das jeden Zweifel zurückweist. In diesem Sinne denken, reden und handeln ist jeder­manns patriotische Pflicht. Die Stimmung der braven Verwundeten, die die Tage zählen, bis . sie wieder zur Front gelangen können, muß der Grund­ton der allgemeinen Stimmung sein und bleiben.

Der große Sieg der Russen.

Wien, 16. Sept. (Nicht amtlich.) DiePetersb. Telegr.-Agentur" hat in den letzten Tagen die ge­wohnten phantastischen Siegesmeldungen aus Anlaß des Abbruchs der Schlacht bei Lemberg gebracht und als Beleg für dieselben von 30 000 Kriegsgefan­genen, die die Russen gemacht hätten, und von einem Verlust von 90 Kanonen gesprochen. Es ist interes­sant zu konstatieren, daß in dem ofiziellen Commu- niqu6 des russischen Eeneralstabs vom 14. Sept. über die Ereignisse um Lemberg nurmehr von 30 Kanonen und 8000 Gefangenen die Rede ist. Bon der Armee des Generals Brussilow wird zugegeben, daß sie sich in einer kritischen Situation befand und daß es ihr nur nach schweren Kämpfen gelungen ist, über den Sieg zu entscheiden. Es war zu erwarten, daß das russische Communiqus die aus strategischen Rücksichten trotz des Sieges unserer Heereskörper um Lemberg erfolgte Zurücknahme unserer Armee zum Anlaß nehmen würde, Siegesnachrichten in die Welt zu posaunen. Daß dies in so zahmer Weise geschieht, dürste die Öffentlichkeit überzeugen, daß man un­seren ofiziellen Nachrichten, die nichts beschönigen und nichts verhehlen, das vollste Vertrauen entgeqen- bringen kann.

Die Kriegslage in Galizien.

Wien, 16. Sept. Aus dem Kriegspressequartier wird amtlich gemeldet: Der Sieg an der Ruczwa hatte eine Kriegslage geschaffen, die es ermöglichte, zum Angriff gegen die in Ostgalizien eingebroche­nen sehr starken russischen Kräfte vorzugehen. In der Erkenntnis der Notwendigkeit, unsere nach den Ge­fechten östlich von Lemberg zurückgegangene Armee zu unterstützen, erhielt die in der Schlacht bei Ko- marow siegreich gewesene Armee den Befehl, gegen den geschlagenen Feind nach kurzer Verfolgung nur untergeordnete Kräfte zurückzulassen, ihr Eros aber im Raume NarolUhnow zur Vorrückung in die ihrer bisherigen Angriffsrichtung entgegengesetzte Direktion Lemberg zu gruppieren, was schon am 4. September durchgefllhrt war. Die Russen schienen nach ihrer Ankunft in der ihnen kampflos überlasse­nen Hauptstadt Galiziens einen Flankenstoß in der Richtung Ljublin vorzuhaben, wobei sie unsere hin­ter die Grodek-Teichlinie zurückgeführte Armee wohl vernachlässigen zu können glaubten. Indessen stand diese Armee bereit, in die zu erwartende Schlacht unserer nun von Norden gegen Lemberg anrückenden Armee einzugreifen. Am 5. Sept. war letztere Heeres- auf der 70 Kilom. breiten KomarowRawaruska Horynice hinausgelangt. Weiterhin mit dem linken Flügel im Raume von Rawaruska sich behauptend, schwenkte sie mit dem rechten Flügel am 6. Sept. bis Kurniki ein und trat am 7. Sept. in einen ernsten Kampf gegen starke nordwärts vorgeschobene feind­liche Kräfte. Mit Tagesanbruch des 8. Sept. begann auf der 70 Kilom. breiten KomarowRawaruska unser allgemeiner Angriff, der bis zum 11. Sept. durchaus erfolgreich war und namentlich am süd­lichen Flügel nahe an Lemberg herangetragen wurde. Trotz dieses Erfolges wurde es notwendig, eine neue Gruppierung unseres Heeres anzuordnen, weil sein Nordflllgel bei Rawaruska bedroht war und frische, weit überlegene russische Kräfte sowohl gegen die vorwärts Krasnik kämpfende Armee als auch im Raume zwischen dieser und dem Schlachfeld von

Lemberg vorgingen. An den schweren Kämpfen öst­lich von Erodek am 10. Sept. waren die Erzherzöge Armeeoberkomandant Friedrich und Karl Franz Jo­seph bei den dort angreifenden Divisionen. Wie in allen bisherigen Schlachten und Gefechten, so haben unsere braven, nun schon seit drei Wochen ununter­brochen kämpfenden Truppen auch vor Lemberg ihr Bestes geleistet und ihre Bravour und Tüchtigkeit abermals erwiesen. In der fünftägigen Schlacht hat­ten beide Teile schwere Verluste. Namentlich bei Ra­waruska wurden mehrere Angriffe der Russen blutig abgewiesen. Gefangene Russen, darunter besonders viele Offiziere, wurden immer wieder eingebracht. Aus den Angaben unserer zweiten Etappenbehörde geht hervor, daß bisher 41 WO Russen und 8000 Ser­ben in das Innere der Monarchie abgeschoben wor­den sind. Bisher wurden über 300 Feldgeschütze im Kampf erobert. Resümierend kann hervorgehoben werden, daß unsere Armee wie bisher in aktivster Weise und in heldenmütigem Kampf dem numerisch überlegenen, tapferen und hartnäckig kämpfenden Feind erfolgreich entgegentreten kann. Der Stell­vertreter des Generalstabs: v. Höf er, General­major.

Die Serben muffen hungern.

Wien, 15. Sept. DieReichspost" meldet aus Sofia: Den Berichten aus Nisch zufolge ist die in­nere Lage Serbiens verzweifelt. Die Serben geben ihre bisherigen Verluste auf 25 WO Mann an. Schrecklich ist der Hunger, der im Lande herrscht. Die serbische Regierung hat sich mit in Bulgarien ansässigen griechischen Lebensmittelhändlern wegen Lieferungen in Verbindung gesetzt, aber trotz des Ein­greifens der russischen Regierung läßt Bulgarien die Ausfuhrverladungen nicht zu, da sie das auf der Neutralität beruhende Ausfuhrverbot berührten. Alle Lazarette sind mit Verwundeten überfüllt. Krankheiten richten Verheerungen in der Armee und in der Bevölkerung an.

Italien will neutral bleiben.

Kopenhagen, 15. Sept. (Nicht amtlich). Die Zeitung Politiken veröffentlicht ein Interview mit dem hiesigen italienischen Gesandten. Dieser erklärte, es sei der lebhafte Wunsch des italienischen Volkes» außerhalb der kriegerischen Begebenheiten zu bleiben. Dieser Wunsch werde in Deutschland verstanden, wo man Italien mit genau demselben Wohlwollen betrachte, wie vor dem Ausbruch des Krieges. Es sei nicht richtig, daß die Italiener unfreundlich in Deutschland behandelt würden. Das Gegenteil sei der Fall.

Amerika und Japan.

Der Gesandte der Vereinigten Staaten hat die bindende Erklärung in Tokio, Paris, London und Petersburg abgegeben, daß die Vereinigten Staaten sich zu besonderen Maßnahmen gezwungen sehen würden, falls die japanische Aktion, in welcher Form es auch sein möge, sich außerhalb det chinesisch-japa­nischen Gewässer ausdehnen sollte. Man setzt damit in Verbindung, daß die Vereinigten Staaten ihre Stille Ozean-Flotten verstärkt haben und daß ein starkes Geschwader nach den Philippinen abge­gangen ist.

Liedervon einem, der nicht mit darf".

(B-n C-rl Weitbrecht. I87S.)

II.

Wach auf du deutsches Volk im Süden,

Wacht auf, ihr Lauen, aus ihr Müden

Nur allzulange schlieft ihr schon!

Seht ihr den sränkschen Geier Kreisen,

Hört ihr die alten schlimmen Wellen.

Des Erbfeinds ungebärdig Drohn?

Weg die Bequemlichkeit,

Weg eitler Zank und Streit,

Weg alle Schranken!

Nicht Süd und Nord, nicht hier und dort Deutschland sei euer Losungswort!

Nicht für der Spanier einst'ge Krone Gehts jetzt zum Kampf, für keine Throne,

Für keiner Herrscher Eigennutz:

Ein Feind will unsre Ehre schänden Das Heiligste mit frechen Händen Herniederziehen in den Schmutz!

Könnt ihr das ruhig sehen?

- Könnt ihr untätig sieben?

Des Südens Stämme?

Geschirrt das Roß? Die Klinge bloß!

Vereint dem Norden führt den Stoß!

Seid ihr schamrot nicht geworden

Daß Deutschlands Süden, Deutschlands Norden

Der Feind zu trennen je gehofft?

Wollt über deutscher Brüder Leichen,

Dem Franken ihr die Hände reichen Der blutigen Haß euch bot schon oft?

Schmach, wer's zu denken wagt!

Schmach, wer zu stehen zagt bei seinem Volke! Heraus das Schwert! Der sei entehrt,

Der deutscher Heeresfolg sich wehrt.

t Zeichnet 1 I Sir Xricgsanleihenl I

Aus Stadt und Land.

Calw, den 1-7. September 1914.

Verlustliste.

(Amtliche württembergische Verluste Nr. 18.)

Infanterie-Regiment Nr. 120, Ulm.

Mueketrer Karl Friedrich Wacker aus Neusatz, OA. Neuen­bürg, schwer verwundet, Brust. Reservist Gottliev Kaupp aus Haiterbach, OA. Nagold, leicht verwundet. Reservist Johannes Egeler aus Nebringen, OA. Herrenberg, verwundet.

Unsere Verluste.

Es gehen unglaubliche Ziffern über unsere Ver­luste durch das Volk. Letzthin erzählte einer, daß er aus dem Kriegsministerium" erfahren hat, daß in den Vogesen über 10 000 gefallen seien, ohne die Ver­wundeten und Vermißten. Einem anderen hatein hoher Offizier" mitgeteilt, daß die Schlacht bei Long- wr> über 16 WO Mann gekostet habe. So geht es fort. Daß an solchen Uebertreibungen nicht allein die menschliche Sucht, sich wichtig zu machen, schuldig ist, sondern auch das spärlich-langsame Erscheinen der Verlustlisten, muß zugegeben werden. Die Unsicher­heit, die trübe Sorge, die umherschleicht unter den Zurückgebliebenen, ist fast ein noch größerer Faktor der Aufbauschung, als die Wichtigtuerei der Wirts­hausstrategen. Geht man diesen Zahlen nach, so fin­det man erfreulicherweise, daß ganz gewaltig ge schwindelt wurde. Die Kämpfe bringen solche Ver­luste, Got sei Dank, überhaupt nicht. Wenn wir auch diesmal viel mehr Soldaten im Ausmarsch haben, als 1870, wenn auch die Mordinstrumente viel raf­finierter konstruiert sind, als damals, wenn auch zum Land- und Seekrieg noch die Luftbomben ge­kommen sind, es sind auch die Schützungen und Deck­ungen raffinierter geworden, der Soldat ist zur Vor­sicht im Felde mehr ausgebildet worden als 1870 und Nahkämpfe sind nicht so häufig, da Franzos und Engländer bald lange Beine machen. Die Ver­luste werden deshalb auch nicht wesentlich höher werden, als im letzten Krieg mit Frankreich. In der blutigsten Schlacht bei Gravelote fielen nicht ganz 4500 Mann, bei Wörth etwas über 16W und bei Vionville nahezu 3300. Die Verwundetenzahlen werden wohl etwas höher werden, denn die Ma­schinengewehre mähen schrecklich. Da war die fran­zösische Mitrailleuse das reine Kinderspielzeug ge­gen dieses moderne Massenmordinstrument. Der Schwabenspiegel" hat zum Sedanstag einen inte­ressanten Aufsatz von einem Statistiker gebracht, der in seinem Endresultat feststellt, daß 1870 auf 1000 Soldaten an gefallenen oder gestorbenen (na­mentlich durch Typhus) im Durchschnit 45,89 kamen. Mit anderen Worten, von 22 Soldaten, die nach Frankreich gingen, kamen 21 wieder und nur einer war gefallen oder gestorben. Der Aufsatz ist über­schrieben:Ein Trostwort für Mütter, Frauen und Bräute unserer Krieger".

Die Kriegsanleihe.

Für die neue deutsche Kriegsanleihe macht sich in den weitesten Kreisen lebhaftestes Interesse gel­tend, schon deshalb, weil dem deutschen Sparer ein so sicheres und zugleich so hochverzinsliches Papier seit dem Kriegsjahre 1870 überhaupt nicht wieder angeboten worden ist. Es ist erfreulich, daß durch die Mithilfe der Sparkassen auch die kleineren Zeich­ner sich an der neuen Anleihe beteiligen und sich da­durch einen höheren Zinsgenuß verschaffen können, als ihn die Sparkassen gewähren. Eines nur bietet für den kleineren Sparer eine gewisse Unbequem­lichkeit, nämlich die Aufbewahrung der erworbenen Schatzanweisungen oder Schuldverschreibungen. Da der Erwerb einer Schuldbucheintragung, die die­sem Uebelstand abhelfen könnte, insofern eine kleine Erschwerung bietet, als sich wegen der notwendigen Formalitäten eine spätere Abstoßung nicht ganz so rasch ermöglichen lassen wird, als der jederzeit mög­liche Verkauf der in den Händen des Besitzers be­findlichen Stücke, so werden viele der Zeichner es vorziehen, die Stücke in ihren Besitz zu übernehmen. Es wäre nun eine dankbare Aufgabe der Spar­kassen, wenn sie es übernehmen würden, dem klei­neren Sparer der größeren Sicherheit halber die Obligationen ohne Berechnung eines Entgelts auf­zubewahren und die fälligen Zinsscheine jeweils seinem Sparkassenkonto gutzuschreiben. Damit wür­den die Sparkassen die Unterbringung der Kriegs­anleihe weiter wesentlich unterstützen, sie würden eine patriotische Pflicht erfüllen, außerdem aber auch ihrer eigentlichen Aufgabe Nachkommen, den Spar­sinn wachzuhalten, indem sie die fälligen Zins­scheine sofort wieder als Spargeld an sich ziehen.