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Rümmer 7
Altensteig, Mittwoch, den 1V. Januar 1934
57. Zahrga«,
Das Lodesurteil an van der Lübbe veWreckl
Berlin, 1V. Zanuar. (Eigene Drahtmeldnng.) Das Todesurteil an van der Lubbe ist heute mor- genimLeipzigdurchdasFallbeilvollstreckt worden.
Wirtschaftspolitik, die sich selb« sch«
Bekanntlich hat sowohl die englische Regierung wie sie der Vereinigten Staaten gegen die Transssrrege- lung, zu der die deutsche Reichsbank sich durch die Entwicklung der deutschen Devisenbilanz gezwungen sah, auf diplomatischem Wege Protest erhoben. Keine dieser beiden Protestnoten versucht allerdings die tatsächlichen Nachweisungen der Reichsbank über die deutsche Devisenlage zu entkräften. Keine äußert sich auch nur mit einem Wort darüber, wie praktisch eine volle Transferierung der Zins- sälligkeiten oder auch nur eine Transferierung in größerem Umfange, als das Moratorium ihn vorsieht, ermöglicht werden könnte. Der Nachweis Dr. Schachts, daß schon bei Durchführung eines 30prozentigen Transfers — unter gleichzeitiger voller Transferierung -er Verbindlichkeiten aus Dawes- und Pounganleihen — monatlich ein Devisenminus von 11 Millionen NM. verbleibt, sofern die derzeitigen Außenhandelsverhältnisse keine durchgreifende Aende- rung erfahren, bleibt schließlich das durchschlagende Argument.
Die beiden protestierenden Staaten hätten aber vielleicht gut daran getan, einmal nachzuprüsen, welche Wirkungen ihre eigene Handels- und Wirtschaftspolitik aus die Gestaltung -es Außenhandels und des internationalen Zahlungsverkehrs ausgeübt hat. England hat sich nicht nur, entgegen seiner Tradition, gegen die Einfuhr auf vielen Warengebieten durch zum Teil recht hohe Schutzzölle verschlossen, es hat durch seine Währungsabwertung um den Binnenmarkt eine weitere Absperrungsbasis errichtet und gleichzeitig auf den Weltmärkten den eigenen Export zum Nachteil der Ausfuhr anderer Staaten gedost.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind von jeher ein Land des Hochschutzzolls gewesen, haben sich immer zwar entrüstet, wenn man in Europa Schutzmaßnahmen gegen eine amerikanische Jndustrieinvasion ergriff — man denke z. V. an die Aufregung, die vor einigen Jahren entstand, als zwischen Deutschland, England, Frankreich und Italien der Gedanke gemeinsamer handelspolitischer Abwehr der Ueberschwemmung mit amerikanischen Automobilen erörtert wurde — aber die Währungspolitik Roosevelts hat nun, genau wie die englische, noch einen zusätzlichen Protektionismus geschaffen.
Mit England ist unser Handel im Augenblick noch aktiv, d. h. wir haben einen wenn auch nicht allzu großen Ausfuhrüberschuß. Mit den Vereinigten Staaten von Amerika haben wir seit jeher eine passive Handelsbilanz, und der Passivsaldo ist unter der Auswirkung der letzten wirt- schaftspolitischen Vorgänge noch gewachsen. Deutschland als Industrieland ist einer der besten Rohstosfkunden der Vereinigten Staaten. Es findet drüben gar nicht entfernt im gleichen Maße Abnehmer für seine Jndustrieerzeugnisse, weil die hohen amerikanischen Zölle verteuernd wirken. So kommt es, daß für das Jahr 1933 Deutschland für rund 55 Millionen Dollar mehr von den Vereinigten Staaten gekauft als dorthin verkauft hat. Dieser deutsche Einfuhrüberschuß belastet die deutsche Zahlungsbilanz mit Amerika.
Dazu kommen die Zahlungen aus dem Schuldendienst für deutsche, in Amerika untergebrachte Anleihen. Ende Februar 1933 hat das Statistische Reichsamt den für den Zinsen- und Tilgungsdienst an USA. aufzubringenden Betrag auf 605 Millionen NM. geschätzt. Durch die Dollarentwertung sind inzwischen vielleicht 211 Millionen RM. davon erspart worden, sodaß die Gesamtbelastung durch den Schul- dendienft 394 Millionen RM. oder etwa 140 Millionen Dollar jährlich betragen mag. Der durch Warenlieferungen nicht getilgte Saldo im gegenseitigen Zahlungsverkehr be- ttagt also 55 Millionen Dollar Einfuhrüberschuß plus 140 Millionen Dollar Zinsen- und Tilgungsdienst, zusammen 195 Millionen Dollar.
Die wirtschaftlich jo erfahrenen Amerikaner sollten eigentlich nicht erst darüber belehrt werden müssen, daß diese 195 Millionen Dollar ja schließlich nicht aus den beschränkten Gold- und Devisendeckungsreserven der Reichsbank be- zahlt werden können, sondern daß es nur ei: stge Möglichkeit gäbe, sie wirklich zu transferieren ) in Ge
stalt von Warenlieferungen. Das und nichr .. -.res wird auch die Antwort aus die Protestnote der amerikanische» Regierung sein müssen
Wie wir hören, sind inzwischen übrigens die Vorderes- tungen im Gange, um auch die amerikanischen Gläubiger der Vorteile des Scrip-Verfabrens teilhaftig werden zu laf-
8m fkimMAm Denkschrift
AeußerulMN der diplomatisch-politischen Korrespondenz
Berlin, 9. Jan. Zur Ueberreichung der französischen Denkschrift über die Abrüstungsfrage schreibt die .Deutsche diplomatisch-politische Korresponrenz" u. a.: Die politische und technische Bedeutung der französischen Denkschrift zur Abrüstungsfrage macht es erklärlich, daß vermutlich noch eine ganze Anzahl von Tagen über der zur Beantwortung notwendigen Prüfung vergehen wird Deutschland ist nach wie vor überzeugt, daß allein der Weg des diplomatischen Gedankenaustausches mit den maßgebenden Ländern die Erfolgsaussichte» bietet, die von Ser Genfer Methode jahrelang vergeblich erwartet worden find. Aeußerun- gen der ausländischen Presse. wonach Frankreich sich zu Zugeständnissen, ja zu Opfern entschlossen habe, find von großem Interesse für die deutsche Regierung, die stets für die allgemeine Abrüstung eingetreten ist und die deutsche Gleichberechtigung durch Abrüstung herbeiführen will. Sie prüft die französische Denkschrift im Geiste aufrichtigen Verständigungs- Willens unter dem Gesichtspunkt, welche neuen oder vielleicht auch alten Abrüstungsvorschliige darin enthalte» sind. Bei der zum mindesten zögernden Haltung, die Frankreich in diesem entscheidenden Punkte stets eingenommen hat, ist anzunehmen, daß die so stark hervorgehobene Bereitschaft zu praktischen Abrüstungsmaßnahmen in dem Dokument noch nicht so konkret und jo klar umschrieben ist, daß man darin einen merklichen Fortschritt erblicken könnte, so daß also Rückfragen in Paris notwendig sein werden. Die Korrespondenz bemerkt weiter, daß in der anscheinend oorgeschlagenen Herabsetzung der Lus trüit ungen kein positives Element zu erblicken sei. Ob Frankreich und andere Grenzländer zusammen 6000 oder 3000 Kriegsslugzeuge besitzen. während Deutschland überhaupt keine habe und nicht einmal über eine Flugabwehr verfüge, sei gleichgültig Wenn allerdings zugesagt würde, daß die Vernichtung binnen weniger Jahre durchgeführt werde, dann könnte Deutschland das Ende dieser Frist abwarten und auf eine eigene Luftwaffe verzichten Presse
meldungen besagten. Saß Frankreich ruf die „Bewährung» f r i st", diesen greifbarsten Ausdruck der Diskriminierung Deutschlands, verzichtet habe, jedoch an einer zeitlichen Zweiteilung de» Konvention entsprechend der Simon-Erklärung vom Oktober feft- halte. Wenn Deutschland im erste« Zeitabschnitt die allgemei» erlaubten defensiven Waffen nicht bekomme, aber kontrolliert werden solle, während die anderen Länder hinsichtlich des Krieg» Materials nicht abrüsten, so je, damit tatsächlich der Begriff de» Probezeit wieder verwirklicht. Was Deutschland »ach wie vor verlangen muß, ist wirkliche Gleichheit der Vedinguiigen und ser tatsächlichen Lage im Rahmen eines allgemeinen Abrüstungs- abkommens.
Die deutsch-französische Aussprache Pariser Blätterstimme»
Paris, 9. Jan. Die Ausführungen der deutschen diplomatisch- politischen Korrespondenz zur französischen Denkschrift werden vo» der gesamten französischen Presse als richtunggebend sur di« deutsche Antwort bewertet und demgemäß stark beachtet. Man folgert daraus, daß Deutschland das Angebot Frankreichs fii« unzulänglich hält, aber vor einer enügüliigen Stellungnahme um weiteren Aufschluß über diese und jene Frage ersuchen wird. — „Journal" sagt, man sehe, wohin die deutschen Gedankengänge führten und knüpft daran die geradezu phantastische Entstellung, Deutschland erstrebe eine Luftflotte, die ebenso stark sei, wie die aller seiner Nachbarn zusammen Trotz der höfliche» Formeln und tröstlichen Versicherungen der offiziösen Auslassungen in der deutschen Korrespondenz, fährt das Blatt dann fort, trete deutlich zutage, daß Deutschland sich nicht den Anregungen der französischen Denktchrist anschließen werde.
„Figaro", Ser sich wie immer wild gebärdet, fordert den Abbruch der diplomatischen Verhandlungen Man müßte darauf gefaßt sein, erklärr das Blatr, daß Deutschland neue Zugeständnisse fordere. Die von der jranzösischen Negierung gemachten Zugeständnisse gingen bereits über den Nahmen des Zulä'stgen hinaus.
Antwort d« RtstorungSkommiftton t« Sank
auf -je Brsibwer-e -re SeulMir Seoul
Saarbrücken» 9. Januar. Auf die Beschwerde der Deutschen Front über die Politik der Regierungskommission des Saargebiets hat diese jetzt in eingehenden Ausführungen geantwortet.
In dieser Antwort versucht die Saarregierung ihr Verhalten durch den Hinweis zu rechtfertigen, daß die Zahl der von Nationalsozialisten begangenen „Terrorakte" im letzten Vierteljahr zugenommen habe und daß der Saarregierung täglich Klagen aus den verschiedensten Teilen der Bevölkerung unterbreitet würden. Es gehe nicht an, die Verantwortung für diese Ausschreitungen sogenannten unverantwortlichen Elementen zuzuschieben. Die Antwort drückt dann das außerordentliche Bedauern der Regierungskommission aus, daß die Herren Röchling und Levacher, die seit 14 Jahren eng mit dem politischen Leben des Saargebiets verbunden seien, die Eingabe der Deutschen Front mir unterzeichnet und ihre Parteien kürzlich nach langem Zögern der NSDAP, unterstellt hätten.
Die Regierungskommisston befaßt sich dann mit der Frage der Versammlungsverbote und vetont, daß geschlossene Versammlungen grundsätzlich erlaubt seien. Wegen zahlreicher Zwischenfälle jedoch seien nicht nur die geschlossenen nationalsozialistischen, sondern auch die kommunistischen Versammlungen, also für beide „extreme Parteien", verboten worden. Die NSDAP, aber, heißt es in der Antwort weiter, versuche die Verbote zu umgehen, indem sie unter der Bezeichnung „Elternabende", Heimatabende" usw. Versammlungen veranstalte, in deren Verlauf einflußreiche Mitglieder der Partei das Wort ergriffen hätten, um über polnische Ereignisse zu sprechen.
In der Antwort der Regierungskommisston wird zum Schluß betont, daß die Regierung keine Bestimmungen der Notverordnungen zu bereuen oder abzuschwächen brauche, zu deren Erlaß sic vor einigen Wochen gezwungen worden sei. Sie habe das feste Vertrauen, daß sie die Lage meistern werde; sie vertraue auch auf die tatkräftige Unterstützung des Völkerbundes, die der Regierung noch niemals gefehlt habe.
Schließlich wird in der Denkschrift noch festgestellt, daß sie die Zustimmung sämtlicher Mitglieder der Saarkom
mission gesunden habe: nur das saarländische Mitglied habe seinen abweisenden Standpunkt beibehalten.
Dieser Bericht der Regierungskommission an den Völker- bundsrat ist getragen von ausgesprochenem Haß gegen die nationalsozialistische Bewegung, was nicht zu verwundern ist, wen» man weiß, daß der in der Regierungskommission beschäftigte, i» Deutschland seit einiger Zeit strafrechtlich verfolgte frühere Oberregierungsrat Ritzler an der Abfassung des Berichts maßgeblich beteiligt ist. Das allein kennzeichnet die Tendenz und auch die Dokumente, auf die sich die Denkschrift stützt. Die Unterlagen, einseitig zusammengestellt, sind kürzlich von einem anderen, ebenfalls von der Regierungskommission angestellten Emigranten namens Lehnert in seiner Eigenschaft als Polizeikommissar in Neunkirchen sichergestellt worden. Obwohl diese Dokumente erst jetzt bekannt geworden find, versucht die Reaie- rungskommission, mit ihnen nachträglich ihre seinerzeitigen Verordnungen zu rechtfertigen. Unverhohlen geht aus jedem Wort drr Denkschrift die Verärgerung darüber hervor, dag das bewußte Deutschtum an der Saar sich gemäß der Neuordnung der Dinge in Deutschland ohne Unterschied der Partei mit dem Nationalsozialismus in der Deutschen Front zusammengefunden hat. Der Versuch der Denkschrift, trotz dieser Einigung die Führer der früheren Parteien gegen den Nationalsozialismus auszuspielen, zeigt am besten, wie wenig Verständnis die Regierungskommission für die geistige und vaterländische Einigung im Reich und an der Saar ausbringt. Allein der Umstand, daß die Regierungskommission bei ihren Maßregeln Nationalsozialismus und Kommunismus als „extreme Parteien" einander gleichstellt, genügt als Zeugnis für die subjektive Einstellung der Regierungskommission. Sie glaubt, die Verbindung mit dem Reich als gesetzwidrige Machenschaften einer politischen Partei brandmarken zu können, die sich auf ihre „auswärtigen Beziehungen" berufe. Auch das ist ein Zeichen für die mangelnde Objektivität der Saarregierung, denn laut Saarstatut ist die Saarregierung als Treuhänder einer Bevölkerung eingesetzt, die auch heute nicht ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat.
Das deutsche Volk an der Saar wird trotz dieser Provozierung durch eine ihm aufgedrungenc landfremde Regierungs- kommisfion sich in seiner vorbildlichen Ruhe und seinem Ordnungssinn nicht wankend machen lassen. Alle wenig verschleierten Versuche, die Saarbevölkerung in ihrer Einigkeit zu erschüttern, werden sie nur noch fester zusammenschlichen im Kampf um die Wiedervereinigung mit dem deutschen Vaterland«.