8Y. Jahrgang.

Amts- und Anzeigeblatt für den Vberamtsbezrrk Lalw.

Nr. 206 .

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Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags.

Telefon 9.

Deutsche Kavallerie vor Paris.

Grotzes Hauptquartier, 4. Sept. (W.T.B.) Bei der Wegnahme des hoch in Felsen gelegenen Sperrsorts Eivet haben sich, wie im Kamps um Na- mur, die von Oesterreich zugesandten schweren Mo- torbaiterien durch Beweglichkeit, Treffsicherheit und Wirkung vortrefflich bewährt und ausgezeichnete Dienste geleistet. Die Sperrbefestigungen Hirson, Les Ayvelles, Lande, La Fsre und Laon sind ohne Kampf genommen und damit sämtliche Sperrbefest­igungen Nordfrankreichs außer der Festung Mau­beuge in unseren Händen. Gegen Reims ist der An­griff eingeleitet.

Die Kavallerie der Armee des Generalobersten von Kluck streift bis Paris. Das Westheer hat die Aisne-Linie überschritten und setzt den Vormarsch gegen die Marne fort. Einzelne Vorhuten haben ste erreicht. Der Feind hat vor den Armeen der Generalobersten von Kluck, von BL low, von Hausen und des Herzogs von Württem­berg den Rückzug auf und hinter die Marne ange­treten. Bor der Armee des Deutschen Kron­prinzen leistete er im Anschluß an Verdun Wider­stand, wurde aber nach Süden zurückgeworfen. Die Armeen des Kronprinzen von Bayern und des Generalobersten von Heeringen haben immer noch starken Feind in befestigten Stellungen in französisch Lothringen gegenüber. Im Ober-Elsaß streifen deutsche und französische Abteilungen unter gegenseitigen Kämpfen.

Im Osten ernten die Truppen des General­obersten von Hindenburg weitere Früchte des Sieges. Die Gefangenenzahl wächst täglich, sie ist bereits auf 90000 gestiegen. Me viele Geschütze und sonstige Siegeszeichen noch in preußischen Wäl­dern und Sümpfen stecken, läßt sich nicht übersehen. Anscheinend sind nicht zwei, sondern drei russische kommandierende Generäle gefangen. Der russische Armeeführer ist nach russischen Nachrichten gefallen.

Eeneralquartiermeister von Stein.

Die neue Siegeskunde von Reims und Verdun.

»ürd von der Mehrzahl der Blätter als eine Krö­nung des Festtages angesehen, zu dem der Gedenktag Mi Sedan geworden ist. DieVossische Zeitung" Ichreibt: Während Berlin gestern im Flaggenschmuck pnangte, besonders auch in den Arbeitervierteln, Ao bei den Wahlen fast ausschließlich sozialdemo­kratische Stimmen abgegeben werden, wohnte tief M Innern aller die Hoffnung, dieser 2. September werde nicht zu Ende gehen, ohne daß ein neuer Sieg aem deutschen Volk und uns kund und zu wissen ge­tan werde. Und die Hoffnung wurde nicht zu schan- ^ ^6 von Sedan hat durch die gestrige frohe Eschaft eine neue Bedeutung gewonnen. Die »Post" führt aus: Unser Vormarsch ist unwider­

stehlich. Die neueste Kundgebung des General­quartiermeisters meldet nns den Mißerfolg von 10 französischen Armeekorps. Annähernd eine halbe Million Franzosen sind geschlagen. Mit stolzer Be­friedigung hört das deutsche Volk, daß auch sein Kaiser mitten im Feld bei seinen Truppen war. DieKreuzzeitung" hebt hervor, daß auch unser Bundesgenosse uns eine gleichwertige Ueberraschung zum Tage von Sedan bieten konnte. DerBer­liner Lokalanzeiger" meldet: Der oberste Kriegs­herr der Deutschen, der bis vor kurzem sein Haupt­quartier in Koblenz aufgeschlagen hatte, ist auf französischem Boden. Diese Nachricht spricht eine deutliche Sprache. Sie lehrt, daß wir sicher sein dürfen, das, was wir bisher errungen, nicht wieder zu verlieren, mögen auch Rückschläge kommen, die in einem Kriege kaum zu vermeiden sind. Nie und nimmermehr hätte der Kaiser sich nach Frankreich begeben, wenn an irgend einer verantwortlichen Stelle noch mit der Möglichkeit gerechnet werden könnte, daß wir über die Grenze zurückgeworfen wer­den könnten. Daß der Kaiser zu seinem Heer in Feindesland gegangen ist, wird seinen Eindruck im Ausland so wenig verfehlen, wie im Inland. Un­sere tapferen Truppen aber, die von Anfang an mit der erfolgreichsten Waffe, das ist mit Todesverach­tung, für das Vaterland gefachten haben, werden einen weiteren Ansporn zur Einsetzung aller Kräfte darin erblicken, daß der Kaiser in ihrer Mitte weilt. Ein neues Zeichen ist aufgerichtet, daß heute ein Band Kaiser und Fürsten und Volk umschlingt. Und fo wird es bleiben.

Präsident und Regierung nehmen den Finkenstrich.

Präsident Poin«care und die Regierung haben folgenden Aufruf an das Land gerichtet:

Franzosen! Seit mehreren Tagen stellen erbit­terte Kämpfe unsere heldenhaften Truppen und die feindlichen auf die Probe. Die große Tapferkeit unserer Soldaten hat ihnen an mehreren Punkten bemerkenswerte Vorteile eingetragen. Dagegen hat uns im Norden der Vorstoß der deutschen Streit­kräfte zum Rückzug gezwungen. Diese Lage nötigt den Präsidenten der Republik und die Regie­rung zu einem schmerzlichen Entschluß. Um über das Heil der Nation zu wachen, haben die Behörden die Pflicht, sich zeitweilig von Paris zu ent­fernen. Indessen wird der hervorragende Ober­befehlshaber der französischen Armee voll Mut und Begeisterung die Hauptstadt und ihre patriotische Bevölkerung gegen den Eindringling verteidigen, aber der Krieg soll gleichzeitig im übrigen Lande ge­führt werden.

Ohne Furcht und Nachlassen, ohne Aufschub und Schwäche wird der heilige Kampf für die Ehre der Nation und die Sühne des verletzten Rechtes weiter gehen. Keine unserer Armeen ist in ihrem Bestände erschüttert worden. Wenn einige von ihnen sehr bemerkenswerte Verluste erlitten haben, so sind die Lücken sofort wieder von den Depots aus- gefüllt worden und der Aufruf der Rekruten sichert neue Quellen an Menschen und Energie. Wider­stand im Kampf, das soll die Parole der verbündeten englischen, russischen, belgischen und französischen Heere sein, Widerstand und Kampf, während die Engländer, die zur See helfen, die Verbindungen unserer Feinde mit der Welt abschneiden, Widerstand und Kampf, während die russischen Armeen

weiter vorrücken, um den entscheidenden Stoß in das Herz des Deutschen Reiches zu führen. Es ist die Aufgabe der republikanischen Regierung, diesen har­ten Widerstand zu leiten.

Ueberall werden sich zum Schutze der Unab­hängigkeit Frankreichs die Länder erheben und diesem furchtbaren Kampf seine ganze Kraft und seine Wirksamkeit verleihen.

Es ist unumgänglich notwendig, daß die Regie­rung freie Hand behält. Auf Wunsch der Militär­behörden verlegt die Regierung daher für den Augen­blick ihren Aufenthalt nach einem Punkte Frank­reichs, wo sie in ununterbrochener Verbindung mit der Gesamtheit des Landes bleiben kann. Sie for­dert die Mitglieder des Parlamentes auf, sich nicht fern von ihr zu halten, um gegenüber dem Feinde, zusammen mit der Regierung und ihren Kollegen den Sammelpunkt der nationalen Einheit zu bilden.

Die Regierung verläßt Paris erst, nachdem sie die Verteidigung der Stadt und des befestigten La­gers durch alle in ihrer Machst stehenden Mittest sichergestellt hat. Sie weiß, daß sie es nicht nötig hat, der bewunderungswürdigen Pariser Bevölke­rung Ruhe, Entschlußkraft und Kaltblütigkeit zu empfehlen. Die Bevölkerung von Paris zeigt jeden Tag. daß sie den größten Pflichten gewachsen ist.

Franzosen! Zeigen wir uns dieser tragischen Umstände würdig. Wir werden den endlichen Sieg erringen und wir werden ihn erringen durch den unermüdlichen Willen zum Widerstand und zur Beharrlichkeit. Eine Nation, die nicht untergehen will, und die, um zu leben, weder vor Leiden noch vor Opfern zurückschreckt, ist sicher, zu siegen.

Der Aufruf ist vom Präsidenten Poincare und sämtlichen Ministern unterzeichnet.

Finanzielle Schwierigkeiten in England und Frankreich.

Nach derTimes" dürfte die Abwicklung der Geschäfte der deutschen und österreichischen Banken in London in der City große Ueberraschung Hervor­rufen, da es sich ergibt, daß der Geldmarkt den Ban­ken viel mehr schuldet als umgekehrt. Das wird sich zweifelsohne dadurch erklären lassen, daß die. von Engländern geführten Banken in London alle Gel­der aus Deutschland, über die sie verfügen konnten, auf Andeutungen der englischen Regierung zurück­zogen und selbst von Ende Juli an nichts mehr auf deutsche Rechnung auszahlten, während die Zent­ralen von Londoner Niederlassungen in Deutsch­land und Oesterreich bis zum Mobilmachungstage noch prompt für englische Firmen Auszahlungen leisteten. In Paris hörte allerdings das gegensei­tige Zahlungsverhältnis schon einige Tage früher auf; da verweigerten schon am 27. Juli Pariser Banken die Einlösung von aus Deutschland gezoge­nen Schecks. Daß das reiche Paris durch die Kriegslage schon erheblich finanziell beengt ist, zeigst die Nachricht, welche ein englisches Blatt aus Paris bringt. Darnach hat die Bank von Frankreich von allen, welche bei ihr gegen Darlehen Werte ver­pfändet haben, Nachschüsse verlangt, weil das Unter­pfand das Darlehen nicht mehr genügend decke. Das Pariser Handelskomitee hat die Bank daraufhin dringend ersucht, von solchen Maßnahmen bis nach Beendigung des Krieges abzusehen. Bei uns hast die Reichsbank noch keinen Anlaß zu solch allge­meinem Vorgehen gehabt. Sie ist für den Krieg noch genügend gerüstet.