nicht das Recht zusprechen, in diese Zuständigkeit der Kommando-Gewalt einzugreifen. Wir lassen uns von niemand in der Beschiitzung des Reichsgedankens über­treffen. (Beifall.) Naumann (F. V.): Oberst von Reuter hat eine Freisprechung, Ehre und einen Orden bekommen, das Volk aber nicht Sühne und Rechtferti­gung. Es stand aber nicht bloß die Ehre der Militär­behörde in Frage, sondern auch die der Zivilbehörde. Die elsaß-lothringischen Zivilbchörden sind davon über­zeugt, daß sie ihre Pflicht getan haben. Nicht mit Macht, sondern mit Gemüt mutz dort gearbeitet werden. (Lachen rechts.) Wer keines hat, kann darüber lachen. (Stürmische Zustimmung links.) Oberst v. Reuter hat sich als politischer Soldat erwiesen. Deshalb ist er der berühmte Mann geworden. (Sehr richtig links.) Graf Westarp hat über den Preutzentag weihevolle Rückzugs­erklärungen losgelasfen. Es bleibt aber bestehen, dah die Kreise um den Grafen Porck vonWartenburg mit dem Reich nicht zufrieden sind. Es wird ihnen zu deutsch. Die Konservativen haben 1873 auch Bismarck abschieben wollen. (Zuruf: Zabern! Unruhe links.) Für uns ist der Reichstag der Ausdruck des deutsch­nationalen Gedankens, über den Sie (nach rechts) lachen, weil er in Ihrer Seele unbekannt ist. Der Reichstag hat gewonnen in der Demokratie, die die be­zahlen lätzt, die etwas haben, die aber nicht zahlen wollen. (Zustimmung.) Für uns heiht es von diesem Reich: Deutschland, Deutschland über alles! (Beifall links.) Ledebour (Soz.): Wir verlangen gleiches Recht für Offiziere und Soldaten. Sie müssen dem bürgerlichen Recht unterstellt werden. Die National­liberalen sind völlig umgefallen. Militarismus und Junkertum bilden eine Partei gegn das Volk, die die Säbelherrschaft proklamiert. (Vizepräsident Dove ruft den Abg. Ledebour wegen einer Beleidigung des Kron­prinzen nachträglich zur Ordnung.) Staatssekretär Dr. Delbrück: Der Abgeordnete Ledebour hat über die Person des Kronprinzen Aeutzerungen gemacht, die durch die Zusammenstellung des Kronprinzen mit Herrn von Oldenburg und seinem Leutnant mit den 10 Mann im Volk die Ansicht verbreiten sollen, als sei der Kronprinz ein Verächter der deutschen Reichsverfassung. Vom Standpunkt der Reichsleitung mutz ich dagegen entschieden protestieren. (Bravo!) Zn den warmen Worten an sein Husarenregiment können wir nur den Beweis erblicken, datz in dem künftigen Träger der Krone der gute Geist der deutschen Armee lebendig ist. (Lebhafter Beifall.) Ledebour (Soz.): Ich wäre dem Staatssekretär dankbar gewesen, wenn er die Re­gierung veranlatzt hätte, Mahregeln zum Schutz der Würde und Ehre des Reiches zu treffen. Wir halten die monarchische Einrichtung für veraltet. (Lachen. Hört! hört! Lärm.)

Damit ist die Besprechung der Interpellation erledigt. Nächste Sitzung: morgen vormittag 10 Uhr. T.-O.: Anträge betreffend Befugnisse der bewaffneten Macht. Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit und Etatsbera­tung. Schluh nach >S9 Uhr.

Ata-t, Bezirk ««d Na«chdar§«chaft.

Calw, den 24. Januar 1914.

Der Platz fürs neue Realprogymnasium.

-t.- Mit Erstaunen hört man in der Bürgerschaft, datz sich wieder Sitmmen erheben, die das Realprogym- nasium auf einem andern Platz haben wollen, als dem des städt. Krankenhauses.

Als im letzten Jahr die bürgerlichen Kollegien mit überwältigender Mehrheit diesen Platz wählten, ging ein allgemeiner Zug der Befriedigung durch die Stadt; jedermann freute sich, datz die Stadtverwaltung einmal auch einen wirklich großzügigen Gedanken frisch ange- fatzt und beschlossen hatte. Großzügig war der Ge­

danke, weil sich die Kollegien über die kleinlichen Be­denken weggcsetzt hatten, datz es schade sei, ein altes Haus abzubrechen und weil dieser Bauplatz von sämt­lichen in Betracht kommenden allein eine geradezu ideale Lösung verspricht. Die Vorteile des Platzes sind schon wiederholt hervorgehoben worden, die zentrale Lage, die große Baufläche, die ebene Lage,' es sei hier besonders noch darauf hingewiesen, in wie hervorragen­der Weise das Schulhaus dort städtebaulich wirken würde. Wir haben in Calw kaum mehr eine Gelegenheit, das Stadtbild so zu verschönern undzusteigern, wie in die­sem Fall. Spielt ein solch idealer Gesichtspunkt für eine Stadtverwaltung nicht auch eine große Rolle? Was an beherrschenden Gebäuden in Calw steht, liegt entweder an der Peripherie der Stadt, wie die Neue Handelsschule, das Bezirkskrankenhaus, oder sitzt unge­sehen unter den Häusern, wie das Schulhaus in der Badgaffe. Die einzigen im Stadtbild hervortretenden Gebäude, die Kirche und das Eeorgenäum, stammen aus einer Zeit des Tiefstandes des architektonischen Ge­schmacks. Nun soll da oben am Entenschnabel, beherr­schend und bekrönend fürs ganze Stadtbild ein Monu­mentalbau erstehen, der in einfach schönen Linien etwa im Sinn des vortrefflichen Neubaus der alten Handelsschule den Bergvorsprung betonen und Er­satz schaffen würde für den Schlotzberg mit dem jam­mervollen Gebäude des Bezirkskommandos.

Erwägt man die Schönheiten, die sich hier schaffen lassen, so kann ein anderer Platz gar nicht in Frage kommen. Da kann man wirklich nicht mehr daran den­ken, ds alte Krankenhaus um schwer Geld umzu­bauen und an ein altes Haus eine Menge Erhaltungs kosten zu rücken und den Schulhausneubau etwa in die Gegend des neuen Krankenhauses zu stellen wir hör­ten neuerdings diesen Gedanken auftauchen. Nur voll­ends alles ins Steckenäckerle, Vezirkskrankenhaus, Amts­gericht und Echulhaus! Da würden die Kranken eine Freude haben, dürften sie den ganzen Tag den Lärm der Schüler, Gesang, und was die Geräusche einer Schule alle sind, mitanhören! Nein, man kann nur wünschen, datz die Gemeindeverwaltung auf ihrem ausgezeichneten Entschluß, das Schulhaus an die Stelle des alten städt. Krankenhauses zu stellen, stramm bestehen bleibt und sich nicht durch alle möglichen Quergänge einen andern Kopf aufzwingen lätzt.

Man sollte ohnedem meinen, nachdem der Beschluß seinerzeit so große Mehrheit gefunden hatte, es könne gar nicht sein, datz nach so kurzer Zeit etwas andres überhaupt in Frage kommen kann; man sollte meinen, es sei genug geredet, und man sollte recht bald auch Ta­ten sehen!

Fahrkarten für Reichstagsmitglieder und für wiirttembergische Ständemitglieder. Den Mitglie­dern des Reichstags und der württembergischen Stän­deversammlung ist die Befugnis eingeräumt worden, auf Grund ihrer Freifahrausweise die Luxuszüge (L-Züge des Fahrplans) auf den württembergischen Bahnstrecken gegen Bezahlung des tarifmäßigen Luxuszuschlags zu benützen. Aus diesem Anlab sind für die württembergischen Ständemitglieder neue Fahrkarten auf grauem Papier ausgestellt worden, die als Freifahrausweis sowohl auf den Eisenbahnen als auch auf den württembergischen Bodenseedampf­schiffen gelten. Bei Benützung der Luxuszüge (L- Züge des Fahrplans) haben die Inhaber der Karte den tarifmäßigen Luxuszuschlag zu bezahlen. Die Karten gelten während der Dauer des Landtags so­wie während der Zeit von 8 Tagen vor Eröffnung und zwei Wochen nach Schließung des Landtags. Für die Mitglieder des Ständischen Äusschusses gelten sie auch während der Dauer der Sitzungen des Aus­

schusses, sowie während der Zeit von je acht Tagen vor und nach den Ausschutzsitzungen. Die bisherigen Eisenbahn- und die besonderen Bodenseefahrkarten der Ständemitglieder je auf gelbem Papier werden eingezogen.

st. Herrenalb, 23. Jan. Das Forstamt Enz- klösterle ist dem Forstamtmann Speer hier übertragen worden.

Württembergischer Ändtag.

Stuttgart. 23. Jan. Die Zweite Kammer trat in ihrer heutigen Sitzung in die Beratung des Gesetzes über diePen- sionsrechtederKörperschaftsbeamten und ihrer Hinterbliebenen ein. Berichterstatter ist Roth (BK.). An Artikel 1 knüpfte sich eine längere Aussprache über die untere Grenze für die Veitrags­pflicht zur Pensionskae,. Während die Regierung hierfür 50V Jahreseinkommen vorgeschlagen hatte, war der Ausschuß auf 400 heruntergegangen. Dem Gedanken, die Grenze noch niedriger festzulegen, tra­ten mehrere Redner unter Hinweis auf die Verwir­rung des Begriffs Beamter und auch der Minister des Innern von Fleischhauer entgegen, der betonte, datz die Summe dann mehr einer Invalidenrente gleichkommen würde. Der Kommissionsantrag wurde angenommen. Die Einkommensgrenze für das Vei­trittsrecht der Ortsvorsteher und der Verwaltungs­aktuare zu der Pensionskaffe wurde von 700 auf 500 herabgesetzt. Ein Wunsch der Gemeinderechner, in das Gesetz mit einbezogen zu werden, ging damit in Erfüllung. Minister v. Fleischhauer hatte sich gegen die Hereinnahme der Gemeinderechner ausge­sprochen, weil sonst die Kaffe zu sehr belastet würde, während mehrere Redner warm für die Gemeinde­rechner eingetreten waren. Zu Art. 5 lag eine Reso­lution der Abgg. Rembold - Aalen und Gen. vor, die Regierung zu ersuchen, eine Ergänzung der Ge­meinde- und Bezirksordnung dahin einzuleiten, daß die Unterbeamten gegen Kündigung ohne berechtigten Grund einen ausreichenden Schutz erhalten, so zwar, datz diese Ergänzung möglichst gleichzeitig mit Ver­abschiedung des Pensionsgesetzes eingeführt wird. Schließlich wurde die Abstimmung über die Reso­lution bis nach der Durchberatung des ganzen Ge­setzes verschoben. Schluß 1 Uhr, Fortsetzung morgen I

vormittag 9 Uhr. >

Armee-Schiwettlauf. l

Heute beginnen die Wettläufe des deutschen " Schiverbands in Garmisch-Partenkirchen. Dabei fin­det ein 16 Kilometer-Langlauf für Angehörige des deutschen Heeres statt. Vom 7. württ. Jnf.-Reg. Kaiser Friedrich haben sich zwei Mann, nämlich ein Unteroffizier und ein Gefreiter, gemeldet. Beide find !

Angehörige des Schwäbischen Schneeschuhbundes.

Tübingen, 23. Jan. Die 15 Jahre alte Tochter des wegen Mißhandlung seiner Frau in Haft genom­menen Schuhmachers Karl Nestel von Neuhausen OA. Tuttlingen ist in der Klinik an einem Blutsturz gestorben und ihrer Mutter im Tode nachgefolgt.

Reutlingen, 23. Jan. Auf Antrag des Stadt- polizeiamts haben die bürgerlichen Kollegien zugleich > einem Wunsche der hiesigen Schutzmannschaft die An- > schaffung von Polizeisäbeln nach dem Muster der ^ Stuttgarter Polizei beschlossen. Letztes Jahr ist das- i selbe Gesuch abgelehnt worden mit der Begründung, j daß die seither benützten Hirschfänger als Vertei­digungswaffe besser seien als lange Säbel.

Kirchheim a. N., 23. Jan. Seit einiger Zeit trei­ben große Flüge von Wildenten im Neckar beim Wa­sen ihr Wesen. Die sonst sehr scheuen Tiere sind zu Hunderten auf den eisfreien Stellen versammelt,

Der Wildsang.

Novelle von Adolf Schmitthenner.

L» saßen sie und schauten uns zu. Bald Hub ein Lachen und Schwatzen an; das Eisen klirrte lustig, und die Funken sprühten dazu. Hatten wirs damit genug getrieben, dann fan­gen wir:Dort droben auf dem Berge, da steht ein Rauten- fträuchlein*. Oder: .ES steht ein Baum im Odenwald, der hat viel grüne Nest." Es ist nicht zu sagen, wie lieblich ihre Stimme scholl; die flog gleich einer Lerche über die andern Stimmen hinaus, und der ganze Burgweg war voll süßen Getöns. Einmal war die Pfalzgräfin von Zweibrücken mit ihrem Frauenzimmer heretngetreten während des GesangS. Sie stand an der Tür und winkte uns zu, daß wir zu End« singen möchten. Margaretens dünnes Stimmlein hörte man fast nicht mehr, und auch Gerwig und ich schwankten und wurden unsicher und leise, aber unsre Lerche jubilierte gerade so gleichmütig und himmelSgewiß wie sonst, und wundervoll schmiegte sich Valentins Stimme an. Ms dann die Pfalz­gräfin den Mädchen dankend die Hand reichte, da wurde Margarete über und über rot und knickste bis schier auf den Boden, aber ihr Gespiel neigte das Haupt, wie wenn sie die Kurfürstin wäre, und sich die Pfalzgräfin für ein« Huld bedankt hätte.

UnserS Meisters Tochter wußte immer etwas zu arbeiten, und auch während des Plaudern» und Singen» trieb sie jeder­zeit etwas Nützliches. Kunigunde dagegen hielt die Hände >

müßig im Schoß, oder wenn ihre schlanken Finger etwas zu schaffen hatten, dann wars ein Spielwerk.

Eines Tags wurde sie von Margarete, halb im Ernst, halb im Scherz, darob gescholten.

Da warf Kunigunde die Lippen auf und sagte:

Meine Hände treiben ein heilig Werk, darum dürfen sie gemeine Arbeit nimmer tun.

Was ist das für ein heilig Werk? fragte Margarete.

Glockenläuten! erwiderte sie. Wenn ichs unterließe, dann wäre der Tag ohne Segen und die Nacht ohne Gebet.

Darf man der Jungfer nicht einmal helfen bei dem heiligen Werk? fragte ich.

Wamm denn nicht? sagte sie lächelnd. Aber nur einer auf einmal. Es ist nur Platz für zwei auf dem Ausruh- bänklein.

Um so besser! rief ich und lachte.

Kunigunde aber sagte: Ich habe zweierlei Glockenseile, weiße und ein schwarzes. Bei was für einem wollt ihr mir läuten helfen?

Sie schaute zu uns her, aber keinen an.

Bet einem weißen! rief ich.

Und Ihr, Valentin? fragte sie und beugte sich zurück in den Schatten des Fetlenbords, das zu ihren Häupten war.

Ich will Euch beim schwarzen helfen, sagte Valentin und spannte den Koller, den er über den Bügel gelegt hatte. Er sagte es leichthin und mühsam, wie der redet, der gerade eine schwere Arbeit tut.

Das ist recht! rief Kunigunde, und eigentümlich klang ihre Stimme. Bei den weißen Seilen brauche ich niemand, aber das schwarze geht zu einer schweren, schweren, schweren Glocke. Morgen sollt ihr mir sie läuten helfen!

Gerwig hatte bei diesem Gespräche kein Wort gesagt.

Er stand im finstersten Winkel der Werkstatt und feilte darauf los, daß das Eisen knirschte und stöhnte.

Nach dem Abendessen gingen wir drei auf die Herberge zum Wein. Als wir an die Ecke der Jngramstraße und der Mittlern Badgasse gekommen waren, zog ein Haufen Menschen die Gasse her.

Da haben sie wieder einen gefangen, sagte Gerwig; wer mag eS wohl sein?

Wir warteten, bis der Trupp vorüber wäre.

Hinter dem Büttel zwischen zwei kurfürstlichen Knechte» ging ein Bekannter von uns, ein Grobschmiedgeselle. Er war barhäuptig, sein Wams war zerrissen, und seine Augen waren mit Blut unterlaufen. Heute mir, morgen dir! rief er herüber, ! als er unser ansichtig wurde.

Die Schar war vorbei, und wir gingen langsam unserS Wegs weiter, mitten in einer aufgeregten schwatzenden Menge.

Sie haben ihn vom Amboß weggeholt. Er hat sich am Büttel vergriffen und muß für drei Tage in den Turm.

Sie haben ihm eine schändliche Falle gelegt; der Kumme Schreiber auf der kurfürstlichen Kanzlet ist schuld daran. :

Er muß sein Werkzeug verkaufen, daß er den Fahndgulde» "

zahlen kann. " ^