beitgeber durch Ableistung ihrer Militärpflicht ge­zwungen waren, die Werkstätten zu schließen, als vielmehr auch durch die begeisterungsvolle Hilfsbe­reitschaft der Frauen und Mädchen und der Jung­mannschaft der begüterten Stände, die in normalen Zeiten auf die Lohnarbeit nicht einwirken. Es ist leider so, was dem Vaterlande nützen, den staatlichen und öffentlichen Interessen dienen, den Betrieben den Entzug der männlichen Arbeitskräfte ersetzen sollte, der schöne Eifer unentgeltlicher Hilfeleistung hat großen Unsegen gestiftet. Tausende von arbeits­fähigen und bedürftigen Männern und Frauen sind die Arbeitsgelegenheiten verschlossen durch die opfer­willigen unbezahlten Hilfskräfte. Diese selbst, vom besten, anerkennenswertesten Willen geleitet, Nutzen zu stiften, haben leider das Gegenteil des Beabsich­tigten geschaffen. Sie, die Einzelnen trifft kein Vor­wurf. Der Eifer riß fort, jetzt aber, da die Not unge­zählter Arbeitslosen an die Türen klopft, muß die Vernunft walten, muß ruhigen Erwägungen Raum gegeben werden.

j In schöner und seltener Einmütigkeit hallt von !derDeutschen Tageszeitung" bis zumVorwärts" der Ruf: Fort mit den unbezahlten Arbeitskräften! Frauen, deren Opferwilligkeit und Betätigungsdrang außer Frage steht, fordern: Keine freien Hilfskräfte für Arbeiten, die sonst gegen Entgelt geleistet wur­den! Das ist bitter notwendig. Wie Ordnung und Disziplin im kämpfenden Heere unbedingt notwen­dig sind, so sind sie auch in der Liebestätigkeit erfor­derlich, sonst bringt sie Schaden statt des gewollten Nutzens. Wollten doch die Frauen der besitzenden Stände endlich erkennen, daß sie im eigenen Hause, bei ihrem Gesinde und hilfsbedürftigen Nachbarn meist segensreicher in persönlicher Anteilnahme und mit stillem Wohltun helfen können, als da, wo ihre freie Hilfe eine bezahlte Arbeitskraft verdrängt. Es mag hilfsbereiten Damen wohl schwer sein, sich jetzt Entsagung aufzuerlegen. Wo aber nicht Eitel­keit die Triebfeder ist, wird es ungleich leicht sein, zumal es ja niemanden verwehrt ist, statt der Ar­beitskraft Geld zur Schaffung von Arbeitsmöglich­keiten zu geben.

Mindestens ebenso wichtig wie die Verbannung der überflüssigen freien Hilfstätigkeit ist gerade jetzt die soziale Einsicht der noch leistungsfähigen Arbeit­geber. Es ist auf das schärfste zu verurteilen und eine Versündigung an unserem Volke, wenn gewissenlose Unternehmer die Ueberfüllung des Arbeitsmarktes zum Anlaß von Gehalts- und Lohnherabsetzungen nehmen, trotzdem der Krieg gerade für sie eine ge­steigerte Arbeits- und Lieferungstätigkeit brachte. Besonders bedenklich ist ferner das hier und da zutage getretene Bestreben, Frauen den arbeitslosen Män­nern und Familienvätern vorzuziehen. Selbst libe­rale Blätter, die sonst in der Frauenarbeit etwas Erstrebenswertes und nicht nur ein bedauerliches Uebel und soziales Krankheitssymptom erblicken, se­hen sich jetzt, durch den Krieg belehrt, genötigt, von einer Benachteiligung der Männer zugunsten der Frauen zu warnen. Es ist durchaus nicht zu billigen, daß beispielsweise Berliner- Verkehrsinstitute die Frauen der eingezogenen Männer beschäftiaen. Nicht nur weil dadurch den männlichen Arbeitslosen die Arbeitsgelegenheit entzogen wird, sondern weil die Beschäftigung von Frauen in Männerberufen einen nicht wieder gut zu machenden Verlust an Volkskraft

bedeutet. Jede Vergeudung weiblicher physischer Kräfte muß sich jetzt furchtbar rächen. Männerarbeit von Frauen ausführen lasten, heißt Raubbau mit der Mutterkraft treiben, heißt den Jungbrunnen der Na­tion verschütten.

Es wird niemand so töricht sein, die Not der Frauen zu verkennen, die ihres Ernährers beraubt oder auch ihrer Erwerbsmöglichkeit verlustig gingen. Sie eben sollen da beschäftigt werden, wo ihre besser­gestellten Schwestern umsonst arbeiteten. Im Dienst des Roten Kreuzes, das Geld genug hat oder falls nicht, genügend zur Verfügung gestellt bekommt, da­mit es seine weiblichen Helfer besolden kann. Keines­falls sollten Behörden, wie die Post, Gemeindeämter oder Kleinbahnen unbezahlte Hilfskräfte, gleichviel ob Männer oder Frauen, einstellen. Vor allem aber heißt es jetzt mehr denn je für die Männer sorgen, denn damit wird auch die große Mehrzahl der Frauen versorgt. _

Schönes Ergebnis. Die württ. Staatseisen­bahnen halten im Monat Juli bei einer Eesamtein- nahme von 8244000 Mk. gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres eine Mehreinnahme von 196493 Mk. zu verzeichnen. Der Personenverkehr ergab eine Mehreinnahme von 280853 Mk., der Güterverkehr dagegen erbrachte ein Weniger von 84360 Mk. _

Stuttgart, 27. Aug. (Des Königs Rückkehr.) Der König ist gestern früh wieder hier eingetroffen.

Stuttgart, 27. Aug. Die Königin hat dem Stuttgarter Hilfsausschuß die Summe von 2000 Mk. zugehen lasten mit der besonderen Bestimmung: Zur Beschaffung bezahlter Frauenarbeit.

Stuttgart, 27. Aug. Vorgestern mittag um 1 Uhr verabschiedete sich die Königin in Begleitung der Herzoginnen Philipp und Robert 'von Würt­temberg im Hofe des Kgl. Marstalles von dem zweiten, nach dem Kriegsschauplatz abgehenden württembergischen Lazarett-Trupp, der aus 19 Schwestern, 41 Krankenpflegern u. 10 Laboratoriums­assistentinnen bestand. Direktor v. Geyer wünschte in einer kurzen Ansprache den Krankenpflegern gute Fahrt und glückliche Heimkehr. Die erste Station soll Diedenhofen sein.

Stuttgart, L7. Aug. Heute vormittag 6 Uhr wurde wieder ein großer Trupp Gefangene einge- bracht und durch die Kronenstraße geführt. Es schienen diesmal auch Belgier dabei zu sein. An der Spitze marschierten 3 Offiziere, von denen einer mit einem Orden geschmückt war. Unter den Ge­fangenen befanden sich auch zahlreiche Leichtver­wundete mit Verbänden.

Stuttgart, 26. Aug. Heute nacht um 3 Uhr kamen zwei Züge mit 340 verwundeten Deutschen hier an. Die leicht Verletzten wurden in den Straßenbahnwagen und Automobilen, die schwer Verletzten in Kranken- und Möbelwagen in die Lazarette gebrächt. Trotzdem es bereits früh am Morgen war, hatte sich eine zahlreiche Menschen­menge in ^>er Kronen- und Friedrichstraße ange­sammelt.

Stuttgart, 27. Aug. Gestern nachmittag hat hinter dem Pragfriedhof ein 40 Jahre alter Schnei­der in selbstmörderischer Absicht Lysol zu sich ge­nommen. Er starb kurz nach seiner Ueberlieferung in das Katharinenhospital.

Aus Stadt und Land.

Calw, den 28' August 1914.

Güterverkehr.

tEs ist auf die frühere Bekanntmachung hin­zuweisen, daß der Güterverkehr nach den deutschen Stationen östlich des Rheins und westlich der Weichsel unbeschränkt ausgenommen ist. Ausgenom­men sind einige Strecken des Eisenbahndirektions­bezirks Bromberg. Nach dem Gebiet westlich des Rheins sind in den Bezirken der Direktionen Lud­wigshafen, Mainz, Saarbrücken und Cöln einige Verkehrserleichterungen eingetreten. Nähere Aus­kunft hierüber erteilen die Eüterstellen. Aufrechterhaltung der deutschen Ausfuhr.

An die Zentralstelle für Gewerbe und Handel gelangen vielfach Anfragen wegen der in Deutsch­land erlassenen Ausfuhrverbote und der Zulassung von Ausnahmen von solchen. Die Zentralstelle hat, wie sie uns mitteilt, bereits eine amtliche Erkundi­gung darüber eingeleitet, in welchem Umfange und unter welchen Voraussetzungen die Gestattung von Ausnahmen zu erwarten ist. Inzwischen ist in der Nordd. Allgem. Zeitung die Mitteilung erschienen, daß anzunehmen sei, daß die Reichsleitung von der Zulassung von Ausnahmen den umfassendsten Ge­brauch machen werde, soweit es nur immer mit den militärischen Interessen vereinbar sei, und es ist hieran die dringende Aufforderung an die Industrie geknüpft, die zur Aufrechthaltung unserer Ausfuhr gebotenen Transportgelegenheiten über neutrale Länder in vollem Umfang auszunützen. Die Zentral­stelle ist bereit, Gesuche um Zulassung von Ausnah­men, wie schon bisher nach Tunlichkeit amtlich zu unterstützen, und behält sich weitere Mitteilungen noch vor.

Besondere und sonstige Arbeiterwochenkarten.

Da während des Krieges in vielen Fabriken nur an einzelnen Wochentagen gearbeitet wird, werden bis auf weiteres auf den württ. Staatsbahnen besondere Arbeiterwochenkarten der Sorte 2 und 3, unter Berücksichtigung von Aussetztagen verabfolgt und zwar von Stationen, die bisher schon besondere Wochenkarten ausgoben. Die Benützungstage wer­den auf dem oberen Rand der Karten handschriftlich durch abgekürzte Bezeichnung der Wochentage ver­merkt. Außerdem gelten bis auf weiteres die gewöhn­lichen Arbeiterwochenkarten für einfache Fahrt zu 6 einfachen Fahrten und die Arbeiterwochenkarten für Hin- und Rückfahrt zu 6 Hin- und Rückfahrten innerhalb 14 Tagen, vom Lösungstag ab gerechnet. Für jede Fahrt wird ein Nummernfeld gelocht. Die Stationsvorsteher wurden außerdem ermächtigt, mit Rücksicht auf die Aussetztage die Fahrt mit Arbeiter­rückfahrkarten auch an andere als den für ihre Be­nützung allgemein festgesetzten Tagen zu gestatten. Im Verkehr nach Pforzheim über die badische Strecke gelten diese Maßnahmen nicht.

Der Krieg und die Arbeitslosigkeit.

Der uns so plötzlich und frivol aufgedrungene Krieg hat das gesamte deutsche Wirtschaftsleben aus den gewohnten ruhigen Bahnen geworfen und be­sonders den Arbeitsmarkt in ungünstiger Weise be­einflußt. Das geschah nicht nur dadurch, daß viele größere Betriebe zu Arbeiterentlassungen schreiten mußten aus mangelnden Aufträgen, daß viele Ar-

Aber alles blieb, wie es war. Weit und breit nichts Lebendiges, als wir und das Weltmeer. Nicht einmal laut zu sprechen wagten wir, aus Furcht, der tote, am Mast angespießte Capitano möchte seine starren Augen nach uns hindrshen, oder einer der Getöteten möchte sei­nen Kops umwenden. Endlich waren wir bis an eine Treppe gekommen, die in den Schiffsraum führte. Un­willkürlich machten wir dort Halt und sahen einander an, denn keiner wagte es recht, seine Gedanken zu äußern.

O Herr," sprach mein treuer Diener,hier ist etwas Schreckliches geschehen. Doch, wenn auch das Schiff da unten voll Mörder steckt, so will ich mich ihnen doch lieber auf Gnade und Ungnade ergeben, als län­gere Zeit unter diesen Toten zubringen." Ich dachte wie er, wir faßten ein Herz und stiegen voll Erwartung hinunter. Totenstille war aber auch hier, und nur un­sere Schritte hallten auf der Treppe. Wir standen an der Türe der Kajüte. Ich legte mein Ohr an die Türe und lauschte; es war nichts zu hören. Ich machte auf. Das Gemach bot einen unordentlichen Anblick dar. Kleider, Waffen und anderes Gerät lagen unterein­ander. Nichts in Ordnung. Die Mannschaft oder we­nigstens der Capitano mußte vor kurzem gezecht haben, denn es lag alles noch umher. Wir gingen weiter von Raum zu Raum, von Gemach zu Gemach, überall fanden wir herrliche Vorräte in Seide, Perlen, Zucker usw. Ich war vor Freude über diesen Anblick außer mir, denn da niemand auf dem Schiff war, glaubte ich, alles mir zueignen zu dürfen, Ibrahim aber machte mich aufmerk­sam darauf, daß wir wahrscheinlich noch sehr weit vom Land seien, wohin wir allein und ohne menschliche Hilfe nicht kommen könnten.

Wir labten uns an den Speisen und Getränken, die wir in reichlichem Maß vorfanden, und stiegen endlich wieder aufs Verdeck. Aber hier schauderte uns immer die Haut ob dem schrecklichen Anblick der Leichen. Wir beschlossen, uns davon zu befreien und sie über Bord zu werfen. Aber wie schauerlich ward uns zu Mut, als wir fanden, daß sich keiner aus seiner Lage bewegen ließ. Wie fest gebannt lagen sie am Boden, und man hätte die Bretter des Verdecks ausheben müssen, um sie zu entfernen, und dazu gebrach es uns an Werkzeugen. Auch der Capitano ließ sich nicht von seinem Mast los­machen, nicht einmal seinen Säbel konnten wir der star­ren Hand entwinden. Wir brachten den Tag in trauriger Betrachtung unserer Lage zu, und als es Nacht zu wer­den anfing, erlaubte ich dem alten Ibrahim, sich schla­fen zu legen, ich selbst aber wollte auf dem Verdeck wachen, um nach Rettung auszuspähen. Als aber der Mond heraufkam und ich nach den Gestirnen berechnete, daß es wohl die elfte Stunde sei, überfiel mich ein so unwiderstehlicher Schlaf, daß ich unwillkürlich hinter ein Faß, das auf dem Verdeck stand, zurückfiel. Doch war es mehr Betäubung als Schlaf, denn ich hörte deutlich die See an der Seite des Schiffes anschlagen und die Segel im Winde knarren und pfeifen. Auf einmal glaubte ich Stimmen und Männertritte auf dem Verdeck zu hören. Ich wollte mich aufrichten, um darnach zu schauen. Aber eine unsichtbare Gewalt hielt meine Glieder ge­fesselt, nicht einmal die Augen konnte ich aufschlagen. Aber immer deutlicher wurden die Stimmen, es war mir, als wenn ein fröhliches Schiffsvolk auf dem Ver­deck sich umhertriebe. Mitunter glaubte ich die kräftige Stimme, eines Befehlenden zu hören, auch hörte ich

Taue und Segel deutlich auf und ab ziehen. Nach und nach aber schwanden mir die Sinne, ich verfiel in einen tieferen Schlaf, in dem ich nur noch ein Geräusch von Waffen zu hören glaubte, und erwachte erst, als die Sonne schon hoch stand und mir aufs Gesicht brannte. Verwundert schaute ich mich um, Sturm, Schiff, die To­ten und was ich in der Nacht gehört hatte, kam mir wie ein Traum vor, aber als ich aufblickte, fand ich alles wie gestern. Unbeweglich lagen die Toten, un­beweglich war der Capitano an den Mastbaum geheftet. Ich lachte über meinen Traum und stand auf, um mei­nen Alten zu suchen.

Dieser saß ganz nachdenklich in der Kajüte.O Herr?" rief er aus, als ich zu ihm hereintrat,ich wollte lieber im tiefsten Grunde des Meeres liegen als in diesem verhexten Schiff noch eine Nacht zubringen." Ich fragte ihn nach der Ursache seines Kummers, und er antwortete mir:Als ich einige Stunden geschlafen hatte, wachte ich auf und vernahm, wie man über mei­nem Haupte hin und her lief. Ich dachte zuerst, ihr wäret es, aber es waren wenigstens zwanzig, die oben umherliefen, auch hörte ich rufen und schreien. Endlich kamen schwere Tritte die Treppe herab. Da wußte ich nichts mehr von mir, nur hie und da kehrte auf einige Augenblicke meine Besinnung zurück, und da sah ich dann denselben Mann, der oben am Mast angenagelt ist, an jenem Tisch dort sitzen, singend und trinkend, aber der, der in einem roten Scharlachkleid nicht weit von ihm am Boden liegt, saß neben ihm und half ihm trinken." Also erzählte mir mein alter Diener.

(Forts, folgt.)