Aus Stadt und Land.

Calw, den 27. August 1914.

Weitere Einquartierung.

Das stellvertretende Stadtschultheißenamt gibt bekannt, daß mit dem morgigen Tage unsere Stadt weitere 600 Mann Einquartierung erhalten soll. Es ist patriotische Pflicht aller Quartiergeber diese weitere Inspruchnahme ja nicht durch minder gute Verpflegung die auszuhebenden Mannschaften entgelten zu lasten, sondern ein jeder zeige absolute Freiwilligkeit bis zur äußersten Grenze seines Könnens dazu beizutragen, den Ruf Calws als gastliche Quartierstadt zu vermehren im Bewußt­sein, in diesen schweren Tagen auch sein Scherflein auf dem Altäre des Vaterlandes niedergelegt zu haben.

Verlustliste.

Infanterieregimtnt Nr. 143 Straßburg.

Reservist Karl Furch aus Haiterbach, OA. Nagold, ver- mndet.

Infanterieregiment Nr. 124 Weingarten.

Aesreiter Richard Reiff aus Brellenholz, OA. Herrenberg, g-sallen, Brustschuß.

Eine wohlverdiente Enttäuschung.

Als die ersten Befürchtungen wegen einer ein- tretend enZuspitzung der internationalen politischen Verhältnisse auftauchten, beeilten sich zahlreiche, da­runter auch deutsche Kapitalisten, große Summen in der Schweiz zu deponieren um vor allen drohenden Möglichkeiten ungünstiger Natur gesichert zu sein. Man machte auch die Wahrnehmung, daß die schwei­zerischen Banken Deutschland bereisen ließen, um für die Uebertragung von Bargeld und gleichzeitig zur Anknüpfung damit zusammenhängender Geschäfts­beziehungen Stimmung zu machen. Diejenigen, die aus übermäßiger Vorsicht und aus Mißtrauen so verfuhren, erleben jetzt eine starke und nicht un­verdiente Enttäuschung, denn unter den Staaten, die ein Moratorium verfügen, stand die Schweiz in vorderster Reihe, während Deutschland, obwohl es im Mittelpunkt der kriegerischen Ereignisse steht, allein die Kraft besitzt sich dieser Maßregel entschlagen zu können. Die Schweiz aber zahlt auf die deponier­ten Gelder unter der Wirkung der Moratoriums- bestimmungen nur 5 der eingezahlten Beträge aus,' wer dagegen sein Geld unseren deutschen Insti­tuten anvertraute, besitzt das freie Verfügungsrecht darüber.

Zur heurigen Obstverwertung in Württemberg.

NW nur zur Pflege, Förderung und Ausdeh­nung des Obstbaues sind die Obstbauvereine mit ihren weiten Verzweigungen gegründet worden, son­dern auch was Heuer im besonderen zur Geltung kommt zur Obstverwertung. Die Vereine haben nun die Vermittlung des An- und Verkaufs des Heuer reich vorhandenen sehr schönen und gesunden Tafel- und Mostobstes zu übernehmen und insbesondere den Frauen und Angehörigen der zur Fahne Berufenen beizustehen, nicht zuletzt die rationelle und auch plcm- mähige Bereitung des Obstmostes zu überwachen. Bei der vorzüglichen Qualität unseres schönen würt- tembergischen Obstes kann bei pünktlicher Auslese und richtiger Aufbewahrung viel Tafeldbst sortiert werden, wobei gerade Heuer wertvoll wird, die Tafel­obstsorten nach Reifezeit zum Verbrauch zu ordnen, was bei den Konsumenten Anklang findet. Auf diese Meise kann anstatt sonst tausende von Mark für französisches Obst über die Grenze wanderten ein schönes Stück Geld gewonnen werden und im Lande bleiben.

der E u st a v - Ad o l f - S t i f t u n g in Freiburg; der Plochinger theol. Kranz; die für 29. Okt. in Göppingen angesetzte erste Landesversamm­lung der württ. Landesvereinigung für Innere Mission; der vom Ev. Pressever­band für Wllrtemberg geplante Kursus über das Pressewesen und dieHaller Konferenz" Ferner ist abgesagt der deutsche Kolonial-Mis- sions-Kongreß, dessen 3. Tagung bekanntlich in Stuttgart stattfinden sollte; endlich die General­versammlung des Ev. Bundes in Nürnberg und die vorangehende Landesversammlung des württ. Landesvereins des Ev. Bundes in Crailsheim.

Feuerbach, 26. Aug. Fabrikant Dr. ing. Robert Bosch hat einen Teil seiner hiesigen Fabrikanlagen als Lazarett für Verwundete auf eigene Kosten Musterhaft eingerichtet. Neben nahezu 400 Betten umfaßt die Einrichtung noch besondere Räume für Aerzte, Sanitätsmannschaften, Pfleger, sodann Operationszimmer, Räume für Genesende, Küchen usw. Wie in einem großen modernen Kranken­haus ist es! Auf dem Industriegleis können die Verwundetenzüge unmittelbar bis wenige Meter vor die Krankenräume geführt werden. Bekannt­lich hat Herr Bosch auch noch in sehr weitgehender Weise für die Familien seiner ausmarschierten Ar­beiter gesorgt und außerdem sucht er mit allen Mitteln seinen Betrieb aufrechtzuerhalten, um der Arbeitslosigkeit zu steuern.

Stuttgart, 26. Aug. In vergangener Nacht ist hier wieder ein größerer Gefangenentransport eingetroffen. Es waren Franzosen, die im Gefäng­nis untergebracht wurden.

Stuttgart, 26. Aug. Gestern vormittag stieß in der Druckerei einer hiesigen Zeitung ein 22 Jahre alter Hilfsarbeiter mit dem linken Bein scherzweise nach einem Kollegen und geriet dabei in dessen geöffnetes Messer. Er trug eine erhebliche Fleischwunde davon und wurde im Sanitätswagen nach dem Kathrinenhospital übergeführt.

Stuttgart, 25. Aug. Eine zeitgemäße Inschrift von Landwehr-Humor diktiert, sieht man jetzt an einem Standquartier in der Römerstraße; sie lautet wie das Neue Tagblatt schreibt: Hier werden Kriegserklärungen angenommen! Prompte Ar­beit! Referenzen: Poincare, Dauerläufer, Niko­laus, Lügengroßhandlung, Georg der Schlechteste, (Spez.: Falsche Bulldoggen). Annahmestelle: Land- wehr-Ersatz-Bat. Eren.-Reg. 119, 1. Komp.

Cannstatt, 26. Aug. Gestern vormittag wurde hier die Leiche eines hiesigen 20 Jahre alten Hilfs­arbeiters, der am 19. ds. Mts. in der Nähe vom Stadion ertrunken war, geländet. Der Leichnam wurde nach dem Staigfriedhof verbracht.

Weitere Nachrichten.

Das Eiserne Kreuz aus Kaisers Hand!

Das eiserne Kreuz von 1914 empfing, wie Berliner Blätter berichten, aus der Hand des Kaisers der Hauptmann v. Harbou, vom Eeneralstab, der an der Erstürmung von Lüttich teilnahm und, un­mittelbar nach dem Fall von Lüttich, nach Berlin entsandt wurde, um dem allerhöchsten Kriegsherrn als Augenzeuge über diesen glorreichen Sieg der deutschen Waffen zu berichten.

Fürstliche barmherzige Schwestern.

München, 25. Aug. Die Herzogin Karl Theodor reiste gestern mit einer Anzahl barmherziger Schwestern nach dem Kriegsschauplatz ab.

Ein Ausspruch des Papstes zum Krieg.

Der Verein der Freundinnen junger Mädchen

Nt in den letzten Tagen aus allen Teilen des Landes Hunderte von Bitten um Nachforschung nach dem Befinden junger deutscher Mädchen im Ausland er­halten, deren Beantwortung im Einzelnen jeden­falls einige Zeit auf sich warten lassen muß. Dagegen "enchtet eine in den letzten Tagen aus England zu- buckgekehrte Deutsche, daß dort den ihr bekannten Landsleuten keinerlei Schwierigkeiten gemacht wur- bbh- Die deutschen Mädchen hatten sich nach der Erklärung amtlich anzumelden und mußten llch der Verordnung unterstellen, daß sie sich nicht "Wr alz ^ Meilen von ihrem Wohnsitz entfernen werden. Zur Rückkehr nach Deutschland ist ein Er­laubnisschein und ein vom Konsul ausgestellter sbh notwendig. Die Schiffahrt zwischen England "" Holland ist wieder im Gange. Wenn auch selbst- -^llwdlich niemand eine Garantie für gute Ueber- übernehmen kann, so werden doch diese Mit- uungen manchen Eltern zur Beruhigung dienen.

. .. festere abgesagte Tagungen. Außer den be- sn' b früher aufgehobenen Tagungen finden folgende ni»/^ri Herbst ausgeschriebene Veranstaltungen H r statt: Hauptversammlung des Eesamtvereins

Wien, 25. Aug. DieReichspost" meldet aus Rom: Der Arzt des verstorbenen Papstes, Dr. Mar- chiasava, äußerte gegenüber einem Korrespondenten der Reichspost, daß der Papst dringend gebeten wor­den sei, mit seiner großen Autorität gegen den Aus­bruch des Krieges einzuschreiten. Der Papst erklärte darauf wörtlich: Der einzige Herrscher, bei dem ich mit Aussicht auf Erfolg intervenieren könnte, weil dieser Monarch stets in Treue dem Heiligen Stuhl ergeben war, ist Kaiser Franz Joseph. Aber gerade bei ihm kann ich nicht intervenieren, denn der Krieg, den Oesterreich führt, ist gerecht, nur allzu gerecht.

Des Fürstentum Albaniens Ende.

Rom, 26. Aug. Das Ende des Fürstentums Al­banien steht nunmehr unmittelbar bevor. Der Fürst ist jetzt nur noch von sechs italienischen Marinesol­daten bewacht. Alle anderen, sowohl die fremden Kriegsschiffe, wie auch die fremden Offiziere und Truppendetachements, sind bereits abgefahren. Der König Nikita hat ein paar tausend Mann zufammen- genommen, um die Stadt Skutari zum zweitenmal zu erobern. Auch die Freiwilligen sind längst ab­gereist.

Ueber die Stimmung der Deutschen in Newyork

gibt der Brief eines Herrn Otto Neuburger aus Stuttgart, Redakteur desNewyorker Herold", einer deutschen Zeitung, erfreuliche Auskunft. Der Brief, an seine hier in Stuttgart lebenden Verwandten ge­richtet, ist datiert vom 8. ds. Mts. und hat über Rot­terdam seinen Weg hierher gefunden. Wir geben aus diesem Schreiben folgende Stellen wieder: Ich sitze nahezu Tag und Nacht auf der Redaktion und warte mit fiebernden Pulsen auf Depeschen vom Hei­matlande. Daneben haben wir einen ungeheuren Kampf gegen die hiesige englische Presse zu kämpfen, die mit Haut und Haar von Großbritannien gekauft zu sein scheint. Aber das Deutschtum, das bisher hier geschlafen hat, wacht auf. Selbst Leute, die nahezu all ihr Leben hier zugebracht haben, denken plötzlich daran, wie sie an ihrem Heimatland hängen.

Komunarden geben in Paris ihre Karten ab.

Was in Paris zu erwarten ist, wenn erst die Wahrheit vom Kriegsschauplätze bekannt wird, das kann man aus dem Briefe eines italienischen Malers erraten, der bis zum 8. August in Paris weilte und dort als angeblicher deutscher Spion verhaftet wurde. Heber die Stimmung in der französischen Hauptstadt schreibt er:Man macht sich auch nicht annähernd einen Begriff, wie es in Paris jetzt aussieht. Vor und in jedem Laden stehen Dutzende von Soldaten, um die Wiederholung grauenvoller Exzesse zu ver­hüten, die am ärgsten Mittwoch und Donnerstag, 5. und 6. August, in den Arbeitervierteln gewütet haben. Die Ministerien, das Palais des Präsiden­ten der Republik, die Bahnhöfe, wie überhaupt alle öffentlichen Gebäude, auch die Kirchen, sind von gan­zen Regimentern bei Tag und Nacht bewacht. Die Champs Elisees und der Eintrachtsplatz sind vom Militär vollständig abgesperrt. Bis zum Samstag, wo Extrablätter wieder etwas Hoffnung brachten, fürchtete man allenthalben den Ausbruch der Revo­lution. Unbedingt ist zur Aufrechterhaltung der Ruhe in Paris mehr Militär, erforderlich als in Friedenszeiten. Die in allen größeren Straßen ste­chenden Maschinengewehre zeigen, daß man auf Kämpfe mit dem Pöbel gefaßt ist."

Eisenbahnbauten und Arbeitslosigkeit.

Dringend nachahmenswert ist für die württemb. Eisenbahnverwaltung das Vorgehen des preußischen Eisenbahnministers. Dieser hat angeordnet, daß nach der jetzt in der Hauptsache durchgeführten Mobil­machung die Bauarbeiten seines Geschäftsbereichs unges 8 um't wieder aufzunehmen und nach Mög­lichkeit zu fördern seien, umder Arbeitslosig­keit in tunlichst weitem Umfange zu st. euern. Auch der Ersatz der zur Fahne einberu- fenen Bahnunterhaltungs-, Werkstätten- und sonsti­ger Arbeiter werde einer Anzahl Arbeitsloser Ar­beitsgelegenheit geben. Der württ. Staat sollte ähn­liche Maßnahmen baldigst treffen, da sonst Arbeits­losigkeit und Verdienstlosigkeit, wie sie schon vielfach in der Industrie herrschen, immer mehr um sich grei­fen, wodurch die Unterstützungsaufgabe von Staat und Gemeinden erhöht wird; auch lehrt die Erfah­rung, daß nach dem Kriege solche Arbeiten viel teurer zu stehen kommen werden, als wenn man sie jetzt ausführen läßt. Es ist auch eine vater­ländische Tat, wenn der Staat gerade jetzt in der Milderung der Arbeitsnot mit gutem Beispiel vorangeht!

Junge Helden.

Wir haben gehört von dem siebziger Krieg,

Wies die Väter in Frankreich gehalten,

Wie sie schritten von Sieg zu Sieg Gegen all der Franzosen Gewalten.

Dann hieß es, jetzt gibts so was nicht mehr,

Die Jungen leisten das nimmer

Sie sind schlapp und verweichlicht zu sehr.

Von Schneid und Gehorsam kein Schimmer.

Nun, lieber Vater, was sagst du heut,

Wo im Sturm wir Lüttich genommen,

Nach den Kämpfen im Osten hinten weit,

Wo die Schlacht bei Lagarde gewonnen.

Mit Franken und Russen nehmen wirs auf,

Dazu auch noch mit den Briten.

Ohne Furcht, und schneidig gehen wir drauf,

Im Sturm wird weiter geritten.

Reich mir die Hand her und drücke sie gut,

Gern kann ichs und freudig dir melden:

In euch ist noch gutes Germanenblut Aechte Söhne der alten'Helden.

Stein.

-Vlidewsftr'lo kür'kinöen uns Xnsnke