Nebenzimmer eine gründliche Untersuchung des Hosenbodens auf der Südseite unseres Mesners vor und fand zwischen den Hosen das vollgespickte Nadelkissen der Mesner in, das vermutlich bei Vornahme von Reparaturen darin liegen geblieben war.
Friedrichshafen, 20. Jan. Die Errichtung einer Garnison gab den Gemeindekollegien Veranlassung, ihrer Freude darüber auch in einer eigenen Feier Ausdruck zu verleihen. Dieses geschah gestern abend im Seehotel. Die gegen 160 Mann starke Koinpagnie wurde festlich bewirtet und anschließend daran ein Bierabend arrangiert, zu dem sich neben den Offizieren ünd Gemeindekollegien auch die Bürgerschaft in recht großer Zahl eingefunden hatten._
Ars» Welt Aett.
Die badische Münchner Gesandtschaft bewilligt.
Karlsruhe, 20. Jan. Die Budgetkommission der Zweiten Kammer verhandelte in ihrer heutigen Sitzung über die Bewilligung der Mittel für die Münchner Gesandtschaft. Der Posten war von dem letzten Landtag für das Jahr 1913 gestrichen worden, wurde aber von der Regierung in den diesjährigen Etat wieder eingestellt, um, wie es in der Begründung heißt, den Landständen Gelegenheit zu geben, zu der Frage nochmals Stellung zu nehmen. Bei der Abstimmung in der Budgetkommifsion wurde die Forderung der Regierung mit 13 gegen 4 Stimmen angenommen. Dafür stimmten die Kommissionsmitglieder vom Zentrum, den Nationalliberalen und den Konservativen, dagegen die Sozialdemokraten und Fortschrittler.
104 Jahre alt.
Rach den Münchner Neuesten Nachrichten wurde die am 11. Jan. 1804 zu Oberding geborene jetzt in München lebende Cordula Burger am 11. Jan. d. Js. 104 Jahre alt, ein Alter, das im Gegensatz zu ähnlichen Fällen durch das Geburtszeugnis der Matrone einwandfrei nachgewiesen sei. Frau Burger, die noch vor einigen Jahren erstaunlich frisch war, ist recht hinfällig geworden, sie sieht und hört kaum mehr und kann sich nicht mehr selbst fortbewegen, erfordert also eine außerordentliche Pflege, die ihr von ihren beiden Töchtern, der 61jährigen Sekretärswitwe Therese Burger und der 74jährigen Cordula Burger, in aufopfernder Weise zuteil wird. Den größten Teil des Tages bringt die Greisin im Bett zu. Zu Mittag gegen 1 Uhr bekommt sie eine Tasse leicht eingekochte Suppe und abends leere Fleischsuppe. Hin und wieder verlangt sie auch nach Bier, das ihr aber nur mit Zucker versüßt schmeckt. Um 4 Uhr geht sie meistens schon wieder zu Bett. Trotz ihrer körperlichen Hinfälligkeit ist Frau Burger noch recht gesprächig ; kommt sie einmal ins Reden, dann geht es ununterbrochen fort, stellenweise ganz folgerichtig, meist aber kunterbunt durcheinander. Da wechseln Bilder aus der Jugendzeit mit Erinnerungen aus Brautzeit und Eheleben, und ihr vor 54 Jahren gestorbener Mann spielt eine große Rolle in ihren Memoiren. Doch hat sie keine rechte Freude mehr am Leben. „Jetzt sag'n S' mir alleweil, daß i scho so alt bin, warum ko t denn net sterb'n?" äußert sie wiederholt. „Was tua i denn no auf dera Welt; i bin zu nix mehr nutz und bin nur alle Leut a Last. So vui Leut sterb'n, warum derf denn i net sterb'n? Freili, krank bin l net, effrr ko t no alleweil und schmeck'n tut's ma a! Aba seg'n tua i net, hör'n tua i- net, arbeit'n ko i nix mehr und muaß sitz'n bleib'n, wo's mi hin- setz'n. Dös is halt koa Leb'n net mehr."
Die deutschen Sparkassen.
Trotz der Zeiten Ungunst hat die Spartätigkeit des deutschen Volkes weiterhin zugenommen. Im Monat November verzeichneten die 233 Sparkassen, die ihre Ergebnisse in einer eigenen Zeitschrift veröffentlichen, einen Zuwachs von 15
Millionen .A. Diese Kassen stellen mit ihrem Einlagenbestand etwa ein Drittel des GesamtbestandeS der deutschen Sparkassen dar, woraus auf einen Gesamtzuwachs der Spartätigkeit von 40—45 Millionen im November zu schließen ist. Im Jahr zuvor ergab der November eine Abnahme um 35 Millionen als Folge der Balkankrtsis.
Rodelschnee als Eilgut.
Hamburg, 20. Jan. Unsere sportliebende Zeit, die besonders auch den Wintersport begünstigt, hat einen Gastwirt in der benachbarten Ortschaft Hausbruch-Neugraben auf einen Gedanken gebracht, dem der Reiz der Neuheit nicht abzusprechen ist. Doch ehe wir mitteilen, um was es sich handelte, sei gesagt, daß der genannte Ort gewissermaßen in den Bergen (bescheidener ausgedrückt: Hügeln) der sogenannten Hake liegt, des Harburger Waldes, dessen Bäume eine ganze Auswahl recht annehmbarer Bodenerhebungen einfassen. Im Winter, wenn guter Schneefall gewesen ist, tut sich in diesen Bergen ein lustiges Rodlerleben auf, und da man weiß, daß man in Harburg und nicht in Partenkirchen ist, spannt man seine Ansprüche an die Mächtigkeit der Schneedecke nicht so hoch und ist auch mit einer bescheidenen Schicht zufrieden. Leuchtet es weiß im Harburger Walde, dann sind seine Hügel mit sporttreibenden Menschen besät. Nun aber hat das letzte Tauwetter den schönen Schnee aufgesogen, und der nachfolgende Frost ist bis jetzt schneelos verlaufen. Das ist natürlich für die Besitzer der dortigen Gasthöfe betrüblich. Und so dachte einer von ihnen in einer stillen Stunde darüber nach, was wohl zu tun sei, um auch im Winter das Geld im Kasten klingen zu lassen. Er sah einen Güterzug vorbeifahren, in dem eine Reihe von Eiswagen eingefügt war. Heureka! Er hatt' es! Wenn man Eis „importieren" kann, so steht auch der Einfuhr von Schnee nichts im Wege. Die Sache ist zwar etwas ungewöhnlich, aber das tut nichts, denn die Idee ist gut und verspricht einen Zustrom von Gästen. Und so ließ sich denn der schlaue Besitzer der dortigen Rodelbahn flugs vom Harz etliche 50 Kubikmeter wunderschönen Rodelschnees als Eilgut kommen und belegte damit seine Bahn. Es soll ejne sehr gute Rodelfläche geworden sein. Vielleicht eröffnet sich dem Harz, dem Riesengebirge und andern schneereichen Gefilden hiernach die Aussicht auf ein ganz neuartiges Ausfuhrgeschäft.
Ein Kampf mit Verbrechern.
Mac Alester (Oklahoma), 20. Jan. Drei Insassen des hiesigen Strafgefängniffes unternahmen einen Ausbruchversuch. Nachdem sie sich in den Besitz von Revolvern gesetzt und sich der Schlüssel eines Wächters bemächtigt hatten, stürzten sic auf die Gefängnistore zu, indem sie Schüsse auf die herbeieilenden Wächter abgaben und dabei ein Telephonmädchen als lebendiges Schutzschild gebrauchten. Sobald sie die Tore aufgeschlossen hatten, ließen sie das Mädchen los, das durch einen Schuß eines Wächters verwundet worden war. Vier Wächter wurden von den Ausbrechern nieder g e s ch o s s e n, die sodann auf einen Wagen sprangen. Während die Wächter auf die Fliehenden feuerten, verfolgten andere sie zu Pferde und es entstand ein lebhaftes Feuergefecht. Schließlich wurden alle 3 Ausbrecher erschossen. Getötet wurde bei dem Kampf auch das frühere Mitglied des Kongresses Thomas aus Illinois, der gerade das Gefängnis besichtigte.
Wert unserer Pferde und unsres Viehs. Der Verkaufswert der Hauptviehgattungen in Württemberg betrug nach den Feststellungen bei der letzten Viehzählung 513 295 000 Der Wert der einzelnen Gattungen war folgender: Pferde (einschließlich Mflitärpferde) 85 737 000 Maultiere und Maulesel 1950 000 Esel 2 746 000 Rindvieh
376 437 000 Schweine 35 029 000 Ziegen 3 565 000 Mark.
Famttieir-Nachrichten.
Todesfälle: Sofie v. Fabriezy geb. Ziegler. Hch. Gutekunst, Bankbeamter, 47 I. Berta Jehle geb. Lutz, 26 I. Maria Egenter geb. Proß. Friederike Kerler geb. Schuber, Witwe. Eberhard Heller, Kaufmann in Newyork. Hch. H. Gutekunst, Kommerzienrat, 81 I. Karoline Troquet geb. Siegle. Sophie Weber geb. Schwab, Witwe, 52 I. Lina Weiß, Witwe geb. Eckstein Karl Traub, Hofrat 72 I. Oberlehrer a. D. Dr. Phil. Eugen Hölder, 1870 Pfarrer in Ostelsheim, 1873 Helfer in Reutlingen 1882 Oberhelfer daselbst, auf Ansuchen 1883 enthoben, 75 I. Marta Mohrweiß, Oberschwester in Ulm. Gustav Frösner. Karoline Greis geb. Bettle. Luise Laher geb. Wanner, 71 I. Paul Lamprecht. Kresz. Kolar, Witwe. Wilh. Lock, Witwe, geb. Lutz, 67 I- Pauline Küchele geb. Wörner, Witwe. Johs. Sichler, Postunterbeamter a. D., 75 I. Karl Strenger, 54 I. — München: K. württembergischer Oberstleutnant a. D. Wilhelm v. Eisenmann, zuletzt (1890) 1. Art.-Offizier vom Platz der Festung Mainz (a la suite des Fußart.-Bat. Nr. 13 in Ulm), Feldzüge 1866 und 1870—71, Ritter des Militärverdienstordens, 73 I. —
Zur Aurzrvail.
In Celle, dem Sitz des Oberlandesgerichts für die Provinz Hannover, so wird der Täglichen Rundschau geschrieben, herrscht bei einem Teil der Bevölkerung furchtbare Entrüstung und grimmiger Zorn. Den Anlaß zu der Erschütterung des seelischen Gleichgewichts gab das — Honoratiorenzimmer in einem Gasthof. Dieses Zimmer ist nur für die „Auserlesenen" von Celle bestimmt, und wer nicht dazu gehört, wird in das andere Gastzimmer geführt. Diese Teilung in zwei Klaffen aber will sich ein Teil der Einwohner durchaus nicht gefallen lassen. In langen Eingesandts an das Lokalblatt kommt die Entrüstung zum Ausdruck. Der eine von diesen Artikeln enthält einige Perlen köstlichen Humors. Sie verdienen es, daß sie allgemein bekannt werden. „Es ist wirklich Zeit", so schreibt der Einsender, „daß in diese Zustände endlich einmal mit dem Seziermesser der Kritik hi neingeleuchtet wird. Eine wenig angenehm duftende Blüte kleinstädtischen Geistes entrollt sich da vor unfern Ohren." Den Höhepunkt bedeuten aber die pathetischen dreisprachigen Schlußsätze: „Augias hilf! Vivant ccm8ule8> Volksfreunde tottie krönt!" Die bilderreiche Sprache, die Geringschätzung für lateinische Vokabeln und die freiheitliche Auffassung der griechischen Sage sind bezeichnend für den Zorn des Celler Androklus — wollte sagen Achilles.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Vuchdruckerei.
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Das„Anti-Selbstmordbureau"derHe1lsarmee.
Die erste umfassende und erschöpfende Darstellung der großartigen Entwicklung und der außerordentlichen Leistungen, die der Heilsarmee, der Gründung des Generals Booth, bisher beschieden waren, bietet ein soeben im Verlage von Eugen Diederichs in Jena erschienenes Werk „Der Salutismus" von Dr. Clasen. Unter den zahlreichen menschenfreundlichen Einrichtungen, die diese große Bewegung hervorgerufen hat, dürfte wohl eine der eigenartigsten das „Antiselbstmordbureau", die Beratungsstelle für Lebensmüde, sein, die Ende 1906 zuerst in London eröffnet wurde und dann bald in andern Städten und Ländern Nachahmung fand. Die Beschäftigung mit dem Selbstmord war den Leitern und Mitgliedern der Heilsarmee bereits seit langem etwas ganz Natürliches; denn sie hatten ja an der Vußbank immer wieder mit Leuten zu tun, die fest entschlossen gewesen waren, ihrem Leben ein Ziel zu setzen. So erließ denn General Booth einen Aufruf, in dem er zunächst fragte: „Kann denn nichts getan werden, damit die Zahl der Selbstmörder nicht fortwährend steigt? Ich denke, wir können etwas tun, wenn wir denen, die keine Freunde haben, ein Freund find . . Ich habe nun zwei Offiziere bestimmt, die denen, die sich mit Selbstmordgedanken tragen, Rat geben und sie von dem verkehrten Weg zurückhalten sollen. Natürlich bin ich mir bewußt, daß manche Gefahren mit einem solchen Plan verbunden find; aber ich denke, daß die festen Regeln, die ich für diese Offiziere aufgestellt habe, genügend sein werden. Sie werden keine Eeldunter- ftützung geben, um Betrügereien vorzubeugen; ebenso werden alle Mitteilungen als streng vertraulich behandelt werden; auch wird nach dem Vorleben und den Verhältnissen der Ratsuchenden nicht unnötig gefragt «erden. Die strengste Verschwiegenheit wird über alles
bewahrt, und ohne ausdrückliche Genehmigung der Be-! treffenden wird nichts ausgeschrieben." Die neue Einrichtung wurde von Anfang an stark in Anspruch genommen. Man zählte 600 Fälle in den ersten zwei Monaten, 1124 im ersten Jahre. Schon im Januar 1907 wurden in verschiedenen großen englischen Städten, so Bristol, Leeds, Manchester, Zweigstellen eingerichtet und im selben Jahre in Newyork, Toronto, Kopenhagen, Sydney, Melbourne, Adelaide und in Japan, wo das Antiselbstmordbureau der Nationalsitte des Harakiri in wirksamer Weise entgegenarbeitete.
Tolstoi interessierte sich sehr für diese neue Idee von Booth und wirkte in Rußland dafür. Seitdem sind in den meisten Großstädten der Welt solche Beratungsstellen der Heilsarmee entstanden, auch in Berlin. In London werden jetzt jährlich über 1500 Fälle behandelt, von denen nur ein Dutzend etwa verstockt bleiben und die Offiziere dann trotz heißen Bemühens am andern Tage den Selbstmord in den Zeitungen lesen. So werden in London und auf der ganzen Welt alljährlich durch die Heilsarmee eine große Anzahl Menschen vor der Selbstvernichtung bewahrt. Ueber die Gründe, die nach den Erfahrungen der Salutisten hauptsächlich zum Selbstmord führen, unterrichtete eine interessante Statistik, die vom 1. Januar 1907 bis 1. Januar 1913 geht. Danach befanden sich unter den Behandelten 4389 — 55 die wegen finanzieller Schwierigkeiten und hoffnungsloser Armut aus dem Leben scheiden wollten. Bei 1740 — 21 war Krankheit und anderes nicht materielles Unglück die Ursache, bei 788 — 10 ^ Geistesstörung und dergl., bei 735 — 9 H Trübsinn durch Vereinsamung und dergl., bet 386 — 5 A Unterschlagung, Fälschung und dergl. Alle Stände und Gesellschaftsklassen find unter denen vertreten, die Isich an das Antiselbstmordbureau wenden; doch Uber
wiegen die Angehörigen der höheren Klassen ganz außerordentlich. Persönlich, brieflich, telephonisch und telegraphisch melden sie sich und sagen, sie fänden keinen Ausweg mehr. Der Offizier zeigt dann dem einen in mehr, dem andern in weniger behutsamer Form, daß es noch tausend Wege für ihn zur Rettung gibt. „Sie haben sich mit Ihrem Weibe entzweit. Gut, ich werde mich mit ihr ins Einvernehmen setzen, und die Geschichte ist bald geregelt," so etwa lauten die Ratschläge. „Sie haben Ihren Arbeitgeber betrogen. Gut, auch ein Arbeitgeber ist noch zu erweichen. Ich werde diesen Abend die Sache mit ihm ins reine bringen. Sie haben ein Verbrechen begangen. Gut, seien Sie ein Mann, stellen Sie sich zur Verurteilung und tragen Sie Ihre Strafe. So bekommen Sie die Last von der Seele, und wir werden im Gefängnis und bei der Entlassung nach Ihnen sehen." Einige andere Fälle aus den Protokollen mögen das Verfahren noch weiter veranschaulichen: „Ein stets übellauniger Mensch kam mit dem Rasiermesser in der Tasche, weil er daran zweifelte, es auf einer Stelle auszuhalten. Er ist nun in einer Einzelstellung, wo er mit niemandem zu tun hat, und kommt gut vorwärts. — Eine Frau gesteht ihrem Manne einen Jugendfehler ein und bekommt ihn immer wieder vorgehalten; es gelang, sie vom Selbstmord zurückzuhalten und den ehelichen Frieden dauernd zu sichern u. s. w." In der Londoner Beratungsstelle ist ein kleines Museum angelegt von Giften, Messern. Revolvern und zahlreichen anderen Mitteln, die bestimmt waren, den gordischen Knoten des Lebens gewaltsam zu lösen. Daneben aber liegen ganze Stütze von Briefen, in denen Menschen, die alles verloren glaubten, ihre tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck bringen für den Stifter der Heilsarmee, der ihnen allen zu- I rief: „Ehe Ihr das Letzte tut, versucht das Letzte!"